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L72004 Beschaffung Vergabe Oberösterreich;Norm
AVG §59 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Bayjones und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde der L GmbH in A, vertreten durch Dr. Wolfgang Schimek, Rechtsanwalt in 3300 Amstetten, Graben 42, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 21. März 2001, Zl. VwSen-550036/3/Gf/Km, betreffend Verfahren gemäß § 58 O.ö. Vergabegesetz (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Grünburg, vertreten durch den Bürgermeister, dieser vertreten durch Dr. Josef Broinger, Dr. Johannes Hochleitner und Mag. Bernd Thiele, Rechtsanwälte in 4070 Eferding, Kirchenplatz 8), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die mitbeteiligte Partei hat die Vergabe eines Bauauftrages (betreffend "Elektroinstallationsarbeiten im Gemeindealten- und Pflegeheim G.") im offenen Verfahren ausgeschrieben. Bei der Angebotseröffnung ging zunächst die Beschwerdeführerin als Billigstbieterin hervor. In weiterer Folge wurde sie von der mitbeteiligten Partei in Kenntnis gesetzt, dass sich infolge unrichtiger Verlesung des Angebotspreises der zweitgereihten Bieterin bei der Angebotseröffnung eine Änderung der Reihung ergebe und die ursprünglich zweitgereihte Bieterin nunmehr als Billigstbieterin anzusehen sei.
Mit Schriftsatz vom 27. Juli 2000 stellte die Beschwerdeführerin (u.a.) einen Antrag auf Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens vor Zuschlagserteilung, der mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 6. Februar 2001 abgewiesen wurde. Die Beschwerdeführein erhob dagegen Berufung.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 21. März 2001 entschied die belangte Behörde über diese Berufung wie folgt:
"Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen; aus Anlass der Berufung wird der angefochtene Bescheid aufgehoben.
Rechtsgrundlage:
§ 58 Abs. 2 und 3 OöVergG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG."
Nach Darstellung des Verfahrensganges und der maßgeblichen rechtlichen Bestimmungen führte die belangte Behörde in ihrer Begründung aus, die Beschwerdeführerin hätte vor Stellung eines Nachprüfungsantrages von der mitbeteiligten Partei zunächst eine Mitteilung gemäß § 31 Abs. 4 O.ö. VergG einfordern müssen. Ein derartiges Begehren sei jedoch nicht gestellt worden, vielmehr sei mit Schriftsatz vom 27. Juli 2000 unmittelbar ein Nachprüfungsantrag eingebracht worden, obwohl dieser gemäß § 59 Abs. 1 zweiter Satz leg. cit. erst innerhalb von zwei Wochen nach der Zustellung einer derartigen Mitteilung hätte erhoben werden dürfen. Diesen Mangel hätte die erstinstanzliche Behörde aufgreifen und den Nachprüfungsantrag als unzulässig zurückweisen müssen. Indem sie stattdessen im Wege der Abweisung dieses Antrages eine Sachentscheidung getroffen habe, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit, ohne die Beschwerdeführerin dadurch jedoch in ihren subjektiven Rechten zu beeinträchtigen. "Die gegenständliche Berufung war daher gemäß § 58 Abs. 2 und 3 O.ö. VergG iVm § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abzuweisen, zudem war der angefochtene Bescheid aus Anlass dieser Berufung wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin bringt vor, sie habe einen sämtlichen Vorschriften des Oberösterreichischen Vergabegesetzes entsprechenden Nachprüfungsantrag gestellt, der zudem fristgerecht und ordnungsgemäß erstattet worden sei. Demnach habe die erstinstanzliche Behörde zutreffend den unstrittig berechtigten Antrag der Beschwerdeführerin nicht als unzulässig zurückgewiesen, vielmehr eine - wenn auch in der rechtlichen Bewertung unrichtige -
Sachentscheidung getroffen. Die Rechtsansicht der belangten Behörde, der Nachprüfungsantrag der Beschwerdeführerin wäre als unzulässig zurückzuweisen gewesen, sei verfehlt.
Die Beschwerde erweist sich schon auf Grund folgender Erwägungen als berechtigt:
Die belangte Behörde bezeichnete im Spruch des angefochtenen Bescheides als dessen Rechtsgrundlage § 66 Abs. 4 AVG.
Nach dieser Gesetzesstelle hat die Berufungsbehörde außer dem im Abs. 2 erwähnten Fall, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
Die belangte Behörde hat im ersten Halbsatz ihres Spruches die Berufung als unbegründet abgewiesen. Die Abweisung einer Berufung als unbegründet ist so zu werten, als ob die Berufungsbehörde einen mit dem erstinstanzlichen Bescheid übereinstimmenden neuen Bescheid erlassen hätte (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998) E 311 ff zu § 66 AVG).
Demgegenüber wurde mit dem zweiten Halbsatz des Spruches der angefochtene Bescheid "aus Anlass der Berufung" aufgehoben und - auf der Grundlage des § 66 Abs. 4 AVG - eine kassatorische Entscheidung getroffen, ohne dass zum Ausdruck gebracht wird, dass mit einer Sachentscheidung der Behörde (noch) zu rechnen ist. Abgesehen davon, dass die belangte Behörde durch eine - nicht auf § 66 Abs. 2 AVG gegründete - bloße Behebung des bei ihr angefochtenen Bescheides ihrer Verpflichtung, gemäß § 66 Abs. 4 AVG "in der Sache" zu entscheiden, nicht entsprochen hätte (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 21. September 1993, Zl. 91/04/0148), ist die Entscheidung, die Berufung und damit - wie die Erstbehörde - den Nachprüfungsantrag abzuweisen, gleichzeitig aber den den Nachprüfungsantrag abweisenden Bescheid der Erstbehörde aufzuheben, in sich widersprüchlich. Schon aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.
Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Die Umrechnung der Stempelgebühr beruht auf § 3 Abs. 2 Z. 2 Eurogesetz BGBl. I Nr. 72/2000.
Wien, am 24. März 2004
Schlagworte
Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides Inhalt der Berufungsentscheidung Anspruch auf meritorische Erledigung (siehe auch Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verfahrensrechtliche Entscheidung der Vorinstanz) Inhalt der Berufungsentscheidung Kassation Rechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen Rechtsverletzung durch solche Entscheidungen Rechtsnatur und Rechtswirkung der BerufungsentscheidungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2001040096.X00Im RIS seit
22.04.2004