TE Vwgh Erkenntnis 2004/3/30 2003/06/0002

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Veröffentlicht am 30.03.2004
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Index

L82007 Bauordnung Tirol;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §38;
AVG §69 Abs1 Z3;
BauO Tir 1998 §22 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde 1. des H H und 2. der C H, beide in B, beide vertreten durch Dr. Markus Weinl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Ring 3, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 20. November 2002, Zl. Ve1-550-3056/1-2, betreffend Aussetzung eines Berufungsverfahrens gemäß § 38 AVG (mitbeteiligte Partei: Gemeinde B, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben je zur Hälfte dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 23. Oktober 2001 wurde die Errichtung des von den Beschwerdeführern am 24. September 2001 angezeigten Zaunes gemäß § 22 Abs. 3 zweiter Satz TBO 1998 idF LGBl. Nr. 74/2001 untersagt, weil u.a. der Verlauf der Grundstücksgrenze nicht geklärt sei. Der dagegen erhobenen Berufung gab der Gemeindevorstand mit Bescheid vom 5. Februar 2002 nicht Folge.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Vorstellung an die zuständige Gemeindeaufsichtsbehörde. Die Tiroler Landesregierung gab mit Bescheid vom 17. April 2002 der Vorstellung Folge, behob den angefochtenen Bescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde. In ihrer Begründung führte sie aus, eine Untersagung der Bauführung könne nicht allein auf die Unklarheit über den Grenzverlauf gestützt werden. Wenn die Baubehörde etwa wegen Überbauens der Grenze zur Verkehrsfläche die Ausführung der Einfriedung für unzulässig erachte, müsse sie sich im Rahmen der Vorfragenprüfung und nach Durchführung entsprechender Erhebungen Klarheit über den tatsächlichen Grenzverlauf verschaffen.

Mit Bescheid vom 9. Oktober 2002 erging eine neuerliche Berufungsentscheidung des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde, mit der das Verfahren gemäß § 38 AVG bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Grenzverlauf im Verfahren des Landesgerichtes Innsbruck, GZ 41 Cg 272/01, ausgesetzt wurde.

Der dagegen erhobenen Vorstellung wurde mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 20. November 2002 nicht Folge gegeben. Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des bisherigen Verwaltungsgeschehens und der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen aus, dass bereits in der Vorstellungsentscheidung der Tiroler Landesregierung vom 17. April 2002 festgestellt worden sei, dass die Frage des Grenzverlaufes für die baurechtliche Zulässigkeit des gegenständlichen Bauvorhabens Relevanz haben könne. Wenn daher die Baubehörde die Frage des Grenzverlaufes als Vorfrage beurteile, liege darin keinesfalls eine Überschreitung ihrer Zuständigkeit. Wenn der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde als Baubehörde zweiter Instanz das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die strittige Frage des Grenzverlaufes aussetze, so seien die Vorstellungswerber dadurch nicht in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt. Die mitbeteiligte Partei hat sich - trotz Möglichkeit zur Stellungnahme - am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die beschwerdeführenden Parteien erachten sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf rechtsrichtige Anwendung des § 38 AVG verletzt. In Ausführung dieses Beschwerdepunktes bringen sie (zusammengefasst) vor, der angefochtene Bescheid diene allein dazu, das Bauvorhaben schuldhaft zu verzögern. Sie hätten die Errichtung eines Grenzzaunes auf ihrer Liegenschaft angezeigt. Der rekonstruierte Grenzverlauf nach der vorgelegten Planurkunde entspreche sogar weitgehend der Grenze laut Kataster. Da die Mitbeteiligte diese Grenze laut Planurkunde nicht anerkannt habe, seien die Beschwerdeführer gezwungen gewesen, auf Feststellung sowie Vermarkung der bekannten Grenze zu klagen. Im Verfahren vor dem Landesgericht Innsbruck, GZ 41 Cg 272/01, gehe es um das Eigentumsrecht der Beschwerdeführer und nicht um die Ermittlung der Grenze. Eine Vorfragensituation, welche die Behörde zur Aussetzung des Verfahrens ermächtige, liege nicht vor.

