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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
2.0 Flächenwidmungsplan der Stadt Graz, rechtswirksam seit 18.12.92Leitsatz
Gesetzwidrigkeit der Festlegung der Nutzungsart "reines Wohngebiet" für ein Grundstück mit bestehendem Ausflugsgasthaus in einem Flächenwidmungsplan mangels Abwägung der Interessen des Grundstückseigentümers an der Beibehaltung der bisherigen Widmungs- und Nutzungsfestlegung mit den PlanungszielenSpruch
Die Verordnung der Gemeinde Graz, rechtswirksam seit 18. Dezember 1992, 2.0 Flächenwidmungsplan, soweit damit für das Grundstück Nr. 183/3, KG Waltendorf, die Nutzungsart "reines Wohngebiet" festgelegt ist, wird gemäß Art139 Abs1 B-VG als gesetzwidrig aufgehoben.
Die Steiermärkische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aufhebung im Landesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B2623/97 eine Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrundeliegt:
1. "(...) Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 22. Juli 1982 wurde dem Beschwerdeführer gemäß den §§2 und 3 der Steiermärkischen Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149 idF LGBl. Nr. 55/1977, die Widmung des Grundstückes Nr. 183/3, EZ 2239, KG Waltendorf, als Baugrund bewilligt. Unter Punkt 7. der Bebauungsgrundlagen (zulässige Bauten-Verwendungszweck) wurde festgelegt:
'Betriebsstätte (Gaststätte) mit einer Wohnung. Keine Anlagen, die durch Verbreitung schädlicher oder übler Dünste oder Gerüche, durch Entwicklung von starkem Rauch, durch Bildung von schädlichen oder lästigen Niederschlägen aus Dämpfen und Abgasen oder durch starke Geräusche oder Erschütterungen Gefahren, Nachteile oder häufige Belästigungen der Nachbarschaft herbeizuführen geeignet sind. Nebengebäude, ausgenommen Kleingaragen, sind nicht zulässig.'
Die Auflage unter Punkt 13. dieses Bescheides lautet:
'Errichtung von Abstellflächen oder Garagen:
Ein Abstellplatz je Wohneinheit, ein Abstellplatz je 10 Besucherplätze auf Abstellfläche oder in freistehender Garage oder im Hauptgebäude. Situierung der Abstellflächen: Nordseitig der Rudolfstraße bzw. westseitig des Gaststättenobjektes.'
(...) Mit Bescheid vom 11. August 1982 wurde dem Beschwerdeführer die Baubewilligung für die Errichtung eines ganz unterkellerten, eingeschossigen Betriebsgebäudes mit einer Wohnung und teilweise ausgebautem Dachgeschoss in massiver Ausführung auf dem von der Widmungsbewilligung erfassten Grundstück Nr. 183/3 der KG Waltendorf unter zahlreichen Auflagen erteilt. Mit Bescheid vom 27. September 1987 wurde die Benützungsbewilligung erteilt. In diesen bewilligten Räumlichkeiten betreibt der Beschwerdeführer seither ein 'Heurigenlokal' (bzw. Heurigen-Restaurant).
(...) Am 5. Jänner 1990 beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung einer Baubewilligung für einen Umbau und einen Zubau zum bestehenden Objekt. Mit Bescheid vom 17. Mai 1990 wurde dem Beschwerdeführer die beantragte Baubewilligung unter mehreren Auflagen erteilt. Gegen diesen Bescheid haben Nachbarn Berufung erhoben. Mit Bescheid der Berufungsbehörde vom 17. Jänner 1991 wurde der Berufung der Nachbarn keine Folge gegeben und dies - im Wesentlichen - damit begründet, durch die rechtskräftige Widmungsbewilligung vom 22. Juli 1982, in deren Rahmen sich das Bauprojekt halte, sei verbindlich ausgesprochen worden, dass die von der Widmung erfasste Grundfläche nach Maßgabe dieser Widmungsbewilligung zur Bebauung geeignet sei. Eine Änderung der bei Erlassung dieses Bescheides zu beachtenden raumordnungsrechtlichen Vorschriften sei seither nicht erfolgt, weil infolge der (im Zeitpunkt der Erteilung der Widmungsbewilligung bereits in Kraft gestandenen) Bausperrenverordnung III vom 11. Dezember 1980 bereits die geplante Ausweisung 'reines Wohngebiet' im Flächenwidmungsplan 1982 zu berücksichtigen gewesen sei. Es sei daher mit dem Widmungsbescheid verbindlich ausgesprochen worden, dass der Betrieb einer Gaststätte mit dem Flächenwidmungsplan vereinbar sei.
