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L92053 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Niederösterreich;Norm
SHG NÖ 1974 §11 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Pallitsch, Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde der S in L, vertreten durch Dr. Claus Janovsky, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Mariahilferstraße 1c, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 15. Oktober 2001, Zl. GS5-F-44.518/7-01, betreffend Ersatz von Sozialhilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Schenkungsvertrag vom 20. September 1995 schenkte J.M. dem Vater der Beschwerdeführerin (W.D.) die Liegenschaft EZ 289 des Grundbuches H.
Mit Dissolutionsvertrag vom 10. Dezember 1996 lösten J.M. und W.D. den Schenkungsvertrag vom 20. September 1995 betreffend die Liegenschaft EZ 289 des Grundbuches H. "einvernehmlich auf und zwar mit Wirkung rückbezogen auf den Zeitpunkt des seinerzeitigen Vertragsabschlusses".
Mit Schenkungsvertrag ebenfalls vom 10. Dezember 1996 schenkte J.M. die Liegenschaft EZ 289 des Grundbuches H. nunmehr der Beschwerdeführerin.
Mit Bescheid vom 1. Juli 1999 gewährte die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung J.M. gemäß § 9 und § 33 des Niederösterreichischen Sozialhilfegesetzes (NÖ SHG 1974) ab 9. Juni 1999 "Hilfe für pflegebedürftige Menschen" durch Übernahme der Kosten der stationären Pflege und Betreuung in einem näher genannten Heim.
Mit Bescheid vom 24. Oktober 2000 verpflichtete die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha die Beschwerdeführerin gemäß § 41 des Niederösterreichischen Sozialhilfegesetzes 2000 (NÖ SHG 2000), zu den offenen Kosten der Sozialhilfe für J.M. für die Heimpflege für den Zeitraum vom 9. Juni 1999 bis 30. Juni 2000 dem Land Niederösterreich einen Kostenersatz (1. Tranche) in der Höhe von S 116.922,90 (EUR 8.497,12) zu leisten. Die offenen Sozialhilfekosten für die Pflege von J.M. für künftige Zeiträume würden der Beschwerdeführerin in periodischen Abständen bis zur Höhe des Geschenkwertes von S 1,392.560,-- (EUR 101.201,28) zum Ersatz vorgeschrieben werden. In der Begründung wurde ausgeführt, J.M. erhalte seit 9. Juni 1999 Sozialhilfe durch "Hilfe bei stationärer Pflege" in Höhe von derzeit S 760,-- (EUR 55,23) täglich. Die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha habe ein Ermittlungsverfahren durchgeführt und festgestellt, dass J.M. die ihr gehörige Liegenschaft EZ 289 des Grundbuches H. mit Schenkungsvertrag vom 10. Dezember 1996 an die Beschwerdeführerin übertragen habe. Gemäß § 41 in Verbindung mit § 78 Abs. 4 NÖ SHG 2000 sei der Geschenknehmer (Erwerber) zum Kostenersatz verpflichtet, soweit der Wert des Vermögens das Fünffache des Richtsatzes für Alleinstehende im Sinne der gemäß § 10 NÖ SHG 2000 erlassenen Verordnung über Sozialhilfen übersteige, wenn ein Hilfeempfänger innerhalb der letzten drei Jahre vor Beginn der Hilfeleistung, während oder drei Jahre nach der Hilfeleistung Vermögen verschenkt oder sonst ohne entsprechende Gegenleistung an andere Personen übertragen habe. Die Ersatzpflicht sei mit der Höhe des Geschenkwertes (Wert des ohne entsprechende Gegenleistung übernommenen Vermögens) begrenzt. Zur Bewertung der Liegenschaft sei vom Gebietsbauamt V-Mödling ein Gutachten eingeholt worden. Laut diesem betrage der Verkehrswert der Liegenschaft rund S 1.490.000,-- (EUR 108.282,52) und der Barwert des lebenslänglichen Wohnrechtes rund S 67.000,-- (EUR 4.869,08). Auf Grund der angeführten gesetzlichen Bestimmungen bestehe somit für die Beschwerdeführerin grundsätzlich eine Kostenersatzpflicht bis zu einer Höhe von S 1.392.560,-- (Verkehrswert S 1.490.000,-- abzüglich dem Barwert des Wohnrechtes von S 67.000,-- und dem Fünffachen des Richtsatzes für einen Alleinstehenden von S 30.440,-
