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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §18 Abs4 impl;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer über die Beschwerde des Dr. H R in A, gegen den Bescheid des Ausschusses der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 4. Oktober 2001, Zl. 00-309/1, betreffend Feststellung und Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Tiroler Rechtsanwaltskammer Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem am 14. November 2000 ausgefertigten Beschluss des Disziplinarrates der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 13. November 2000, bestätigt durch den Bescheid der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (OBDK), wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 19 Abs. 3 Z. 1 lit. d des Disziplinarstatuts 1990 (DSt) vorläufig die Ausübung der Rechtsanwaltschaft untersagt.
Mit Bescheid der Abteilung I der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 23. November 2000 wurde Dr. C. W. für die Dauer der vorläufigen Untersagung der Berufsausübung nach § 19 Abs. 3 Z. 1 lit. d DSt als mittlerweiliger Stellvertreter für den Beschwerdeführer gemäß § 34 Abs. 4 RAO bestellt. Diesen Bescheid bekämpfte der Beschwerdeführer mit einem Rechtsmittel.
Mit Bescheid der Abteilung I der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 15. März 2001 wurde dem Beschwerdeführer eine Weisung gemäß § 23 RAO (betreffend die notwendige Unterstützung und Information des mittlerweiligen Stellvertreters) erteilt. Auch gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer ein Rechtsmittel.
Es ist den vorgelegten Verwaltungsakten nicht zu entnehmen, ob über diese Rechtsmittel bereits entschieden wurde.
Mit Eingabe vom 18. April 2001, bei der Behörde erster Rechtsstufe eingelangt am 23. April 2001, beantragte der Beschwerdeführer die schriftliche Bestätigung bzw. die Erlassung eines Bescheides darüber, dass die "Entscheidungen, insbesonders auch damit zusammenhängend die seinerzeitige Feststellung der mittlerweiligen Stellvertretung und der Weisungen" außer Kraft getreten seien. Diese Anträge wiederholte er in einem weiteren Schriftsatz vom 5. Juli 2001.
Mit Bescheid der Abteilung I des Ausschusses der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 26. Juli 2001 wurde der Antrag vom 18. April 2001 betreffend die schriftliche Bestätigung des Außerkrafttretens der Bescheide vom 23. November 2000 und vom 15. März 2001 abgewiesen (Spruchpunkt 1) und sowohl der Antrag hierüber bescheidmäßig zu entscheiden als auch die Anträge vom 5. Juli 2001 auf Feststellung, dass die mit Vorstellung angefochtenen Bescheide (vom 23. November 2000 und 15. März 2001) mangels weiterer Verfahrensschritte aufgehoben seien, zurückgewiesen, weil mangels Anwendbarkeit des AVG im Verfahren vor Körperschaften öffentlichen Rechts, die gesetzliche Berufsvertretungen sind (Art. II Z. 27 EGVG), die in § 26 Abs. 5 RAO geregelte Vorstellung jener in § 57 AVG geregelten nicht gleichzuhalten sei und daher auch nicht deren Rechtsfolgen nach sich ziehe (Spruchpunkte 2 und 3).
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer "Vorstellung bzw. Berufung" verbunden mit dem Antrag auf aufschiebende Wirkung.
Mit dem Bescheid des (Plenums des) Ausschusses der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 4. Oktober 2001 wurde die Vorstellung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen und der Spruch des Bescheides vom 26. Juli 2001 vollinhaltlich bestätigt (Spruchpunkt 1) sowie der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zurückgewiesen (Spruchpunkt 2). Nach Darstellung des Verfahrensganges führte die belangte Behörde begründend aus, gemäß Art. II Z. 27 EGVG finde das AVG im vollen Umfange, das VStG mit Ausnahme der §§ 37, 39, 50 und 56 auf das behördliche Verfahren der Organe der Körperschaften, Anstalten und Fonds des öffentlichen Rechts Anwendung, soweit es sich nicht um gesetzliche berufliche Vertretungen handle. Gemäß § 22 Abs. 2 RAO seien die Rechtsanwaltskammern zwar Körperschaften öffentlichen Rechts, nach ihren durch Gesetz zugewiesenen Aufgaben seien sie aber als berufliche Vertretungen einzustufen, auf deren Verfahren gemäß der zitierten Bestimmung des EGVG die Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetze keine Anwendung fänden. In der Rechtsanwaltsordnung sei die Anwendung des AVG lediglich in hier nicht anzuwendenden Normen geregelt. Es entspreche auch der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts, dass die Grundsätze eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens hilfsweise anzuwenden seien, die aus dem AVG abgeleitet werden könnten. Die in § 26 Abs. 5 RAO geregelte Vorstellung stelle keine Vorstellung im Sinne des § 57 AVG dar. Da es sich bei dem gegenständlichen Verfahren sohin um kein Mandatsverfahren im Sinne dieser Bestimmung handle, sei die Behörde auch nicht zu einem Tätigwerden innerhalb zweier Wochen genötigt gewesen; ein Außerkrafttreten der Bescheide vom 23. November 2000 und vom 15. März 2001 sei nicht erfolgt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die, zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichtete, von diesem nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss vom 24. September 2002, B 1553/01-7 gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur weiteren Entscheidung abgetretene und über dessen Auftrag ergänzte Beschwerde.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird, und legte die Verwaltungsakten vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer erachtet sich zunächst dadurch in seinen Verteidigungsrechten verkürzt, dass ihm die Zusammensetzung der "Senate des Ausschusses" nicht bekannt gegeben worden sei. Auch liege keine klare Trennung der Instanzen des Ausschusses vor. Der § 23 RAO bilde keine geeignete Rechtsgrundlage für die an ihn ergangene Weisung. Die in der RAO vorgesehene Vorstellung sei eine solche im Sinne des § 57 AVG mit deren Rechtsfolgen.