(...) Der Verwaltungsgerichtshof (Zl. 91/06/0030) gab einer Beschwerde der Nachbarn gegen den Berufungsbescheid mit Erkenntnis vom 28. November 1991 statt und begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass zwar ein Gastgewerbebetrieb im weitesten Sinne, soferne er keine Belästigung der Wohnbevölkerung verursacht, im reinen Wohngebiet nicht schlechthin unzulässig sei; daraus sei jedoch nicht abzuleiten, dass gastgewerbliche Betriebe jedweder Art im reinen Wohngebiet zulässig wären, weil gemäß §23 Abs5 lita Stmk. ROG 1974 neben Wohnbauten nur Nutzungen, die zur Deckung der täglichen Bedürfnisse der Bewohner des Gebietes dienen, zulässig sind. In Ermangelung geeigneter Feststellungen sei diese Frage jedoch nicht abschließend beurteilbar, weshalb es zur Aufhebung der Entscheidung der Berufungsbehörde kam, wobei der Verwaltungsgerichtshof noch hinzufügte, dass dann, wenn der Gastgewerbebetrieb des Beschwerdeführers nach Art und Umfang auf ein über das reine Wohngebiet hinausgehendes Einzugsgebiet abziele, seine Zulässigkeit nur bei Zutreffen des zweiten Ausnahmegrundes des §23 Abs5 lita Stmk. ROG 1974 in Betracht komme, nämlich wenn er dem Gebietscharakter nicht widerspricht.
(...) Die Berufungsbehörde holte weitere Gutachten ein, worin festgehalten ist, dass das bewilligte und bereits durchgeführte Bauvorhaben (Umbau und Zubau) im Verhältnis zum bereits konsentierten Bestand als geringfügig zu bezeichnen ist und dem Gebietscharakter nicht widerspreche. Mit Bescheid vom 19. Oktober 1995 wurden daher die Berufungen der Nachbarn ein weiteres Mal abgewiesen.
(...) Diesen Bescheid behob der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 7. November 1996, Zl. 95/06/0256, nach nochmaliger Beschwerde der Nachbarn. Begründet wurde dieses Erkenntnis im Wesentlichen damit, dass das Gutachten des Stadtplanungsamtes nicht schlüssig sei, da nicht davon gesprochen werden könne, dass der Gebietscharakter in der unmittelbaren Umgebung von 'vergleichbaren Betrieben' geprägt sei.
(...) Mit Bescheid vom 10. September 1997 gab die Berufungsbehörde nunmehr der Berufung der Nachbarn Folge und wies das Bauansuchen des Beschwerdeführers vom 5. Jänner 1990 ab. Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass der Betrieb des Beschwerdeführers nicht ein Betrieb sei, der den täglichen Bedürfnissen der Bewohner dient; außerdem könne nicht davon gesprochen werden, dass der Gebietscharakter in der unmittelbaren Umgebung von vergleichbaren Betrieben geprägt werde; daher sei der beantragte Um- und Zubau im 'reinen Wohngebiet' unzulässig.