-). Im Zeitraum vom 9. Juni 1999 bis 30. Juni 2000 sei ein Sozialhilfeaufwand in Höhe von S 116.922,90 (EUR 8.497,12) entstanden. Es sei der Beschwerdeführerin daher ein Ersatz an Sozialhilfekosten für den Zeitraum vom 9. Juni 1999 bis 30. Juni 2000 in der Höhe von S 116.922,90 (EUR 8.497,12) als Kostenersatz (1. Tranche) vorzuschreiben gewesen. Da nach den gesetzlichen Bestimmungen ein Kostenersatz seitens des Geschenknehmers bis zur Höhe des Geschenkwertes zu erfolgen habe, würden der Beschwerdeführerin die Sozialhilfekosten für zukünftige Zeiträume in periodischen Abständen zum Ersatz vorgeschrieben werden. Zu der von der Beschwerdeführerin im Rahmen des Parteiengehörs abgegebenen Stellungnahme vom 4. Oktober 2000, dass nicht von der Schenkung an die Beschwerdeführerin, sondern von der Schenkung an W.D. auszugehen sei, werde eingewendet, dass der erste Schenkungsvertrag vom 20. September 1995, abgeschlossen zwischen J.M. und W.D., auf Grund des Dissolutionsvertrages vom 10. Dezember 1996 aufgelöst worden sei. J.M. als rechtliche Eigentümerin des Grundstückes habe dieses mittels Schenkungsvertrag vom 10. Dezember 1996 und somit innerhalb der Dreijahresfrist an die Beschwerdeführerin geschenkt.
In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, der Schenkungsvertrag vom 20. September 1995 zwischen W.D. und J.M. sei mit Dissolutionsvertrag vom 10. Dezember 1996 zwar aufgelöst worden, uno actu sei jedoch ein neuer Schenkungsvertrag zwischen J.M. und der Beschwerdeführerin abgeschlossen worden. W.D. habe den Dissolutionsvertrag vom 10. Dezember 1996 nur unter der ausschließlichen Bedingung unterfertigt, dass gleichzeitig ein neuer Schenkungsvertrag an die Beschwerdeführerin unterfertigt werde. J.M. sei dadurch keinesfalls richtige Eigentümerin des Grundstückes geworden. Sie habe seit der ersten Schenkung an W.D. zu keinem Zeitpunkt die rechtliche Verfügungsmacht wieder erlangt, insbesondere nicht zum Zeitpunkt des Abschlusses des Dissolutionsvertrages und der neuen Schenkung. Die vorliegende Vertragskonstellation sei ausschließlich aus erbschaftssteuerrechtlichen Gründen gewählt worden.
Mit Bescheid vom 15. Oktober 2001 änderte die Niederösterreichische Landesregierung den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha vom 24. Oktober 2000 dahin ab, dass der Betrag der Gesamthöhe des Geschenkwertes von S 1,392.560,-- (EUR 101.201,28) durch S 866.560,-- (EUR 62.975,37) ersetzt werde. Im Übrigen wurde die Berufung abgewiesen. Als Rechtsgrundlagen wurden § 66 Abs. 4 AVG, § 42a NÖ SHG 1974, LGBl. 9200-13, § 78 Abs. 3 und Abs. 4 sowie § 41 NÖ SHG 2000, LGBl. 9200-0, angeführt. In der Begründung wurde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens ausgeführt, mit Gutachten vom 2. Juli 2001 habe der Amtssachverständige den Verkehrswert der Liegenschaft zum Bewertungsstichtag Dezember 1996 mit S 980.000,-- (EUR 71.219,38), das Wohnrecht kapitalisiert mit rund S 83.000 (EUR 6.031,85) bewertet. Nach auszugsweiser Wiedergabe dieses Gutachtens sowie des von der Beschwerdeführerin im Rahmen des Parteiengehörs vorgelegten Gutachtens des Privatsachverständigen Ing. G. wurde in rechtlicher Hinsicht ausgeführt, mit 1. Februar 2000 sei das NÖ SHG 2000 in Kraft getreten. Nach der Übergangsbestimmung des § 78 Abs. 3 NÖ SHG 2000 sei auf Ersatzansprüche für Leistungen, die für die Zeit vor dem Inkrafttreten des NÖ SHG 2000 gewährt worden seien, die neue Rechtslage anzuwenden, sofern das außer Kraft gesetzte