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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §67a Abs1 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde der D in W, vertreten durch Dr. Richard Soyer, Mag. Wilfried Embacher und Mag. Josef Bischof, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Kärntner Ring 6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 18. März 2002, Zl. UVS-02/P/43/60/1999/29, betreffend § 67a Abs. 1 Z 2 AVG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird - ausgenommen insoweit, als er die ihm zugrunde liegende Beschwerde im Punkt der an die Beschwerdeführerin ergangenen Anordnung, sich niederzuknien, abweist - wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben. Im Übrigen ("Niederknien") wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am 30. November 1996 hatte in Wien im Bereich der Universität eine Demonstration stattgefunden. Nach dieser Demonstration war es zur Beschädigung eines Waggons der U-Bahnlinie U2 gekommen, was in weiterer Folge im Bereich der U-Bahnstation Volkstheater zum Einschreiten von Organen der Bundespolizeidirektion Wien gegen die mutmaßlich für die Beschädigungen verantwortlichen Personen geführt hatte.
Die Beschwerdeführerin war Teilnehmerin an der besagten Demonstration. Mit ihrer bei der belangten Behörde eingebrachten Beschwerde machte sie geltend, dass sie im Zuge der Amtshandlung in der U-Bahnstation Volkstheater durch die Vornahme einer Identitätsfeststellung, durch ihre Festnahme um ca. 21.30 Uhr und Anhaltung bis 24.00 Uhr sowie dadurch, dass sie sich entkleiden, während der Amtshandlung die Hände über dem Kopf halten und sich niederknien habe müssen, in näher genannten Rechten verletzt worden sei.
Mit Bescheid vom 21. Juli 1997 wies die belangte Behörde die Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab. Diesen Bescheid hob der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 23. Februar 1998, B 2300/97, auf Grund der mit seinem Erkenntnis vom 10. Oktober 1997, V 17/97 ua., erfolgten Aufhebung der Geschäftsverteilung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien ohne inhaltliche Prüfung der Begründung auf.
Mit Bescheid vom 26. Februar 1999 erkannte die belangte Behörde neuerlich über die bei ihr erhobene Beschwerde. Sie erklärte "die Festnahme und Anhaltung der Beschwerdeführerin zum Zweck ihrer Identitätsfeststellung", die in diesem Zusammenhang erfolgte Anordnung, die Hände über dem Kopf zu halten, die durchgeführte Personendurchsuchung sowie die anschließend erteilte Anordnung zu knien, für rechtswidrig. Gegen diesen Bescheid erhob der Bundesminister für Inneres Beschwerde nach § 91 Abs. 1 Z 1 SPG. Dieser Beschwerde gab der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 16. September 1999, Zl. 99/01/0182, - im Wesentlichen im Hinblick darauf, dass der Bescheid nach einem Wechsel des zuständigen Organwalters der belangten Behörde ohne Wiederholung der mündlichen Verhandlung erlassen worden war - statt, weil Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen worden seien, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde über die "Maßnahmenbeschwerde" - unter Kostenzuspruch an den Bund - wie folgt ab:
"Gemäß § 67a Abs. 1 Z 2 iVm § 67c Abs. 3 AVG wird die Beschwerde, soweit sie eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Schutz der persönlichen Freiheit gemäß Art. 1 ff des Gesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl. 684/88, sowie Art. 5 EMRK geltend macht, im Zusammenhang mit der am 30.11.1996 von ca. 22.00 Uhr bis 24.00 Uhr erfolgten Anhaltung zum Zwecke der Perlustrierung und Visitierung, als unbegründet abgewiesen.
Gemäß § 67a Abs. 1 Z 2 iVm § 67c Abs. 3 AVG wird die Beschwerde, soweit sie eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Unterlassung unmenschlicher und erniedrigender Behandlung gemäß Art. 3 EMRK im Zuge dieser Anhaltung geltend macht, als unbegründet abgewiesen."
