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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AWG 1990 §4 Abs2 idF 1998/I/151;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Kante, über die Beschwerde der K GmbH in F, vertreten durch die Rechtsanwaltssozietät Eisenberger & Herzog, 8010 Graz, Hilmgasse 10, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaft vom 14. Juli 2000, Zl. 31 3572/21-III/1U/00, betreffend Feststellung nach § 4 Abfallwirtschaftsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
Mit Bescheid vom 31. Mai 2000 stellte die Bezirkshauptmannschaft (BH) gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 Abfallwirtschaftsgesetz - AWG fest, dass die nach dem "Waste Soil Complexing-Verfahren" hergestellten Materialien - Vererdungssubstrate, welche im Zeitraum vom Jänner 1999 bis Dezember 2002 im Bereich der Berme 656 der Deponie der Gemeindebetriebe F entsprechend der wasserrechtlichen Bewilligung gemäß § 31b Wasserrechtsgesetz des Landeshauptmannes von Steiermark vom 1. April 1999 zur Oberflächenabdeckung verwendet würden, keine Abfälle im Sinn des AWG seien.
Mit dem vorliegend angefochtenen Bescheid vom 14. Juli 2000 änderte der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaft (die belangte Behörde) den Bescheid vom 31. Mai 2000 gemäß § 4 Abs. 3 AWG unter Hinweis darauf, dass der Inhalt dieses Bescheides rechtswidrig sei, wie folgt ab:
"Der Antrag der .... (beschwerdeführenden Partei) .... vom 27. November 1998, in dem durch die Antragseinschränkungen vom 22. Dezember 1999 und vom 4. April 2000 sich ergebenden Umfang, auf Feststellung, dass die nach dem 'Waste-Soil-Complexing-Verfahren' hergestellten Materialien - Vererdungssubstrate, welche im Zeitraum vom Jänner 1999 bis Dezember 2002 im Bereiche der Berme 656 der Deponie F entsprechend der wasserrechtlichen Bewilligung gemäß § 31b Wasserrechtsgesetz des Landeshauptmannes von Steiermark vom 1. April 1999, (....), zur Oberflächenabdeckung verwendet werden, keine Abfälle im Sinne des Abfallwirtschaftsgesetzes sind, wird abgewiesen."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, am 23. August 2000 zur Post gegebene Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die mit "Feststellungsbescheid" überschriebene Bestimmung des § 4 AWG, BGBl. Nr. 325/1990, idF BGBl. I Nr. 151/1998, hat folgenden Wortlaut:
"§ 4. (1) Bestehen begründete Zweifel,
1.
ob eine Sache Abfall im Sinne dieses Bundesgesetzes ist,
2.
welcher Abfallart diese Sache gegebenenfalls zuzuordnen ist oder
3. ob eine bestimmte Sache bei der Verbringung gemäß §§ 34 ff als notifizierungspflichtig erfasst ist,
hat die Behörde dies entweder von Amts wegen oder auf Antrag des Verfügungsberechtigten mit Bescheid festzustellen. Ein Feststellungsbescheid gemäß Z 2 kann nur beantragt werden, sofern nicht § 4a zur Anwendung kommt.
(2) Im Fall des § 37 Abs. 3 hat die Behörde einen solchen Bescheid von Amts wegen innerhalb einer Frist von zwei Werktagen nach ihrer Befassung zu erlassen.
(3) Die Behörde hat den Bescheid unverzüglich an die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde zu übermitteln. Unbeschadet des § 68 des Allgemeinen Verfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991, kann ein Bescheid gemäß Abs. 1 von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde innerhalb von sechs Wochen nach Erlassung abgeändert oder aufgehoben werden, wenn
1. der dem Bescheid zugrunde liegende Sachverhalt unrichtig festgestellt oder aktenwidrig angenommen wurde oder
2. der Inhalt des Bescheides rechtswidrig ist."
