TE Vwgh Erkenntnis 2004/3/23 2002/01/0220

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Veröffentlicht am 23.03.2004
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §6 Z3;
AsylG 1997 §8;
AVG §60;
AVG §67;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Dr. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde des D in S, geboren1968, vertreten durch Mag. Dr. Bernhard Rosenkranz, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Plainstraße 23, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 11. Jänner 2002, Zl. 223.413/0-V/15/01, betreffend §§ 6 Z 3 und 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich seines Ausspruches gemäß § 8 AsylG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Serbien und Montenegro (ehemals Bundesrepublik Jugoslawien), stammt aus dem Kosovo und gehört der albanischen Volksgruppe an. Er reiste am 1. März 1997 in das Bundesgebiet ein und stellte am 11. September 2000 einen Asylantrag.

Zu seinen Fluchtgründen brachte der Beschwerdeführer bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 19. Juli 2001 vor, er sei während des Krieges nicht bereit gewesen zu kämpfen und habe auch keine Möglichkeit gehabt, den Leuten im Kosovo bei der UCK zu helfen. Er habe im August des Vorjahres von seinem Onkel einen Brief zugesandt erhalten, laut dem er im Kosovo gesucht werde und ihm im Falle seiner Rückkehr Lebensgefahr drohe, er werde "von der Regierung" verfolgt. Diesen Brief habe er weggeworfen. Auf die Frage, ob er auch noch andere Fluchtgründe habe, antwortete er: "Nein, das nicht, aber wo sollte ich leben? Sollte ich vielleicht im Zelt leben? Es gibt überall Minen." Die Frage, ob er schon einmal in Österreich um Asyl angesucht habe, verneinte der Beschwerdeführer zunächst; nach Vorhalt eines ihn betreffenden Asylbescheides vom 1. Februar 1990, mit dem in Erledigung seines damaligen Antrages nach dem AsylG 1968 festgestellt worden war, dass er nicht Flüchtling sei, gab er an, sich wieder erinnern zu können. Damals habe er als Fluchtgrund vorgebracht, er hätte wegen Demonstrationen keine Arbeitserlaubnis erhalten. Dem Beschwerdeführer wurde auch vorgehalten, dass er bereits unter mehreren Alias-Identitäten aufgetreten sei und dass über ihn in der Bundesrepublik Deutschland ein Aufenthaltsverbot verhängt worden sei. Der Beschwerdeführer gab dazu an, der von ihm bei seiner nunmehrigen Asylantragstellung genannte Name sei richtig, das Aufenthaltsverbot in Deutschland sei wegen seines früheren illegalen Aufenthaltes verhängt worden. Er habe damals keinen Asylantrag gestellt und die Bundesrepublik Deutschland verlassen. Auf die Frage, was er im Fall seiner Rückkehr in den Kosovo befürchte, sagte der Beschwerdeführer, er sei nicht einverstanden zurückkehren zu müssen.

Das Bundesasylamt wies den Asylantrag mit Bescheid vom 20. Juli 2001 gemäß § 6 Z 3 AsylG als offensichtlich unbegründet ab (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 AsylG wurde festgestellt, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung "in die Bundesrepublik Jugoslawien, in die unter internationaler und autonomer Verwaltung stehende Provinz Kosovo" sei zulässig (Spruchpunkt II).

Zur Abweisung des Asylantrages als offensichtlich unbegründet führte das Bundesasylamt unter anderem aus, der Beschwerdeführer halte sich seit 1997 illegal in Österreich auf und er habe nach der Aktenlage zwölf Alias-Identitäten; er habe bereits im Jahr 1989 in Österreich um Asyl angesucht, dies bei der erstinstanzlichen Einvernahme verschwiegen und erst auf Vorhalt zugegeben. Auch die Angaben des Beschwerdeführers über den Fluchtweg belegten seine völlige Unglaubwürdigkeit. Zum Asylgrund, der Beschwerdeführer sei nicht bereit gewesen, während des Krieges im Kosovo zu kämpfen, führte das Bundesasylamt aus, es hätte zum Zeitpunkt seiner Ausreise noch keinen Krieg gegeben, sodass damals keine asylrelevanten Motive für die Ausreise vorherrschen hätten können. Das Vorbringen des Beschwerdeführers könne "allenfalls nur als Nachfluchtgrund gewertet werden". Es sei aber nicht glaubwürdig, dass er den erwähnten Brief eines Onkels erhalten habe, da jeder mit Vernunft begabte Mensch ein solches Beweismittel nicht wegwerfen würde. Auf Vorhalt eines umfassenden Berichtes zur Situation im Kosovo - gestützt auf diesen Bericht hat das Bundesasylamt auch Feststellungen über die allgemeine Lage im Kosovo getroffen - habe der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe schließlich darauf reduziert, dass er nicht wisse, wo er leben solle, dass es dort Minen gäbe und er einfach Angst habe. Rechtlich führt das Bundesasylamt aus, dass der vollständige Abzug der serbischen Verbände im Zusammenwirken mit der militärischen Präsenz der KFOR und der Zeitdauer des UN-Sicherheitsmandates ab dem 20. Juni 1999 eine weitere asylrelevante Verfolgung von Angehörigen der albanischen Volksgruppe im Kosovo durch "Serbien" bzw. die Bundesrepublik Jugoslawien als nachhaltig unwahrscheinlich erscheinen ließen. Das Vorbringen des Beschwerdeführers zu einer Bedrohungssituation entspreche offensichtlich nicht den Tatsachen. Die Entscheidung nach § 8 AsylG begründete das Bundesasylamt im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer zu seiner "Rückkehrsicherheit" nur angegeben habe, er sei nicht einverstanden, zurückkehren zu müssen. Die Rückkehrsicherheit im Kosovo sei eine notorische Tatsache, die keiner weiteren Beweisaufnahme mehr bedürfe. Beim Beschwerdeführer lägen keine stichhaltigen Gründe vor, die seiner Abschiebung in den Kosovo entgegen stünden.

