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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §73;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Kante, über die Beschwerde der V GmbH & Co KG in G, vertreten durch Onz, Onz, Krämmer und Hüttler, Rechtsanwälte GmbH in Wien, Ungargasse 59-61, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 14. Oktober 2003, Zl. 61 3546/75-VI/1/03, betreffend Abweisung eines Devolutionsantrages, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom 16. August 2001 beantragte die beschwerdeführende Partei beim Landeshauptmann von Kärnten (LH) gemäß § 29 Abs. 1 Z. 3 des Abfallwirtschaftsgesetzes 1990 (AWG 1990) die Erteilung der Genehmigung für eine Anlage zur Verbrennung von nicht gefährlichen Abfällen. Im Zuge dieses Genehmigungsverfahrens stellte die beschwerdeführende Partei mit Schriftsatz vom 30. Oktober 2002 beim LH den Antrag, eine Versuchsbetriebsgenehmigung gemäß § 29 Abs. 8 AWG 1990 zu erteilen.
Der LH holte zu diesem Antrag mehrere technische Sachverständigengutachten ein.
Mit Bescheid vom 28. Jänner 2003 bestellte der LH Univ. Prof. Dr. K zum nichtamtlichen Sachverständigen aus dem Fachbereich Humanmedizin zur fachlichen Beurteilung der humanmedizinischen Belange des abfallwirtschaftlichen Verfahrens.
Am 3. Februar 2003 führte der LH über den Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Erteilung einer Versuchsbetriebsgenehmigung eine mündliche Verhandlung durch. Daran nahm auch der nichtamtliche Sachverständige teil. Dieser erklärte, er habe am Verhandlungstag die Unterlagen für die Beurteilung des beantragten Versuchsbetriebes erhalten und könne das Gutachten erst nach entsprechender Einarbeitung in diese Unterlagen erstellen.
Bei dieser Verhandlung blieb außerdem noch eine Frage aus dem Bereich Luftreinhaltung offen.
Am 12. Mai 2003 langte beim LH das mit 10. Mai 2003 datierte Gutachten des nichtamtlichen Sachverständigen für Humanmedizin ein. Es wurde vom LH mit Schreiben vom 13. Mai 2003 der beschwerdeführenden Partei zur Kenntnis und Stellungnahme übermittelt.
Am 22. Mai 2003 führte der LH eine Besprechung durch, an der ein Vertreter der beschwerdeführenden Partei und der nichtamtliche Sachverständige für Humanmedizin sowie weitere Sachverständige technischer Fächer teilnahmen.
Im Protokoll über diese Besprechung heißt es, nachdem einige Punkte im Gutachten für die Behörde erläuterungsbedürftig seien, werde der nichtamtliche Sachverständige um Klarlegungen zu diesen Punkten ersucht.
Die zu klärenden Punkte sind im Protokoll genau umschrieben. Im Protokoll sind auch die Antworten des nichtamtlichen Sachverständigen zu diesen Punkten festgehalten.
Im Akt befindet sich ein Erledigungsentwurf vom 23. Mai 2003, mit welchem der LH dem nichtamtlichen Sachverständigen das anlässlich der Besprechung seines Gutachtens am 22. Mai 2003 angefertigte Protokoll übermitteln wollte. In diesem Schreiben, welches nicht abgesandt wurde, findet sich folgender Passus:
"Es wird um rasche Durchsicht, Kenntnisnahme, falls erforderlich Änderungen bzw. Ergänzungen zu den Fragen der Behörde und Fertigung des Protokolls ersucht. Insbesondere wollen jene Erläuterungen beigefügt werden, die Sie im Beisein der Antragstellerin zu ihren Ausführungen getätigt haben. Das Protokoll möge im Original an die Behörde rückgemittelt werden."
Am 28. Mai 2003 langte beim LH eine mit 27. Mai 2003 datierte "Stellungnahme und Antragspräzisierung" der beschwerdeführenden Partei ein.