Dieses Vorbringen vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen.
Gemäß § 22 Abs. 2 der österreichischen Rechtsanwaltsordnung, RGBl. Nr. 96/1868, in der Fassung BGBl. I Nr. 71/1999 (RAO), sind die Rechtsanwaltskammern Körperschaften des öffentlichen Rechtes, welche durch ihre Organe die Aufsicht über die Rechtsanwälte ausüben. Nach den ihnen vom Gesetz zugewiesenen Aufgaben sind die Rechtsanwaltskammern als berufliche Vertretungen einzustufen, auf deren Verfahren gemäß Art. II Abs. 2 B Z. 31 EGVG, BGBl. Nr. 50/1991, in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 137/2001, die Verwaltungsverfahrensgesetze und insbesondere das AVG nicht anzuwenden sind. Es entspricht jedoch der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass auch die Verwaltungsbehörden, die aus dem Anwendungsbereich der Verwaltungsverfahrensgesetze ausgenommen sind, aushilfsweise die im AVG niedergelegten Grundsätze eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens in der Verwaltung ganz allgemein anzuwenden haben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 2002, Zl. 2002/12/0043).
Sind aber die Normen des AVG auf das behördliche Verfahren der Rechtsanwaltskammern nicht anzuwenden, so kommt dem in § 26 Abs. 5 RAO institutionalisierten, als "Vorstellung" bezeichneten allgemeinen Rechtsmittel nicht jener Charakter zu, den die Vorstellung im Mandatsverfahren nach § 57 AVG, aufweist. Insbesondere mangelt es diesem Rechtsmittel an den Rechtswirkungen des § 57 Abs. 3 AVG, wonach die Behörde binnen zwei Wochen nach Einlangen der Vorstellung das Ermittlungsverfahren einzuleiten hat, widrigenfalls der angefochtene Bescheid von Gesetzes wegen außer Kraft tritt, was auf Verlangen der Partei schriftlich zu bestätigen ist. Im Ergebnis zutreffend hat daher die belangte Behörde ein Außerkrafttreten der beiden Bescheide vom 23. November 2000 und 15. März 2001 verneint.
Insoweit der Beschwerdeführer die inhaltliche Rechtswidrigkeit der Bescheide vom 23. November 2000 und 15. März 2001 geltend macht, ist ihm entgegen zu halten, dass diese nicht Gegenstand des bekämpften Bescheides vom 26. Juli 2001 bzw. des nunmehr angefochtenen Bescheides vom 4. Oktober 2001 waren, weshalb auf seine diesbezüglichen Beschwerdeausführungen im Rahmen dieses Verfahrens nicht einzugehen war.
Insoweit der Beschwerdeführer die Nichtbekanntgabe der Gremiumsmitglieder des Ausschusses moniert, ist auf § 26 Abs. 2 RAO zu verweisen, wonach dann, wenn der Ausschuss aus mindestens 10 Mitgliedern besteht, bestimmte dort näher definierte Aufgaben in Abteilungen zu erledigen sind, die aus 5 Ausschussmitgliedern bestehen und deren Zusammensetzung und Geschäftsverteilung vom Ausschuss festzulegen sind. Nach § 27 Abs. 1 lit. a RAO obliegt der Plenarversammlung, deren Mitglied der Beschwerdeführer als Mitglied der Tiroler Rechtsanwaltskammer ist, die Festsetzung der Geschäftsordnung des Ausschusses. Im Übrigen entspricht es der Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Bestimmungen des - hier nicht anzuwendenden - AVG, dass dann, wenn die bescheiderlassende Behörde eine Kollegialbehörde ist, dem Erfordernis der Bezeichnung der Behörde durch ihre - bloße - Bezeichnung im Bescheid Rechnung getragen ist; der namentlichen Anführung der einzelnen Mitglieder der Kollegialbehörde bedarf es mangels einer entsprechenden Rechtsgrundlage, die auch in der RAO nicht enthalten ist, nicht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. April 2000, Zl. 98/06/0116). Der Beschwerdeführer wurde daher nicht dadurch in seinen Parteirechten verkürzt, dass aus dem angefochtenen Bescheid die Namen der Mitglieder des Ausschusses nicht hervorgehen, zumal ihm als Partei des Verfahrens ein Anspruch auf Bekanntgabe der Mitglieder der über seine Berufung entscheidenden Behörde zwar zukam, er aber nicht vorgebracht hat, die Bekanntgabe derselben vergeblich verlangt zu haben. Dass der Ausschuss unrichtig zusammengesetzt gewesen wäre oder ein befangenes Mitglied an der Abstimmung teilgenommen hätte, wird vom Beschwerdeführer auch nicht konkret behauptet. Entgegen der Beschwerdeausführungen ergibt sich auch aus § 26 Abs. 2 RAO eine klare Trennung aus den Instanzen.
Aus diesen Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 30. März 2004
Schlagworte
Verfahrensgrundsätze außerhalb des Anwendungsbereiches des AVG VwRallg10/2Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Behördenbezeichnung BehördenorganisationRechtmäßigkeit behördlicher ErledigungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2002060160.X00Im RIS seit
27.04.2004Zuletzt aktualisiert am
27.06.2016