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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §57 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Pallitsch, Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des S in G, vertreten durch Dr. Herwig Rischnig und Dr. Harald Skrube, Rechtsanwälte in 9500 Villach, Peraustraße 19, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 16. Dezember 2003, Zl. KUVS-1978/2/2003, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 21. November 2003 entzog die Bezirkshauptmannschaft Villach dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung für die Klassen A, B, EB und F auf die Dauer von vier Monaten, gerechnet ab rechtswirksamer Zustellung. Unter einem wurde dem Beschwerdeführer das Lenken von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen und Invalidenkraftfahrzeugen bis zum Ablauf der Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung verboten, überdies wurde angeordnet, dass der Beschwerdeführer vor Ablauf der Dauer der Entziehung ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten über die gesundheitliche Eignung sowie eine verkehrspsychologische Stellungnahme beizubringen habe. Als Rechtsgrundlagen waren §§ 24 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 3, 26 Abs. 2, 28, 29 Abs. 3, 32 Abs. 1, 7 Abs. 1 und 7 Abs. 3 Z. 1 des Führerscheingesetzes (FSG) angeführt. In der Begründung wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe am 15. August 2002 um
15.30 Uhr an einer näher bezeichneten Stelle in P. eine nach dem Kennzeichen bestimmte Zugmaschine gelenkt, wobei er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe. Die am selben Tag um 17.28 Uhr vorgenommene Untersuchung auf Atemluftalkoholgehalt habe einen Wert von 0,82 mg/l ergeben. Im Zuge der "Alkorückrechnung" durch den Amtsarzt sei ein Atemluftalkoholgehalt zum Tatzeitpunkt von 0,95 mg/l ermittelt worden. Der Beschwerdeführer sei mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Villach vom 8. August 2003 wegen Übertretung gemäß § 5 Abs. 1 in Verbindung mit § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 rechtskräftig bestraft worden. Das Straferkenntnis sei mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten (UVS) vom 7. Oktober 2003 hinsichtlich der Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 bestätigt worden. Das Entziehungsverfahren sei bereits am 2. Oktober 2002 eingeleitet worden, sei jedoch gemäß § 38 Abs. 2 AVG ausgesetzt worden, weil die verwaltungsstrafrechtliche Entscheidung ausständig gewesen sei. Eine rechtskräftige Entscheidung sei der Behörde erst am 11. November 2003 vorgelegen. Das Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung sei zu diesem Zeitpunkt fortgesetzt worden.
Die dagegen erhobene Berufung wurde vom UVS mit Bescheid vom 16. Dezember 2003 gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen. Begründend führte der UVS nach Wiedergabe des Verwaltungsverfahrens sowie der maßgeblichen rechtlichen Bestimmungen aus, es sei unstrittig, dass der Beschwerdeführer am 15. August 2002 als Lenker eines Kraftfahrzeuges (Traktor) eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen habe, wobei ausgehend vom Messwert der Atemalkoholuntersuchung (0,82 mg/l) vom Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft Villach für den Tatzeitpunkt ein Atemalkoholgehalt von 0,95 mg/l (1,9 Promille) errechnet worden sei. Der Beschwerdeführer sei hiefür mit Straferkenntnis vom 8. August 2003 wegen Verstoßes nach § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 rechtskräftig bestraft worden, das Straferkenntnis sei mit Bescheid des UVS vom 7. Oktober 2003 hinsichtlich des Schuldspruchs bestätigt worden. Entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers sei durch den Akteninhalt eindeutig belegt, dass die Erstbehörde bereits am 2. Oktober 2002 das Entziehungsverfahren eingeleitet habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
1. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des FSG lauten (auszugsweise):
"Verkehrszuverlässigkeit
§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen
1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder
...
(3) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:
1. Ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 bis 1b StVO 1960 begangen hat, auch wenn die Tat nach § 83 Sicherheitspolizeigesetz-SPG, BGBl. Nr. 566/1991, zu beurteilen ist;
...
(4) Für die Wertung der in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.
...
Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung Allgemeines
§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder
...