In diesem Schriftsatz hielt die beschwerdeführende Partei zunächst fest, dass auf Grund des Gutachtens des nichtamtlichen Sachverständigen und der bereits vorliegenden Gutachten nunmehr feststehe, dass ihrem Antrag auf Genehmigung eines Versuchsbetriebes stattzugeben sein werde. Der Gutachter führe aus, dass aus medizinischer Sicht kein Grund vorliege, der ein Versagen des Versuchsbetriebes notwendig machen würde.
Im Anschluss daran setzt sich die beschwerdeführende Partei mit einzelnen Passagen des Gutachtens auseinander, wobei dieser Teil mit folgenden Ausführungen abgeschlossen wird:
"Weiters beziehen wir uns auf die am 22.5.2003 stattgefundene Behördenbesprechung, an der auch Prof. K teilgenommen hat. Wir halten ausdrücklich fest, dass wir das Gutachten von Prof. K im Sinne seiner an diesem Tag vor der Behörde vorgenommenen Präzisierungen bzw. Klarstellungen verstehen, denen wir zustimmen. Diese Präzisierungen bzw. Klarstellungen sind der Niederschrift über die Behördenbesprechung vom 22.5.2003 zu entnehmen.
Dies ist für die Antragstellerin deshalb von Bedeutung, da das Gutachten selbst einige auslegungsbedürftige Feststellungen enthält, die erst durch diese Präzisierungen bzw. Klarstellungen verständlich werden und erst dadurch eine klare, gesetzesgemäße Fassung der beantragten Versuchsgenehmigung im Fachbereich Humanmedizin möglich wird."
Im zweiten Teil des Schriftsatzes nahm die beschwerdeführende Partei eine "Präzisierung" ihres Antrages sowohl im Hauptverfahren als auch im Verfahren zur Erteilung der Versuchsbetriebsgenehmigung dahingehend vor, dass Altöle (Schlüsselnummer 54102) nur dann übernommen werden, wenn sie zuvor ausgestuft wurden, sodass es sich ausschließlich um nicht gefährlichen Abfall handelt.
Im Akt befindet sich der Entwurf eines Schreibens an den nichtamtlichen Sachverständigen vom 17. Juni 2003, mit welchem diesem vom LH ergänzend zum Besprechungsprotokoll vom 22. Mai 2003 die Stellungnahme der beschwerdeführenden Partei vom 27. Mai 2003 mit dem Ersuchen um ergänzende Begutachtung übermittelt werden sollte. Weiters sollte dem Sachverständigen darin die Frage gestellt werden, wieweit die bisherigen Ausführungen, vor allem im Hinblick auf die Besprechung vom 22. Mai 2003, einer Ergänzung bzw. Änderung zu unterziehen seien.
Dieses Schreiben wurde nicht abgefertigt.
Ebenfalls unter dem Datum des 17. Juni 2003 wollte der LH eine Stellungnahme eines technischen Amtssachverständigen zur "Antragspräzisierung" der beschwerdeführenden Partei einholen. Auch dieses Schreiben wurde nicht abgesandt.
Mit Schreiben vom 22. Juni 2003 teilte der nichtamtliche Sachverständige dem LH mit, er verweise auf die Besprechung vom 22. Mai 2003, in welcher er alle allfällig offenen Fragen im Zusammenhang mit seinem Gutachten vom 10. Mai 2003 erläutert habe. Er freue sich, dass dabei alle vorhandenen Unklarheiten ausgeräumt und Einvernehmen über die Verständlichkeit des von ihm zu Protokoll gegebenen Textes gegeben gewesen sei.
