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50/01 Gewerbeordnung;Norm
GewO 1994 §74 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Bayjones und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde der M & G OHG in G, vertreten durch Dr. Erich Hermann und Dr. Markus Ludvik, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Wollzeile 6-8, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit vom 19. Juli 2002, Zl. 316.108/1-I/9/02, betreffend gewerbliche Betriebsanlage, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit vom 19. Juli 2002 wurde der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf vom 15. Jänner 1992 sowie der Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 21. Jänner 1993, jeweils betreffend Genehmigung der gewerblichen Betriebsanlage der Beschwerdeführerin (Gastgewerbebetriebsanlage) gemäß § 66 Abs. 4 AVG ersatzlos behoben. Begründend wurde - nach Darstellung des Verfahrensganges -
im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführerin sei mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf vom 22. April 1976 die Konzession zum Betrieb eines Gastgewerbes mit den Berechtigungen des § 189 Abs. 1 GewO 1973 erteilt worden. Mit Ansuchen vom 20. Mai 1986 habe sie um Erweiterung der Betriebsanlage "Kaffeehaus" durch Errichtung eines Neubaues ebenso wie eines Zubaues an das bestehende Verkaufslokal angesucht. Mit den erwähnten Bescheiden der Bezirkshauptmannschaft bzw. des Landeshauptmannes sei die Gastgewerbebetriebsanlage gemäß § 77 GewO 1973 unter Vorschreibung von Nebenbestimmungen genehmigt worden. Im Umfang der ihr erteilten Konzession müsse die Betriebsanlage der Beschwerdeführerin allerdings im Grunde des § 153a GewO 1994 so behandelt werden wie eine genehmigte Anlage. Über das Ansuchen der Beschwerdeführerin müsse daher ein Änderungsgenehmigungsverfahren gemäß § 81 GewO 1994 durchgeführt werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im Recht auf Genehmigung ihrer Betriebsanlage bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen durch die belangte Behörde verletzt. Sie bringt hiezu im Wesentlichen vor, die belangte Behörde habe sich gesetzwidriger Weise darauf beschränkt, die Bescheide der Unterinstanzen zu beheben; eine Entscheidung über den Antrag der Beschwerdeführerin sei unterblieben, obwohl die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung vorgelegen wären.
Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,
1.) das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden, als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs. 2 Z 4 lit. g angeführten Nutzungsrechte,
2.) die Nachbarn vor Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,
3.) die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlicher Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,
4.) die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder
5.) eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.
Die Betriebsanlage ist gemäß § 77 Abs. 1 GewO 1994 zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.
Wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist, bedarf gemäß § 81 Abs. 1 GewO 1994 auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen. Diese Genehmigung hat auch die bereits genehmigte Anlage so weit zu umfassen, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlagen erforderlich ist.
Bei Erteilung einer Genehmigung nach § 77 GewO 1994 handelt es sich ebenso wie bei der Erteilung einer Genehmigung nach § 81 GewO 1994 um einen antragsbedürftigen Verwaltungsakt. Die Behörde ist in einem solchen Verfahren an den eine Willenserklärung bildenden Antrag, mit dem entweder eine (Grund-)Genehmigung im Sinn des § 77 GewO 1994 oder die Genehmigung der Änderung einer bereits bestehenden Betriebsanlage im Sinn des § 81 GewO 1994 begehrt wird, gebunden. Es steht ihr nicht frei, je nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens die nach der Sachlage in Betracht kommende Genehmigung zu erteilen. Lässt ein Ansuchen nach seiner Wortwahl zweifelsfrei erkennen, dass die Genehmigung einer Änderung der Betriebsanlage angestrebt wird, erteilt die Behörde aber eine Genehmigung im Sinn des § 77 GewO 1994, so erlässt sie einen antragsbedürftigen Verwaltungsakt ohne den erforderlichen Antrag; dies gilt selbst dann, wenn das Begehren, so wie es gestellt wurde, aussichtslos oder gar unzulässig erscheinen sollte (vgl. die bei Grabler/Stolzlechner/Wendl, GewO3 (2003), 652 f, dargestellte Judikatur betreffend die Abgrenzung der Verfahren gemäß § 77 GewO 1994 zu jenen nach § 81 GewO 1994).
Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 20. Mai 1986 um "Erweiterung der Betriebsanlage Kaffeehaus" angesucht, die in den - zum Bescheidbestand erklärten Projektunterlagen - als Neubau sowie als Zubau an das (bestehende) Verkaufslokal (in dem das Gastgewerbe in der Betriebsart einer Eisdiele ausgeübt werde), beschrieben wurde. Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des Begehrens war dieser Antrag auf Genehmigung der Änderung einer bestehenden Betriebsanlage gerichtet. Demgegenüber haben nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten Bezirkshauptmannschaft wie Landeshauptmann die beantragte Erweiterung der Betriebsanlage als Errichtung einer Betriebsanlage für das Gastgewerbe in der Betriebsart Kaffeehaus gemäß § 77 GewO genehmigt. Wenn die belangte Behörde die solcherart ohne entsprechenden Antrag erteilte Genehmigung gemäß § 66 Abs. 4 AVG mit dem angefochtenen Bescheid ersatzlos behob, so ist das nicht rechtswidrig (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), S. 1285, referierte hg. Judikatur).
Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 24. März 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2002040128.X00Im RIS seit
14.04.2004