TE Vwgh Erkenntnis 2004/3/31 2003/18/0339

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Veröffentlicht am 31.03.2004
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Index

19/05 Menschenrechte;
24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
MRK Art8 Abs2;
StGB §107 Abs1;
StGB §107 Abs2;
StGB §127;
StGB §128 Abs1 Z4;
StGB §129 Z1;
StGB §129 Z2;
StGB §130;
StGB §135 Abs1;
StGB §70;
StGB §83 Abs1;
StGB §84 Abs1;
StGB §84 Abs2 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des A, geboren 1985, vertreten durch Mag. Dr. Martin Enthofer, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Promenade 16/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 1. Juli 2003, Zl. St 39/03, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 1. Juli 2003 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm §§ 37 und 39 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer lebe seit November 1992 in Österreich und sei zuletzt im Besitz eines bis 9. Juli 2001 befristeten Aufenthaltstitels gewesen. Am 22. Mai 2001 habe er rechtzeitig einen Verlängerungsantrag gestellt, über den bisher noch nicht entschieden worden sei.

Der Beschwerdeführer sei bisher wie folgt rechtskräftig verurteilt worden:

am 6. November 2001 wegen § 83 Abs. 1, § 84 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2, § 127 und § 130 erster Fall StGB zu einer bedingt nachgesehenen Geldstrafe;

am 18. April 2002 wegen § 15, § 127, § 129 Z. 1 StGB und wegen § 127 leg. cit. zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten;

am 20. Juni 2002 wegen § 107 Abs. 1 und Abs. 2 sowie § 83 Abs. 1 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Monat;

am 7. Oktober 2002 wegen § 127, § 128 Abs. 1 Z. 4, § 129 Z. 1 und Z. 2, § 130, § 15 und § 135 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten, wobei zehn Monate bedingt nachgesehen worden seien;

am 16. Dezember 2002 wegen § 127 StGB unter Anwendung der §§ 31 und 40 leg. cit. zu einer bedingt nachgesehenen Zusatz-Geldstrafe.

Der Verurteilung vom 6. November 2001 liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer am 22. September 2001 in verabredeter Verbindung mit zum Teil unbekannt gebliebenen Mittätern eine andere Person schwer am Körper verletzt habe, indem er dieser Person Fußtritte und Faustschläge gegen das Gesicht versetzt habe. Weiters liege dieser Verurteilung zu Grunde, dass der Beschwerdeführer am 27. Juni 2001 in Gesellschaft eines Mittäters gewerbsmäßig mehreren Personen fremde bewegliche Sachen im Wert von S 9.000,-- (EUR 654,06) mit dem Vorsatz weggenommen habe, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern.

Mit Schreiben der Bundespolizeidirektion Linz vom 25. März 2002 sei der Beschwerdeführer darauf aufmerksam gemacht worden, dass im Fall weiterer Straffälligkeit gegen ihn ein Aufenthaltsverbot erlassen würde.

Der Verurteilung vom 18. April 2002 (offenbar gemeint: 20. Juni 2002) liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer zusammen mit einem Mittäter am 17. März 2002 eine andere Person durch Vorhalt einer Gaspistole oder eines pistolenähnlichen Gegenstandes und die Äußerung: "Jetzt bist du es, jetzt haben wir dich." mit dem Tod bedroht habe, um diese Person in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Der Verurteilung vom 7. Oktober 2002 liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum von 10. Mai 2002 bis 20. Juli 2002 zum Teil gemeinsam mit einem Mittäter gewerbsmäßig fremde bewegliche Sachen durch Einbruch mit dem Vorsatz weggenommen habe, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern. Insgesamt sei er in 17 Fällen in Gebäude eingedrungen und habe teilweise auch Behältnisse aufgebrochen. Weiters habe er in der Nacht zum 20. Juli 2002 13 Schlüssel im Wert von EUR 2.000,-

- aus der Gewahrsame des Verfügungsberechtigten dauernd entzogen.

Der Verurteilung vom 16. Dezember 2002 liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer am 27. Juni 2001 gemeinsam mit einem Mittäter mehreren Personen fünf Handys im Wert von insgesamt EUR 650,-- gestohlen habe.

Weiters sei erhoben worden, dass gegen den Beschwerdeführer beim Bezirksgericht Linz-Land ein Verfahren wegen des Verdachtes der Vergehen gemäß § 83 und § 125 StGB anhängig sei.