NÖ SHG 1974 keine günstigere Regelung für den Ersatzpflichtigen enthalte. Gemäß § 42a NÖ SHG 1974 sei der Geschenknehmer (Erwerber) verpflichtet, dem Sozialhilfeträger die für den Hilfeempfänger aufgewendeten Kosten bis zur Höhe des Geschenkwertes (Wertes des ohne entsprechende Gegenleistung übernommenen Vermögens) zu ersetzen, soweit das geschenkte Vermögen oder dessen Wert noch vorhanden sei. Voraussetzung für diese Kostenersatzverpflichtung sei, dass innerhalb von drei Jahren vor Gewährung der Sozialhilfe vom Hilfeempfänger Vermögen im Wert von mehr als dem Fünffachen des Richtsatzes für Personen, die alleinstehend seien, verschenkt oder sonst ohne dem Wert des Vermögens entsprechende Gegenleistung an andere Personen übertragen worden sei. § 41 NÖ SHG 2000 entspreche inhaltlich grundsätzlich der Bestimmung des § 42a NÖ SHG 1974 mit der Maßgabe, dass die Einschränkung, das Vermögen oder dessen Wert müsse noch vorhanden sein, nicht enthalten sei. Gemäß § 78 Abs. 4 NÖ SHG 2000 gelte die Dreijahresfrist für den Schenkungsrückgriff auch im vorliegenden Fall. Für die im Zeitraum vom 9. Juni 1999 bis 31. Jänner 2000 gewährten Leistungen sei daher die Kostenersatzpflicht nach der Bestimmung des § 42a NÖ SHG 1974 maßgeblich, für die ab dem 1. Februar 2000 (Inkrafttreten des NÖ SHG 2000) gewährten Leistungen die gesetzlichen Regelungen des § 41 in Verbindung mit § 78 Abs. 4 NÖ SHG 2000. Letztlich sei im vorliegenden Fall maßgeblich, ob eine Schenkung bzw. ein Erwerbsvorgang nach dem Niederösterreichischen Sozialhilferecht vorliege. Der Schenkungsvertrag zwischen der Beschwerdeführerin und J.M. vom 10. Dezember 1996 sei in diesem Sinne zweifellos (zivil)rechtlich zulässig, gültig und als grundsätzlich unabhängiges Rechtsgeschäft zu werten. J.M. habe durch den Dissolutionsvertrag wieder die volle Verfügungsgewalt zivilrechtlich erwerben müssen, andernfalls wäre sie rechtlich nicht in der Lage gewesen, der Beschwerdeführerin das volle Eigentumsrecht im Wege der Schenkung zu übertragen. Nach einem zivilrechtlichen Grundsatz könne niemand mehr Rechte übertragen, als er selbst habe. Die Wirksamkeit des Dissolutionsvertrages sei laut Vertragsurkunde auch nicht an eine nachfolgende Schenkung an eine andere Person gebunden gewesen. Damit sei der Schenkungsvertrag vom 10. Dezember 1996 maßgeblich. Dies selbst dann, wenn diese Schenkung Teil eines rechtmäßigen Umweggeschäftes aus erbschaftssteuerrechtlichen Gründen sei. Zur festgelegten Höhe des Gesamtersatzes, der sich am Verkehrswert der geschenkten Liegenschaft bemesse, sei der Berufung insofern Folge zu geben, als die Behörde erster Instanz den Verkehrswert zum Stichtag der Kostenersatzvorschreibung zugrunde gelegt habe. Maßgeblich sei der Vermögenswert zum Zeitpunkt der Übertragung, also im Dezember 1996. Dieser Wert sei vom Amtssachverständigen nachvollziehbar und schlüssig unter Abzug der zwischenzeitig erfolgten Sanierungs- und Verbesserungsarbeiten ermittelt worden. Dem vorgelegten Gutachten des Privatsachverständigen Ing. G. könne die Schlüssigkeit jedoch nicht zugemessen werden (wird näher begründet). Der Richtsatz für Alleinstehende habe in der im Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz maßgeblichen Verordnung über Sozialhilfen, LGBl. 9200/1-28, S 6.088,-- (EUR 442,43) betragen. Der gesamte Kostenersatzrahmen berechne sich daher aus dem Verkehrswert zum Stichtag Dezember 1996 (S 980.000,-- entspreche EUR 71.219,38) abzüglich des fünffachen Alleinstehenden-Richtsatzes (S 30.440,-- entspreche EUR 2.212,16) und der Gegenleistungen (Wohnrecht - S 83.000,-- entspreche EUR 6.031,85) und ergebe daher S 866.560,-- (EUR 62.975,37).