(...) Die Beschwerde behauptet die Gesetzwidrigkeit der Flächenwidmung des Grundstückes Nr. 183/3 sowohl im Flächenwidmungsplan 1982 als auch im 2.0 Flächenwidmungsplan 1992. Bei der Ausweisung des Grundstückes in 'reines Wohngebiet' habe die Landeshauptstadt Graz nicht hinreichend bedacht, dass der auf diesem Grundstück geführte Gastgewerbebetrieb des Beschwerdeführers nicht der Deckung der täglichen Bedürfnisse der Bewohner des Gebietes diene. Das bestehende Gasthaus diene schon seit dem Jahre 1850 vor allem Wanderern und Ausflüglern als Ausflugsziel. Die Landeshauptstadt Graz habe daher die sich aus den §§4 und 18 Stmk. ROG 1974 ergebende Pflicht, nämlich bei der örtlichen Raumordnung die jeweils hiefür bedeutsamen natürlichen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Gegebenheiten zu erheben, verletzt. Nachdem es für dieses Grundstück schon seit 22. Juli 1982 eine Widmungsbewilligung und seit 11. August 1982 eine Baubewilligung gab, sei es gesetzwidrig, ein derartiges Grundstück als 'reines Wohngebiet' auszuweisen. Vielmehr wäre das Grundstück als 'allgemeine Wohngebiete' iSd §23 Abs5 litb Stmk. ROG 1974 auszuweisen gewesen.
(...) Die Beschwerde behauptet weiters die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unverletzlichkeit des Eigentums und auf Freiheit der Erwerbstätigkeit.
Die Beschränkung eines Betreibers eines Ausflugsgasthofes auf einen Versorgungsbetrieb für die Bewohner des unmittelbar umgebenden Gebietes sei ein unerlaubter Eingriff in die Unverletzlichkeit des Eigentums und komme einer teilweisen Enteignung gleich. Darüber hinaus sei die Freiheit der Erwerbstätigkeit eingeschränkt, wenn schon dann ein Widerspruch gegen den Gebietscharakter im Sinne des §23 Abs5 lita Stmk. ROG 1974 vorliege, wenn die unmittelbare Umgebung nicht von vergleichbaren Betrieben geprägt werde; es könne nicht angehen, die Zulässigkeit der Errichtung eines Betriebes dann, wenn dieser nicht der Deckung der täglichen Bedürfnisse der Bewohner des Gebietes diene, davon abhängig zu machen, dass es bereits gleichartige Betriebe in diesem Gebiet gibt.
(...) Schließlich wird die Verfassungswidrigkeit des §23 Abs5 lita Stmk. ROG 1974 behauptet, allerdings nicht näher begründet.
(...) Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte die Verwaltungsakten vor. Sie weist darauf hin, dass bei Erlassung des Berufungsbescheides der geltende Flächenwidmungsplan der Landeshauptstadt Graz anzuwenden gewesen sei. Der belangten Behörde sei es verwehrt gewesen, den Flächenwidmungsplan inhaltlich zu überprüfen, weshalb sie auf Ausführungen dazu verzichtet."
2. Aus Anlass dieser Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof am 8. März 2000 beschlossen, gemäß Art139 Abs1 B-VG die Gesetzmäßigkeit der Verordnung der Stadt Graz, 2.0 Flächenwidmungsplan, rechtswirksam seit 18. Dezember 1992, soweit damit das Grundstück Nr. 183/3, KG Waltendorf, als "reines Wohngebiet" ausgewiesen ist, von Amts wegen zu prüfen.
Der Verfassungsgerichtshof ist im Einleitungsbeschluss vorläufig davon ausgegangen, dass die Beschwerde zulässig ist, die belangte Behörde die in Rede stehende Verordnung bei Erlassung des angefochtenen Bescheids angewendet hat und er zur Beurteilung der Beschwerde die in Prüfung gezogene Verordnung anzuwenden hätte.
