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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §52;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Pallitsch, Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Mag. Dr. Regina Schedlberger, Rechtsanwältin in 8045 Graz, Andritzer Reichsstraße 42, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 3. Mai 2002, Zl. FA13B-39- 1811/02-1, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer ist schuldig, dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem Mandatsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Liezen vom 17. Jänner 2002 wurde dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung für die Klassen A und B für die Dauer der gesundheitlichen Nichteignung entzogen. Als Rechtsgrundlagen wurden die §§ 8, 24 Abs. 1 Z. 1 und 25 Abs. 2 FSG und "§§ 2 - 18" FSG-GV genannt. Zur Begründung wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
"Gem. § 25 Abs. 2 FSG ist bei einer Entziehung wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung die Entziehungszeit für die Dauer der Nichteignung festzusetzen.
Da S. innerhalb der Probezeit drei schwere Verstöße (1x Fahrerflucht, 2x Geschwindigkeitsüberschreitung) begangen hat, wurde die Probezeit jeweils unter Anordnung einer Nachschulung 3x, zuletzt bis 27.06.2001, verlängert. Innerhalb der dritten Verlängerung der Probezeit hat S. neuerlich 2 schwere Verstöße begangen.
Am 15.1.2001 um 23.12 Uhr hat er als Lenker des Kraftfahrzeuges auf der B 1, Höhe Str.Km 293,1 im Ortsgebiet von Hallwang die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 44 km/h überschritten.
Am 09.04.2001 um 22.33 Uhr hat er in Graz 4, Bahnhofgürtel Nr. 31-33, nördliche Fahrtrichtung, als Lenker des PKW die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h überschritten, wobei die Fahrgeschwindigkeit 76 km/h betrug.
Aufgrund dieser Verstöße wurde eine amtsärztliche Untersuchung des Herrn S. hinsichtlich seiner gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen A und B veranlasst.
Die Amtsärztin hat am 14.01.2002 festgestellt, dass der oben Genannte zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen A und B nicht geeignet ist und dies wie folgt begründet:
Unter Bezug auf die VPU vom 19.12.2001 mit folgenden Ergebnissen:
Bei der kraftfahrspez. Leistungsprüfung fanden sich unter Belastungsbedingungen vermehrte verzögerte Reaktionen, die Überprüfung der Konzentrationsfähigkeit ist durch reduzierte Sorgfaltsleistung beeinträchtigt, verlängerte Gesamtzeit b.d. Koordination d. Muskelbewegungen; in der Persönlichkeitstestung fanden sich die Neigung zu riskanten Fahrmanövern und zu impulsiven Verhaltensweisen im Straßenverkehr, Neigung zur Selbstüberschätzung und reduz. soziale Anpassungsbereitschaft mit emotionaler Labilität.
Aus den dargelegten Gründen war davon auszugehen, dass die gesundheitlichen Eignungsvoraussetzungen nicht mehr gegeben sind. Es war daher die Lenkberechtigung zu entziehen."
Dem war die verkehrspsychologische Untersuchung des Beschwerdeführers vom 19. Dezember 2001 vorangegangen. In der darüber verfassten Stellungnahme vom 20. Dezember 2001 wird unter anderem Folgendes ausgeführt:
"Zusammenfassung der Befunde/Gutachten
Unter Belastungsbedingungen im Test mit dem Determinationsgerät (RST3) kommt es in Phase 2 zu tendenziell vermehrten verzögerten Reaktionen. Die Überprüfung der Konzentrationsfähigkeit (Q1-Test) ist durch reduzierte Sorgfaltsleistung beeinträchtigt. Die Koordination der Muskelbewegungen (Senso) ist durch eine deutlich verlängerte Gesamtzeit in den Phasen 1 und 3 gekennzeichnet.
Es bestehen somit Beeinträchtigungen in den Bereichen des Reaktionsverhaltens, der Konzentrationsfähigkeit und der Sensomotorik.
