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L80007 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Tirol;Norm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde 1. des JV, 2. des JV, und
3. der IV, alle in W, alle vertreten durch Dr. Peter Greil, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Südtiroler Platz 8/IV, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 19. Februar 2003, Zl. Ve1- 550-3152/1-1, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. AB in W, vertreten durch Dr. Johannes Roilo, Rechtsanwalt in Innsbruck, Müllerstraße 27,
2. Gemeinde W, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abwiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 und der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 401,58 je zu einem Drittel binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die erstmitbeteiligte Partei (kurz: Bauwerber) ist Eigentümer eines Grundstückes im Gebiet der mitbeteiligten Gemeinde. Der Erstbeschwerdeführer ist Eigentümer eines im Westen angrenzenden Grundstückes, der Zweitbeschwerdeführer und die Drittbeschwerdeführerin sind Eigentümer eines an der nordwestlichen Ecke in einem Punkt angrenzenden Grundstückes.
Mit Baugesuch vom 20. Juli 2002 (bei der Behörde am 2. August 2002 eingegangen), modifiziert mit weiterem Gesuch vom 26. August 2002 (bei der Behörde eingelangt am 27. August 2002) beantragte der Bauwerber die Erteilung der (nachträglichen) baubehördlichen Genehmigung für die (im Vergleich zum ursprünglichen Baubewilligungsbescheid vom 11. November 1993) geänderte Ausführung eines auf seinem Grundstück errichteten Geräteschuppens. Das Grundstück ist als Freiland gewidmet.
Die Beschwerdeführer erhoben in einem Schriftsatz vom 29. August 2002 Einwendungen gegen das Vorhaben und brachten insbesondere vor, das Vorhaben sei mit der Flächenwidmung unvereinbar, stehe im Widerspruch zum Orts- und Landschaftsbild und verletze die Abstandsvorschriften in Bezug auf das Grundstück des Erstbeschwerdeführers. Auch sei der Bürgermeister befangen.
Nach Durchführung einer Bauverhandlung am 30. August 2002 wurde dem Bauwerber mit dem erstinstanzlichen Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 3. September 2002 die angestrebte Baubewilligung erteilt. Der Begründung des Bescheides ist zu entnehmen, dass die erstinstanzliche Behörde die Einwendungen der Beschwerdeführer als unberechtigt erachtete. Diesbezüglich heißt es insbesondere, auf Grund einer Stellungnahme der Abteilung Agrarwirtschaft des Amtes der Tiroler Landesregierung könne davon ausgegangen werden, dass dieser bereits existierende Geräteschuppen als betriebswirtschaftlich unumgängliche Notwendigkeit für den Bauwerber erachtet werden könne. Das zu genehmigende Objekt liege außerhalb des 4 m-Abstand-Bereiches zum Grundstück des Erstbeschwerdeführers. Von einer Befangenheit des Bürgermeisters könne keine Rede sein.
Dagegen erhoben die Beschwerdeführer (und andere Personen) Berufung, welche mit Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 9. Jänner 2003 als unbegründet abgewiesen wurde. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass es sich hier um ein Nebengebäude zu dem auf denselben Grundstück befindlichen landwirtschaftlichen Hauptgebäude des Bauwerbers handle. Auch die betriebswirtschaftliche Notwendigkeit dieses Schuppens sei zu bejahen. Die Errichtung in Freiland sei daher zulässig. Der (der Bauverhandlung in erster Instanz) beigezogene hochbautechnische Sachverständige habe dargelegt, dass die Abstandsvorschriften eingehalten würden, woran nicht zu zweifeln sei. Eine allfällige Befangenheit des Bürgermeisters könne nur von Amts wegen wahrgenommen werden, den Parteien des Bauverfahrens komme gemäß § 7 AVG kein Ablehnungsrecht zu.
Dagegen erhoben die Beschwerdeführer (nebst anderen Personen) Vorstellung.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet abgewiesen. Nach zusammengefasster Darstellung des Verfahrensganges und Rechtsausführungen heißt es begründend insbesondere, der gegenständliche Geräteschuppen und die Hofstelle (das Betriebsgebäude) des Bauwerbers befänden sich auf demselben Grundstück. Der Geräteschuppen sei dem auf demselben Grundstück befindlichen (Betriebs-)Gebäude funktionell untergeordnet und nicht für Wohnzwecke bestimmt. Die Errichtung des Geräteschuppens als Nebengebäude (bzw. dessen nachträgliche baubehördliche Genehmigung) sei somit gemäß § 41 Abs. 2 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2001 (TROG 2001) im Freiland zulässig. In diesem Zusammenhang werde der Vollständigkeit halber auch auf die Bestimmung des § 25 Abs. 3 lit. a der Tiroler Bauordnung 2001 (TBO 2001) verwiesen, wonach ein Nachbar nur Einwendungen hinsichtlich der Festlegungen des Flächenwidmungsplanes, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden sei, vorbringen könne. § 41 TROG 2001 gewähre aber im Hinblick auf die Errichtung von Gebäuden in Freiland keinen Immissionsschutz, sodass den Beschwerdeführern insofern ohnedies kein Mitspracherecht zukomme.