Gegen beide Spruchpunkte dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer Berufung. In der Begründung seiner Berufung trat er der Abweisung des Asylantrages nicht argumentativ entgegen, machte jedoch umfangreiche Ausführungen zur politischen, sozialen, humanitären und wirtschaftlichen Situation im Kosovo. Er folgerte daraus insbesondere, dass seine Abschiebung in den Kosovo eine unmenschliche bzw. erniedrigende Behandlung darstellen würde, weil Rückkehrer im Kosovo in eine "ausweglose Lage" gerieten.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 6 Z 3 AsylG ab und stellte gemäß § 8 AsylG fest, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung "in die Bundesrepublik Jugoslawien, in die unter internationaler und autonomer Verwaltung stehende Provinz Kosovo" sei zulässig. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Berufungswerber gegenwärtig von "der Regierung im Kosovo" verfolgt werde, da er im Krieg nicht mitgekämpft habe. Die im erstinstanzlichen Bescheid getroffenen Sachverhaltsfeststellungen und die vorgenommene Beweiswürdigung würden vollinhaltlich übernommen. Daran anschließend legte die belangte Behörde im Rahmen der rechtlichen Beurteilung näher dar, dass aus laufender Berichterstattung in sämtlichen Medien allgemein bekannt sei, dass das Gebiet des Kosovo gegenwärtig unter internationaler Verwaltung stehe, sodass die erstinstanzliche Behauptung des Berufungswerbers, er würde im Falle einer Rückkehr von "der Regierung des Kosovo" verfolgt, als offensichtlich wahrheitswidrig zu beurteilen sei. Daran, dass das Vorbringen des Berufungswerbers als qualifiziert unglaubwürdig zu beurteilen sei, änderten die allgemein gehaltenen, zum Kosovo getätigten Darlegungen in der Berufung nichts.

Die Entscheidung über die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers begründete die belangte Behörde ausschließlich damit, dass "die zu Pkt. II getätigten Ausführungen der erstinstanzlichen Behörde ... zur Gänze übernommen und zum Inhalt des angefochtenen Bescheides erklärt" würden.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

1. Die zur Abweisung des Asylantrages gemäß § 6 Z 3 AsylG führenden Feststellungen stützen sich auf eine Beweiswürdigung, die im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis keinen Bedenken begegnet. In seiner Berufung übte der Beschwerdeführer keine Kritik an der Beweiswürdigung des Bundesasylamtes. Auch die Beschwerde vermag eine Unschlüssigkeit der von der belangten Behörde übernommenen Beweiswürdigung des Bundesasylamtes nicht aufzuzeigen, sodass der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden kann, wenn sie das Vorbringen des Beschwerdeführers auf Grundlage der von der Behörde erster Instanz getroffenen Feststellungen als gemäß § 6 Z 3 AsylG offensichtlich den Tatsachen nicht entsprechend beurteilt hat.

Die belangte Behörde hat der gegen die Abweisung des Asylantrages gerichteten, in dieser Hinsicht aber nicht näher begründeten Berufung des Beschwerdeführers daher zutreffend keine Folge gegeben. In diesem Umfang war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

2. Der angefochtene Bescheid erweist sich jedoch in seinem Ausspruch nach § 8 AsylG als rechtswidrig. Diesem Ausspruch legte die belangte Behörde die "zu Pkt. II. getätigten Ausführungen der erstinstanzlichen Behörde" zu Grunde.

Die belangte Behörde ist im angefochtenen Bescheid auf die ausführlichen, durch Hinweise auf Berichte verschiedener im Kosovo tätiger Institutionen belegten Berufungsausführungen mit keinem Wort eingegangen, und sie hat auch nicht dargelegt, aus welchen Gründen das Berufungsvorbringen unter dem Gesichtspunkt des § 8 AsylG etwa zur Gänze irrelevant sein sollte. Schließlich hat die belangte Behörde in diesem Zusammenhang auch das Absehen von einer mündlichen Berufungsverhandlung nicht begründet.

Die belangte Behörde hat, indem sie auf das sich auf § 8 AsylG beziehende Berufungsvorbringen nicht eingegangen ist, der sie gemäß § 67 iVm § 60 AVG treffenden Begründungspflicht nicht entsprochen. Die Gründe, die für die Abweisung der gegen Spruchpunkt II des erstinstanzlichen Bescheides gerichteten und in dieser Hinsicht mit einem umfangreichen Vorbringen verbundenen Berufung maßgeblich waren, können vom Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollzogen werden, sodass der angefochtene Bescheid in Bezug auf seinen Ausspruch nach § 8 AsylG keinen Bestand haben kann. Er war insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 23. März 2004

Schlagworte

Begründung Begründungsmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2002010220.X00

Im RIS seit

24.05.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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