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L34009 Abgabenordnung Wien;Norm
BAO §184;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):2002/13/0221 E 2. Juni 2004Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Höfinger, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde der Dr. D in W, vertreten durch Fiebinger, Polak, Leon & Partner, Rechtsanwälte in 1060 Wien, Am Getreidemarkt 1, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission Wien vom 26. September 2002, Zl. ABK - D 2/02, betreffend Haftung für Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe sowie Zwangsverfahrensgebühr und Säumniszuschlag, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid betreffend Vorschreibung der Dienstgeberabgabe für den Zeitraum 1995 und 1/96 bis 6/96 wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Magistrat der Stadt Wien, Revisionsstelle, führte eine Revision der im Konkurs befindlichen D Verlag GmbH durch. Der Prüfer stellte in der Niederschrift vom 17. Oktober 2000 als Art der Beanstandung für den Zeitraum 1995 und 1/96 bis 6/96 fest: "GF-Bezug, gesch." und vermerkte im Revisionsbericht die nicht erklärten und entrichteten Kommunalsteuer- und die Dienstgeberabgabebeträge samt Säumniszuschlag.
Die Niederschrift wurde von der Masseverwalterin unterfertigt, die das Revisionsergebnis dem Grunde und der Höhe nach nicht anerkannte.
Mit Vorhalt vom 16. Jänner 2001 teilte der Magistrat der Stadt Wien der Beschwerdeführerin als der Geschäftsführerin und verantwortlichen Vertreterin der Abgabenschuldnerin die anlässlich der Prüfung als aushaftend festgestellten Abgaben mit und gab ihr Gelegenheit zur Stellungnahme.
In der Stellungnahme bestritt die Beschwerdeführerin die von der Behörde angenommenen Haftungsvoraussetzungen und gab u.a. bekannt, dass sie als Gesellschafterin der Gesellschaft S 1,5 Mio. aus ihrem Privatvermögen in den Aufbau und die Sanierung des Verlages "gesteckt" habe und ihr seit dem Jahre 1996 ihre Geschäftsführerentlohnung von ca. S 19.000,-- netto monatlich nicht mehr ausbezahlt worden sei.
Mit Haftungsbescheid vom 13. März 2001 wurde die Beschwerdeführerin für den Rückstand der genannten Abgaben von "ATS 13.613,-- (entspricht 989,30 EURO)" für den Zeitraum 1995 bis Juni 1996 haftbar gemacht und aufgefordert, diesen Betrag zu entrichten. Dieser Rückstand an Abgaben wurde näher aufgeschlüsselt und in der Begründung dieses Bescheides heißt es, die Beschwerdeführerin sei im Firmenbuch als Geschäftsführerin der Primärschuldnerin eingetragen und habe weder die Bezahlung veranlasst noch irgendwelche Schritte zur Abdeckung des Rückstandes unternommen. Sie habe die ihr als Geschäftsführerin obliegenden Pflichten verletzt und sei daher für den Rückstand haftbar, weil dieser bei der Gesellschaft nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden könne.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung machte die Beschwerdeführerin die Verletzung des Grundsatzes der Offizialmaxime, der Erforschung der materiellen Wahrheit und der freien Beweiswürdigung geltend. Sie treffe kein Verschulden und brachte mit näherer Begründung vor, die Haftungsvoraussetzungen seien nicht gegeben.
Mit Berufungsvorentscheidung vom 23. November 2001 wies der Magistrat der Stadt Wien die Berufung als unbegründet ab.