Am 26. Juni 2003 langte beim LH eine mit 25. Juni 2003 datierte Stellungnahme der beschwerdeführenden Partei ein, in welcher sie die Auffassung vertrat, es sei Entscheidungsreife eingetreten, da alle erforderlichen Gutachten vorlägen. Insbesondere bedürfe es auch keiner wie immer gearteten Ergänzung oder Präzisierung des humanmedizinischen Gutachtens durch den nichtamtlichen Sachverständigen. Das Gutachten sei der Behörde vollständig und in schlüssiger Form vorgelegt worden. Ebenso bedürfe es auch keiner weiteren Stellungnahme der beschwerdeführenden Partei, insbesondere auch nicht zum Protokoll über die Behördenbesprechung vom 22. Mai 2003. Die Vertreter der beschwerdeführenden Partei hätten sich am 22. Mai 2003 in keiner Weise gegen die vom nichtamtlichen Sachverständigen vorgenommene Erläuterung der Auflagenvorschläge ausgesprochen. Auch die allenfalls nachzuholende Fertigung der Verhandlungsniederschrift durch den Sachverständigen sei kein Anlass für eine weitere Verzögerung der Entscheidung.
Am 3. Juli 2003 unterfertigte der nichtamtliche Sachverständige das Protokoll über die Besprechung am 22. Mai 2003 betreffend die Erläuterung seines Gutachtens.
Ebenfalls am 3. Juli 2003 brachte der nichtamtliche Sachverständige auf der Stellungnahme der beschwerdeführenden Partei vom 27. Mai 2003 einen handschriftlichen Vermerk an, der sich auf einen Passus in dieser Stellungnahme bezieht.
Am 3. Juli 2003 erfolgte die fachliche Beurteilung der von der beschwerdeführenden Partei in ihrem Schriftsatz vom 28. Mai 2003 vorgenommenen "Antragspräzisierung" bzw. ein Auflagenvorschlag betreffend die Schlüsselnummer 45102 durch einen Amtssachverständigen.
Ebenfalls am 3. Juli 2003 erteilte das zuständige Mitglied der Kärntner Landesregierung dem Vorstand der für die Bescheidausarbeitung zuständigen Abteilung des Amtes der Kärntner Landesregierung die Weisung, bis zum 7. Juli 2003 einen Bescheidentwurf vorzulegen.
Am 4. Juli 2003 langte beim LH ein Schreiben der beschwerdeführenden Partei ein, in welchem sie den Erhalt der Stellungnahme des Amtssachverständigen zur Antragspräzisierung und des Vermerks des nichtamtlichen Sachverständigen vom 3. Juli 2003 bestätigte, die Ausführungen der Sachverständigen zur Kenntnis nahm und um Bescheiderlassung ersuchte.
Mit Schreiben vom 14. Juli 2003 wurde eine medizinische Amtssachverständige der Bezirkshauptmannschaft W mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt.
In dem Beauftragungsschreiben heißt es:
"Um dem Erfordernis eines Gutachtens, insbesondere einer Differenzbetrachtung, Rechnung zu tragen, ergeht an Sie als Amtsärztin des betroffenen Bezirkes W der Auftrag, als medizinische Amtssachverständige sowohl in diesem Verfahren als auch zu den von Univ. Prof. Dr. K getätigten Feststellungen ein Gutachten zu erstellen."
Mit Schriftsatz vom 4. August 2003 - bei der belangten Behörde eingelangt am 6. August 2003 - begehrte die beschwerdeführende Partei den Übergang der Entscheidungspflicht auf die belangte Behörde bezüglich des Antrages auf Genehmigung eines Versuchsbetriebes.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 14. Oktober 2003 wies die belangte Behörde den Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht ab.
In der Begründung heißt es nach Darstellung des Verfahrensganges, seitens der beschwerdeführenden Partei werde im Devolutionsantrag ausgeführt, dass bis Ende Mai 2003 das Verfahren zügig abgeführt worden sei, weitere Verfahrenshandlungen aber unnotwendig gewesen seien bzw. der Sachverhalt bereits mit dem Einlangen des Gutachtens des nichtamtlichen Sachverständigen bzw. nach der erfolgten Behördenbesprechung am 22. Mai 2003 genügend ermittelt gewesen sei. Dieser Auffassung sei nicht zuzustimmen.
