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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer sowie die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Bayjones und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde der B Aktiengesellschaft in W, vertreten durch Dr. Christian Kuhn und Dr. Wolfgang Vanis, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Elisabethstraße 22, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 3. September 2002, WST1-BA-9943, betreffend gewerbliche Betriebsanlage, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 10. Mai 1999, Zl. 12-B-98150/10, erteilte die Bezirkshauptmannschaft Mödling der Beschwerdeführerin gemäß den §§ 74 Abs. 2 und 77 GewO 1994 die Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines Selbstbedienungseinkaufsmarktes samt technischer Einrichtungen im Standort 2352 Gumpoldskirchen unter Vorschreibung von Auflagen.
Unter anderem wurde in diesem Bescheid folgende Auflage vorgeschrieben:
"Die Beleuchtung der Reklamezeichen, Firmentafeln und dergleichen ist so anzubringen bzw. auszuführen, dass durch sie die Verkehrsteilnehmer auf den vorbeiführenden Straßen weder geblendet noch unzumutbar abgelenkt werden. Es darf kein bewegtes Licht verwendet werden. Die Beleuchtung darf im Sinne der Richtlinie RVS 5.512 'Beleuchtungsanlagen für verkehrsfremde Zwecke' der österreichischen Forschungsgesellschaft für das Verkehrs- und Straßenwesen bzw. der ÖNORM O 1050 'Straßenbeleuchtung' eine Lichtstärke/Leuchtdichte von 1000 cd - 50 cd/m2 nicht überschreiten. Ein Messprotokoll oder Nachweis im Sinne dieser Richtlinie ist vorzulegen."
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde die Berufung der Beschwerdeführerin, die sich ausschließlich gegen die obzitierte Auflage richtete, abgewiesen. Als Begründung führt der angefochtene Bescheid im Wesentlichen aus, dass die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs ein in § 74 Abs. 2 Z 4 GewO 1994 genanntes Schutzgut sei, das nicht wesentlich beeinträchtigt werden dürfe. Der durch diese Bestimmung geschützte Personenkreis sei jeder Verkehrsteilnehmer, der im Umkreis der Betriebsanlage am Verkehrsgeschehen teilnehme und durch das Naheverhältnis zur Betriebsanlage und die Auswirkungen von dieser gefährdet werden könne. Weiters handle es sich bei der in dieser Auflage angeführten ÖNORM und RVS-Richtlinie um einen Sorgfaltsmaßstab, den der einzelne Unternehmer nach dem Stand der Technik einzuhalten habe. Unter bewegtem Licht sei jegliches Licht oder jegliche Beleuchtung zu verstehen, das bzw. die nicht ruhend sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Vorschreibung einer begründeten und ausreichend konkretisierten Auflage verletzt.
§ 77 Abs. 1 und § 71 a Abs. 1 Gewerbeordnung 1994, BGBl. Nr. 194/1994 in der im vorliegenden Fall maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 88/2000 (GewO 1994), lautet auszugsweise:
"§ 77. (1) Die Betriebsanlage ist zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden (...)"
"§ 71a. (1) Der Stand der Technik im Sinne dieses Bundesgesetzes ist der auf den einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhende Entwicklungsstand fortschrittlicher technologischer Verfahren, Einrichtungen, Bau- oder Betriebsweisen, deren Funktionstüchtigkeit erprobt und erwiesen ist. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere vergleichbare Verfahren, Einrichtungen, Bau- oder Betriebsweisen heranzuziehen und ist die Verhältnismäßigkeit zwischen dem Aufwand für die im jeweiligen gewerblichen Sektor erforderlichen technischen Maßnahmen und dem dadurch bewirkten Nutzen für die jeweils zu schützenden Interessen zu berücksichtigen."
Die Beschwerdeführerin bringt zunächst vor, die verfahrensgegenständliche Auflage sei derart mangelhaft konkretisiert, dass es der Beschwerdeführerin unmöglich sei, zu erkennen, ob sie sich auflagenkonform verhalte. So sei nicht nachvollziehbar, was unter "bewegtem Licht" zu verstehen sei.
Auflagen müssen so klar gefasst sein, dass sie dem Verpflichteten jederzeit die Grenzen seines Verhaltens und damit die Einhaltung der Auflagen zweifelsfrei erkennen lassen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2003, Zl. 2001/04/0156).
Vor diesem Hintergrund ist die im vorliegenden Fall maßgebliche Auflage ausreichend bestimmt. Zwar ist der im ersten Satz der Auflage für sich allein genommene Begriff der Zumutbarkeit nicht ausreichend konkret, jedoch ergibt sich im Zusammenhang mit dem folgenden zweiten und dritten Satz bei einer gesamthaften Betrachtung der Auflage ein ausreichend konkretisierter Inhalt.