Begründend stellte die belangte Behörde fest, dass die Beschwerdeführerin mit der U-Bahn Richtung Karlsplatz (Linie U2) unterwegs gewesen sei. Die von ihr benützte U-Bahngarnitur sei während der Fahrt von den (übrigen) Demonstranten schwer beschädigt worden. In der U-Bahnstation Rathausplatz sei der Zug daher angehalten und die Garnitur, in der sich die Beschwerdeführerin und ihr damaliger Freund befunden hätten, ausgetauscht worden. Die Beschwerdeführerin habe (daraufhin) in der U-Bahnstation Rathausplatz auf die nächste U-Bahn gewartet und sei mit dieser in Richtung Volkstheater gefahren, wo sie gemeinsam mit ihrem Freund die U-Bahn verlassen habe. "Die Demonstranten" hätten ihrerseits in der Station Rathausplatz die U-Bahn verlassen. Zu diesem Zeitpunkt sei dort ein größeres Aufgebot an Polizisten eingetroffen, welche die Demonstranten bis zur Station Volkstheater "getrieben" und bis dahin einige der Demonstranten angehalten hätten. In der Station Volkstheater habe dann die Amtshandlung gegen die übrigen Demonstranten stattgefunden. "Die Demonstranten" einerseits und die Beschwerdeführerin und ihr Freund andererseits seien etwa zum gleichen Zeitpunkt in der U-Bahnstation Volkstheater eingetroffen. Die Beschwerdeführerin sei aus dem unteren Bereich der U-Bahnstation an die Oberfläche gekommen, die Demonstranten hätten sich nach dem Weg von der U-Bahnstation Rathausplatz im Oberflächenbereich der U-Bahnstation Volkstheater befunden, wo auch das Zusammentreffen mit der Beschwerdeführerin erfolgt sei.
Bezüglich des Verhaltens der Beschwerdeführerin "angesichts der Demonstranten" verwies die belangte Behörde ausdrücklich auf die im "ersten Rechtsgang" getroffenen Feststellungen. (Im Bescheid vom 21. Juli 1997 finden sich freilich keine Feststellungen zu diesem Thema, weshalb der Verweis nur so gelesen werden kann, dass er sich auf die diesbezüglichen Feststellungen in dem im zweiten Rechtsgang ergangenen Bescheid vom 26. Februar 1999 bezieht.) Demnach habe die Beschwerdeführerin begonnen, die Namen der angehaltenen Demonstranten zu notieren. Sie sei aufgefordert worden, diese Notizen herauszugeben, habe sich jedoch geweigert und sei anschließend dazu verhalten worden, in die Räumlichkeiten der Verkehrsbetriebe mitzukommen, während gegen ihren Lebensgefährten eine Wegweisung gemäß § 38 Abs. 1 SPG ausgesprochen worden sei. Im Anschluss daran habe sich die Beschwerdeführerin wie die anderen Festgenommenen mit erhobenen Händen an eine Wand stellen müssen. In der Folge habe sie einem Organ der Bundespolizeidirektion Wien ihren Studentenausweis übergeben. Daraufhin sei sie untersucht worden, wobei sie sich habe entkleiden müssen. (Die weitere Feststellung im Bescheid vom 26. Februar 1999, wonach die Beschwerdeführerin nach ihrer Durchsuchung von einem Organ der Bundespolizeidirektion Wien dazu verhalten worden sei, sich niederzuknien, kann angesichts der im Rahmen der rechtlichen Beurteilung des nunmehr bekämpften Bescheides enthaltenen beweiswürdigenden Überlegungen, wonach für "den Nachweis" der Anordnung, sich niederknien zu müssen, jeglicher Hinweis fehle und das diesbezügliche Vorbringen der Beschwerdeführerin durch nichts erhärtet werde, nicht als übernommen gelten.)