In der Behördenbesprechung am 22. Mai 2003 seien die Punkte im Gutachten des nichtamtlichen Sachverständigen erläutert worden, die abklärungsbedürftig gewesen seien. Mit dem Entwurf eines Schreibens mit Datum 23. Mai 2003, das jedoch nicht abgefertigt worden sei, habe der LH beabsichtigt, das Besprechungsprotokoll vom 22. Mai 2003 an den nichtamtlichen Sachverständigen zur Durchsicht und schriftlichen Beifügung der Ergänzungen, die von ihm mündlich getätigt worden seien, zu übermitteln. Der nichtamtliche Sachverständige hätte das Original-Besprechungsprotokoll sodann an den LH rückübermitteln sollen.
Mit Schreiben vom 27. Mai 2003 habe die beschwerdeführende Partei im Rahmen des Parteiengehörs zum Gutachten des nichtamtlichen Sachverständigen Stellung genommen und dabei die Auffassung vertreten, dass das Gutachten auslegungsbedürftige Feststellungen enthalte und dieses Gutachten nur ausdrücklich mit den Anmerkungen und Ausführungen des nichtamtlichen Sachverständigen anlässlich der Behördenbesprechung vom 22. Mai 2003 zur Kenntnis genommen werde. Weiters sei der seinerzeitige Antrag dahingehend präzisiert worden, dass die Schlüsselnummer 54102 nur nach vorangegangener Ausstufung übernommen würde.
Mit "Behördenentwurf" vom 17. Juni 2003 sei beabsichtigt gewesen, die Stellungnahme der beschwerdeführenden Partei zum Gutachten des nichtamtlichen Sachverständigen an diesen zu übermitteln und zwar mit der Begründung, ob die bisherigen Ausführungen vor allem im Hinblick auf die Besprechung vom 22. Mai 2003 beizubehalten seien oder ergänzt oder abgeändert werden müssten.
Mit gleichem Datum (auch nicht abgefertigtes Schreiben) wäre die Abteilung 15 (Luft) ersucht worden, zu der Antragspräzisierung vom 27. Mai 2003 eine fachliche Stellungnahme abzugeben.
In einer weiteren Behördenbesprechung am 3. Juli 2003 sei die im Schreiben der Behörde vom 23. Mai 2003 bzw. vom 17. Juni 2003 beabsichtigte Einholung der handschriftlichen Ergänzungen des nichtamtlichen Sachverständigen auf
"1., der Stellungnahme der V vom 27. Mai 2003 (im Rahmen des Parteiengehörs zum Gutachten K, Seite 5) und Unterschrift des Protokolls vom 22. Mai 2003 Ergänzung betreffend die Vorschreibung von Parallelmessungen sowie
2., auf der Stellungnahme der V GmbH vom 25. Juni 2003 zu seinem Gutachten, Deckblatt, der Vermerk, dass die Stellungnahme der V von ihm zustimmend zur Kenntnis genommen wird"
erfolgt.
Mit Stellungnahme vom 3. Juli 2003 sei die fachliche Beurteilung bzw. der Auflagenvorschlag betreffend die Schlüsselnummer 54102 durch die zuständige Fachabteilung erfolgt.
Mit Schreiben vom 4. Juli 2003 sei die Stellungnahme der beschwerdeführenden Partei im Rahmen des Parteiengehörs betreffend das Gutachten der Abteilung 15 vom 3. Juli 2003, die handschriftliche Stellungnahme des nichtamtlichen Sachverständigen vom 3. Juli 2003 sowie die ergänzende Mitteilung einer weiteren Abteilung des Amtes der Kärntner Landesregierung vom 20. Mai 2003 mit der Mitteilung eingelangt, dass die Stellungnahmen zustimmend zur Kenntnis genommen würden und um Bescheiderlassung ersucht werde.
Am 14. Juli 2003 sei Dr. W als weitere medizinische Sachverständige dem Verfahren beigezogen worden, mit dem Beweisthema, zu den Feststellungen des nichtamtlichen Sachverständigen und im Verfahren selbst ein Gutachten zu erstellen.
