TE Vwgh Erkenntnis 2004/3/25 2003/07/0163

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Veröffentlicht am 25.03.2004
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Index

L66507 Flurverfassung Zusammenlegung landw Grundstücke
Flurbereinigung Tirol;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
80/06 Bodenreform;

Norm

AVG §8;
B-VG Art140;
FlVfGG §17 Abs2;
FlVfGG §18;
FlVfLG Tir 1978 §38 Abs4 litb;
FlVfLG Tir 1978 §74 Abs4;
FlVfLG Tir 1996 §38 Abs3;
FlVfLG Tir 1996 §38 Abs4 litb;
FlVfLG Tir 1996 §38 Abs4 litc;
FlVfLG Tir 1996 §74 Abs5 idF 2001/055;
FlVfLG Tir 1996 §74 Abs5;
VwGG §34 Abs1 impl;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Kante, über die Beschwerde der Agrargemeinschaft V, vertreten durch Dr. Dieter Beimrohr, Rechtsanwalt in 9900 Lienz, Rosengasse 8, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 27. September 2001, LAS-631/21-00, betreffend die Zurückweisung einer Berufung in einem Absonderungsverfahren, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz (AB) vom 5. Juni 2001 wurde die Absonderung von 30 Anteilsrechten an der Agrargemeinschaft V (der Beschwerdeführerin) von der bisherigen Stammsitzliegenschaft EZ 90016 GB V und deren realrechtliche Bindung an die EZ 90101 GB V als neue Stammsitzliegenschaft bewilligt.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 27. September 2001 wurde diese Berufung gemäß § 63 Abs. 5 AVG und § 74 Abs. 5 des Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes 1996 (TFLG 1996) in der Fassung LGBl. Nr. 55/2001, zurückgewiesen. Dies wurde damit begründet, dass das TFLG 1996 durch die Novelle vom 16. Mai 2001, LGBl. Nr. 55, geändert worden sei; die Gesetzesänderung sei mit 20. Juli 2001 in Kraft getreten. Gemäß Art. II Abs. 2 dieser Novelle sei dieses Gesetz auf Verfahren, die im Zeitpunkt seines In-Kraft-Tretens noch nicht abgeschlossen seien, anzuwenden, somit auch auf das gegenständliche Absonderungsverfahren. Durch die erwähnte Gesetzesänderung sei die Parteistellung im Absonderungsverfahren neu geregelt worden. Wenn im Zuge der Absonderung Anteilsrechte mit einer Stammsitzliegenschaft verbunden würden, an deren Eigentum bereits Anteilsrechte an agrargemeinschaftlichen Grundstücken gebunden seien, so sei die Agrargemeinschaft vor der Erlassung des Bescheides zur Frage einer allfälligen, dem wirtschaftlichen Zweck der Agrargemeinschaft abträglichen Anhäufung oder Zersplitterung von Anteilsrechten zu hören. In diesen Fällen sei der Agrargemeinschaft weiters der die Absonderung bewilligende Bescheid mitzuteilen.

Im vorliegenden Fall sollten sämtliche mit einer Stammsitzliegenschaft verbundenen Anteilsrechte und damit die Mitgliedschaft an der Beschwerdeführerin realrechtlich an eine Liegenschaft gebunden werden, die noch nicht anteilsberechtigt sei. Bezogen auf die Anteilsrechte an der Beschwerdeführerin könne daher von einer Anhäufung oder Zersplitterung nicht gesprochen werden. Auf Grund der Neuregelung der Parteistellung im Absonderungsverfahren durch die genannte Gesetzesänderung müsse die Parteistellung der Beschwerdeführerin im gegenständlichen Absonderungsverfahren verneint werden. Eine solche sei jedoch Voraussetzung für die Berufungslegitimation. Aus § 63 Abs. 5 AVG ergebe sich, dass das Berufungsrecht nur den Verfahrensparteien zustehe, weshalb mangels Parteistellung der Beschwerdeführerin die vorliegende Berufung als unzulässig anzusehen sei. Daraus folge, dass eine meritorische Entscheidung zu unterbleiben habe.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluss vom 3. Dezember 2003, B 1567/01-7, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Der Verfassungsgerichtshof begründete diesen Beschluss u.a. damit, dass die Beschwerdeführerin vor dem Hintergrund seiner ständigen Rechtsprechung verkenne, dass weder wirtschaftliche Interessen (VfSlg. 8882/1980, 12861/1991) noch die Tatsache, dass eine Entscheidung Einfluss auf ein Rechtsverhältnis zu einer anderen Person habe (VfSlg. 11934/1988), die Parteistellung zwingend begründe.