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
1.1. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des NÖ SHG 2000, LGBl. 9200-0, lauten (auszugsweise):
"§ 8
Maßnahmenkatalog
(1) Die Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes umfasst:
...
3. Hilfe bei stationärer Pflege ...
...
§ 12
Hilfe bei stationärer Pflege
(1) Die Hilfe zur Pflege umfasst alle Betreuungs- und Pflegemaßnahmen in stationären Einrichtungen für hilfebedürftige Menschen. Hilfebedürftig ist, wer aufgrund einer körperlichen, geistigen oder psychischen Beeinträchtigung oder einer Beeinträchtigung der Sinne einen ständigen Betreuungs- und Pflegebedarf hat. Eine Pflege durch einen gemäß § 48 anerkannten sozialmedizinischen und sozialen Betreuungsdienst, die das zeitliche Ausmaß einer stationären Pflege erreicht, ist mit der stationären Pflege gleichzusetzen.
(2) Voraussetzung für die Leistung der Hilfe ist, dass der hilfebedürftige Mensch seinen Hauptwohnsitz in Niederösterreich hat und die Pflege durch eine Soziale Einrichtung des Landes oder durch eine Vertragseinrichtung gemäß § 48 Abs. 3 erfolgt.
...
§ 15
Einsatz der eigenen Mittel
(1) Die Leistung der Hilfe zum Lebensbedarf hat unter Berücksichtigung des Einsatzes des Einkommens und des verwertbaren Vermögens des Hilfeempfängers, bei Hilfe zur stationären Pflege gemäß § 12 auch unter Berücksichtigung der pflegebezogenen Geldleistungen, insoweit diese vom Anspruchsübergang nach den bundes- und landesgesetzlichen Pflegegeldregelungen erfasst sind, zu erfolgen.
...
§ 37
Kostenersatzverpflichtete
Für die Kosten von Sozialhilfemaßnahmen, auf die ein Rechtsanspruch besteht, haben Ersatz zu leisten:
...
5. Personen, denen der Hilfeempfänger Vermögen geschenkt oder sonst ohne entsprechende Gegenleistung übertragen hat.
...
§ 41
Ersatz durch den Geschenknehmer
(1) Hat ein Hilfeempfänger innerhalb der letzten fünf Jahre vor Beginn der Hilfeleistung, während oder drei Jahre nach der Hilfeleistung Vermögen verschenkt oder sonst ohne entsprechende Gegenleistung an andere Personen übertragen, so ist der Geschenknehmer (Erwerber) zum Kostenersatz verpflichtet, so weit der Wert des Vermögens das Fünffache des Richtsatzes für Alleinstehende übersteigt.
(2) Die Ersatzpflicht ist mit der Höhe des Geschenkwertes (Wert des ohne entsprechende Gegenleistung übernommenen Vermögens) begrenzt.
...
§ 78
Schluss- und Übergangsbestimmungen
...
(3) Auf Ersatzansprüche und Ansprüche auf Rückerstattung für Leistungen, die für die Zeit vor dem Inkrafttreten dieses Landesgesetzes gewährt wurden, ist dieses Landesgesetz anzuwenden, sofern nicht das NÖ Sozialhilfegesetz, LGBl. 9200, eine günstigere Regelung für den Verpflichteten enthält.
(4) Für Tatbestände gemäß § 41 Abs. 1, die vor dem Inkrafttreten dieses Landesgesetzes verwirklicht wurden, beträgt die vor Beginn der Hilfeleistung liegende Frist drei Jahre.
..."
1.2. § 42a NÖ SHG 1974, in der Fassung der Novelle LGBl. 9200- 5, lautete:
"§ 42a
Ersatz durch Geschenknehmer
Hat ein Hilfeempfänger innerhalb von drei Jahren vor Gewährung der Sozialhilfe oder nach der Gewährung Vermögen im Wert von mehr als dem fünffachen des Richtsatzes für Personen, die alleinstehend sind, verschenkt oder sonst ohne dem Wert des Vermögens entsprechende Gegenleistung an andere Personen übertragen, so ist der Geschenknehmer (Erwerber) verpflichtet, dem Sozialhilfeträger die für den Hilfeempfänger aufgewendeten Kosten bis zur Höhe des Geschenkwertes (Wertes des ohne entsprechende Gegenleistung übernommenen Vermögens), soweit das geschenkte Vermögen oder dessen Wert noch vorhanden ist, zu ersetzen. Die Verpflichtung besteht nicht mehr nach Ablauf von drei Jahren nach Einstellung der Hilfeleistung."