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass sie sich "nicht mit den Voraussetzungen einer (verwaltungsbehördlichen) Festnahme auseinander zu setzen, sondern jene Umstände einer Prüfung zuzuführen (habe), welche für die verfahrensgegenständliche Anhaltung zur Vornahme der polizeilichen Maßnahme einer Perlustrierung und Visitierung nach den Bestimmungen des Sicherheitspolizeigesetzes gesetzt worden waren". Diese rechtliche Frage könne "nicht für sich und nicht losgelöst vom Umfang der verfahrensgegenständlichen polizeilichen Amtshandlung gewertet werden und nur im Zusammenhalt mit den gesetzten organisatorischen Maßnahmen" der Bundespolizeidirektion Wien gesehen werden. Dabei sei vorauszuschicken, dass die gegenständliche Anhaltung nicht zum Zweck einer Festnahme vorgenommen worden sei, sondern zur Durchführung und Einleitung einer Perlustrierung und Visitierung der angehaltenen 42 Personen, wozu auch die Beschwerdeführerin zu zählen sei; weiters, dass die außerordentliche Gewaltbereitschaft jener Gruppe, in deren Umfeld sich die Beschwerdeführerin befunden habe, hinreichend dokumentiert sei; schließlich, dass die Bundespolizeidirektion Wien ein Großaufgebot an polizeilichen Kräften zum Einsatz gegen diese Demonstrationsteilnehmer habe bringen müssen. Der Auffassung der Bundespolizeidirektion Wien, die Beschwerdeführerin habe sich zumindest im Umfeld jenes Personenkreises aufgehalten, welcher einer Täterschaft dringend zu verdächtigen gewesen sei (Gewaltbereitschaft, schwere Sachbeschädigung), könne nicht entgegengetreten werden.
Nach Wiedergabe des Inhalts der §§ 35 und 40 SPG sowie Darstellung verfassungsgerichtlicher Judikatur zu Art. 5 EMRK und Art. 1 des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit folgerte die belangte Behörde weiter, dass die "vorliegend bekämpfte Maßnahme keine solche einer verwaltungsbehördlichen Festnahme zum Inhalt hatte". Die Beschwerdeführerin sei mit 41 anderen Personen dazu verhalten worden, etwa zwei Stunden auf Grund verwaltungsbehördlicher Anordnung, die unmittelbare Befolgung beansprucht habe, jeweils in einem bestimmten Raum der Wiener Stadtwerke bzw. des Polizeigefangenenhauses zur Durchführung polizeilicher Maßnahmen zu verbleiben. Die Bundespolizeidirektion Wien habe hinreichend dargetan, "dass die Bewältigung und Bewerkstelligung der gesetzlich erforderlichen Maßnahme einer derartigen Personenvielzahl (42 Personen) aus polizeitaktischer und - organisatorischer Sicht nicht ohne gewissen Zeitaufwand vor sich gehen hatte können". Sie habe darauf verwiesen, dass vordergründig die Wiederherstellung des geordneten Ablaufs des normalen öffentlichen Personenverkehrs im U-Bahnbereich vorzunehmen gewesen sei und in zweiter Linie die zur Perlustrierung und Visitierung angehaltenen Personen in übersichtlicher und kontrollierbarer Weise einzeln einer polizeilichen und erkennungsdienstlichen Behandlung hätten zugeführt werden müssen. Die an der Beschwerdeführerin vorgenommenen sicherheitspolizeilichen Maßnahmen hätten somit "in den zitierten Bestimmungen des SPG" hinreichend Deckung gefunden. Auch könne die Dauer der erforderlichen Maßnahme als nicht unverhältnismäßig lange oder ungerechtfertigt angesehen werden. Was die Durchsuchung der Beschwerdeführerin und die damit verbundene Entkleidung (bis auf die Unterhose) anlange, so sei auszuführen, dass gemäß § 40 SPG eine Besichtigung des Körpers gesetzlich vorgesehen