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzte die Beschwerdeführerin ihre Beschwerdeausführungen und machte geltend, der angefochtene Bescheid verletze sie in Rechten aus § 38 Abs. 4 lit. b und c TFLG 1996 in der Fassung LGBl. Nr. 55/2001.

Nach § 38 Abs. 4 lit. b TFLG 1996 sei die Bewilligung der Absonderung von Anteilsrechten durch die Agrarbehörde zu verweigern, wenn durch die Absonderung eine dem wirtschaftlichen Zweck der Agrargemeinschaft abträgliche Zersplitterung oder Anhäufung von Anteilsrechten eintrete. Durch die Genehmigung der Absonderung der verfahrensgegenständlichen Anteilsrechte werde nicht eine Konzentration der wirtschaftlichen Kraft und des Zwecks der Agrargemeinschaft erreicht, sondern genau das Gegenteil. Die erschwerten Rahmenbedingungen der Landwirtschaft erforderten eine derartige Konzentration der Kräfte. Unter diesem Blickpunkt hätte die belangte Behörde über die Berufung der Beschwerdeführerin meritorisch entscheiden müssen und diese nicht als unzulässig zurückweisen dürfen. Auch gemäß § 38 Abs. 4 lit. c TFLG 1996 wäre eine negative Sachentscheidung zu treffen gewesen, weil der Käufer kein Mitglied der Agrargemeinschaft gewesen sei und der Erwerb der gegenständlichen Anteilsrechte nicht der Verbesserung der Leistungsfähigkeit seines Betriebes diene.

Schließlich regte die Beschwerdeführerin die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens gemäß Art. 140 B-VG beim Verfassungsgerichtshof dahingehend an, dass die seinerzeitige Aufhebung des § 38 Abs. 4 lit. c TFLG in der Fassung LGBl. Nr. 74/1996 durch das Gesetz vom 1. Juli 1998, LGBl. Nr. 77/1998, wonach die Zustimmung der Agrargemeinschaft zum Erwerb des Anteilsrechtes durch ein Nichtmitglied nicht mehr erforderlich sei, gegen verfassungsgesetzlich gewährleistete Grundrechte verstoße. Ungeachtet der Begründung des Abtretungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes erblicke die Beschwerdeführerin darin eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 38 Abs. 3 TFLG 1996 darf die mit einer Liegenschaft (Stammsitzliegenschaft) verbundene Mitgliedschaft an einer Agrargemeinschaft von der Stammsitzliegenschaft nur mit Bewilligung der Agrarbehörde abgesondert werden.

Nach § 38 Abs. 4 lit. b TFLG 1996 ist die Bewilligung nach Abs. 3 zu verweigern, wenn durch die Absonderung eine dem wirtschaftlichen Zweck der Agrargemeinschaft abträgliche Zersplitterung oder Anhäufung von Anteilsrechten eintritt.

Nach § 38 Abs. 4 lit. c leg. cit. ist eine Bewilligung zu versagen, wenn der Erwerb des Anteilsrechtes nicht der Verbesserung der Leistungsfähigkeit eines landwirtschaftlichen Betriebes dient, es sei denn, der Erwerb erfolgt durch die Agrargemeinschaft, durch eines ihrer Mitglieder oder durch die Gemeinde als Eigentümerin des agrargemeinschaftlichen Grundbesitzes (Z. 1) oder Gegenstand des Erwerbes ist ein auf einem im Eigentum der Gemeinde stehenden Grundstück bestehendes Teilwaldrecht, das mit einer in derselben Gemeinde gelegenen, im Eigentum des Erwerbers stehenden Liegenschaft verbunden wird und hinsichtlich dessen die künftige Bewirtschaftung durch den Erwerber selbst gewährleistet ist (Z. 2).

§ 74 Abs. 5 TFLG 1996 regelt die Parteistellung in diesem Verfahren und hat - in der hier anzuwendenden Fassung der Novelle LGBl. Nr. 55/2001 - folgenden Wortlaut:

