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L46007 Jugendförderung Jugendschutz Tirol;Norm
JSchG Tir 1994 §12 Abs1 idF 1994/004;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde des N in T, vertreten durch Mag. Robert Peisser, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Templstraße 5b, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 11. November 2002, Zl. uvs- 2002/K6/001-1, betreffend Bestrafung nach dem Tiroler Jugendschutzgesetz 1994, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptsmannschaft Innsbruck vom 19. Oktober 2001 wurde der Beschwerdeführer einer Verwaltungsübertretung gemäß "§ 21 Absatz 1 lit. a in Verbindung mit § 12 Absatz 1 Tiroler Jugendschutzgesetz" dahingehend für schuldig befunden, er habe als Vater und somit Erziehungsberechtigter des minderjährigen A. C. zu verantworten, dass dieser sich in der Nacht vom 11. August auf den 12. August 2001 bis ca. 4.00 Uhr in verschiedenen Lokalen in Seefeld in Tirol aufgehalten und dabei Alkohol konsumiert habe.
Wegen dieser Verwaltungsübertretung verhängte die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck gemäß "§ 21 Absatz 1 lit. b Ziffer 1 Tiroler Jugendschutzgesetz" über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in Höhe von S 15.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe zehn Tage).
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung. Er brachte darin im Wesentlichen vor, er sei nicht der Erziehungsberechtigte; gesetzliche Vertreterin des Minderjährigen sei seine Mutter. Da der Sohn bei seiner Mutter eine völlig unkontrollierte Lebensweise entwickelt habe, habe er der Kindesmutter angeboten, den Minderjährigen zu sich zu nehmen. Er unternehme alles ihm erdenklich Mögliche, um die Lebensweise seines Sohnes wieder in geordnete Bahnen zu lenken. Bisher sei es ihm trotz aller Mühe aber nicht möglich gewesen, den gewünschten Erfolg herbeizuführen; sein Sohn führe ein Eigenleben und er lasse ihn (den Beschwerdeführer) darüber in Unkenntnis, wo er mit wem und womit die Zeit verbringe. Gängige Erziehungsmethoden würden nicht fruchten. Gewaltanwendung lehne er ab; dies wäre ebensowenig legal gedeckt wie ein "Einsperren" seines Sohnes. A. C. verlasse die Wohnung, ohne sich zu rechtfertigen und ohne ihn zu fragen, und er kehre oft erst nach Tagen zurück, ohne ihn über seinen Verbleib aufzuklären. Im Rahmen seiner übernommenen Aufsicht über den Minderjährigen könne von ihm nur Zumutbares und ihm Mögliches verlangt werden. Dieser Verpflichtung komme er unter großer psychischer Belastung nach. Anlässlich seiner Einvernahme (am 4. September 2001) seien ihm keine ausreichenden Fragen zur Wahrnehmung seiner freiwillig übernommenen Aufsicht über den Minderjährigen gestellt worden; seine Befragung sei unvollständig geblieben.
Mit dem ohne Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde über die Berufung des Beschwerdeführers wie folgt entschieden:
"Gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm §§ 24, 51,51 c VStG wird der Berufung insofern Folge gegeben, als die Geldstrafe auf EUR 500,50 (Ersatzfreiheitsstrafe von fünf Tagen) herabgesetzt wird.
Die Verfahrenskosten werden gemäß § 64 Abs. 2 VStG mit EUR 50,05 neu bestimmt.
Der Spruch wird insofern berichtigt, als er zu lauten hat:
'Sie haben als Vater und Aufsichtsperson über den minderjährigen A. C. die Aufsichtspflicht verletzt, indem sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten und des ihnen Zumutbaren nicht dafür gesorgt haben, dass die für Kinder und Jugendliche geltenden Bestimmungen dieses Gesetzes und der Verordnungen auf Grund dieses Gesetzes eingehalten werden, da dieser in der Nacht vom 11.08.2001 auf 12.08.2001 bis ca. 04.00 Uhr in verschiedenen Lokalen in 6100 Seefeld in Tirol aufgehalten und Alkohol konsumiert hat, obwohl gemäß den Bestimmungen des § 16 Abs. 2 lit. a Tiroler Jugendschutzgesetz 1994 Jugendliche bis zum vollendeten
16. Lebensjahr der Aufenthalt in Räumen, die dem Aufenthalt von Gästen im Rahmen eines Gastgewerbes dienen, nur bis 24.00 Uhr erlaubt ist'."