sei. Die einvernommene weibliche Sicherheitswachebeamtin habe darauf hingewiesen, dass selbst im Büstenhalter mitunter Rasierklingen oder ähnliche Gegenstände, von denen eine Gefahr ausgehen könnte, eingenäht seien. In der bloßen Vornahme einer sicherheitspolizeilichen Maßnahme könne - so die belangte Behörde abschließend - noch kein verpöntes Verhalten im Sinne des Art. 3 EMRK gesehen werden; "dies" wäre nur der Fall, wenn aus dem Verhalten des Organes eine Misshandlungsabsicht abzuleiten wäre. Aus der in Beschwerde gezogenen Personsdurchsuchung (verbunden mit Entkleidung) könne das jedoch nicht abgeleitet werden. Dass die Beschwerdeführerin beim Entkleiden von einem männlichen Sicherheitswachebeamten beobachtet worden wäre, sei durch die glaubwürdige Aussage zweier an dieser bekämpften Maßnahme beteiligter Sicherheitswachebeamten widerlegt. Für "den Nachweis" der Anordnung, sich niederknien zu müssen, fehlten jegliche Hinweise und es habe das Vorbringen der Beschwerdeführerin durch nichts erhärtet werden können.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte deren Behandlung mit Beschluss vom 7. Oktober 2002, B 881/02, ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
1. Die Beschwerdeführerin hatte mit ihrer "Maßnahmenbeschwerde" nach Art. 129a Abs. 1 Z 2 B-VG mehrere Verwaltungsakte bekämpft. Die belangte Behörde sprach nicht über die Rechtmäßigkeit dieser Verwaltungsakte ab, sondern beschränkte sich darauf, diese Akte - soweit sie sie überhaupt als gegeben erachtete - unter dem Blickwinkel der in der "Maßnahmenbeschwerde" vorrangig geltend gemachten Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte zu überprüfen. Diese eingeschränkte Betrachtungsweise, die es mit sich bringt, dass im Spruch des bekämpften Bescheides in erster Linie nur die als verletzt behaupteten Rechte Erwähnung finden, ändert nichts daran, dass die belangte Behörde erkennbar über alle bei ihr in Beschwer gezogenen Verwaltungsakte absprach: Einerseits stellt sich der bekämpfte Bescheid nämlich zweifelsohne als Enderledigung der zugrunde liegenden Beschwerde in ihrer Gesamtheit dar, andererseits wird in der Bescheidbegründung - wenn auch zum Teil nur bruchstückhaft - auf alle angefochtenen polizeilichen Verhaltensweisen Bezug genommen. Allerdings hätte sich die belangte Behörde, was bereits an dieser Stelle betont sei, nicht mit der Beurteilung der angefochtenen Verwaltungsakte allein unter dem Aspekt der behaupteten Rechtsverletzungen begnügen dürfen. Der unabhängige Verwaltungssenat hat sich nämlich bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer bei ihm angefochtenen Maßnahme nicht auf die vom Beschwerdeführer (allenfalls) als verletzt bezeichneten einfachgesetzlich oder verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte oder auf die vorgebrachten Gründe zu beschränken. Es besteht vielmehr eine umfassende Prüfungsverpflichtung, über die Rechtmäßigkeit des bekämpften Verwaltungsaktes abzusprechen. Durch das Geltendmachen der Verletzung von bestimmten Rechten (auch nur von verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten) im Antrag einer Beschwerde gemäß § 67a Abs. 1 Z 2 AVG wird diese Prüfungsverpflichtung des unabhängigen Verwaltungssenates im Umfang sonstiger erkennbarer Rechtswidrigkeiten nicht eingeschränkt (vgl. dazu das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 9. September 1997, Zl. 96/06/0096, VwSlg. 14.729 A/1997).