Seitens der Persönlichkeit des Untersuchten fanden sich Hinweise auf hohe Bereitschaft zur Selbstkritik.
Demgegenüber wurden jedoch wesentliche Gefährdungsmomente objektiviert. Als äußerst problematisch zu beurteilen ist die Neigung zu riskanten Fahrmanövern und zu impulsiven und unüberlegten Verhaltensweisen im Straßenverkehr. Im Zusammenhang damit ist auch die überhöhte soziale Expressivität und Selbstsicherheit sowie die Neigung zur Selbstüberschätzung und die reduzierte soziale Anpassungsbereitschaft als besonders kritisch anzusehen. Es wurde auch emotionale Labilität objektiviert. Dabei besteht die Gefahr besonders impulsiven und irritierbaren Verhaltens mit reduzierter psychischer Belastbarkeit.
Eine Bestätigung der oben angeführten Befunde zeigt auch die psychologische Analyse der Vorgeschichte. Trotz negativer Konsequenzen (Nachschulung, Geldstrafen) ist es zu wiederholter Auffälligkeit im Straßenverkehr gekommen. Der Untersuchte ist nicht in ausreichendem Maße gewillt, sich an explizite soziale Regeln und Normen zu halten. Er zeigt sich im explorativen Gespräch uneinsichtig gegenüber den logischen Konsequenzen seiner Übertretungen und führt subjektive Gründe an, die er in ihrer Bedeutung höher bewertet als Verkehrsvorschriften. In diesem Zusammenhang zeigen sich wesentliche Hinweise auf Reifungsrückstände. Es kann daher zur Zeit nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Untersuchte von sich aus künftig angepasst im Straßenverkehr verhält.
Aufgrund dieser Befunde sind somit ausreichende kraftfahrspezifische Leistungsfunktionen und ausreichende Bereitschaft zur Verkehrsanpassung derzeit nicht gegeben.
Herr S. ist daher aus verkehrspsychologischer Sicht zum Lenken von Kfz der Klassen A und B derzeit
nicht geeignet.
Bemerkung:
Im gegenständlichen Fall erscheint es durchaus möglich, dass es durch den Reifungsprozess zu einer Stabilisierung der Persönlichkeit und einer Verbesserung der kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen kommt. Wir empfehlen daher eine nochmalige verkehrspsychologische Untersuchung in ca. 1 Jahr."
Die amtsärztliche Sachverständige der Erstbehörde hatte daraufhin in ihrem Gutachten vom 14. Jänner 2002 den Beschwerdeführer als zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 nicht geeignet befunden und dies mit den Ergebnissen der verkehrspsychologischen Stellungnahme begründet, nach denen die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit und die Bereitschaft zur Verkehrsanpassung nicht ausreichend gegeben seien.
In seiner Vorstellung gegen den Mandatsbescheid brachte der Beschwerdeführer vor, dass die verkehrspsychologische Stellungnahme und das amtsärztliche Gutachten nicht richtig seien und aus dem von ihm beigebrachten Befund des FA für Psychiatrie und Neurologie Dr. T. hervorgehe, dass der Beschwerdeführer zum Lenken von Kraftfahrzeugen geeignet sei.
Mit Bescheid vom 26. März 2002 entzog die Bezirkshauptmannschaft Liezen in Erledigung der Vorstellung dem Beschwerdeführer gemäß § 8, § 24 Abs. 1 Z. 1 und § 25 Abs. 2 FSG die Lenkberechtigung für die Klassen A und B für die Dauer der gesundheitlichen Nichteignung. In der Begründung stützte sich die Behörde auf das amtsärztliche Gutachten, welches schlüssig sei. Im Befund Dris. T. finde sich kein Hinweis, dass der Beschwerdeführer ohne psychotherapeutische Gespräche geeignet wäre, Kraftfahrzeuge zu lenken.