Zur Begründung führte die belangte Behörde - nach Darstellung des Verfahrensverlaufes und der maßgebenden Rechtsvorschriften - aus, der Beschwerdeführer sei zum Vorfallszeitpunkt Aufsichtsperson des minderjährigen A. C. gewesen. Daher sei der Beschwerdeführer verpflichtet gewesen, dafür Sorge zu tragen, dass der Jugendliche - entsprechend dem Jugendschutzgesetz - sich zwischen 24.00 Uhr und 5.00 Uhr früh nicht ohne Aufsichtsperson in Nachtlokalen aufhält. Diese Aufsichtspflicht habe der Beschwerdeführer fahrlässig verletzt. Er habe in objektiver und in subjektiver Hinsicht tatbestandsmäßig "gehandelt". Die weitere Begründung betrifft die Strafbemessung.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Tiroler Jugendschutzgesetzes 1994, LGBl. Nr. 4 (in der zur Tatzeit geltenden Stammfassung) haben folgenden Wortlaut:
"§ 11 ...
(2) Jugendliche sind Personen zwischen dem vollendeten 14. und dem vollendeten 18. Lebensjahr.
(3) Aufsichtspersonen sind
a) die Eltern (teile) und jene Personen, die nach bürgerlichem Recht erziehungsberechtigt sind;
b) Personen ab dem vollendeten 18. Lebensjahr,
1. die im Einvernehmen mit Personen nach lit. a die Erziehung beruflich, vertraglich oder sonst nicht bloß vorübergehend ausüben, oder
2. denen die Aufsicht über Kinder oder Jugendliche von Personen nach lit. a oder Z. 1 nur vorübergehend anvertraut worden ist, oder
...
§ 12
Allgemeine Pflichten
(1) Aufsichtspersonen haben im Rahmen ihrer Möglichkeiten und des ihnen Zumutbaren dafür zu sorgen, dass die für Kinder und Jugendliche geltenden Bestimmungen dieses Gesetzes und der Verordnungen auf Grund dieses Gesetzes eingehalten werden.
...
§ 16
Aufenthalt in Betriebsanlagen, Nächtigung in Begerbungsbetrieben
(1) In Räumen, die dem Aufenthalt von Gästen im Rahmen eines Gastgewerbes dienen, dürfen sich Kinder aufhalten, wenn sie sich in Begleitung einer Aufsichtsperson befinden oder wenn ein wichtiger Grund vorliegt.
(2) Ohne Begleitung einer Aufsichtsperson dürfen sich in Räumen im Sinne des Abs. 1
a)
Jugendliche bis zum vollendeten 16. Lebensjahr bis 24 Uhr und
b)
Jugendliche ab dem vollendeten 16. Lebensjahr bis 1 Uhr
aufhalten.
...
§ 21
Strafbestimmungen
(1) Wer
a) als Aufsichtsperson seiner Verpflichtung nach § 12 Abs. 1 nicht nachkommt;
...
begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu 3.630,-- Euro, in den Fällen nach lit. c mit einer Geldstrafe bis zu 7.260,-- Euro zu bestrafen".
(Anmerkung: Strafbeträge in der Fassung der mit 1. Jänner 2002 in Kraft getretenen Novelle LGBl. Nr. 110/2001)
Im Beschwerdefall ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer zur Tatzeit (11. auf den 12. August 2001) Aufsichtsperson des Jugendlichen (A. C., der damals das 14.Lebensjahr bereits vollendet hatte) im Sinne des Tiroler Jugendschutzgesetzes 1994 war und gemäß § 12 Abs. 1 dieses Gesetzes "im Rahmen seiner Möglichkeiten und des ihm Zumutbaren" dafür zu sorgen hatte, dass die für Jugendliche geltenden Bestimmungen des Tiroler Jugendschutzgesetzes 1994 von diesem Jugendlichen eingehalten werden.
