Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
B-VG Art131 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Schick, Dr. Hinterwirth und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lamprecht, in der Beschwerdesache des Bundesministers für Inneres gegen den Bescheid der Datenschutzkommission vom 23. Oktober 1998, Zl. 120.566/15-DSK/98, betreffend die Gesetzmäßigkeit der Weitergabe von Daten (mitbeteiligte Partei: B in L), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.
Begründung
1. Der Mitbeteiligte B. wurde am 10. Dezember 1996 um ca. 2.10 Uhr unter dem dringenden Verdacht des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach § 86 StGB (in eventu des Mordes nach § 75 StGB), begangen an R. in der Nacht vom 16. auf den 17. November 1996, während einer Einvernahme im Gebäude der Bundespolizeidirektion Linz (im Folgenden: BPD) auf Grund eines mündlich vom Dienst habenden Richter des Landesgerichtes L. erlassenen Haftbefehles in Verwahrungshaft genommen. In weiterer Folge wurde B. erkennungsdienstlich behandelt und unter anderem fotografiert.
Am selben Tag übermittelte die BPD an die Medien folgende Presseaussendung, welche auch an die Tageszeitung "t.a." erging (im Folgenden werden die in der Presseaussendung angegebenen Vor- und Familiennamen des Opfers und des Mitbeteiligten sowie die Orts- und Lokalangaben anonymisiert wiedergegeben):
"Für Presse und Rundfunk
Abgängige tot aufgefunden
Seit 17.11.1996 ist die 27-jährige P.R. aus L. aus ihrer Wohnung in der G.-Straße abgängig (siehe Presseaussendung vom 5.12.1996).
Am 9.12.1996, gegen 15.30, sah ein Spaziergänger im Bereich der Einmündung der T. in die Donau eine Frauenleiche in der T. treiben. Die Leiche wurde durch die Feuerwehr geborgen und konnte rasch als die abgängige P.R. identifiziert werden.
Die in der Nacht durchgeführte Obduktion ergab tiefe Schnittwunden im Bereich der Unterarme, wobei es sich offensichtlich um Abwehrverletzungen handeln dürfte. Weiters wies das Opfer mehrere Hämatome im Bereich des Schädels auf. Der Tod trat durch Ertrinken ein.
Ersten kriminalpolizeilichen Ermittlungen zufolge, dürfte die Tat bereits am 17.11.1996 geschehen sein. Der Tat dringend verdächtig ist der 31-jährige beschäftigungslose M(...) B(...), der Freund der Getöteten. Nachdem er sich bei ersten Befragungen in mehrere Widersprüche verwickelte, erließ das Landesgericht L. einen Haftbefehl wegen Verdacht des Mordes. Er konnte in der Nacht festgenommen werden. Er ist bisher nicht geständig.
Unmittelbar vor der Tat kam es im Lokal X. in der D.-Straße und wahrscheinlich auch im Bereich der Wohnung in der G.-Straße zu einem Streit zwischen den beiden. Zeugen diese Streites bzw. Zeugen einer tätlichen Auseinandersetzung im Bereich des T-Ufers werden gebeten, sich dringend zu melden. Hinweise bitte an die Kripo-Journal (Telefonnummer) oder an die nächste Sicherheitsdienststelle.
Derzeit laufen umfangreiche kriminalpolizeiliche Ermittlungen. Lichtbilder des Tatverdächtigen liegen im Kripo-Journal auf. (Fertigungsklausel des Leiters der Pressestelle)"
Im Verlaufe des Tages wurde ein im Rahmen der erkennungsdienstlichen Behandlung aufgenommenes Foto des Mitbeteiligten B. von der BPD an die Redaktion der oben genannten Tageszeitung übermittelt, welche das Foto in der Ausgabe vom 11. Dezember 1996, Seite 10, unter der Schlagzeile "Frauenleiche trieb in der T." sowie der Bildunterschrift "Die Bundespolizeidirektion L. bittet uns, dieses Foto des Tatverdächtigen M.B. zu veröffentlichen. Hinweise unter (Telefonnummer)" zur Illustration eines Berichtes über den Kriminalfall (unter voller Nennung des Vornamens und Abkürzung des Familiennamens des Mitbeteiligten) abdruckte. In der Folge meldete sich ein Entlastungszeuge. Das Strafverfahren gegen M.B. wurde eingestellt.