Erlassen ist der Feststellungsbescheid, wenn er dem über die Sache Verfügungsberechtigten zugestellt wurde, sodass ab diesem Zeitpunkt die sechswöchige Frist zu laufen beginnt. Auf die Zustellung des abändernden oder aufhebenden Bescheides an die Unterbehörde kommt es nicht an. Die Sechs-Wochen-Frist ist gewahrt, wenn innerhalb dieser Frist der Bescheid an den über die Sache Verfügungsberechtigten zugestellt wurde.
Gemäß § 9 Abs. 1 Zustellgesetz hat die Behörde, wenn ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt ist, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen; geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Schriftstück dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist. Nach ständiger hg. Rechtsprechung zeigt ein Rechtsanwalt, wenn er sich auf die ihm erteilte Vollmacht beruft, der Behörde auch die für die betreffende Sache erteilte Zustellvollmacht an, woraus folgt, dass eine Zustellung des Bescheides wirksam allein an den Rechtsanwalt erfolgen kann (vgl. etwa die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2, zu § 10 AVG E 32 ff, 98, 99 zitierte Rechtsprechung).
Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich, dass die beschwerdeführende Partei bereits im Verfahren vor der BH durch die Beschwerdevertreter vertreten war und sich diese auf die ihnen erteilte Vollmacht berufen haben (vgl. etwa den Schriftsatz an die BH vom 18. März 1999). Nach Ausweis des in diesen Akten enthaltenen Rückscheines wurde der Feststellungsbescheid der BH vom 31. Mai 2000 am 2. Juni 2000 unmittelbar der beschwerdeführenden Partei zugestellt. In den Verwaltungsakten ist weder die Bekanntgabe einer Auflösung der von der beschwerdeführenden Partei ihren Rechtsvertretern erteilten Vollmacht, noch ein Nachweis dafür enthalten, dass der Bescheid vom 31. Mai 2000 von der BH (auch) an die Beschwerdevertreter zugestellt worden ist.
Der vorliegend angefochtene Bescheid der belangten Behörde vom 14. Juli 2000 wurde von dieser nach Ausweis der Verwaltungsakten am selben Tag mittels Telefax unmittelbar an die beschwerdeführende Partei übermittelt. Eine Zustellung dieses Bescheides an die Beschwerdevertreter ist aus den Akten nicht ersichtlich.
Mit hg. Beschluss vom 29. Jänner 20004 wurden gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz VwGG die vorgenannten Sachverhaltsannahmen mit dem Hinweis auf § 4 Abs. 3 AWG den Parteien des Beschwerdeverfahrens zur Kenntnis gebracht und diese unter Einräumung einer Äußerungsfrist von vier Wochen aufgefordert, insbesondere dazu Stellung zu nehmen, ob und zutreffendenfalls an welchem Tag die genannten Bescheide der BH und der belangten Behörde an die Beschwerdevertreter zugestellt worden bzw. diesen im Sinn des § 9 Abs. 1 Zustellgesetz tatsächlich zugekommen seien. Ferner wurde die beschwerdeführende Partei aufgefordert, Ablichtungen jener Unterlagen vorzulegen, aus denen sich ergebe, wann die jeweils ihr zugestellten Bescheide den Beschwerdevertretern zugekommen seien.
Die belangte Behörde brachte in ihrer Stellungnahme vom 16. Februar 2004 vor, dass "(fast) im gesamten Verfahren" Eingaben und Stellungnahmen direkt von der Antragstellerin eingebracht worden seien, die Beschwerdevertreter hingegen nur in Ausnahmefällen nach entsprechender Vorankündigung durch die Antragstellerin am Verfahren teilgenommen hätten und den Akten daher keinerlei Hinweise auf (zusätzliche) Bescheidzustellungen an die Beschwerdevertreter zu entnehmen seien.