Es sei dem LH freigestanden, anlässlich der Behördenbesprechung am 22. Mai 2003 mündlich verschiedene abklärungsbedürftige Punkte im Gutachten des nichtamtlichen Sachverständigen zu erörtern. Dass damit jedoch der Sachverhalt genügend ermittelt gewesen wäre und Entscheidungsreife bestanden hätte, sei anhand der weiteren Verfahrensschritte zu verneinen, habe doch der LH ausdrücklich eine schriftliche Ergänzung der mündlichen Ausführungen im Rahmen der Behördenbesprechung vom 22. Mai 2003 haben wollen und habe auch weitere Sachverständigengutachten eingefordert. Wie das Prozedere durch die Verwaltungsbehörden durchgeführt werde, sei diesen vorbehalten.
Dass das Gutachten des nichtamtlichen Sachverständigen ergänzungsbedürftig bzw. auslegungsbedürftig gewesen sei, sei auch von der beschwerdeführenden Partei nicht verneint worden; vielmehr habe sie in ihrer Stellungnahme vom 27. Mai 2003 sogar ausdrücklich darauf hingewiesen.
Es könne auch nicht der Beurteilung der beschwerdeführenden Partei überlassen bleiben, wann Entscheidungsreife vorliege oder wie lange für die Durchführung eines Versuchsbetriebsverfahrens veranschlagt werden dürfe.
Zu beurteilen sei nun lediglich, ob das Ermittlungsverfahren zügig betrieben, keine unnotwendigen Verfahrensschritte getätigt bzw. ob tatsächlich Verfahrensverzögerungen eingetreten seien, die auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen seien.
Verfahrensverzögerungen seien zumindest bis 4. Juli 2003 nicht zu erkennen. Dass der LH letztendlich zu den für ihn notwendigen Ergänzungen des Gutachtens des nichtamtlichen Sachverständigen erst am 3. Juli 2003 in handschriftlicher Form gekommen sei, sei ihm nicht als überwiegendes Verschulden an einer Verzögerung anzulasten, da zwischen den beabsichtigten Schreiben vom 23. Mai 2003 und vom 17. Juni 2003 bis zum tatsächlichen Zeitpunkt der Ergänzungen des nichtamtlichen Sachverständigen bzw. dem Auflagevorschlag der Abteilung 15 auch nur relativ kurze Zeit liege.
Die erstmals am 3. Juli 2003 vorgenommene schriftliche Ergänzung des Gutachtens um die mündlich getätigten Ausführungen in der Behördenbesprechung am 22. Mai 2003 sei auch der beschwerdeführenden Partei im Rahmen des Parteiengehörs am 4. Juli 2003 zur Kenntnis gebracht worden. Es handle sich nicht um unnotwendige Verfahrensschritte, da die beschwerdeführende Partei gleich wie die Behörde selbst auch das Gutachten des nichtamtlichen Sachverständigen als auslegungsbedürftig ansehe. Zumindest bis 4. Juli 2003 sei daher keinerlei relevante Verfahrensverzögerung zu erkennen.
Ob die Beiziehung von Dr. W als weitere ärztliche Sachverständige im Verfahren notwendig gewesen sei oder nicht, dürfe dahingestellt bleiben; anzumerken sei jedoch, dass es der Behörde freistehe, auf Grund ihres Rechtes, den Gang des Ermittlungsverfahrens zu bestimmen, frei zu entscheiden, ob sie die Beiziehung eines zweiten Sachverständigen für notwendig erachte oder nicht. Die Behörde sei geradezu verpflichtet, ein Sachverständigengutachten auf seine Schlüssigkeit zu überprüfen, da sie sonst dem Prinzip der Erforschung des maßgeblichen Sachverhaltes nicht entspreche.
Anzumerken sei jedoch, dass nach Durchsicht des medizinischen Gutachtens des nichtamtlichen Sachverständigen dieses jedenfalls als ergänzungsbedürftig anzusehen sei.