3. Aus folgenden Gründen hegte der Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit des 2.0 Flächenwidmungsplanes der Stadt Graz, rechtswirksam seit 18. Dezember 1992:
" Aus den vorgelegten Akten ergibt sich, dass das Grundstück Nr. 183/3 der KG Waltendorf in dem seit 23. Juli 1983 rechtswirksamen Flächenwidmungsplan 1982 und in dem seit 18. Dezember 1992 rechtswirksamen 2.0 Flächenwidmungsplan 1992 der Landeshauptstadt Graz als 'reines Wohngebiet' im Sinne des §23 Abs5 lita Stmk. ROG 1974 ausgewiesen ist. Weiters ergibt sich aus den Akten, dass das Grundstück im vorhergehenden Flächennutzungsplan 1975, rechtswirksam seit 19. Februar 1976, als 'Wohngebiet', das sind gemäß §3 Abs2 Z. 1 lita des Steiermärkischen Landesgesetzes über die Flächennutzungspläne und die Bebauungspläne, LGBl. Nr. 329/1964,
'Flächen, die vornehmlich für Wohnbauten bestimmt sind, wobei auch Gebäude, die den wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und kulturellen Bedürfnissen der Einwohner des Wohngebietes dienen (z.B. Verwaltungsgebäude, Schulgebäude, Kirchen, Krankenanstalten, Kindergärten, Garagen, Geschäfte, Gasthäuser und Betriebe aller Art, soweit sie keine dem Wohncharakter des Gebietes widersprechenden Belästigungen der Bewohnerschaft verursachen) errichtet werden können',
ausgewiesen war.
§23 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974, LGBl. Nr. 127/1974, lautet auszugsweise:
'§23
Bauland
...
(4) Im Bauland sind entsprechend den örtlichen Erfordernissen Baugebiete festzulegen. Als Baugebiete kommen hiebei in Betracht:
a)
reine Wohngebiete, das sind Flächen, die ausschließlich für Wohnbauten bestimmt sind, wobei auch Nutzungen, die zur Deckung der täglichen Bedürfnisse der Bewohner des Gebietes dienen (Kindergärten, Schulen, Kirchen u. dgl.), oder die dem Gebietscharakter nicht widersprechen, zulässig sind;
b)
allgemeine Wohngebiete, das sind Flächen, die vornehmlich für Wohnbauten bestimmt sind, wobei auch Gebäude, die den wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und kulturellen Bedürfnissen der Bewohner des Wohngebietes dienen (z.B. Verwaltungsgebäude, Schulgebäude, Kirchen, Krankenanstalten,
Kindergärten, Garagen, Geschäfte, Gärtnereien, Gasthäuser und Betriebe aller Art, soweit sie keine dem Wohncharakter des Gebietes widersprechenden Belästigungen der Bewohnerschaft verursachen) errichtet werden können;
...'
(...) Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich der Bescheid über die Bebauungsgrundlagen vom 22. Juli 1982 und der Baubewilligungsbescheid vom 11. August 1982 auf die Rechtslage des Flächennutzungsplanes 1975 beziehen. Der bewilligte Bau scheint daher den Vorgaben in diesem Flächennutzungsplan 1975 ('Wohngebiet') nicht zu widersprechen. Für die Beurteilung der Zulässigkeit des im Jahre 1990 gestellten Antrages auf Umbau und Zubau zum bestehenden Objekt war jedoch zunächst der Flächenwidmungsplan 1982 heranzuziehen, der das Grundstück Nr. 183/3 als 'reines Wohngebiet' ausweist. Der nunmehr angefochtene Bescheid vom 10. September 1997 war jedoch auf der Grundlage des seit 18. Dezember 1992 rechtswirksamen 2.0 Flächenwidmungsplanes 1992 zu erlassen. Auch in diesem Flächenwidmungsplan weist das Grundstück Nr. 183/3 der KG Waltendorf die Widmung 'reines Wohngebiet' auf.