2. Was den angefochtenen Verwaltungsakt "Festnahme und anschließende Anhaltung" anlangt, so vertrat die belangte Behörde die Ansicht, dass gar keine Festnahme vorgelegen habe. Erkennbar leitete sie das daraus ab, dass die gegenständliche Amtshandlung nicht eine Freiheitsbeschränkung intendiert habe, sondern allein auf die Vornahme einer "Perlustrierung und Visitierung" gerichtet gewesen sei. Mit diesen Maßnahmen sei zwar eine rund zwei Stunden dauernde "Anhaltung" der Beschwerdeführerin verbunden gewesen, doch seien sie angesichts der "Personenvielzahl" (42 Personen) "aus polizeitaktischer und -organisatorischer Sicht" nicht ohne "gewissen Zeitaufwand" durchführbar gewesen. Im Ergebnis schloss sich die belangte Behörde damit dem in ihrem Verfahren von der Bundespolizeidirektion Wien eingenommenen Standpunkt an, die insbesondere unter Berufung auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. "5281" (gemeint: 5280/1966) damit argumentiert hatte, dass die fragliche Amtshandlung einer Identitätsfeststellung nach § 35 SPG gedient habe und damit nicht als Verhaftung zu qualifizieren sei.
Die belangte Behörde hat zwar nicht festgestellt, dass der Beschwerdeführerin gegenüber förmlich eine Festnahme ausgesprochen worden wäre. Sie hat allerdings - durch Übernahme der diesbezüglichen Sachverhaltsannahmen im Vorbescheid vom 26. Februar 1999 - die Feststellung getroffen, dass die Beschwerdeführerin noch an Ort und Stelle (in den Räumlichkeiten der Wiener Verkehrsbetriebe und vor ihrer Überstellung in das Polizeigefangenenhaus) einem Organ der Bundespolizeidirektion Wien ihren Studentenausweis aushändigte, weshalb nicht zu sehen ist, inwieweit es zum Zweck der Identitätsfeststellung (das ist gemäß § 35 Abs. 2 erster Satz SPG das Erfassen der Namen, des Geburtsdatums und der Wohnanschrift eines Menschen in dessen Anwesenheit) einer weiteren Anhaltung der Beschwerdeführerin und ihrer Verbringung in das Polizeigefangenenhaus bedurfte. Zwar hat eine Identitätsfeststellung gemäß § 35 Abs. 2 zweiter Satz mit der vom Anlass gebotenen Verlässlichkeit zu erfolgen, doch fehlt jede Begründung dafür, warum der präsentierte Ausweis in Verbindung mit einer Befragung der Beschwerdeführerin im konkreten Fall nicht ausgereicht hätte. Der von der Bundespolizeidirektion Wien im Verfahren vor der belangten Behörde (Verhandlung vom 3. Juli 1997) erhobene Einwand, "dass Zweck der Identitätsfeststellung nicht nur Einsicht in einen Ausweis (noch dazu ohne Adresse wie der Studentenausweis) beinhalten kann, weshalb im beschwerdegegenständlichen Fall das Vorweisen des Studentenausweises allein nicht genügen konnte", findet im Gesetz keine Deckung und steht zu dem allgemein in § 29 SPG normierten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Widerspruch.