(3) Bei der Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung kann die Behörde begleitende Maßnahmen (Nachschulung und dgl.) oder die Beibringung eines amtsärztlichen
Gutachtens über die gesundheitliche Eignung anordnen. ... Im
Rahmen des amtsärztlichen Gutachtens kann die Beibringung der erforderlichen fachärztlichen oder einer verkehrspsychologischen Stellungnahme aufgetragen werden. Bei einer Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 ist unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 3a zusätzlich die Beibringung eines von einem Amtsarzt erstellten Gutachtens über die gesundheitliche Eignung gemäß § 8 sowie die Beibringung einer verkehrspsychologischen Stellungnahme
anzuordnen. ... .
...
Sonderfälle der Entziehung
§ 26.
...
(2) Wird beim Lenken oder Inbetriebnehmen eines Kraftfahrzeuges erstmalig eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen, so ist die Lenkberechtigung für die Dauer von mindestens vier Monaten zu entziehen.
...
Verbot des Lenkens von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen oder Invalidenkraftfahrzeugen
§ 32. (1) Personen, die nicht im Sinne des § 7 verkehrszuverlässig oder nicht gesundheitlich geeignet sind, ein Motorfahrrad, ein vierrädriges Leichtkraftfahrzeug oder ein Invalidenkraftfahrzeug zu lenken, hat die Behörde unter Anwendung der §§ 24 Abs. 3 und 4, 25, 26 und 29 entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit das Lenken eines derartigen Kraftfahrzeuges
1. ausdrücklich zu verbieten
..."
2. Unstrittig ist im Beschwerdefall die rechtskräftige Bestrafung des Beschwerdeführers wegen einer Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960.
Der Beschwerdeführer erblickt die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides im Wesentlichen darin, dass im Zeitpunkt der Erlassung desselben eine Verkehrsunzuverlässigkeit im Sinn des § 7 Abs. 1 FSG bei ihm nicht mehr angenommen werden könne, weshalb eine Entziehung seiner Lenkberechtigung unzulässig gewesen sei. Er bestreitet auch die Annahme der belangten Behörde, das Entziehungsverfahren sei durch die Behörde erster Instanz bereits am 2. Oktober 2002 eingeleitet worden.
Dieses Beschwerdevorbringen ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bilden die in § 26 FSG umschriebenen Sonderfälle der Entziehung der Lenkberechtigung insofern eine Ausnahme von § 24 Abs. 1 und § 25 FSG, als die Wertung (im Sinn des § 7 Abs. 4 FSG) jener bestimmten Tatsachen, in Ansehung derer im Gesetz selbst die Entziehungsdauer mit einem fixen Zeitraum normiert ist, zu entfallen hat (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1998, Zl. 98/11/0227). Diese Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof auch auf diejenigen in § 26 FSG geregelten Fälle übertragen, in denen beim Lenken eines Kraftfahrzeuges erstmals eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen wurde und sich die Behörde mit der in § 26 Abs. 2 FSG genannten Mindestdauer begnügt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. März 2000, Zl. 99/11/0075).
Unter Zugrundelegung dieser Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergäbe sich im Beschwerdefall, dass die Voraussetzungen für eine Entziehung der Lenkberechtigung des Beschwerdeführers für die Mindestdauer von vier Monaten nach § 26 Abs. 2 FSG vorlagen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat freilich, ausgehend von der Überlegung, dass eine Entziehung ohne Wertung der zu Grunde liegenden bestimmten Tatsache für eine dem Gesetz selbst fixierte verhältnismäßig kurze Zeit in möglichst großer zeitlicher Nähe zu der bestimmten Tatsache erfolgen soll, der seit der Tat verstrichenen Zeit und dem Verhalten während dieser Zeit dennoch Bedeutung beigemessen, als es nicht anginge, die Entziehung für eine verhältnismäßig geringfügige pauschale Dauer auch noch lange Zeit nach der Begehung des entsprechenden Delikts bei anschließendem Wohlverhalten zu verfügen, zumal zu diesem Zeitpunkt von einer aktuellen Verkehrsunzuverlässigkeit der betreffenden Person nicht mehr gesprochen werden kann. Zum Fall des § 7 Abs. 3 Z. 4 FSG hat