"Parteien im Verfahren zur Bewilligung der Absonderung von Anteilsrechten (§ 38 Abs. 3 und 6) und zur Bewilligung der Teilung von Stammsitzliegenschaften (§ 39 Abs. 1) sind die Eigentümer der bisher berechtigten Stammsitzliegenschaften, die Inhaber eines walzenden Anteilsrechtes und die Erwerber von Anteilsrechten und von Trennstücken einer Stammsitzliegenschaft; im Fall des § 38 Abs. 4 lit. c Z. 2 ist auch die Gemeinde Partei. Wenn im Zuge der Absonderung Anteilsrechte mit einer Stammsitzliegenschaft verbunden werden, an deren Eigentum bereits Anteilsrechte an agrargemeinschaftlichen Grundstücken gebunden sind, oder wenn im Zuge der Teilung einer Stammsitzliegenschaft die mit dieser bisher verbundenen Anteilsrechte aufgeteilt werden, so ist die Agrargemeinschaft vor der Erlassung des Bescheides zur Frage einer allfälligen dem wirtschaftlichen Zweck der Agrargemeinschaft abträglichen Anhäufung oder Zersplitterung von Anteilsrechten zu hören. In diesen Fällen ist der Agrargemeinschaft weiters der die Absonderung oder Teilung bewilligende Bescheid mitzuteilen."

Das Fehlen der Parteistellung der Beschwerdeführerin ergibt sich aus dem diesbezüglich eindeutigen Wortlaut des § 74 Abs. 5 TFLG 1996 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 55/2001.

Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mit hg. Beschluss vom 15. November 2001, Zl. 2001/07/0126, ausgeführt, dass durch das TFLG 1996 diesbezüglich eine entscheidende Änderung (gegenüber der Rechtslage nach dem TFLG 1978) insoferne eingetreten sei, als das TFLG 1996 der Agrargemeinschaft keine Parteistellung im Verfahren zur Genehmigung der Absonderung mehr einräume und ihr damit auch das Recht nehme, dem Verbot der Anhäufung oder Aufsplitterung zum Durchbruch zu verhelfen. Der Agrargemeinschaft komme damit auch kein Recht mehr zu, in das durch die Genehmigung der Absonderung eingegriffen werden könnte. Bei der Beurteilung der Frage, ob durch eine Bestimmung in einem Gesetz auch subjektive Rechte begründet werden sollten, komme nämlich der Regelung der Parteistellung als Instrument zur Durchsetzung eines solchen Rechtes Bedeutung zu. Dadurch, dass das TFLG 1996 im Verfahren zur Genehmigung der Absonderung von Anteilsrechten der Agrargemeinschaft keine Parteistellung (mehr) zugestehe, habe der Gesetzgeber auch die Entscheidung getroffen, dass die Bestimmung des § 38 Abs. 4 lit. b leg. cit. der Agrargemeinschaft kein subjektives Recht einräume, sondern dass die Einhaltung dieser Bestimmung der Behörde überantwortet sei. Dagegen bestünden auch keine rechtlichen Bedenken, da es grundsätzlich dem Ermessen des Gesetzgebers überlassen sei, ob er eine von ihm geschaffene Bestimmung des objektiven Rechts auch zu einem subjektiven Recht mache oder nicht.

Nach § 74 Abs. 5 TFLG 1996 kam der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren zur Bewilligung der Absonderung von Anteilsrechten keine Parteistellung zu. Kam ihr aber keine Parteistellung zu, so erfolgte die Zurückweisung der Berufung durch die belangte Behörde zu Recht.

Wie bereits dargelegt, konnte die Beschwerdeführerin auch aus den Bestimmungen des § 38 Abs. 4 lit. b und c TFLG 1996 keine eine Parteistellung begründende Rechtsposition ableiten. Wenn sie nun in Ausführung ihrer Beschwerdegründe auf die Bestimmungen des § 38 Abs. 4 lit. b und c TFLG 1996 verweist und meint, die dort festgelegten Versagungsgründe lägen im vorliegenden Fall vor, so übersieht sie weiters, dass es im vorliegenden Beschwerdefall allein um die Frage geht, ob sie Parteistellung im vorliegenden Absonderungsverfahren und damit Berufungslegitimation hatte oder nicht. Auf die Frage, ob die Versagungsgründe des § 38 Abs. 4 lit. b oder lit. c TFLG 1996 im gegenständlichen Fall vorgelegen seien, war daher nicht weiter einzugehen.

Wenn die Beschwerdeführerin schließlich die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens gemäß Art. 140 B-VG anregt, so ist sie auf die Begründung des Ablehnungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes vom 3. Dezember 2003 zu verweisen. Angesichts dessen, und weil beim Verwaltungsgerichtshof keine darüber hinausgehenden Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der §§ 38 Abs. 4 lit. b und c sowie 74 Abs. 5 TFLG 1996 entstanden sind, sieht sich der Verwaltungsgerichtshof nicht zu dem angeregten Gesetzesprüfungsverfahren veranlasst.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, dass die von der beschwerdeführenden Partei behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 25. März 2004

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Besondere Rechtsgebiete Diverses Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATION

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2003070163.X00

Im RIS seit

26.04.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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