In der Berufungsschrift habe der Beschwerdeführer ausgeführt, er hätte schwerwiegende Fehler begangen, nunmehr aber das Haftübel verspürt und würde sich in Hinkunft jeder strafbaren Handlung enthalten. Um die Gutmachung der Schäden wäre er bemüht. Er habe auf die bedingte Strafnachsicht und darauf hingewiesen, dass er infolge der Kriegswirren am Balkan nach Österreich geflohen wäre. Seitdem würde er bei seinen Eltern in Linz wohnen. Es bestünden keine Beziehungen mehr zum Heimatstaat. Er hätte von 7. August 2000 bis 20. Juli 2002 gearbeitet und die ersten beiden Lehrjahre für den Schlosserberuf absolviert. Nunmehr wäre er bemüht, das dritte Lehrjahr abzuschließen.

Auf Grund der Verurteilungen des Beschwerdeführers sei zweifellos der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt.

Da sich der Beschwerdeführer seit November 1992 im Bundesgebiet aufhalte, hier bei seinen Eltern lebe und nach seiner inländischen Schulausbildung mit einer Lehre begonnen habe, sei das Aufenthaltsverbot mit einem gravierenden Eingriff in das Privat- und Familienleben verbunden. Dem Beschwerdeführer sei eine der Dauer des Aufenthalts entsprechende Integration zuzubilligen.

Dem stehe gegenüber, dass sich der Beschwerdeführer in regelmäßigen Abständen strafbar gemacht habe. Eine gerichtliche Verurteilung habe nicht ausgereicht, um ihn von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten. Besonders schwer sei zu werten, dass nicht einmal die schriftliche Ermahnung der Fremdenpolizeibehörde vom 25. März 2002 ausgereicht habe, um den Beschwerdeführer "auf den Weg der Tugend zurückzubringen". Da rechtskräftige Bestrafungen und niederschriftliche Ermahnungen ins Leere gegangen seien, sei die Behörde verpflichtet, von der Möglichkeit der Verhängung eines Aufenthaltsverbots Gebrauch zu machen.

Auf Grund des dargestellten Sachverhalts sei nicht nur die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt, sondern das Aufenthaltsverbot auch im Licht des § 37 Abs. 1 FrG gerechtfertigt. Zudem sei das Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers "doch schwerwiegenderer Art, weshalb nicht mehr nur mit einer bloßen niederschriftlichen Ermahnung das Auslangen gefunden werden konnte, sondern von der Ermessensbestimmung des § 36 Abs. 1 FrG Gebrauch gemacht werden mußte". Dies insbesondere auf Grund der Tatsache, dass sich der Beschwerdeführer trotz gerichtlicher Verurteilung und schriftlicher Ermahnung neuerlich in zahlreichen Fällen strafbar gemacht habe.

Da unter Abwägung aller dargestellten Tatsachen für das künftige Verhalten des Beschwerdeführers eine negative Prognose erstellt werden müsse, wögen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbots wesentlich schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers. Das Aufenthaltsverbot sei daher auch im Grund des § 37 Abs. 2 FrG zulässig. Daran könne der Hinweis darauf, dass der Beschwerdeführer seine Taten bereuen und in Hinkunft nicht mehr straffällig werden würde, nichts ändern, zumal auch eine schriftliche Ermahnung nicht gefruchtet habe. Die diesbezüglichen Ausführungen des Beschwerdeführers seien daher unglaubwürdig. Auf Grund dessen sei auch dem übrigen Berufungsvorbringen der Boden entzogen.

2. Der Beschwerdeführer richtete gegen diesen Bescheid zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser trat die Beschwerde nach Ablehnung ihrer Behandlung dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluss vom 25. November 2003, B 1123/03).

3. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren begehrt der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Auf Grund der unstrittig feststehenden rechtskräftigen Verurteilungen des Beschwerdeführers bestehen gegen die - nicht bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG sei erfüllt, keine Bedenken.