Mit Schreiben vom 8. Jänner 1997 erhob der bereits anwaltlich vertretene Mitbeteiligte gemäß Art. 129a Abs. 1 Z 2 B-VG in Verbindung mit § 88 des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG) Beschwerde an den unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich gegen "die am 10. Dezember 1996 von der BPD an die Medien, insbesondere an die Redaktion des ORF L und an die V.F. Zeitungsverlags-GmbH veranlasste Übermittlung von Unterlagen, insbesondere die Weitergabe eines Fotos", welches im Rahmen der erkennungsdienstlichen Maßnahmen aufgenommen worden sei, sowie die Weitergabe von Daten, "welche in Besorgung der Sicherheitsverwaltung, in eventu in Ausübung der unmittelbaren sicherheitsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt geschehen sind". Er sei dadurch in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht des Art. 8 MRK und in einfach gesetzlich gewährleisteten Rechten des § 71 SPG und § 78 UrhG verletzt worden.
In der Folge erklärte sich der unabhängige Verwaltungssenat für unzuständig und trat die Beschwerde an die Datenschutzkommission (belangte Behörde) ab.
Über Auftrag der belangten Behörde vom 10. Juli 1997 ergänzte der Mitbeteiligte B. seine Beschwerde mit Schreiben vom 14. August 1997 dahingehend, dass er sie nunmehr auch auf die Verletzung seiner Rechte aus § 1 des Datenschutzgesetzes (DSG) stütze. Durch den Umstand, dass von der BPD entgegen den im § 71 SPG ausdrücklich normierten Ausnahmebestimmungen erkennungsdienstlich erlangte Daten - insbesondere das in diesem Zuge angefertigte Lichtbild - weitergegeben worden seien, sei der Mitbeteiligte in seinem Recht auf Geheimhaltung dieser im Zuge der Ermittlungstätigkeit der Sicherheitsbehörde angefertigten Lichtbilder und Daten verletzt. Eine Verhinderung von weiteren strafbaren Handlungen sei nicht notwendig gewesen, weil sich der Mitbeteiligte zum damaligen Zeitpunkt ohnedies in Verwahrungshaft befunden habe, sodass die Weitergabe dieser Daten auch nicht zur Ausforschung eines flüchtigen Täters erforderlich gewesen sei. Es sei daher ein besonders schwer wiegender Eingriff in das Privat- und Familienleben des Mitbeteiligten erfolgt.
Der Bundesminister für Inneres (= beschwerdeführende Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens) vertrat in seiner Stellungnahme vom 17. März 1998 vor allem die Auffassung, dass die Presseaussendung der Gerichtsbarkeit zuzurechnen und daher die belangte Behörde gemäß § 36 Abs. 1 Z 1 DSG unzuständig sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid entschied die belangte Behörde
1) "gemäß § 14 Abs. 1 DSG, BGBl. Nr. 565/1978 idF BGBl. Nr. 632/1994, und § 90 Abs. 1 SPG, BGBl. Nr. 566/1991 idF BGBl. Nr. 112/1997":
Die BPD habe den Mitbeteiligten B. in L. dadurch, dass sie am 10. Dezember 1996 ihn betreffende personenbezogene Daten, nämlich ein von ihm im Zuge erkennungsdienstlicher Behandlung hergestelltes Lichtbild, zumindest an die Redaktion der Tageszeitung "t.a." übermittelt habe, in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Geheimhaltung ihn betreffender personenbezogener Daten gemäß § 1 Abs. 1 DSG sowie in seinem einfachgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unterbleiben der Übermittlung von erkennungsdienstlichen Daten an Medien gemäß § 71 Abs. 4 Z 1 in Verbindung mit § 87 SPG idF BGBl. Nr. 201/1996 verletzt.
Sie entschied 2) "gemäß § 14 Abs. 1 und § 36 Abs. 1 Z 1 DSG":
Die BPD habe den Mitbeteiligten B. in L. dadurch, dass sie am 10. Dezember 1996 ihn betreffende personenbezogene Daten, nämlich
a) Namen, b) Beschäftigung und c) die Angabe, dass er sich des Mordes verdächtig in Haft befinde, in einer Pressemitteilung unter anderem an die Redaktion der Tageszeitung "t.a." übermittelt habe, in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten gemäß § 1 Abs. 1 DSG verletzt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde des Bundesministers für Inneres (= beschwerdeführende Partei), in der Unzuständigkeit der belangten Behörde, inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie - betreffend den Spruchpunkt 2) - die Zurückweisung der Beschwerde wegen Unzulässigkeit und im Übrigen die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.