Im Vorlageantrag behauptete die Beschwerdeführerin hinsichtlich der Haftung für Dienstgeberabgabe, sie sei die einzige Dienstnehmerin der Primärschuldnerin gewesen und habe während des gesamten Haftungszeitraumes keine Entlohnung erhalten. Als Beweis dafür wurde ihre Einvernahme und die Zeugeneinvernahme eines näher bezeichneten Rechtsanwalts genannt. Der Magistrat habe auch durch einen weiteren Bescheid festgestellt, dass die Beschwerdeführerin keine Pflichtverletzung begangen habe und sie niemals einen Geschäftsführerlohn bezogen habe. Zum Beweis wurde der genannte Bescheid in Kopie vorgelegt. Dieser Bescheid betrifft allerdings die Haftung für Sozialversicherungsbeiträge für die Beitragsmonate 8/99 und 12/99 bis 5/00.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Bescheid erster Instanz dahingehend abgeändert, dass die Wortfolge "ATS 13.613,-- (entspricht" sowie die Klammer nach dem Ausdruck EURO ersatzlos zu entfallen habe. Im Übrigen wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung des Bescheides führte die belangte Behörde aus, die Voraussetzungen für die Haftungsinanspruchnahme seien gegeben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, mit der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf "Nichtvorschreibung einer Abgabe" verletzt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In der Beschwerde werden Argumente dafür vorgebracht, dass keine Abgaben aushafteten, weil keine Abgabepflicht bestanden habe, und die Haftungsvoraussetzungen nicht vorlägen. Die Beschwerdeführerin behauptet, es seien im Haftungszeitraum keine Löhne ausbezahlt worden und es sei nach dem Revisionsbericht "im Jahre 1995 schätzungsweise ein Gehalt ausbezahlt" worden. In die Lohnkonten und Krankenkassenmeldungen sei nur stichprobenweise Einsicht genommen worden und es sei möglich, dass der Haftungszeitraum 1995 bis Juni 1996 nicht in den "Stichprobenpool" gefallen sei.
Nach dem Revisionsbericht wurde der Geschäftsführerbezug geschätzt.
Gemäß § 145 Abs. 1 WAO hat die Abgabenbehörde, soweit sie die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, diese zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.
Nach Abs. 2 leg. cit. ist insbesondere dann zu schätzen, wenn der Abgabepflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Erklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft über Umstände verweigert, die für die Ermittlung der Grundlagen (Abs. 1) wesentlich sind.
Nach Abs. 3 leg. cit. ist ferner zu schätzen, wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen hat, nicht vorlegt oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formelle Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen.
Schätzungsergebnisse unterliegen nach Maßgabe des § 93 Abs. 3 lit. a bzw. des § 288 Abs. 1 lit. d der Pflicht zur Begründung. Die Begründung hat die für die Schätzungsbefugnis sprechenden Umstände, die Schätzungsmethode, die der Schätzung zugrunde gelegten Sachverhaltsannahmen und die Ableitung der Schätzungsergebnisse darzulegen (vgl. Ritz, BAO-Kommentar2, Rz 21 zu dem mit § 145 WAO vergleichbaren § 184 BAO).
Die Höhe des geschätzten Geschäftsführerbezuges scheint weder in dem mit den Verwaltungsakten vorgelegen Revisionsbericht noch in den Vorhalten und Bescheidbegründungen auf. Es ist auch nicht weiter dargestellt, aus welchen Gründen der Geschäftsführerbezug geschätzt wurde und welche Methoden bei der Schätzung angewendet wurden. Die Schätzung des Geschäftsführerbezuges ist weder im Revisionsbericht noch in den Bescheiden oder in den Schriftstücken der vorgelegten Akten begründet. Sie ist nicht nachvollziehbar.
Da im Hinblick auf die dargestellten Begründungsmängel nicht nachvollziehbar ist, ob die Schätzung rechtmäßig erfolgte und daher die in Rede stehenden von der Behörde als aushaftend angenommenen Abgabenschuldigkeiten überhaupt entstanden sind, erweist sich der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grund mit wesentlichen Verfahrensmängeln behaftet. Bei dieser Sachlage erübrigt sich ein weiteres Eingehen auf die Behauptung der Beschwerdeführerin, die Haftungsvoraussetzungen lägen nicht vor.
Aus den dargestellten Erwägungen war der angefochtene Bescheid betreffend Dienstgeberabgabe wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Von der beantragten Durchführung der mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG Abstand genommen werden.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003, insbesondere deren § 3 Abs. 2.
Wien, am 25. März 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2002160290.X00Im RIS seit
05.05.2004Zuletzt aktualisiert am
26.01.2009