Die Spekulationen der Beschwerdeführer hinsichtlich der Zusammensetzung und der Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde gingen ins Leere. Die Einsicht in das Sitzungsprotokoll vom 9. Jänner 2003 habe ergeben, dass die Berufungsbehörde bei ihrer Entscheidung über die Berufung gesetzeskonform zusammengesetzt gewesen sei (wird unter Hinweis darauf, dass sich der Bürgermeister bei der Abstimmung im Gemeindevorstand der Stimme enthalten habe und im Übrigen die Entscheidung mit den Stimmen der drei anwesenden Gemeindevorstände einhellig getroffen worden sei, näher ausgeführt). Auch der Einwand, der Schuppen halte nicht den erforderlichen Abstand zur Grenze ein, treffe nicht zu. Da der gegenständliche Schuppen auf einer Fläche errichtet worden sei, welche als Freiland gewidmet sei, müsse jeder Punkt auf der Außenhaut dieser baulichen Anlage gegenüber den Grenzen des Bauplatzes zu den angrenzenden Grundstücken mindestens einen waagrechten Abstand aufweisen, der das 0,4-fache des lotrechten Abstandes zwischen dem betreffenden Punkt und dem Geländeniveau darunter, jedenfalls aber 3 m, betrage. Aus den Plänen sei ersichtlich, dass der erforderliche Mindestabstand auf jeden Fall eingehalten werde und das gesamte Objekt außerhalb der Mindestabstandsflächen errichtet worden sei. Eine Verletzung von subjektiv-öffentlichen Rechten der Beschwerdeführer durch die Berufungsentscheidung sei nicht hervorgekommen.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und, ebenso wie der mitbeteiligte Bauwerber, in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.317/A, uva.). Das gilt auch für den Nachbarn, der i.S. des § 42 AVG idF BGBl. I Nr. 158/1998, die Parteistellung behalten hat.
Im Beschwerdefall ist die Tiroler Bauordnung 2001 (TBO 2001), LGBl. Nr. 94 (Wiederverlautbarung), anzuwenden.
§ 25 Abs. 3 TBO 2001 lautet:
"(3) Nachbarn, deren Grundstücke unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines Abstandes von 5 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen, sind berechtigt, die Nichteinhaltung folgender bau- und raumordnungsrechtlicher Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen:
a) der Festlegungen des Flächenwidmungsplanes, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist;
b)
der Bestimmungen über den Brandschutz;
c)
der Festlegungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Baufluchtlinien, der Baugrenzlinien, der Bauweise und der Bauhöhe;
d) der Abstandsbestimmungen des § 6."
Unzuständig soll die belangte Behörde nach Auffassung der Beschwerdeführer deshalb sein, weil die Berufungsbehörde als Kollegialorgan "nicht in der vollständigen, nach dem Gesetz vorgeschriebenen Besetzung" entschieden habe, somit "eine unzuständige Behörde über die Berufung entschieden" habe. Warum aber deshalb die belangte Behörde unzuständig sein soll, über die Vorstellung zu entscheiden, sagen die Beschwerdeführer nicht und es ist dies auch nicht ersichtlich: vielmehr könnte die Verkennung der (behaupteten) Rechtswidrigkeit des Berufungsbescheides durch die belangte Behörde (bei Zutreffen der weiteren Voraussetzungen, worauf noch zurückzukommen sein wird) gegebenenfalls den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belasten, aber nicht die Unzuständigkeit der belangten Behörde bewirken.