2.1. §§ 1 und 2 SPG, BGBl. Nr. 566/1991, lauten:
"1. Teil
1. Hauptstück
Anwendungsbereich
§ 1. Dieses Bundesgesetz regelt die Organisation der Sicherheitsverwaltung und die Ausübung der Sicherheitspolizei.
2. Hauptstück
Organisation der Sicherheitsverwaltung
Besorgung der Sicherheitsverwaltung
§ 2. (1) Die Sicherheitsverwaltung obliegt den Sicherheitsbehörden.
(2) Die Sicherheitsverwaltung besteht aus der Sicherheitspolizei, dem Pass- und dem Meldewesen, der Fremdenpolizei, der Überwachung des Eintrittes in das Bundesgebiet und des Austrittes aus ihm, dem Waffen-, Munitions-, Schieß- und Sprengmittelwesen sowie aus dem Pressewesen und den Vereins- und Versammlungsangelegenheiten."
§ 22 Abs. 3 SPG, BGBl. Nr. 566/1991, der laut seiner Überschrift den vorbeugenden Schutz von Rechtsgütern regelt, lautet:
"(3) Nach einem gefährlichen Angriff haben die Sicherheitsbehörden, unbeschadet ihrer Aufgaben nach der Strafprozessordnung 1975 (StPO), BGBl. Nr. 631/1975, die maßgebenden Umstände, einschließlich der Identität des dafür Verantwortlichen, zu klären, soweit dies zur Vorbeugung weiterer gefährlicher Angriffe erforderlich ist. Sobald ein bestimmter Mensch der strafbaren Handlung verdächtig ist, gelten ausschließlich die Bestimmungen der StPO; die §§ 57 und 58 sowie die Bestimmungen über den Erkennungsdienst bleiben jedoch unberührt."
Der 4. Teil des SPG umfasst die §§ 51 bis 80. Er regelt laut seiner Überschrift das Verwenden personenbezogener Daten im Rahmen der Sicherheitspolizei.
§ 51 SPG, BGBl. Nr. 566/1991 (in der Stammfassung), hatte
folgenden Wortlaut:
"4. Teil
Verwenden personenbezogener Daten im Rahmen
der Sicherheitspolizei
1. Hauptstück
Allgemeines
§ 51. (1) Die Sicherheitsbehörden haben beim Verwenden (Ermitteln, Verarbeiten, Benützen, Übermitteln und Überlassen oder einer dieser Vorgänge) personenbezogener Daten die Verhältnismäßigkeit (§ 29) zu beachten. Jedenfalls haben sie auf die Wahrung schutzwürdiger Interessen der Betroffenen an der Geheimhaltung und auf den Vorrang vertraulicher Behandlung der Daten bedacht zu sein.
(2) Sofern nicht ausdrücklich anderes angeordnet wird, finden die Bestimmungen des Datenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 565/1978, mit Ausnahme des § 6, 2. Tatbestand, und des § 7 Abs. 2 Anwendung.
(3) Die Bestimmungen dieses Teiles gelten auch für das nicht automationsunterstützte Verwenden personenbezogener Daten."
§ 64 Abs. 1 und 4 leg. cit. (in der Stammfassung) lautet:
"(1) Erkennungsdienst ist das Ermitteln personenbezogener Daten durch erkennungsdienstliche Maßnahmen sowie das Verarbeiten, Benützen, Übermitteln, Überlassen und Löschen dieser Daten.
...
(4) Erkennungsdienstliche Daten sind personenbezogene Daten, die durch erkennungsdienstliche Maßnahmen ermittelt worden sind."
Gemäß § 65 Abs. 1 leg. cit. sind die Sicherheitsbehörden ermächtigt, Menschen, die im Verdacht stehen, einen gefährlichen Angriff begangen zu haben, erkennungsdienstlich zu behandeln.
§ 87 und § 90 Abs. 1 SPG (in der Stammfassung) lauteten:
"6. Teil
Besonderer Rechtsschutz
Recht auf Gesetzmäßigkeit sicherheitspolizeilicher Maßnahmen
§ 87. Jedermann hat Anspruch darauf, dass ihm gegenüber sicherheitspolizeiliche Maßnahmen nur in den Fällen und der Art ausgeübt werden, die dieses Bundesgesetz vorsieht.