Auch die von der belangten Behörde in den Vordergrund gestellte "Perlustrierung und Visitierung" erfolgte bereits unmittelbar nach Anhaltung der Beschwerdeführerin und vor ihrer Überstellung in das Polizeigefangenenhaus, sodass auch diese "Zwecke" das Festhalten der Beschwerdeführerin nicht zu begründen vermögen. Es kann daher insgesamt nicht davon die Rede sein, dass die Beschwerdeführerin nur einer Bewegungseinschränkung unterworfen gewesen sei, die sich als sekundäre Folge anderer Maßnahmen dargestellt habe. Das zeigt sich umso mehr, wenn man die Gesamtdauer des Vorfalls und die begleitend festgestellten Umstände (Anordnung an die Beschwerdeführerin, sich mit erhobenen Händen an eine Wand zu stellen und in weiterer Folge, sich zum Zweck einer Durchsuchung bis auf die Unterhose zu entkleiden) berücksichtigt. Auch insoweit ist der vorliegende Fall nicht mit jenem vergleichbar, der dem schon erwähnten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 5280/1966 zugrunde lag. Viel eher liegt eine Konstellation vor, die der im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 12.056/1989 beurteilten ähnelt, wobei illustrativ angemerkt sei, dass sich die belangte Behörde gegenständlich offenkundig an der in diesem Erkenntnis verwendeten Diktion (vgl. dort: "Vielmehr wurde der Bf. - ebenso wie die übrigen betroffenen Personen - knapp eine Stunde auf Grund verwaltungsbehördlichen Befehles, der unmittelbare Befolgung beanspruchte, dazu verhalten, jeweils in einem bestimmten Raum zu verbleiben". Hier: "Die Beschwerdeführerin war mit anderen (41) Personen dazu verhalten worden, etwa zwei Stunden auf Grund verwaltungsbehördlicher Anordnung, die unmittelbare Befolgung
beanspruchte, jeweils in einem bestimmten Raum ... zu
verbleiben.") orientierte. Wie in dem zuletzt genannten Erkenntnis ist daher davon auszugehen, dass eine Festnahme stattfand, für die freilich die gesetzlichen Voraussetzungen fehlten (vgl. auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 15.372/1998).
3. Die Identitätsfeststellung und die in Beschwer gezogenen Anordnungen an die Beschwerdeführerin - soweit sie festgestellt wurden - unterzog die belangte Behörde (siehe oben 1.) nur einer eingeschränkten Prüfung im Hinblick auf die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte. Zwar hat sie auch den Inhalt der §§ 35 und 40 SPG wiedergegeben, eine Auseinandersetzung mit diesen Bestimmungen (ihren allgemeinen Voraussetzungen einerseits und deren Erfüllung im vorliegenden Fall andererseits) ist der Begründung ihres Bescheides jedoch - sieht man von der in keiner Weise ausgeführten und daher nicht als inhaltliche Beschäftigung in Betracht kommenden Aussage ab, dass die an der Beschwerdeführerin vorgenommenen sicherheitspolizeilichen Maßnahmen in den Bestimmungen des SPG hinreichende Deckung fänden - nicht zu entnehmen. Der Spruch des bekämpften Bescheides verdeutlicht die dargestellte Vorgangsweise, die jedoch (siehe abermals die Ausführungen zu Punkt 1.) nicht dem Gesetz entspricht. Im Sinn ihrer allgemeinen Prüfungsverpflichtung hätte sich die belangte Behörde vielmehr - wie im Übrigen im Vorbescheid vom 26. Februar 1999 geschehen - schlichtweg mit der Rechtmäßigkeit der bekämpften Maßnahmen auseinander setzen müssen. Eine ausreichende Auseinandersetzung ist nur - auf sachverhaltsmäßiger Ebene - mit der Behauptung der Beschwerdeführerin erfolgt, ihr sei nach ihrer Durchsuchung aufgetragen worden, sich niederzuknien. Insoweit gelangte die belangte Behörde zu dem Ergebnis, dass die Erteilung einer derartigen Anordnung nicht habe festgestellt werden können. Davon ausgehend stellte sich die Notwendigkeit einer allseitigen "Rechtmäßigkeitsprüfung" naturgemäß nicht.
4. Die Beschwerde wendet sich nicht gegen die dargestellte sachverhaltsmäßige Beurteilung der belangten Behörde im Punkt "Niederknien". Insoweit war sie daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, während der angefochtene Bescheid im Übrigen im Hinblick auf das oben Ausgeführte gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.
5. Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 und 6 VwGG abgesehen werden.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff leg. cit. iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 23. März 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2002010542.X00Im RIS seit
30.04.2004Zuletzt aktualisiert am
06.06.2014