Der Gang des Ermittlungsverfahrens sei durchgehend bis 4. Juli 2003 zügig und ohne unnötige Verfahrensschritte betrieben worden. Eine Kluft von einem Monat bis zur Stellung des Devolutionsantrages könne nicht als relevante Verfahrensverzögerung gewertet werden. Überhaupt wäre auch eine Verfahrensverzögerung auf Grund eines länger dauernden Ermittlungsverfahrens - was bei einem Verfahren gemäß § 29 AWG 1990 jedenfalls erforderlich sei - nicht als eine Verzögerung, die auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen sei, zu werten. Besonders im Versuchsbetriebsgenehmigungsverfahren bestehe für die Behörde eine besonders sorgfältige Ermittlungspflicht, da Nachbarn in diesen Verfahren keine Parteinstellung hätten und die Erkenntnisse aus den Versuchsbetrieben als Grundlage für das eigentliche Genehmigungsverfahren dienen sollten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die beschwerdeführende Partei vertritt die Auffassung, die Voraussetzungen für den Übergang der Entscheidungspflicht auf die belangte Behörde wären vorgelegen.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 73 AVG lautet:
"§ 73. (1) Die Behörden sind verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen. Sofern sich in verbundenen Verfahren (§ 39 Abs. 2a) aus den anzuwendenden Rechtsvorschriften unterschiedliche Entscheidungsfristen ergeben, ist die zuletzt ablaufende maßgeblich.
(2) Wird der Bescheid nicht innerhalb der Entscheidungsfrist erlassen, so geht auf schriftlichen Antrag der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, wenn aber gegen den Bescheid Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat erhoben werden könnte, auf diesen über (Devolutionsantrag). Der Devolutionsantrag ist bei der Oberbehörde (beim unabhängigen Verwaltungssenat) einzubringen. Er ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.
(3) Für die Oberbehörde (den unabhängigen Verwaltungssenat) beginnt die Entscheidungsfrist mit dem Tag des Einlangens des Devolutionsantrages zu laufen."
Unbestritten ist auch seitens der beschwerdeführenden Partei, dass bis zur Behördenbesprechung vom 22. Mai 2003, bei welcher das Gutachten des nichtamtlichen Sachverständigen erörtert wurde, das Verfahren zügig durchgeführt wurde. Strittig ist der nachfolgende Verfahrensablauf.
Im Protokoll über die Besprechung vom 22. Mai 2003 ist angeführt, dass und welche Punkte des Gutachtens des nichtamtlichen Sachverständigen für die Behörde klärungsbedürftig waren. Festgehalten sind in diesem Protokoll auch die Äußerungen des nichtamtlichen Sachverständigen zu diesen nach Ansicht der Behörde klärungsbedürftigen Punkten.
Es stellt sich daher die Frage, warum nochmals der nichtamtliche Sachverständige eingeschaltet werden musste und warum dies erst am 3. Juli 2003 geschah.
Die belangte Behörde verneint, dass mit der Besprechung des Gutachtens des nichtamtlichen Sachverständigen am 22. Mai 2003 der Sachverhalt ausreichend geklärt gewesen sei und begründet dies damit, dass der LH noch eine schriftliche Ergänzung der mündlichen Ausführungen des Sachverständigen habe einholen wollen und überdies weitere Sachverständigengutachten eingefordert habe.
Nun enthält aber das Protokoll vom 22. Mai 2003 einerseits die Antworten des nichtamtlichen Sachverständigen auf die von der Behörde für klärungsbedürftig angesehenen Fragen und andererseits findet sich darin nicht der geringste Hinweis, dass bei dieser Besprechung noch weitere Gutachtenserläuterungen vorgenommen worden seien, die nicht im Protokoll festgehalten wurden.