Beschwerden wegen Verletzung der Bestimmungen
über den Datenschutz
§ 90. (1) Die Datenschutzkommission entscheidet gemäß § 14 des Datenschutzgesetzes über Beschwerden wegen Verletzung von Rechten durch Verwenden personenbezogener Daten entgegen den Bestimmungen des Datenschutzgesetzes oder des 4. Teiles dieses Bundesgesetzes. Davon ausgenommen ist die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ermittlung von Daten durch die Ausübung von Befugnissen nach den Bestimmungen des 3. Teiles dieses Bundesgesetzes.
(...)"
§ 91 Abs. 1 SPG (Einfügung der Absatzbezeichnung durch BGBl. Nr. 201/1996) lautet auszugsweise:
"Amtsbeschwerde
(1) Der Bundesminister für Inneres kann gegen
(...)
2. Entscheidungen der Datenschutzkommission über Beschwerden gemäß § 90 sowohl zugunsten als auch zum Nachteil des Betroffenen Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit an den Verwaltungsgerichtshof erheben. Die Beschwerdefrist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung an die Behörde.
(...)"
Die §§ 24 und 26 StPO, BGBl. Nr. 631/1975 (§ 26 idF BGBl. Nr. 605/1987) lauten:
"§ 24. Die Sicherheitsbehörden, unter denen auch die Bürgermeister (Gemeindevorsteher) begriffen sind, haben allen Verbrechen und Vergehen, sofern sie nicht bloß auf Begehren eines Beteiligten untersucht werden, nachzuforschen und, wenn das unverzügliche Einschreiten des Untersuchungsrichters nicht erwirkt werden kann, die keinen Aufschub gestattenden vorbereitenden Anordnungen zu treffen, die zur Aufklärung der Sache dienen oder die Beseitigung der Spuren der strafbaren Handlung oder die Flucht des Täters verhüten können. Hausdurchsuchungen und die vorläufige Verwahrung von Personen dürfen die Sicherheitsbehörden und deren Organe zum Zwecke der Strafgerichtspflege nur in den in dieser Strafprozessordnung vorgesehenen Fällen unaufgefordert vornehmen; sie haben von ihrem Einschreiten und dessen Ergebnis dem zuständigen Staatsanwalt oder Untersuchungsrichter sogleich Mitteilung zu machen.
...
§ 26. (1) Die Strafgerichte sind berechtigt, zur Durchführung der Strafrechtspflege mit allen Dienststellen der Gebietskörperschaften, mit anderen Körperschaften des öffentlichen Rechtes sowie mit den von ihnen betriebenen Anstalten unmittelbares Einvernehmen durch Ersuchen zu pflegen. Solchen Ersuchen ist mit möglichster Beschleunigung zu entsprechen, oder es sind die entgegenstehenden Hindernisse unverzüglich bekannt zu geben; erforderlichenfalls ist Akteneinsicht zu gewähren.
(2) Ersuchen gemäß Abs. 1, die sich auf Straftaten einer bestimmten Person beziehen, dürfen mit dem Hinweis auf bestehende gesetzliche Verpflichtungen zur Verschwiegenheit oder darauf, dass es sich um automationsunterstützt verarbeitete personenbezogene Daten handelt, nur dann abgelehnt werden, wenn entweder diese Verpflichtungen ausdrücklich auch gegenüber Strafgerichten auferlegt sind oder wenn der Beantwortung überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen, die im Einzelnen anzuführen und zu begründen sind.
(3) Die Strafgerichte können sich nach Maßgabe des Auslieferungs- und Rechtshilfegesetzes mit Ersuchen im Sinn der vorstehenden Bestimmungen auch an ausländische Behörden wenden, und zwar auf dem durch zwischenstaatliche Vereinbarungen oder allgemein anerkannte Regeln des Völkerrechtes vorgesehenen Weg.
..."
2.2.1. Zur Zulässigkeit der Beschwerde führt die beschwerdeführende Partei aus, dass sie gemäß § 91 Abs. 1 Z 2 SPG gegen Entscheidungen der Datenschutzkommission gemäß § 90 SPG sowohl zu Gunsten als auch zum Nachteil des Betroffenen Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit an den Verwaltungsgerichtshof erheben könne. Im Beschwerdefall sei die belangte Behörde nicht zur Entscheidung über die Datenübermittlung zuständig gewesen, weil es sich um einen der Gerichtsbarkeit zuzuordnenden Sachverhalt gehandelt habe. Da die belangte Behörde aber im angefochtenen Bescheid davon ausgegangen sei, dass das zu überprüfende Verhalten der BPD zuzurechnen wäre, sei der beschwerdeführenden Partei zur Geltendmachung ihrer Rechtsansicht auch in solchen Fällen die Möglichkeit einer Amtsbeschwerde eingeräumt.