Die beschwerdeführende Partei brachte in ihrer Stellungnahme vom 5. März 2004 vor, dass der Bescheid der BH vom 31. Mai 2000, wie sich aus dem auf der vorgelegten Bescheidkopie ersichtlichen Eingangsstempelabdruck ergebe, am 2. Juni 2000 direkt an die beschwerdeführende Partei zugestellt worden sei und diese den Bescheid an ihren Rechtsvertreter übermittelt habe, wo der Bescheid am 6. Juni 2000 eingegangen sei. Der vorliegend angefochtene Bescheid vom 14. Juli 2000 sei der beschwerdeführenden Partei mittels Telefax-Nachricht vom 14. Juli 2000 an diesem Tag zugestellt worden. Die beschwerdeführende Partei habe diese Fax-Nachricht am 17. Juli 2000, allerdings ohne den Bescheid, an ihre Rechtsvertreter weitergeleitet, wo diese Nachricht, wie sich aus der Eingangsstampiglie der Rechtsvertreter ergebe, am 17. Juli 2000 eingelangt sei, wobei von den Rechtsvertretern auf dem Fax aus Vorsichtsgründen der Fristenvormerk "VwGH-Beschwerde/VfGH-Beschwerde 23.08.2000" angebracht woden sei. Der Bescheid vom 14. Juli 2000 sei nach telefonischer Urgenz der Beschwerdevertreter am 22. August 2000 bei ihnen eingelangt. Diese hätten dagegen unverzüglich Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben. Wie sich aus den Unterlagen ergebe, hätten die Beschwerdevertreter, deren Vollmachtsverhältnis während des gesamten Verfahrens aufrecht geblieben sei, vom Inhalt des angefochtenen Bescheides am 22. August 2000 Kenntnis erhalten. Wenn sie auch bereits auf Grund der Fax-Nachricht gewusst hätten, dass es einen Bescheid der belangten Behörde vom 14. Juli 2000 gebe, so sei ihnen der Inhalt dieses Bescheides (vorläufig) nicht bekannt gewesen, weil dieser Bescheid ihnen erst mit Schreiben der beschwerdeführenden Partei vom 21. August 2000 übermittelt worden sei.
Mit dieser Stellungnahme legte die beschwerdeführende Partei je eine Kopie des Bescheides der BH vom 31. Mai 2000, eines Schreibens der beschwerdeführenden Partei an die Beschwerdevertreter vom 2. Juni 2000, eines Sendeberichtes über das Telefax der belangten Behörde an die beschwerdeführende Partei vom 14. Juli 2000, einer Fax-Nachricht der beschwerdeführenden Partei an die Beschwerdevertreter vom 17. Juli 2000 und eines Schreibens der beschwerdeführenden Partei an die Beschwerdevertreter vom 21. August 2000 vor.
Unter Zugrundelegung der Stellungnahmen der beiden Parteien des Beschwerdeverfahrens ist davon auszugehen, dass der Bescheid der BH vom 31. Mai 2000 den Beschwerdevertretern erst am 6. Juni 2000 im Sinn des § 9 Abs. 1 Zustellgesetz tatsächlich zugekommen und damit die Zustellung an die beschwerdeführende Partei bewirkt worden ist. Ab diesem Zeitpunkt begann die sechswöchige Frist des § 4 Abs. 3 AWG zu laufen. Diese Frist endete am 18. Juli 2000.
Ferner ist unter Zugrundelegung der genannten Stellungnahmen davon auszugehen, dass der vorliegend angefochtene Bescheid vom 14. Juli 2000 erst am 22. August 2000 den Beschwerdevertretern tatsächlich zugekommen und damit die Zustellung an die beschwerdeführende Partei bewirkt worden ist. Anhaltspunkte, die gegen diese Annahme sprächen, sind den vorgelegten Akten und Unterlagen nicht zu entnehmen.
Demzufolge wurde der vorliegend angefochtene Bescheid außerhalb der der belangten Behörde für eine Abänderung oder Aufhebung des Bescheides der BH zur Verfügung stehenden Frist erlassen. Nach Ablauf dieser Frist war die belangte Behörde jedoch zur Abänderung des Bescheides nicht mehr zuständig ("zur Zuständigkeitsordnung mit zeitlicher Begrenzung" vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 6. Februar 1979, Slg. 9761/A).
Im Hinblick darauf war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 3 Abs. 2 Z. 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000, und der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 25. März 2004
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2000070210.X00Im RIS seit
22.04.2004Zuletzt aktualisiert am
07.10.2008