Auch das Schreiben des nichtamtlichen Sachverständigen vom 22. Juni 2003 weist darauf hin, dass nach der Besprechung keine klärungsbedürftigen Punkte mehr übrig geblieben sind und dass das Protokoll die klärungsbedürftigen Fragen und die Antworten des Sachverständigen darauf richtig und vollständig wiedergegeben hat, heißt es doch in diesem Schreiben, der nichtamtliche Sachverständige habe bei der Besprechung am 22. Mai 2003 alle offenen Fragen im Zusammenhang mit seinem Gutachten erläutert und freue sich, dass dabei alle vorhanden Unklarheiten ausgeräumt worden seien und Einvernehmen über die Verständlichkeit des von ihm zu Protokoll gegebenen Textes geherrscht habe.
Dass die beschwerdeführende Partei in ihrem Schriftsatz vom 27. Mai 2003 einzelne Feststellungen des Gutachtens des nichtamtlichen Sachverständigen als auslegungsbedürftig bezeichnet hat, begründete entgegen der Auffassung der belangten Behörde keine Notwendigkeit, den nichtamtlichen Sachverständigen neuerlich zu befassen. Diese Ausführungen der beschwerdeführenden Partei beziehen sich auf die schriftliche Fassung des Gutachtens. Die beschwerdeführende Partei hat in dem Schriftsatz vom 27. Mai 2003 ausdrücklich erklärt, dass die auslegungsbedürftigen Feststellungen im Gutachten durch die vom nichtamtlichen Sachverständigen in der Besprechung vom 22. Mai 2003 gegebenen Erläuterungen verständlich geworden und dass diese Klarstellungen im Protokoll über diese Besprechung enthalten seien.
Angesichts dieses Sachverhaltes ist ohne nähere Begründung die Notwendigkeit einer nochmaligen Befassung des nichtamtlichen Sachverständigen nicht erkennbar. Eine solche Begründung fehlt aber.
Überdies bleibt unerörtert, warum diese Befassung erst am 3. Juli 2003 erfolgte.
Auch für die Verschiebung der Einholung einer Stellungnahme zur "Antragspräzisierung" der beschwerdeführenden Partei vom 27. Mai 2003 bis 3. Juli 2003 fehlt es an einer Begründung.
Insbesondere aber enthält der angefochtene Bescheid keine nachvollziehbare Begründung dafür, warum die Erstbehörde in der Zeit zwischen dem 4. Juli und dem 4. August 2003, dem Tag der Einbringung des Devolutionsantrages, den ausstehenden Bescheid nicht erlassen hat.
Die Meinung der belangten Behörde, der Zeitraum von einem Monat stelle keine relevante Verfahrensverzögerung dar, kann nicht geteilt werden.
Eine Rechtfertigung könnte die Beiziehung eines weiteren medizinischen Sachverständigen darstellen. Warum die Beiziehung dieses Sachverständigen notwendig ist, wird aber im angefochtenen Bescheid nicht erläutert.
Die belangte Behörde lässt selbst ausdrücklich offen, ob die Beiziehung dieses Sachverständigen notwendig war. Ihre Behauptung, das Gutachten des nichtamtlichen Sachverständigen sei ergänzungsbedürftig, hätte einer entsprechenden Begründung bedurft, die auch zu erklären gehabt hätte, warum es für diese Ergänzung der Beiziehung eines neuen Sachverständigen bedurfte und warum diese Ergänzung nicht bereits nach Vorliegen des Gutachtens des nichtamtlichen Sachverständigen erfolgte, sei es durch diesen selbst, sei es - bei entsprechender Notwendigkeit - durch Beiziehung eines neuen Sachverständigen.
Auch aus dem Bestellungsschreiben der Erstbehörde ergibt sich kein hinreichender Anhaltspunkt dafür, was der Grund für die Bestellung eines weiteren medizinischen Sachverständigen war, da nicht ersichtlich ist, was mit der Notwendigkeit einer "Differenzbetrachtung" gemeint ist.
Die von der belangten Behörde für die Abweisung des Devolutionsantrages gegebene Begründung reicht für eine Beurteilung der Frage, ob die Voraussetzungen für den Übergang der Entscheidungspflicht vorlagen oder nicht, nicht aus.
Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 25. März 2004
Schlagworte
Begründung BegründungsmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2003070161.X00Im RIS seit
22.04.2004