1.3.1. Das NÖ SHG 2000 ist am 1. Februar 2000 in Kraft getreten. Gemäß der Übergangsbestimmung des § 78 Abs. 3 NÖ SHG 2000 ist auf Ersatzansprüche für Leistungen, die für die Zeit vor dem Inkrafttreten des NÖ SHG 2000 gewährt wurden, bereits dieses Landesgesetz anzuwenden, sofern nicht das NÖ SHG 1974 eine günstigere Regelung für den Verpflichteten enthält. § 41 NÖ SHG 2000 entspricht im Wesentlichen der Bestimmung des § 42a SHG 1974, wobei letztere Bestimmung zunächst insoweit eine günstigere Regelung für den Verpflichteten enthält, als die Ersatzpflicht unter anderem dann besteht, wenn der Hilfeempfänger innerhalb der letzten drei Jahre (nach § 41 Abs. 1 NÖ SHG 2000: fünf Jahre) vor Gewährung der Sozialhilfe Vermögen verschenkt. Dazu kommt, dass die Ersatzpflicht gemäß § 42a NÖ SHG 1974 nur besteht, soweit das geschenkte Vermögen oder dessen Wert noch vorhanden ist. § 42a SHG 1974 enthält somit eine - im Vergleich zu § 41 Abs. 1 NÖ SHG 2000 - für den Verpflichteten günstigere Regelung. Die belangte Behörde hat daher zu Recht für die Beurteilung eines Ersatzanspruchs für jene Sozialhilfeleistungen, die J.M. für den Zeitraum vom 9. Juni 1999 bis 31. Jänner 2000 gewährt wurden, § 42a SHG 1974 herangezogen.
1.3.2. Der gegenständliche Schenkungsvertrag wurde am 10. Dezember 1996 und damit vor Inkrafttreten des NÖ SHG 2000 abgeschlossen. Nach der Übergangsbestimmung des § 78 Abs. 4 NÖ SHG 2000 beträgt für Tatbestände gemäß § 41 Abs. 1 leg.cit., die vor dem Inkrafttreten dieses Landesgesetzes verwirklicht wurden, "die vor Beginn der Hilfeleistung liegende Frist" (statt fünf) drei Jahre. Die belangte Behörde hat daher zu Recht für die Beurteilung eines Ersatzanspruchs für jene Sozialhilfeleistungen, die J.M. ab dem Inkrafttreten des NÖ SHG 2000 gewährt wurden, § 41 - und zwar nach Maßgabe des § 78 Abs. 4 NÖ SHG 2000 - herangezogen.
2.1. Unstrittig ist im Beschwerdefall, dass der Schenkungsvertrag zwischen J.M. und der Beschwerdeführerin vom 10. Dezember 1996 innerhalb der letzten drei Jahre vor Beginn der Hilfeleistung (das ist der 9. Juni 1999) abgeschlossen wurde. Klärungsbedürftig ist hingegen, ob J.M. innerhalb der letzten drei Jahre vor Beginn der Hilfeleistung Vermögen gemäß § 42a NÖ SHG 1974 bzw. gemäß § 41 Abs. 1 (in Verbindung mit § 78 Abs. 4) NÖ SHG 2000 an die Beschwerdeführerin verschenkt hat.
Die belangte Behörde ist der Auffassung, dass der Schenkungsvertrag zwischen J.M. und der Beschwerdeführerin vom 10. Dezember 1996 (zivil)rechtlich zulässig, gültig und als grundsätzlich unabhängiges Rechtsgeschäft zu werten sei. J.M. habe durch den mit W.D. abgeschlossenen Dissolutionsvertrag vom 10. Dezember 1996 wieder die volle Verfügungsgewalt zivilrechtlich erwerben müssen. Andernfalls wäre sie rechtlich nicht in der Lage gewesen, der Beschwerdeführerin das volle Eigentumsrecht im Wege der Schenkung zu übertragen. Die Wirksamkeit des Dissolutionsvertrages sei laut Vertragsurkunde auch nicht an eine nachfolgende Schenkung an eine andere Person gebunden gewesen.