Nach dem Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses wurde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, er habe § 12 Abs. 1 des Tiroler Jugendschutzgesetzes 1994 - somit Allgemeine Pflichten einer Aufsichtsperson - verletzt.
Die belangte Behörde hat die Tatumschreibung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses "berichtigt". Sie hat dem Beschwerdeführer nach dem Spruch des angefochtenen Bescheides angelastet, er habe die Aufsichtspflicht als "Vater und Aufsichtsperson" verletzt, da der minderjährige A. C. in der Nacht vom 11. auf den 12. August 2001 sich bis ca. 4.00 Uhr in Lokalen in Seefeld in Tirol aufgehalten und Alkohol konsumiert habe, obwohl gemäß § 16 Abs. 2 lit. a Tiroler Jugendschutzgesetz 1994 Jugendlichen bis zum vollendeten 16. Lebensjahr der Aufenthalt in den näher umschriebenen Räumen nur bis 24.00 Uhr erlaubt sei.
Der Spruch (des Straferkenntnisses) in der durch den angefochtenen Bescheid berichtigten Fassung ist entgegen § 44a Z 1, 2 und 3 VStG mit folgenden Mängeln behaftet:
Die Bestimmung des § 16 Abs. 2 lit. a des Tiroler Jugendschutzgesetzes 1994 in der zur Tatzeit anzuwendenden Fassung verbietet Jugendlichen bis zum vollendeten 16. Lebensjahr den Aufenthalt in Räumen im Sinne des Abs. 1 dieser Gesetzesstelle (auch) ab 24 Uhr nur, wenn sie sich dort "ohne Begleitung einer Aufsichtsperson" aufhalten. Die belangte Behörde umschreibt die dem Beschwerdeführer angelastete Tat (§ 44a Z 1 VStG) jedoch dahin, er habe als Vater ..., da der Jugendliche sich in der näher bezeichneten Nacht "bis ca. 4.00 Uhr in Lokalen in Seefeld in Tirol aufgehalten und Alkohol konsumiert hat, obwohl sein Aufenthalt in diesen Räumen nur bis 24.00 Uhr erlaubt ist". Dieser Tatumschreibung fehlt daher das wesentliche Tatbestandsmerkmal, der Beschwerdeführer habe nicht dafür gesorgt, dass der Jugendliche sich "ohne Begleitung einer Aufsichtsperson" in Lokalen aufgehalten habe. Verpflichtungen des Beschwerdeführers betreffend den "Alkoholkonsum" des Jugendlichen sind der von der belangten Behörde herangezogenen Bestimmung des § 16 Abs. 2 lit. a des Tiroler Jugendschutzgesetzes 1994 nicht zu entnehmen. Der Spruch des angefochtenen Bescheides ist daher schon aus den dargestellten Gründen inhaltlich rechtswidrig.
Als Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden sein kann (§ 44a Z 2 VStG), konnte fallbezogen (der Beschwerdeführer wurde als "Aufsichtsperson" zur Verantwortung gezogen) nur § 12 Abs. 1 des Tiroler Jugendschutzgesetzes 1994 in Verbindung mit der jeweils nicht eingehaltenen Bestimmung dieses Gesetzes (hier also: iVm § 16 Abs. 2 lit. a dieses Gesetzes) in Betracht kommen. Die bei Verhängung der Strafe angewendete Gesetzesbestimmung (§ 44a Z 3 VStG) hätte richtig § 21 Abs. 1 lit. a leg. cit. lauten müssen.
Der angefochtene Bescheid war schon im Hinblick auf seine fehlerhafte Spruchfassung gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Das Mehrbegehren für "60 % Einheitssatz und Umsatzsteuer" war abzuweisen, weil der durch die genannte Verordnung festgesetzte Pauschbetrag (bzw. Pauschalbetrag) den gesamten Schriftsatzaufwand, also auch den Einheitssatz und die Umsatzsteuer, deckt.
Wien, am 23. März 2004
Schlagworte
"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2003010016.X00Im RIS seit
06.05.2004