In diesem Sinn wird die allgemeine Verpflichtung des ersten Satzes der Auflage durch die folgenden Sätze konkretisiert. Um sicherzustellen, dass die Verkehrsteilnehmer auf den vorbeiführenden Straßen weder geblendet noch unzumutbar abgelenkt werden, darf bei der Beleuchtung der Reklamezeichen, Firmentafeln und dergleichen kein bewegtes Licht verwendet werden und darf eine näher bestimmte Lichtstärke/Leuchtdichte nicht überschritten werden. Letzteres ist durch Vorlage eines näher bestimmten Nachweises zu belegen.
Auch der in der Auflage verwendete Begriff "bewegtes Licht" ist nach dem allgemeinen Sprachgebrauch - wie auch im angefochtenen Bescheid dargelegt - ausreichend bestimmt. Dass dieser Begriff für Fachleute (vgl. dazu Grabler/Stolzlechner/Wendl, Kommentar zur GewO2 (2003) S. 566 und die dort referierte Rechtsprechung) eine vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichende und damit nicht nachvollziehbare Bedeutung hätte, wird von der Beschwerdeführerin nicht dargelegt.
Die Beschwerdeführerin bringt weiters vor, dass sich die belangte Behörde zu Recht auf die Richtlinie RVS 5.512 gestützt habe, da diese Richtlinie den "Stand der Technik und Wissenschaft hinsichtlich Beleuchtungsanlagen für verkehrsfremde Zwecke an Straßen" widerspiegle. Jedoch stamme die Richtlinie RVS 5.512 aus dem Jahre 1984 und es sei ein Entwurf einer Neufassung dieser Richtlinie in Arbeit, welcher im Dezember 2002 fertig gestellt werden solle. Diese Neufassung der Richtlinie RVS 5.512 erkläre im Punkt 8.4. ("Dynamik") sowohl bewegte Informationsträger als auch bewegte Bilder unter näher bezeichneten Voraussetzungen für zulässig. Daraus ergebe sich, dass das im angefochtenen Bescheid ausgesprochene generelle Verbot von bewegtem Licht nicht dem Stand der Technik und Wissenschaft zum Zeitpunkt der Entscheidung der Berufungsbehörde entsprochen habe. Hätte die belangte Behörde ein gesetzmäßiges Ermittlungsverfahren durchgeführt, hätte die Beschwerdeführerin die Möglichkeit gehabt, die belangte Behörde auf diesen aktuellen Stand der Technik und Wissenschaft hinzuweisen und entsprechende Beweismittel vorzulegen.
Im Ergebnis wendet sich die Beschwerdeführerin gegen das der verfahrensgegenständlichen Auflage zugrundeliegende Gutachten des verkehrstechnischen Amtssachverständigen. Der vom verkehrstechnischen Amtssachverständigen herangezogenen Richtlinie RVS 5.512 "Beleuchtungsanlagen für verkehrsfremde Zwecke" der österreichischen Forschungsgesellschaft für das Verkehrs- und Straßenwesen kommt kein normativer Inhalt zu (vgl. etwa zur Richtlinie RVS 5.212 das hg. Erkenntnis vom 13. Februar 1991, Zl. 90/03/0265, im Hinblick auf § 84 StVO). Derartige allgemeine Beurteilungsrichtlinien haben nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur jene Bedeutung, die ihnen durch Gesetz (oder Verordnung) beigemessen wird; sie sind, wie andere Sachverhaltselemente, Gegenstand der Beweisaufnahme und der Beweiswürdigung und können ohne Darlegung der ihnen zugrundeliegenden fachlichen Prämissen nicht herangezogen werden, sodass eine unmittelbare Anwendung dieser Richtlinien nicht statthaben kann (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 2001, Zl. 98/04/0181 mwH).
Den im übrigen nicht als unschlüssig zu erachtenden sachverständigen Darlegungen ist die Beschwerdeführerin nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Sie hat insbesondere kein Gutachten eines (privaten) verkehrstechnischen Sachverständigen vorgelegt, in dem der von ihr behauptete Mangel fachlich fundiert aufgezeigt wird.
Dem von der Beschwerdeführerin behaupteten Verfahrensmangel fehlt daher die nach § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG notwendige Relevanz.
Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 24. März 2004
Schlagworte
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ECLI:AT:VWGH:2004:2002040168.X00Im RIS seit
22.06.2004