RS OGH 1992/4/14 11Os37/92, 13Os83/92, 12Os97/93, 14Os167/94, 13Os168/96, 13Os126/96, 11Os93/03, 15O

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 14.04.1992
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Norm

StPO §3
StPO §473 Abs2
StPO §475 Abs1
StPO §476

Rechtssatz

Das Berufungsgericht darf nach Aufhebung eines freisprechenden Urteils - aus welchen Gründen immer - nur dann in der Sache selbst entscheiden, wenn es im Urteil die Tatsachen, die bei richtiger Anwendung des Gesetzes dem Erkenntnis zugrunde zu legen wären, nach einem mängelfreien Verfahren mit unbedenklicher Begründung festgestellt findet. Andernfalls muß es - von dem im § 470 Z 3 StPO geregelten Fall abgesehen - in der Berufungsverhandlung, die den Charakter einer neuen, mit erhöhten Garantien für die Ermittlung der Wahrheit und des Rechts ausgestatteten Hauptverhandlung hat, den Grundsätzen der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit gemäß, das vom Erstgericht durchgeführte Beweisverfahren wiederholen und ergänzen. Dies ergibt sich schon aus der Erwägung, daß eine Prozeßpartei, die durch die Entscheidung erster Instanz nicht beschwert wurde und daher kein Anfechtungsrecht hatte, nicht schlechter gestellt werden darf als jene Prozeßpartei, gegen die schon in erster Instanz ein (schuldigsprechendes) Urteil ergangen ist und die daher in der Lage war, eine Verfahrensrüge und Mängelrüge zu erheben. Nur so kommt das Gericht seiner im § 3 StPO niedergelegten Verpflichtung zur Erforschung der materiellen Wahrheit nach.

Entscheidungstexte

  • 11 Os 37/92
    Entscheidungstext OGH 14.04.1992 11 Os 37/92
    Veröff: JBl 1993,405
  • 13 Os 83/92
    Entscheidungstext OGH 21.10.1992 13 Os 83/92
  • 12 Os 97/93
    Entscheidungstext OGH 12.08.1993 12 Os 97/93
    Vgl auch
  • 14 Os 167/94
    Entscheidungstext OGH 31.01.1995 14 Os 167/94
    Vgl auch; Beisatz: Dies folgt schon aus dem Fairneßgebot des Art 6 MRK, würde doch andernfalls der freigesprochene Angeklagte, der durch die Entscheidung in erster Instanz nicht beschwert ist und dem daher ein Anfechtungsrecht nicht zukommt, schlechter gestellt sein als sein Gegner, der das in erster Instanz ergangene, ihm nachteilige Urteil im Rechtsmittelweg zu bekämpfen vermochte. (T1)
  • 13 Os 168/96
    Entscheidungstext OGH 06.11.1996 13 Os 168/96
  • 13 Os 126/96
    Entscheidungstext OGH 06.11.1996 13 Os 126/96
  • 11 Os 93/03
    Entscheidungstext OGH 09.09.2003 11 Os 93/03
    Auch
  • 15 Os 156/17f
    Entscheidungstext OGH 17.01.2018 15 Os 156/17f
    Vgl; Beisatz: Das Berufungsgericht ist aufgrund einer Schuldberufung, die auf eine eigenständige Entscheidung in der Sache abzielt, nicht an die (allenfalls) geltend gemachten Argumente gebunden, sondern in der am Prinzip der materiellen Wahrheitserforschung (§ 3 StPO) ausgerichteten Erfassung des Prozessstoffes und in der Beweiswürdigung völlig frei. Das Berufungsgericht ist selbst Tatsacheninstanz (auch) in der Schuldfrage. (T2)
    Beisatz: Fehlende Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen kann das Berufungsgericht nach Wiederholung bzw Ergänzung des Beweisverfahrens nachholen. Durch diese Neudurchführung des Beweisverfahrens, in dem die Bestimmungen über die Hauptverhandlung im schöffengerichtlichen Verfahren anzuwenden sind (§ 473 Abs 1 erster Satz StPO), das Prinzip der materiellen Wahrheitserforschung (§ 3 StPO) gilt und (auch) dem Berufungsgegner die Stellung von Beweisanträgen und das Vorbringen von Neuerungen offen steht, wird eine Benachteiligung des (in erster Instanz freigesprochenen) Berufungsgegners hintangehalten. (T3)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:RS0096159

Im RIS seit

15.06.1997

Zuletzt aktualisiert am

15.03.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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