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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
FrG 1997 §38 Abs1 Z3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Wechner, über die Beschwerde des T, vertreten durch Dr. Adolf Concin und Dr. Heinrich Concin, Rechtsanwälte in 6700 Bludenz, Rathausgasse 1a, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 6. März 2001, Zl. Fr-4250a-107/00, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 und 2 iVm den §§ 37 und 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.
Zur Begründung dieser Maßnahme verwies sie auf rechtskräftige Verurteilungen des Beschwerdeführers aus den Jahren 1990, 1991, 1995, 1998 und 2000 (wegen in vier Fällen gegen das gleiche Rechtsgut gerichteter Straftaten) jeweils zu Geldstrafen sowie auf rechtskräftige Bestrafungen wegen zum Teil schwer wiegender Verwaltungsübertretungen aus dem Jahr 1995 und später. Sie erachtete die Tatbestände des § 36 Abs. 2 Z. 1 und Z. 2 FrG als erfüllt und stützte die Gefährdungsprognose nach § 36 Abs. 1 FrG darauf, dass auf Grund des bisherigen Verhaltens des Beschwerdeführers weiterhin mit derartigen Delikten gerechnet werden müsse. Sie stellte fest, dass der Beschwerdeführer vom 12. August 1974 bis 15. Juli 1976, vom 12. Februar 1978 bis 3. Mai 1991 und seit 21. Mai 1991 ständig in Österreich "gemeldet bzw. aufhältig" gewesen sei. Weiters führte sie dem Beschwerdeführer erteilte Aufenthaltsbewilligungen (ab dem Jahr 1982 mit Unterbrechungen und ab 28. August 1989 ununterbrochen) an und gelangte zum Ergebnis, dass dem Beschwerdeführer ein rechtmäßiger und ununterbrochener Aufenthalt erst ab 28. August 1989 zugekommen sei. Da das Aufenthaltsverbot auf Grund seines dem (ersten) strafgerichtlichen Urteil vom 8. November 1990 zu Grunde liegenden strafbaren Verhaltens erlassen worden sei, komme auf den Beschwerdeführer keine Aufenthaltsverfestigung zur Anwendung. Der Beschwerdeführer sei weder im Sinn des § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG "von klein auf" im Bundesgebiet aufhältig noch habe er (im Grund des § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG) vor dem maßgeblichen Zeitpunkt die Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 6 Staatsbürgerschaftsgesetz erfüllt.
Letztlich nahm die belangte Behörde - für das Beschwerdeverfahren nicht mehr wesentlich - eine Beurteilung nach § 37 FrG vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Die Beschwerde zeigt auf, dass die belangte Behörde zu Unrecht den Tatbestand der Aufenthaltsverfestigung nach § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG verneint hat. Gemäß dieser Bestimmung darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn dem Fremden vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, es sei denn, der Fremde wäre wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung rechtskräftig zu mehr als zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden.
Eingangs ist festzuhalten, dass angesichts der rechtskräftigen Verurteilungen zu Geldstrafen die genannte Ausnahmebestimmung die Anwendung dieses Tatbestandes nicht hindert.
Nach den behördlichen Feststellungen war der Beschwerdeführer von Februar 1978 bis 3. Mai 1991 und ab 21. Mai 1991 "bis laufend" in Österreich aufhältig. Der Begründung des angefochtenen Bescheides sind keine Anhaltspunkte zu entnehmen, dass die belangte Behörde die Erfüllung der zeitlichen Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 in Zweifel gezogen hat. Sie verneinte das Vorliegen des genannten Verfestigungstatbestandes lediglich damit, dass der Beschwerdeführer vor der Begehung seiner den Gegenstand der Verurteilung vom 8. November 1990 bildenden Straftat (nach den Feststellungen der erstinstanzlichen Behörde am 9. Juli 1990) "auf Grund seines diesem Urteil zugrunde liegenden Fehlverhaltens" die Voraussetzung für den Erwerb der Staatsbürgerschaft nicht erfüllt habe, weil nach seinem bisherigen Verhalten keine Gewähr dafür geboten gewesen sei, dass er zur Republik Österreich bejahend eingestellt sei und keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit bilde. Die Beschwerde weist zutreffend darauf hin, dass entgegen der belangten Behörde zu prüfen ist, ob der Fremde vor Verwirklichung des ersten der von der Behörde zulässigerweise zur Begründung des Aufenthaltsverbots herangezogenen Umstände, die in ihrer Gesamtheit die Maßnahme tragen, die Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft erfüllte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. März 2003, Zl. 2002/18/0287), sodass dieser "erste" Umstand (das der "ersten" Verurteilung zu Grunde liegende Fehlverhalten) außer Betracht zu bleiben hat. Der in diesem Zusammenhang stehende Begründungsnachtrag in der Gegenschrift ist unzulässig (vgl. dazu bereits das hg. Erkenntnis vom 4. September 1972, Zl. 2088/71).
Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass zum Zeitpunkt der Verwirklichung des der Verurteilung vom 8. November 1990 zu Grunde liegenden strafbaren Verhaltens am 9. Juli 1990 die Zehnjahresfrist des § 10 Abs. 1 Z. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 bereits abgelaufen war, hat die belangte Behörde mit der von ihr gewählten Begründung in rechtswidriger Weise die Verwirklichung des genannten Aufenthaltsverfestigungstatbestandes verneint, weshalb der angefochtene Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 30. März 2004
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2001210064.X00Im RIS seit
01.06.2004