In der dagegen erhobenen Berufung rügte der Beschwerdeführer neuerlich die Unrichtigkeit der verkehrspsychologischen Stellungnahme und des amtsärztlichen Gutachtens, verwies auf den von ihm beigebrachten fachärztlichen Befund, und brachte vor, die Behörde wäre, soweit sie den fachärztlichen Befund als nicht ausreichend erachtete, verpflichtet gewesen, einen Facharzt beizuziehen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab und führte begründend aus, wenn im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten eine Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle - nur eine derartige vom zuständigen Bundesminister ermächtigte Stelle dürfe diese Stellungnahme abgeben - erforderlich sei, sei das Gutachten von einem Amtsarzt zu erstellen. Der Facharzt Dr. T. habe nicht die Qualifikation eines Verkehrspsychologen und könne die verkehrspsychologische Stellungnahme insbesondere in Bezug auf die hier maßgebliche Feststellung der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung nicht ersetzen. Eine ausreichende Bereitschaft zur Verkehrsanpassung sei eine der wesentlichen Komponenten der gesundheitlichen Eignung zur Lenken von Kraftfahrzeugen, bei deren Fehlen die Lenkberechtigung entzogen werden könne. Für die Erfassung dieser Eignungsvoraussetzung sei insbesondere das soziale Verantwortungsbewusstsein, die Selbstkontrolle, die psychische Stabilität und die Risikobereitschaft des Betreffenden zu untersuchen sowie zu prüfen, ob eine Tendenz zu aggressiver Interaktion im Straßenverkehr bestehe und ob sein Bezug zum Autofahren kritisch von der Norm abweiche. Zur Überprüfung der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung sei neben einem verkehrsbezogenen Persönlichkeitstest auch ein ausführliches Explorationsgespräch vorzunehmen. Nach der erstatteten verkehrspsychologischen Stellungnahme, die die genannten Voraussetzungen hinsichtlich der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung erfülle, und dem schlüssigen Gutachten der Amtsärztin sei der Beschwerdeführer aus verkehrspsychologischer Sicht zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht geeignet
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des FSG (in der Fassung BGBl. I Nr. 32/2002) lauten (auszugsweise):
"§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:
...
3. gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9),
...
§ 8. (1) Vor der Erteilung einer Lenkberechtigung hat der Antragsteller der Behörde ein ärztliches Gutachten vorzulegen, dass er zum Lenken von Kraftfahrzeugen gesundheitlich geeignet ist. Das ärztliche Gutachten darf im Zeitpunkt der Entscheidung nicht älter als ein Jahr sein und ist von einem im örtlichen Wirkungsbereich der Behörde, die das Verfahren zur Erteilung der Lenkberechtigung durchführt, in die Ärzteliste eingetragenen sachverständigen Arzt für Allgemeinmedizin zu erstellen.
(2) Sind zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens besondere Befunde oder im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten eine Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle erforderlich, so ist das ärztliche Gutachten von einem Amtsarzt zu erstellen; der Antragsteller hat diese Befunde oder Stellungnahmen zu erbringen. ... .
...
§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
1.
die Lenkberechtigung zu entziehen oder
2.
die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Bedingungen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. ... .
(2) Die Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung kann auch nur hinsichtlich bestimmter Klassen ausgesprochen werden, wenn der Grund für die Entziehung oder Einschränkung nur mit der Eigenart des Lenkens dieser bestimmten Klasse zusammen hängt. ... .
...
(4) Vor der Entziehung oder Einschränkung der Gültigkeit der Lenkberechtigung wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung ist ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8, vor der Entziehung wegen mangelnder fachlicher Befähigung ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen.
..."
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen der Führerschein-Gesundheitsverordnung (FSG-GV) lauten (auszugsweise):
"Begriffsbestimmungen
§ 1. (1) Im Sinne dieser Verordnung bedeutet:
...
3. verkehrspsychologische Untersuchung eines Bewerbers um eine Lenkberechtigung oder eines Führerscheinbesitzers: diese besteht aus
a) der Prüfung seiner kraftfahrspezifischen verkehrspsychologischen Leistungsfähigkeit und
b) der Untersuchung seiner Bereitschaft zur Verkehrsanpassung
...