(...) Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass die Ausweisung des Grundstückes Nr. 183/3 KG Waltendorf als 'reines Wohngebiet' im 2.0 Flächenwidmungsplan 1992 gesetzwidrig ist.
§3 Abs2 Z1 lita des Gesetzes über die Flächennutzungspläne und Bebauungspläne, LGBl. Nr. 329/1964, sah für Flächen, die für Wohnbauten vorgesehen waren, schlechthin die Ausweisung in 'Wohngebiete' vor. Mit dem Steiermärkischen Raumordnungsgesetz 1974, LGBl. Nr. 127/1974, erfolgte jedoch eine Differenzierung der 'Wohngebiete' in 'reine Wohngebiete' und 'allgemeine Wohngebiete'. Diese Differenzierung war zum ersten Mal bei der Erstellung des Flächenwidmungsplanes 1982 zu beachten. Bei der Zuweisung der neuen Wohngebietskategorien auf dem Grundstück Nr. 183/3 KG Waltendorf scheint sich der Verordnungsgeber für die falsche Variante entschieden zu haben.
Der Verfassungsgerichtshof geht weiters vorläufig davon aus, dass der Verordnungsgeber schon bei der Erstellung des Flächenwidmungsplanes 1982 erkennen musste, dass das bestehende 'Ausflugs-' Gasthaus mit der Widmung 'reines Wohngebiet' nicht übereinstimmt. Allenfalls wäre in der Grundlagenforschung darauf einzugehen gewesen, ob das bestehende Gasthaus auf die Versorgung der täglichen Bedürfnisse der Bevölkerung eingeschränkt oder ob die Möglichkeit der Erweiterung im Sinne eines Ausflugsgasthauses vorgenommen werden soll.
Im Verordnungsprüfungsverfahren wird zu klären sein, inwieweit sich der Verordnungsgeber bei der Erstellung des Flächenwidmungsplanes 1982 mit der Frage der Differenzierung des Wohngebietes in 'reines' und 'allgemeines' auf dem Grundstück Nr. 183/3 KG Waltendorf auseinander gesetzt hat.
Die Aufrechterhaltung der (vorläufig angenommenen) gesetzwidrigen Widmung des Grundstückes Nr. 183/3 KG Waltendorf im 2.0 Flächenwidmungsplan 1992 impliziert dessen Gesetzwidrigkeit."
4. Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz erstattete eine Äußerung, in der er die in Prüfung stehende Verordnung mit folgenden Argumenten verteidigt:
Es würden zu der Frage, ob man bei der Erstellung des Flächenwidmungsplanes 1982 das bestehende Gasthaus J berücksichtigt habe und welche Überlegungen zur Differenzierung der Gebietskategorie in "reines" oder "allgemeines Wohngebiet" angestellt wurden, keine Unterlagen aufliegen. Es könne jedoch davon ausgegangen werden, dass aufgrund der weiträumig vorherrschenden Wohnnutzung die Gebietskategorie "reines Wohngebiet" gewählt worden sei, da bei der Erstellung des Flächenwidmungsplanes nicht die einzelnen Grundstücke, sondern größere, zusammenhängende Flächen gleicher Nutzung beurteilt worden seien. Ein Gastgewerbebetrieb, wie das bestehende Gasthaus J, sei in einem "reinen Wohngebiet" nicht schlechthin unzulässig. Bereits am 7. November 1997 habe der Beschwerdeführer sein Planungsinteresse an der Änderung des Flächenwidmungsplanes hinsichtlich einer Ausweisung seines Grundstücks als "allgemeines Wohngebiet" schriftlich bekundet. Im Zuge des laufenden Verfahrens zur Revision des Flächenwidmungsplanes würde dies der fachlichen und politischen Beratung zugeführt werden.