der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung vertreten, dass ein solches Delikt die Entziehung der Lenkberechtigung der betreffenden Person jedenfalls dann nicht mehr rechtfertige, wenn zwischen der Tat und der Einleitung des Entziehungsverfahrens mehr als ein Jahr verstrichen und die betreffende Person in dieser Zeit im Verkehr nicht nachteilig in Erscheinung getreten ist (vgl. z.B. das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1998). Diese Judikatur zur zweiwöchigen Entziehungszeit nach § 26 Abs. 3 FSG auf Grund einer Tatsache nach § 7 Abs. 3 Z. 4 FSG ist insofern auf den Fall einer Übertretung nach § 99 Abs. 1 StVO im Sinn des § 26 Abs. 2 FSG zu übertragen, als in Fällen, in denen zwischen der Tat und der Einleitung des Entziehungsverfahrens ein Zeitraum von weniger als einem Jahr verstrichen ist, von einer Entziehung der Lenkberechtigung (jedenfalls auf die in § 26 Abs. 2 FSG vorgesehene Mindestentziehungsdauer) nicht abgesehen werden darf.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 57 Abs. 3 AVG ist eine bestimmte Art von Ermittlungen oder eine bestimmte Form für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens im Sinn des § 57 Abs. 3 AVG nicht vorgesehen. Entscheidend ist vielmehr, ob die Behörde eindeutig zu erkennen gibt, dass sie sich nach Erhebung der Vorstellung durch Anordnung von Ermittlungen mit der den Gegenstand des Mandatsbescheides bildenden Angelegenheit befasst (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 11. Februar 1992, Zl. 92/11/0006 mwN). Auch eine Anfrage der für das Entziehungsverfahren zuständigen Abteilung einer Bezirksverwaltungsbehörde an deren Strafabteilung ist nach dieser Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht anders zu sehen als etwa eine solche Anfrage des Verkehrsamts der Bundespolizeidirektion Wien an ein Bezirkspolizeikommissariat. Obwohl es sich in beiden Fällen um einen bloß innerbehördlichen Vorgang handelt, kann darin die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens in einem Verfahren zur Entziehung einer Lenkberechtigung erblickt werden (vgl. erneut das erwähnte hg. Erkenntnis vom 11. Februar 1992).
Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung zur Frage, ab wann ein Entziehungsverfahren als eingeleitet anzusehen ist, ist davon auszugehen, dass das Entziehungsverfahren im Beschwerdefall spätestens mit dem im Verwaltungsakt erliegenden Ersuchen des Referates "Sicherheit und Verkehr" der Bezirkshauptmannschaft Villach vom 9. Dezember 2002 an das Strafreferat, der Beschwerdeführer sei vom Gendarmerieposten W. wegen des Lenkens eines Kraftfahrzeuges im alkoholisierten Zustand zur Anzeige gebracht worden, es werde um die Mitteilung der verwaltungsstrafrechtlichen Entscheidung ersucht, eingeleitet wurde. Die Einleitung des Verfahrens zur Entziehung der Lenkberechtigung des Beschwerdeführers erfolgte demnach, entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers, jedenfalls innerhalb der oben erwähnten, von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für maßgeblich befundenen Frist von einem Jahr.
Damit kann aber die Auffassung der belangten Behörde, dem Beschwerdeführer sei wegen des Vorliegens der in § 26 Abs. 2 umschriebenen Voraussetzungen (Begehung einer Übertretung nach § 99 Abs. 1 StVO 1960) die Lenkberechtigung für die Dauer von vier Monaten zu entziehen, nicht als rechtswidrig erkannt werden.
Ebenso wenig kann im Hinblick auf § 32 Abs. 1 FSG und § 24 Abs. 3 FSG die Verhängung eines Lenkverbotes für den Entziehungszeitraum sowie die Anordnungen der Vorlage eines amtsärztlichen Gutachtens (unter Vorlage einer verkehrspsychologischen Stellungnahme) und einer Nachschulung, gegen die der Beschwerdeführer jeweils nichts vorbringt, als rechtswidrig erkannt werden.
Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
4. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Verwaltungsgerichtshof wolle der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkennen.
Wien, am 23. März 2004
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2004110008.X00Im RIS seit
30.04.2004Zuletzt aktualisiert am
27.06.2016