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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1997 §28;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde des Z in G, vertreten durch Mag. Hermann Köck, Rechtsanwalt in 4840 Vöcklabruck, Stadtplatz 22, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 25. September 2002, Zl. 230.978/0-V/15/02, betreffend §§ 7 und 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein aus dem Kosovo stammender, der albanischen Volksgruppe zugehöriger Staatsangehöriger der (ehemaligen) Bundesrepublik Jugoslawien, reiste am 22. Juli 2002 in das Bundesgebiet ein und beantragte am folgenden Tag Asyl. Bei seiner Einvernahme durch das Bundesasylamt gab er dazu u.a. an, sein Problem sei, dass seine Frau in Belgrad geboren worden sei; deshalb seien ihm immer wieder "Steine in den Weg" gelegt worden.
Das Bundesasylamt wies den Asylantrag mit Bescheid vom 13. August 2002 gemäß § 7 AsylG ab und erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers "nach der Bundesrepublik Jugoslawien" gemäß § 8 AsylG für zulässig. Begründend führte es zunächst aus, dass die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen nicht asylrelevant seien. Weiters traf es Feststellungen "zu den gegenwärtigen innenpolitischen Verhältnissen in ihrem Heimatstaat, Provinz Kosovo" und gelangte davon ausgehend zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass nach dem Abzug der serbischen Kräfte dem vormaligen Verfolger in der Provinz Kosovo kein effektiver Machtapparat mehr zur Verfügung stehe. Im Zusammenwirken mit der Präsenz der KFOR und der Zeitdauer des UN-Sicherheitsmandates könne eine asylrelevante Verfolgung von Angehörigen der albanischen Volksgruppe durch die Bundesrepublik Jugoslawien "als nachhaltig wahrscheinlich" ausgeschlossen werden.
Die belangte Behörde wies die vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Berufung gemäß § 7 AsylG ab und stellte gemäß § 8 AsylG iVm § 57 Abs. 1 FrG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers "in die Bundesrepublik Jugoslawien - in die vormalig autonome Provinz Kosovo" zulässig sei. Dabei beschränkte sie sich im Wesentlichen darauf, die "bezughabenden Ausführungen" des Bundesasylamtes, denen sie sich vollinhaltlich anschließe, zum Inhalt ihres Bescheides zu erheben. Da der Beschwerdeführer in seiner Berufung keine neuen konkreten Tatsachenbehauptungen aufgestellt, sondern im Wesentlichen auf sein bisheriges Vorbringen verwiesen habe, sei die Durchführung einer Berufungshandlung nicht erforderlich gewesen.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Wie in der Beschwerde zutreffend ausgeführt wird, hat sich das Bundesasylamt mit der spezifischen Situation des Beschwerdeführers nicht auseinander gesetzt. Diese Situation ist dadurch gekennzeichnet, dass er mit einer in Belgrad geborenen Frau verheiratet ist, was er bereits bei seiner ersten Einvernahme als "Problem" dargestellt hat. Das Bundesasylamt hätte daher auf diesen Umstand Bedacht nehmen und Ermittlungen dahingehend pflegen müssen, welche Behandlung in Belgrad geborene Personen bzw. deren Ehegatten im Kosovo zu erwarten haben (zu einer ähnlichen Problematik vgl. die hg. Erkenntnisse je vom 17. September 2002, Zl. 2001/01/0003, und Zl. 2001/01/0262). Dass der Beschwerdeführer nichts vorgebracht hat, was auf in der Vergangenheit liegende Übergriffe maßgeblicher Intensität hinwies, ist nicht von Belang, weil es im gegebenen Zusammenhang nicht darauf ankommt, dass bereits relevante Verfolgungshandlungen stattgefunden haben.
Das Bundesasylamt hat nicht nur jegliche Beschäftigung mit dem persönlichen Hintergrund des Beschwerdeführers und den daraus zu erwartenden Konsequenzen unterlassen, es hat weiterhin, was die Beschwerde gleichfalls mit Recht ins Treffen führt, bei Darstellung der allgemeinen Situation im Kosovo auf nicht ausreichend zeitnahe Quellen zurückgegriffen (zum Erfordernis, aktuelle Informationen heranzuziehen, siehe etwa das hg. Erkenntnis vom 4. April 2001, Zl. 2000/01/0348). Auch angesichts dieses Umstandes hätte sich die belangte Behörde keineswegs mit einem bloßen Verweis auf den erstinstanzlichen Bescheid begnügen dürfen, und zwar unabhängig davon, dass die dagegen erhobene Berufung kein konkretes Tatsachensubstrat enthielt. Dass davon ausgehend auch die Durchführung einer Berufungsverhandlung geboten gewesen wäre, versteht sich von selbst.
Die dargestellten Verfahrensmängel sind angesichts des Beschwerdevorbringens, wonach der Beschwerdeführer so behandelt werden würde, als wäre er mit einer Serbin verheiratet, vor dem Hintergrund des in der Beschwerde erwähnten UNHCR-Papiers vom April 2002 - demnach können Kosovo-Albaner in Mischehen einer asylrelevanten Gefährdung unterliegen - zweifelsohne relevant, weshalb der bekämpfte Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 23. März 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2003010092.X00Im RIS seit
30.04.2004