5. Die Steiermärkische Landesregierung äußerte sich nicht innerhalb der gesetzten Frist.
6. Die mitbeteiligten Parteien erstatteten eine Äußerung, in der sie die Unbedenklichkeit der in Prüfung gezogenen Verordnung behaupten und die Einstellung des Verordnungsprüfungsverfahrens begehren.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die vorläufigen Annahmen des Verfassungsgerichtshofes, dass die zu B2623/97 protokollierte Beschwerde zulässig ist und die in Prüfung gezogene Verordnung bei ihrer Behandlung präjudiziell ist, hat sich als zutreffend erwiesen.
2. Die vorläufigen Bedenken des Verfassungsgerichtshofes gegen die Gesetzmäßigkeit der in Rede stehenden Verordnung treffen zu:
Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz konnte keine Aktenstücke vorlegen, aus denen sich ergibt, dass sich der Verordnungsgeber bei der Erstellung des Flächenwidmungsplans 1982 mit der Frage auseinander gesetzt hat, ob für das als Wohngebiet gewidmete Grundstück Nr. 183/3, KG Waltendorf, auf Grund des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974, LGBl. Nr. 127/1974, die Widmungs- und Nutzungsart "reines Wohngebiet" oder "allgemeines Wohngebiet" festgelegt werden sollte, obwohl diese Frage für das künftige Schicksal eines bestehenden Betriebes von entscheidender Bedeutung war.
Wenn der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz die Festlegung der Widmungs- und Nutzungsart "reines Wohngebiet" nachträglich mit der "weiträumig vorherrschenden Wohnnutzung" zu rechtfertigen versucht, ist ihm zu entgegnen:
Der Verordnungsgeber hat zwar bei seiner Planung den vorhandenen Bestand zu berücksichtigen (VfSlg. 13.180/1992). Es liegt aber grundsätzlich durchaus (noch) innerhalb des dem Verordnungsgeber zustehenden Ermessens, seine Planung auch in einem gewissen Widerspruch zu bestehenden Gegebenheiten vorzunehmen (VfSlg. 13.502/1993). Wenn der Verordnungsgeber jedoch eine mit dem Bestand nicht vereinbare Widmung festlegt, so muss er das Interesse des Grundstückseigentümers an der Beibehaltung der bisherigen Widmungs- und Nutzungsfestlegung mit den Planungszielen abwägen.
Wie sich aus §23 Abs4 lita Stmk. ROG 1974 LGBl. Nr. 127/1974 (seit der Stmk. ROG-Novelle 1985, LGBl. Nr. 39/1986: §23 Abs5 lita) ergibt, dürfen Baubewilligungen für ein Ausflugsgasthaus mit weiträumigem Einzugsbereich im "reinen Wohngebiet" nicht erteilt werden. Der Verordnungsgeber hat es unterlassen, die Konsequenz der Festlegung "allgemeines Wohngebiet" für das Grundstück Nr. 183/3, KG Waltendorf, nämlich die Unzulässigkeit von Baubewilligungen und damit die Unmöglichkeit von Änderungen am bestehenden Ausflugsgasthaus, mit dem nur undeutlich erkennbaren Planungsziel, die Durchmischung von emittierenden Betrieben im Wohngebiet zu verhindern, abzuwägen. Die Festlegung der Nutzungsart "reines Wohngebiet" für das Grundstück Nr. 183/3, KG Waltendorf, im Flächenwidmungsplan 1982 war daher gesetzwidrig.
Daher war auch die Beibehaltung der Ausweisung "reines Wohngebiet" des Grundstücks Nr. 183/3, KG Waltendorf, im 2.0. Flächenwidmungsplan 1992 gesetzwidrig.
Aus diesem Grund war die genannte Verordnung im näher bezeichneten Umfang aufzuheben.
3. Die Verpflichtung der Steiermärkischen Landesregierung zur Kundmachung dieser Aufhebung stützt sich auf Art139 Abs5 B-VG.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.
Schlagworte
Baurecht, Raumordnung, FlächenwidmungsplanEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2000:V50.2000Dokumentnummer
JFT_09999070_00V00050_00