2. Der Beschwerdeführer hat am 27. Juni 2001 mehrere Diebstähle begangen, wobei er mit dem Vorsatz, sich durch die wiederkehrende Begehung derartiger strafbarer Handlungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (gewerbsmäßig gemäß § 70 StGB), vorging. Am 22. September 2001 hat er eine andere Person durch Fußtritte und Faustschläge in das Gesicht schwer am Körper verletzt. Am 6. November 2001 wurde er wegen dieser Taten verurteilt. Am 18. April 2002 erfolgte eine weitere einschlägige Verurteilung des Beschwerdeführers wegen eines versuchten Einbruchsdiebstahles und eines Diebstahles. Am 17. März 2002 hat der Beschwerdeführer eine andere Person mit dem Tod bedroht und dadurch in Furcht und Unruhe versetzt. Trotz der am 25. März 2002 erfolgten Androhung der Erlassung eines Aufenthaltsverbots und der Verurteilungen vom 6. November 2001 und 18. April 2002 ist der Beschwerdeführer bereits ab 10. Mai 2002 in noch größerem Ausmaß straffällig geworden. Er hat bis 20. Juli 2002 17 Einbruchsdiebstähle begangen, wobei er neuerlich in der Absicht, sich dadurch eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, vorgegangen ist. Während der Zeit dieser Straftaten erfolgte am 20. Juni 2002 die dritte Verurteilung des Beschwerdeführers (wegen der dargestellten Straftat vom 17. März 2002). Der Beschwerdeführer hat sich auch von dieser Verurteilung nicht beeindrucken lassen, sondern sein strafbares Verhalten fortgesetzt.

Aus diesem Verhalten resultiert - ungeachtet des jugendlichen Alters des Beschwerdeführers bei Begehung der Straftaten - eine gewichtige Gefährdung des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Eigentumskriminalität und der Gewaltkriminalität. Der Zeitraum von nicht einmal einem Jahr seit Begehung der letzten Straftat ist viel zu kurz, um auf einen Wegfall oder auch nur eine erhebliche Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr schließen zu können. Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang darauf verweist, sein Leben habe sich konsolidiert, er lebe bei seinen Eltern und stehe im dritten Lehrjahr, ist ihm zu erwidern, dass er auch bei Begehung der Straftaten Lehrling war und bei seinen Eltern gelebt hat. Der belangten Behörde ist daher beizupflichten, dass für das künftige Verhalten des Beschwerdeführers keine positive Prognose erstellt werden könne.

Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang die (teil)bedingte Nachsicht der über ihn verhängten Strafen durch das Gericht ins Treffen führt, ist ihm zu entgegnen, dass die belangte Behörde ihre Beurteilung eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes und unabhängig von den gerichtlichen Erwägungen betreffend die bedingte Nachsicht eines Teiles der Strafe zu treffen hatte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 6. November 2001, Zl. 2001/18/0204).

Aus all diesen Gründen begegnet die Ansicht der belangten Behörde, die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme sei gerechtfertigt, keinen Bedenken.

3. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG hat die belangte Behörde - entgegen dem Beschwerdevorbringen - die Dauer des inländischen Aufenthalts seit November 1992, also seit etwa zehn Jahren und acht Monaten, sowie die Haushaltsgemeinschaft mit den Eltern berücksichtigt. Auch die in Österreich absolvierte Schulausbildung und das - durch die Strafhaft des Beschwerdeführers unterbrochene - Lehrverhältnis hat sie dem Beschwerdeführer zugute gehalten.

Den daraus ableitbaren gewichtigen privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet steht die dargestellte, auf Grund der Straftaten vom Beschwerdeführer ausgehende große Gefährdung öffentlicher Interessen gegenüber. Von daher kann - auch unter Berücksichtigung des Alters des Beschwerdeführers von 18 Jahren - die Ansicht der belangten Behörde, die Erlassung des Aufenthaltsverbots sei zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Rechte Dritter) dringend geboten (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), nicht als rechtswidrig erkannt werden.

4. Aus dem Umstand, dass die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid kurz nach Erreichen der Volljährigkeit durch den Beschwerdeführer erlassen hat, ist keine Rechtsverletzung abzuleiten, besteht doch - entgegen der Beschwerdeansicht - kein Verbot der Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen einen Minderjährigen.

Entgegen der Beschwerde ist die belangte Behörde auf das im angefochtenen Bescheid wiedergegebene Berufungsvorbringen ausreichend eingegangen.

5. Schließlich bestand auch keine Veranlassung für die belangte Behörde, von ihrem Ermessen im Grund des § 36 Abs. 1 FrG zu Gunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen, sind doch weder aus der Beschwerde noch aus dem angefochtenen Bescheid besondere Umstände ersichtlich, die für eine derartige Ermessensübung sprächen.

6. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 31. März 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2003180339.X00

Im RIS seit

07.05.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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