2.2.2. Die Amtsbeschwerde ist unzulässig.
§ 91 Abs. 1 Z. 2 SPG knüpft die Legitimation des Bundesministers für Inneres zur Amtsbeschwerde daran, dass die Datenschutzkommission "über Beschwerden gemäß § 90" entschieden hat. Es ist also eine materielle Sicht der Beschwerde und der darüber ergehenden Entscheidung der Datenschutzkommission geboten. Entscheidend ist daher nicht, ob der Mitbeteiligte B. oder die Datenschutzkommission die Beschwerde als solche nach § 90 SPG angesehen oder bezeichnet haben, sondern ob sie vom Beschwerdegegenstand her eine solche war. Ebenso wenig ist die Zurechnung an die Verwaltungsbehörde entscheidungswesentlich (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2000, Zl. 96/01/1032, sowie zuletzt das hg. Erkenntnis vom 17. September 2002, Zl. 2000/01/0325, mwN aus der Lehre sowie unter Anführung von Vorjudikatur).
§ 90 Abs. 1 SPG erfasst zwei Fälle. Der erste Fall (Verletzung von Rechten durch Verwenden personenbezogener Daten entgegen den Bestimmungen des DSG) ist in § 91 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. überschießend ohne jede Einschränkung angeführt worden. Es kann nämlich nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber tatsächlich die Absicht hatte, dem Bundesminister für Inneres ein Beschwerderecht hinsichtlich sämtlicher Entscheidungen der Datenschutzkommission nach § 90 SPG einzuräumen. Diesfalls wäre der Bundesminister für Inneres auch in Fällen zur Amtsbeschwerde legitimiert, die sein Ressort nicht betreffen. Für einen derartigen Regelungsinhalt bieten auch die Materialien zum SPG nicht den geringsten Hinweis. Es bedarf daher einer teleologischen Reduktion der Regelung des § 91 Abs. 1 Z. 2 SPG dahingehend, dass es sich um Beschwerden wegen Verletzungen des DSG in Vollziehung der Sicherheitsverwaltung (§ 2 Abs. 2 SPG) handeln muss.
Dafür spricht auch der seit dem 1. Jänner 2000 (vgl. § 94 Abs. 11 SPG) geltende § 90 Abs. 1 Satz 1 SPG idF der SPG-Novelle 1999, BGBl. I Nr. 146. Hiernach entscheidet die Datenschutzkommission gemäß § 14 DSG über Beschwerden wegen Verletzung von Rechten durch Verwenden personenbezogener Daten in Angelegenheiten der Sicherheitsverwaltung entgegen den Bestimmungen des DSG. Die erst im Ausschuss für innere Angelegenheiten angeregte Neuformulierung des Wortlautes des § 90 Abs. 1 SPG sollte offenbar, wurde doch die Absicht einer Änderung oder Neuregelung insoweit nicht geäußert, nur einer Klarstellung der bereits geltenden Rechtslage dienen (vgl. dazu auch den ersten Absatz des AB, 2023 BlgNR XX. GP, 1). Von einer inhaltlichen Änderung wurde in diesem Zusammenhang auch in der bisherigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht ausgegangen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 9. Juli 2002, Zl. 2000/01/0423).
Der zweite Fall des § 90 Abs. 1 Satz 1 SPG verweist auf Beschwerden nach dem 4. Teil dieses Bundesgesetzes. Nach seiner Überschrift regelt dieser das Verwenden personenbezogener Daten im Rahmen der Sicherheitspolizei (Hervorhebung durch den Verwaltungsgerichtshof). Zwar erklärt der letzte Halbsatz des letzten Satzes des § 22 Abs. 3 SPG, dass die §§ 57 und 58 SPG und die Bestimmungen über den Erkennungsdienst von der Regelung des ersten Halbsatzes des letzten Satzes leg. cit. unberührt bleiben. Letzterer schließt die Anwendbarkeit des SPG aus, sobald ein bestimmter Mensch der Straftat verdächtig ist. Der Umstand, dass dieser Ausschluss nicht in Ansehung der §§ 57 und 58 SPG und der Bestimmungen über den Erkennungsdienst gilt, bedeutet jedoch nicht, dass diese zuletzt genannten Bestimmungen auch dann Anwendung zu finden hätten, wenn die Behörde überhaupt nicht im Rahmen der Sicherheitspolizei (sondern etwa der Gerichtspolizei - vgl. dazu etwa bereits das hg. Erkenntnis vom 25. Oktober 1982, Zl. 82/10/0117 = Slg. Nr. 10.870/A, mwN) tätig wird (vgl. Wiederin, Einführung in das Sicherheitspolizeirecht (1998), Rz 649).