§ 3. (1) Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse im Sinne des § 8 FSG gesundheitlich geeignet gilt, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften
...
4. aus ärztlicher Sicht über die nötige kraftfahrspezifische psychophysische Leistungsfähigkeit verfügt.
Kraftfahrzeuglenker müssen die für ihre Gruppe erforderlichen gesundheitlichen Voraussetzungen gemäß den nachfolgenden Bestimmungen erfüllen.
...
Verkehrspsychologische Stellungnahme
§ 17. (1) Die Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle gemäß § 8 Abs. 2 FSG ist im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten insbesondere dann zu verlangen, wenn der Bewerber um eine Lenkberechtigung oder der Besitzer einer Lenkberechtigung Verkehrsunfälle verursacht oder Verkehrsverstöße begangen hat, die den Verdacht
1.
auf verminderte kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit oder
2.
auf mangelnde Bereitschaft zur Verkehrsanpassung erwecken. Mangelnde Bereitschaft zur Verkehrsanpassung ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn einem Lenker innerhalb eines Zeitraumes von fünf Jahren die Lenkberechtigung dreimal entzogen wurde, oder wenn ein Lenker wegen einer Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 lit. b oder c StVO 1960 bestraft wurde.
(2) Die Vorlage einer verkehrspsychologischen Stellungnahme ist im Hinblick auf das Lebensalter jedenfalls zu verlangen, wenn auf Grund der ärztlichen Untersuchung geistige Reifungsmängel oder ein Leistungsabbau im Vergleich zur Altersnorm zu vermuten sind; hierbei ist auch die Gruppe der Lenkberechtigung zu berücksichtigen.
(3) Eine verkehrspsychologische Stellungnahme ist jedenfalls von folgenden Personen zu erbringen:
1.
Bewerbern um eine Lenkberechtigung für die Klasse D,
2.
Bewerbern um eine vorgezogene Lenkberechtigung für die Klasse B, es sei denn, der oder die Erziehungsberechtigten bestätigen das Vorhandensein der nötigen geistigen Reife und sozialen Verantwortung des Bewerbers,
3. Bewerbern um einen Mopedausweis, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sowie
4. Bewerbern um eine Lenkberechtigung, die fünfmal den theoretischen Teil der Fahrprüfung oder viermal den praktischen Teil der Fahrprüfung nicht bestanden haben und bei denen auf Grund einer ergänzenden amtsärztlichen Untersuchung Zweifel an deren kraftfahrspezifischer Leistungsfähigkeit, insbesondere an der Intelligenz und am Erinnerungsvermögen bestehen. ...
Verkehrspsychologische Untersuchung
§ 18. (1) Die Überprüfung der einzelnen Merkmale ist nach dem jeweiligen Stand der verkehrspsychologischen Wissenschaft mit entsprechenden Verfahren vorzunehmen. Die Relevanz dieser Verfahren für das Verkehrsverhalten muss durch Validierungsstudien wissenschaftlich nachgewiesen werden.
(2) Für die Überprüfung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit sind insbesondere folgende Fähigkeiten zu überprüfen:
1.
Beobachtungsfähigkeit sowie Überblicksgewinnung,
2.
Reaktionsverhalten, insbesondere die Geschwindigkeit und Sicherheit der Entscheidung und Reaktion sowie die Belastbarkeit des Reaktionsverhaltens,
3.
Konzentrationsvermögen,
4.
Sensomotorik und
5.
Intelligenz und Erinnerungsvermögen.