Gemäß § 25 Abs. 3 lit. a TBO 2001 kommt dem Nachbarn ein Mitspracherecht hinsichtlich der Festlegungen des Flächenwidmungsplanes zu, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist. Daraus ergibt sich, dass dem Nachbarn kein Mitspracherecht hinsichtlich der Übereinstimmung des Vorhabens mit dem Flächenwidmungsplan schlechthin zusteht, sondern nur insoweit, als mit der Flächenwidmung ein Immissionsschutz verbunden ist (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2003, Zl. 2002/06/0198). Zutreffend hat die belangte Behörde darauf verwiesen, dass die Flächenwidmung "Freiland" gemäß § 41 TROG 2001 keinen Immissionsschutz gewährt. Hinsichtlich der Frage, ob dieser Schuppen rechtmäßig auf dem als Freiland gewidmeten Grundstück errichtet werden darf, kommt dem Beschwerdeführer somit kein Mitspracherecht zu.
Die Beschwerdeführer bringen zwar im Beschwerdepunkt auch vor, dass das Vorhaben "die Festlegungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Baufluchtlinien, der Baugrenzlinien, der Bauweise und der Bauhöhe" nicht einhalte, führen diesen aber erstmals im Beschwerdeverfahren erhobenen Einwand im Übrigen nicht näher aus. Der Verwaltungsgerichtshof hat erhoben, dass für dieses (als Freiland gewidmete) Grundstück kein Bebauungsplan besteht. Der Einwand geht daher fehl.
Die belangte Behörde hat auch näher begründet, weshalb das Bauwerk die für ein Bauwerk im Freiland vorgesehenen Grenzabstände einhält. Warum diese Auffassung der belangten Behörde unrichtig sein soll, sagen die Beschwerdeführer nicht und es kann diese Auffassung der belangten Behörde auch sonst nicht als rechtswidrig erkannt werden.
Die Beschwerdeführer erblicken die Unzuständigkeit der Berufungsbehörde infolge unrichtiger Besetzung darin, dass der Bürgermeister und der (einzige) Vizebürgermeister befangen gewesen seien, und zwar die drei Gemeindevorstände J.B., G. P. und H. O. entschieden hätten, zu Unrecht aber der Gemeindevorstand J. B. den Vorsitz übernommen habe, obwohl diese Funktion richtigerweise dem H. O. zugekommen wäre. Da aber der Bürgermeister an der Beratung teilgenommen habe, J. B. als Vertreter des Bürgermeisters eingeschritten sei und nur bei der Abstimmung (zu ergänzen: zu Unrecht) den Vorsitz übernommen habe, sei die Entscheidung über die Berufung nicht unbeeinflusst zu Stande gekommen. Dem Vorsitzenden komme nämlich eine wesentliche Funktion bei der Meinungsbildung zu. H. O. hätte, wenn er als Vorsitzender eingeschritten wäre, selbst die erforderlichen Erhebungen und Rechtsauskünfte einholen können, was zu einer anderen Entscheidung geführt hätte. "Jede Auskunftsstelle hätte die gesetzlichen Voraussetzungen für ein Nebengebäude auf demselben Bauplatz mit einheitlicher Widmung dargestellt".
Dem ist Folgendes zu entgegnen: Mit diesem Vorbringen versuchen die Beschwerdeführer die Unrichtigkeit der Auffassung der Berufungsbehörde aufzuzeigen, der gegenständliche Schuppen dürfe rechtens auf diesem Grundstück errichtet werden. Hiezu steht den Beschwerdeführern als Nachbarn aber kein Mitspracherecht zu. Die hier angestrebte Abweisung einer erstinstanzlich erteilten Baubewilligung auf Grund einer Berufung eines Nachbarn kommt aber nur insoweit in Betracht, als dem Nachbarn in Bezug auf den Abänderungsgrund ein Mitspracherecht zukommt (siehe das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 2003, Zlen. 2003/05/0208 und 0209, mwN). Die Verfahrensrechte der Nachbarn reichen aber nur soweit, als ihnen subjektiv-öffentliche Rechte eingeräumt sind (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1994, Zl. 93/06/0115, mwN). Damit zeigen die Beschwerdeführer schon deshalb die Relevanz dieses behaupteten Verfahrensmangels nicht auf, weshalb auch eine Auseinandersatzung mit dem Umstand zu unterbleiben hat, dass die Berufungsentscheidung - bei Stimmenthaltung des Bürgermeisters als Vorsitzenden des Gemeindevorstandes - einhellig ergangen ist.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003, hinsichtlich des mitbeteiligten Bauwerbers im Rahmen des eingeschränkten Kostenersatzbegehrens.
Wien, am 30. März 2004
Schlagworte
Baurecht Nachbar Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Schutz vor Immissionen BauRallg5/1/6 Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Vorschriften, die keine subjektiv-öffentliche Rechte begründen BauRallg5/1/9European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2003060065.X00Im RIS seit
03.05.2004