Fallbezogen bedeutet dies zunächst, dass die Weitergabe des nicht erkennungsdienstlich ermittelten Namens des Mitbeteiligten schon deshalb unter keinen Umständen dem 4. Teil des SPG unterfallen konnte, weil die Anwendbarkeit dieses Gesetzes insoweit schon durch den ersten Halbsatz des letzten Satzes des § 22 Abs. 3 SPG ausgeschlossen war.
In Ansehung des allenfalls erkennungsdienstlich (§ 64 Abs. 4 SPG) gewonnenen Lichtbildes des Mitbeteiligten hängt die Frage der Anwendbarkeit des 4. Teiles des SPG nach dem Vorgesagten davon ab, ob die Weitergabe ein Verwenden dieser Daten im Rahmen der Sicherheitspolizei war. Nur diesfalls hätte die Anordnung des § 22 Abs. 3 letzter Satz letzter Halbsatz SPG die Anwendbarkeit dieses Gesetzes über den im ersten Halbsatz leg. cit. genannten Zeitpunkt hinaus bewirkt. Ebenso hätte wie eingangs ausgeführt das Vorliegen des ersten Falles des § 90 Abs. 1 Satz 1 SPG (Verwenden personenbezogener Daten) nur dann bejaht werden können, wenn diese Daten für Zwecke der Sicherheitspolizei weitergegeben worden wären.
Im Beschwerdefall erfolgten beide Weitergaben von personenbezogenen Daten nicht im Rahmen der sicherheitspolizeilichen Gefahrenabwehr. Der damals einzige Verdächtige (der Mitbeteiligte) war nämlich bereits in Verwahrungshaft, sodass nur mehr Tatzeugen und Hintergründe gemäß § 24 StPO und Art. 6 EMRK (auch im Hinblick auf entlastende Umstände) zu erheben waren. Dies begründet ein Polizeihandeln im Dienste der Strafjustiz, hat dem Behördenhandeln doch jede Gefahrenabwehr oder Vorbeugung von gefährlichen Angriffen gefehlt (vgl. zu diesen Abgrenzungskriterien den hg. Beschluss vom 25. März 2003, Zl. 2002/01/0252, mit Verweis auf Wiederin, a.a.O., Rz 737; Hauer/Keplinger, Kommentar zum Sicherheitspolizeigesetz2 (2001), B 7 zu § 2; zuletzt neuerlich Wiederin, Verfassungsfragen der Errichtung eines Bundeskriminalamtes, JBl 2001, 273 (284 ff), mwN in FN 78). Nach dem Zweck (ergänzender) Erhebungen sollte vielmehr die Verdachtslage gegen einen bereits Inhaftierten geklärt werden, sodass insgesamt keine Angelegenheit der Sicherheitspolizei vorliegt.
Da sich die §§ 90 und 91 SPG (in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung) auf den Datenschutz in Angelegenheiten der Sicherheitsverwaltung beziehen, ist die Amtsbeschwerde somit zur Gänze mangels Legitimation unzulässig. Dass sich die Datenschutzkommission in einem Spruchpunkt auf die Verletzung von Bestimmungen des 4. Teiles des SPG gestützt hat, ist, wie einleitend dargestellt, ebenso unbeachtlich, wie im umgekehrten Fall (Verneinung einer Einbeziehung der Gerichtspolizei in die Sicherheitsverwaltung) das Vorliegen einer zum Teil bloß auf das DSG gestützten Entscheidung (vgl. dazu neuerlich den hg. Beschluss vom 25. März 2003, Zl. 2002/01/0252).
3. Die Beschwerde war daher - vorliegendenfalls in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat - gemäß § 34 Abs. 1 leg. cit. zurückzuweisen.
Gemäß § 47 Abs. 4 VwGG findet im Beschwerdefall kein Aufwandersatz statt.
Wien, am 24. März 2004
Schlagworte
Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATION Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:1998120515.X00Im RIS seit
21.06.2004Zuletzt aktualisiert am
07.10.2008