(3) Für die Erfassung der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung ist insbesondere das soziale Verantwortungsbewusstsein, die Selbstkontrolle, die psychische Stabilität und die Risikobereitschaft des zu Untersuchenden zu untersuchen sowie zu prüfen, ob eine Tendenz zu aggressiver Interaktion im Straßenverkehr besteht und ob sein Bezug zum Autofahren kritisch von der Norm abweicht. Zur Überprüfung der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung ist neben einem verkehrsbezogenen Persönlichkeitstest auch ein ausführliches Explorationsgespräch durchzuführen. Dieses darf nur von einem gemäß § 20 für Verkehrspsychologie qualifizierten Psychologen geführt werden oder, unter seiner Verantwortung und in seinem Beisein, von einem in Ausbildung zum Verkehrspsychologen befindlichen Psychologen.
..."
Der Beschwerdeführer wendet gegen den angefochtenen Bescheid im Wesentlichen ein, er habe den Befund eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie vorgelegt, aus dem sich ergebe, dass er an Aufmerksamkeitsdefizit, Hyperaktivitätsstörung, geringgradiges Residuum im Erwachsenenalter, leide "(sog. ADHS)". Aus dem fachärztlichen Befund gehe weiters hervor, dass der Beschwerdeführer mit begleitenden psychotherapeutischen Gesprächen geeignet sei, "Fahrzeuge der Gruppe A und B" sicher und verantwortungsvoll zu lenken. Trotz dieses Befundes habe sich die belangte Behörde (ausschließlich) auf die verkehrspsychologische Stellungnahme und das amtsärztliche Gutachten gestützt. Dies sei jedoch nicht ausreichend, sondern es hätte eine fachärztliche Untersuchung des Beschwerdeführers angeordnet werden müssen. Der verkehrspsychologischen Stellungnahme komme keine eigenständige Bedeutung zu, sondern sie könne erst im Rahmen des zu erstattenden ärztlichen Gutachtens verwertet werden; hierbei müsse ersichtlich sein, auf welchem Weg der Verfasser des Befundes und mit ihm der ärztliche Sachverständige zu bestimmten Schlussfolgerungen gelangt sei und welche Werte die einzelnen angewendeten Tests ergeben hätten. Das amtsärztliche Gutachten entspreche jedoch nicht diesen Grundsätzen.
Dieses Vorbringen ist nicht zielführend.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sowohl hinsichtlich der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit als auch hinsichtlich der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung bereits wiederholt betont, dass verkehrspsychologische Stellungnahmen eine nachvollziehbare Grundlage für das zu erstattende ärztliche Sachverständigengutachten bilden, wenn aus ihnen die durchgeführten Tests und die dabei erzielten Ergebnisse hervorgehen und begründet wird, warum Testergebnisse außer der Norm liegen (siehe zB. das hg. Erkenntnis vom 28. Mai 2002, Zl. 2002/11/0061).
Die Erstbehörde veranlasste die amtsärztliche Untersuchung des Beschwerdeführers - wie eingangs wiedergegeben - auf Grund mehrerer Verstöße im Straßenverkehr ("1x Fahrerflucht, 2x Geschwindigkeitsüberschreitung"), die der Beschwerdeführer in der Probezeit begangen habe und derentwegen die Probezeit drei Mal (bis 27. Juni 2001) verlängert worden sei. Der Beschwerdeführer habe aber während der letzten Verlängerung erneut zwei schwere Verstöße begangen, und zwar am 15. Jänner 2001 eine Überscheitung der im Ortsgebiet zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 44 km/h und am 9. April 2001 eine Überschreitung der im Ortsgebiet zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 26 km/h. Diese Delikte und den Umstand, dass sie in der Probezeit begangen wurden, hat der Beschwerdeführer in der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung nicht bestritten.