Dem hält die Beschwerdeführerin entgegen, J.M. habe weder beim gegenständlichen Rechtsgeschäft (Dissolutionsvertrag mit gleichzeitigem Abschluss eines neuen Schenkungsvertrags) ihre ursprüngliche, freie Rechtsstellung erlangt, noch auf sonst irgendeine Weise ihr früheres Verfügungsrecht über das Grundstück erhalten. Die Aufhebung des Schenkungsvertrages vom 20. September 1995 sei lediglich zu dem Zweck erfolgt, um gleichzeitig die Liegenschaft auf eine vom ersten Geschenknehmer (W.D.) ausgewählte dritte Person (seine Tochter, die Beschwerdeführerin) zu übertragen.
2.2. Die Beschwerde ist begründet.
Vermögen ist bei der Leistung der Hilfe zum Lebensbedarf gemäß § 15 Abs. 1 NÖ SHG 2000 nur insoweit zu berücksichtigen, als es verwertbar ist. Daraus folgt, dass die Ersatzpflicht des Geschenknehmers gemäß § 41 NÖ SHG 2000 nur dann besteht, wenn der Hilfeempfänger (im Zeitpunkt der Schenkung für ihn) verwertbares Vermögen verschenkt hat. Eine davon abweichende Rechtslage kann auch dem NÖ SHG 1974 nicht entnommen werden (§ 11 Abs. 1 NÖ SHG 1974 entspricht im Wesentlichen dem § 15 Abs. 1 NÖ SHG 2000), sodass es sich auch bei Vermögen im Sinne des § 42a NÖ SHG 1974 um verwertbares Vermögen im dargestellten Sinn handeln muss.
Verwertbarkeit setzt aber voraus, dass der Hilfesuchende auch rechtlich über das Vermögen verfügen kann, sodass es nicht genügt, wenn es nur formell in seinem Eigentum steht (vgl. Pfeil, Österreichisches Sozialhilferecht (1989), 407; sowie auch die hg. Erkenntnisse vom 12. Mai 1987, Zl. 86/11/0177, und vom 23. Februar 1993, Zl. 91/08/0142).
Im Beschwerdefall stellt sich daher die Frage, ob J.M. durch Abschluss des Dissolutionsvertrages mit W.D ihre ursprüngliche (freie) Verfügungsmacht überhaupt wieder erlangt hat.
Dazu wäre im Beschwerdefall zu prüfen gewesen, ob bei einer Gesamtbetrachtung der in Rede stehenden Vertragskonstruktion unter Bedachtnahme auf die Absicht der Vertragsparteien - diese muss nicht notwendig in den Vertragsurkunden deklariert sein - davon auszugehen ist, dass der seinerzeitige Schenkungsvertrag zwischen J.M. und W.D. ausschließlich zu dem Zweck aufgehoben wurde, um unter einem die Übertragung der gegenständlichen Liegenschaft von J.M. an eine von W.D. bestimmte dritte Person, nämlich die Beschwerdeführerin (seine Tochter), zu ermöglichen. Bei einer derartigen Vertragskonstruktion, deren Zulässigkeit nicht in Zweifel gezogen wurde, könnte nicht ernsthaft davon gesprochen werden, dass J.M durch den einen unselbständigen Teil derselben bildenden Dissolutionsvertrag ihre frühere freie Verfügungsmacht wieder erlangt hätte. J.M. hätte diesfalls mit dem ebenfalls einen unselbständigen Teil der Gesamtkonstruktion bildenden Schenkungsvertrag vom 10. Dezember 1996 kein von ihr zu diesem Zeitpunkt verwertbares Vermögen im Sinne des § 42a NÖ SHG 1974 bzw. des § 41 NÖ SHG 2000 an die Beschwerdeführerin verschenkt.
2.3. Da die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage die gebotenen Feststellungen zum Zweck der in Rede stehenden Vertragskonstruktion unterlassen hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II, Nr. 333. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil neben dem pauschalierten Ersatz für Schriftsatzaufwand ein weiterer Aufwandersatz unter dem Titel der Umsatzsteuer nicht vorgesehen ist.
Wien, am 23. März 2004
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2001110370.X00Im RIS seit
22.04.2004Zuletzt aktualisiert am
12.10.2011