Aus der von den Beschwerdeführern vorgelegten Ausfertigung ihrer zu GZ 41 Cg 272/01 des Landesgerichtes Innsbruck anhängigen Klage gegen die mitbeteiligte Gemeinde ergibt sich nachstehendes Urteilsbegehren:

"1. Es wird festgestellt, dass der Grenzverlauf zwischen der GSt-Nr. 110, EZ 22, und der GSt-Nr. 55, Grundbuch 86032 R, laut der in der Vermessungsurkunde der Z OEG vom 02.07.2001, GZ 1108/01, eingezeichneten grünen Linie sowie Vermessungspunkte verläuft. Diese Vermessungsurkunde bildet einen integrierenden Bestandteil des Urteilsbegehrens.

2. Die beklagte Partei ist daher schuldig, der Vermarkung des Grenzverlaufes laut der im Vermessungsplan vom 2.7.2001 enthaltenen grünen Linie und Vermessungspunkte zuzustimmen, wobei die Zustimmung der beklagten Partei mit Rechtskraft dieses Urteiles für gegeben gilt."

Dem in diesem Rechtsstreit mittlerweile ergangenen Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 6. August 2003, GZ 41 Cg 272/01- 43, ist zu entnehmen, dass das vorstehende Klagebegehren abgewiesen, jedoch im Sinne des (offenkundig im Zuge des Verfahrens gestellten) Eventualbegehrens festgestellt wurde, dass die Grenze zwischen der GSt-Nr. 110 EZ 22 und der GSt-Nr. 850 Grundbuch 86032 R laut der Katastergrenze verlaufe. Die beklagte Partei ist daher schuldig, der Vermarkung des Grenzverlaufes laut der Katastergrenze zuzustimmen, wobei die Zustimmung der beklagten Partei mit Rechtskraft des Urteils für gegeben gilt.

Die von den Beschwerdeführern gegen dieses Urteil erhobene außerordentliche Revision ist - wie vom Verwaltungsgerichtshof erhoben wurde - beim Obersten Gerichtshof zu GZ 4 Ob 61/04f und 4 Ob 62/04b anhängig.

Unter einer Vorfrage im Sinne der §§ 38 und 69 Abs. 1 Z. 3 AVG ist eine für die Entscheidung der Verwaltungsbehörde präjudizielle Rechtsfrage zu verstehen, über die als Hauptfrage von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten oder auch von derselben Behörde, jedoch in einem anderen Verfahren, zu entscheiden ist. Die Beantwortung der Vorfrage liefert ein unentbehrliches Tatbestandsmerkmal für die Entscheidung in der Hauptsache. Die Vorfrage muss möglicher Gegenstand eines rechtsfeststellenden oder rechtsgestaltenden Abspruchs, der als Hauptfrage einer anderen Behörde (oder derselben Behörde in einem anderen Verfahren) aufgetragen ist, sein (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998) zu § 38 AVG referierte Judikatur, E. 5 ff).

Nach der auch in der Beschwerde aufrechterhaltenen Ansicht der Beschwerdeführer ist der Grenzverlauf nicht Gegenstand des Zivilrechtsstreites vor dem Landesgericht Innsbruck, in dem es "um das Eigentumsrecht der Beschwerdeführer und nicht um die Ermittlung der Grenze" gehe.

Diese Ansicht wird vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt:

Wie sich aus dem wiedergegebenen Urteilsbegehren und dem Spruch des mittlerweile ergangenen Urteils eindeutig ergibt, ist gerade die Frage des Grenzverlaufes Gegenstand des Zivilrechtsstreites. Da das Ergebnis dieses Zivilrechtsstreites auch die Verwaltungsbehörden bindet, kann die Aussetzung des baubehördlichen Verfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung des zivilgerichtlichen Verfahrens nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Der vorliegende Beschwerdefall unterscheidet sich von dem dem hg. Erkenntnis vom 11. Juli 2003, Zl. 2001/06/0011, zugrundeliegenden Sachverhalt, weil hier weder nach dem Beschwerdevorbringen noch nach der Aktenlage Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass die in Rede stehenden Liegenschaften im Grenzkataster eingetragen sind.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 30. März 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2003060002.X00

Im RIS seit

30.04.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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