Das von der belangten Behörde ihrer Entscheidung zu Grunde gelegte amtsärztliche Gutachten verweist im Wesentlichen auf die Ergebnisse der verkehrspsychologischen Stellungnahme. Darin wird in Ansehung der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung des Beschwerdeführers unter Bedachtnahme auf die Testergebnisse (wobei der jeweils erzielte Prozentrang und die als maßgebend erachteten Grenzwerte angegeben sind), das Explorationsgespräch und die auffällige Vorgeschichte des Beschwerdeführers schlüssig ausgeführt, dass beim Beschwerdeführer infolge der festgestellten Persönlichkeitseigenschaften und Reifungsrückstände (Neigung zu riskanten Fahrmanövern, zu impulsiven und unüberlegten Verhaltensweisen im Straßenverkehr, überhöhte soziale Expressivität und Selbstsicherheit sowie Neigung zur Selbstüberschätzung, emotionale Labilität, nicht ausreichende Bereitschaft, sich an explizite soziale Regeln und Normen zu halten) zur Zeit nicht davon ausgegangen werden könne, er werde sich künftig angepasst im Verkehr verhalten, es sei daher die ausreichende Bereitschaft zur Verkehrsanpassung nicht gegeben. Es begegnet daher keinen Bedenken, wenn die belangte Behörde diese Beurteilung des Beschwerdeführers aus verkehrspsychologischer Sicht ihrer Entscheidung zu Grunde gelegt hat.
Mit dem Hinweis auf das Fehlen einer Auseinandersetzung mit dem beigebrachten fachärztlichen Befund ist für den Beschwerdeführer im Ergebnis nichts gewonnen: Abgesehen davon, dass der Facharzt selbst den Beschwerdeführer nur unter der Voraussetzung "begleitender psychotherapeutischer Gespräche über den Zeitraum eines Jahres" für geeignet zum Lenken von Kraftfahrzeugen hält, findet sich in dem fachärztlichen Befund hinsichtlich der Beurteilung der Bereitschaft des Beschwerdeführers zur Verkehrsanpassung lediglich der nicht näher begründete Satz: "Die in der VPU als so bedenklich interpretierten Persönlichkeitseigenschaften sind nach Ansicht des Untersuchers nur in geringem Maß zutreffend." Dazu kommt, dass sich aus § 18 Abs. 3 FSG-GV - worauf die belangte Behörde zutreffend hinweist - die Notwendigkeit eines "verkehrsbezogenen Persönlichkeitstests" und "ausführlichen Explorationsgesprächs" als Grundlage für die Beurteilung der Bereitschaft zu Verkehrsanpassung ergibt. Da es sich hier um eine in den Fachbereich der Verkehrspsychologie fallende Eignungsvoraussetzung handelt, wäre ein derartiger Test als Grundlage auch einer fachärztlichen Beurteilung, die sich mit der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung befasst, erforderlich. Dass der Facharzt einen solchen Test vorgenommen hat, ist nicht ersichtlich. Der beigebrachte Befund war daher nicht geeignet, die Ergebnisse der verkehrspsychologischen Untersuchung und das amtsärztliche Gutachten zu widerlegen.
Die Amtsärztin hat in ihrer Äußerung vom 25. Feber 2002 ausgeführt, dass das Verhalten des Beschwerdeführers keine schwere psychische Erkrankung habe erkennen lassen, der Beschwerdeführer in der Anamnese von keinen Erkrankungen oder Therapien berichtet habe und die somatische Untersuchung unauffällig gewesen sei, sodass keine Veranlassung bestanden habe, einen Facharzt beizuziehen. Auch aus dem vom Beschwerdeführer vorgelegten fachärztlichen Befund ergibt sich kein Hinweis auf die Notwendigkeit einer weiteren fachärztlichen Abklärung, sodass in dem vom Beschwerdeführer gerügten Unterbleiben der Beiziehung eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie ein relevanter Verfahrensfehler nicht zu erkennen ist.
Im Hinblick auf das Fehlen der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung des Beschwerdeführers als einer wesentlichen Voraussetzung für die Erteilung bzw. Belassung der Lenkberechtigung erweist sich der angefochtene Bescheid schon deshalb als nicht rechtswidrig, sodass die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2002.
Wien, am 23. März 2004
Schlagworte
Anforderung an ein Gutachten Gutachten Auswertung fremder BefundeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2002110131.X00Im RIS seit
13.04.2004