TE Vwgh Erkenntnis 2004/3/31 2004/18/0042

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.03.2004
beobachten
merken

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §37 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des P, (geboren 1984), vertreten durch Mag. Martin Kranich und Mag. A. Konstantino Huber, Rechtsanwälte in 1070 Wien, Neubaugasse 68, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 29. Juli 2003, Zl. SD 357/03, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 29. Juli 2003 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am 8. September 1999 illegal in das Bundesgebiet gelangt und habe am folgenden Tag einen Asylantrag gestellt, welcher im Instanzenzug vom unabhängigen Bundesasylsenat am 11. Juni 2001 rechtskräftig abgewiesen worden sei. Der Beschwerdeführer habe während seines Asylverfahrens über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG verfügt.

Mit Bescheid der Erstbehörde vom 7. Oktober 2002 sei der Beschwerdeführer wegen seines unrechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet gemäß § 33 Abs. 1 FrG rechtskräftig ausgewiesen worden.

Am 17. Jänner 2003 sei der Beschwerdeführer vom Jugendgerichtshof Wien gemäß § 27 Abs. 1 und 2 Z. 2 SMG, § 15 StGB, § 28 Abs. 1 SMG zu einer Freiheitsstrafe von elf Monaten, davon acht Monate bedingt, rechtskräftig verurteilt worden. Dem Urteil sei zugrunde gelegen, dass der Beschwerdeführer gewerbsmäßig am 23. August 2001 einem anderen Schwarzafrikaner 10 g Kokain (und) in der Zeit von April 2002 bis zum 28. September 2002 in einer Vielzahl von Angriffen zwischen drei und fünf Kugeln pro Woche um einen Preis von je EUR 3,-- bis EUR 15,-- an unbekannt gebliebene Suchtgiftkonsumenten verkauft habe sowie am 28. September 2002 vom Erwerb einer großen Menge Suchtgift (insgesamt 58,97 g reines Kokain) nur durch einen Polizeieinsatz habe gehindert werden können.

Es könne sohin kein Zweifel bestehen, dass der im § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG normierte Tatbestand verwirklicht sei. Das dargestellte Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers beeinträchtige die öffentliche Ordnung und Sicherheit - in concreto: das öffentliche Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität - in erheblichem Ausmaß, sodass die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbots - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 FrG - (auch) im Grund des § 36 Abs. 1 FrG gegeben gewesen seien.

Der Beschwerdeführer verfüge über keine familiären Bindungen in Österreich. Auf Grund seines knapp vierjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet sei jedoch von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privatleben auszugehen. Dessen ungeachtet sei die Zulässigkeit dieser Maßnahmen im Grund des § 37 FrG zu bejahen. Im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität sei die Erlassung des Aufenthaltsverbots zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, hier:

zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen sowie zum Schutz der Gesundheit Dritter, als dringend geboten zu erachten. Das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers verdeutliche mehr als augenfällig, dass er offenbar nicht in der Lage oder gewillt sei, die österreichischen Rechtsvorschriften einzuhalten. Eine Verhaltensprognose könne für den Beschwerdeführer schon in Ansehung der gewerbsmäßigen Tatbegehung sowie der unzähligen Tathandlungen nicht positiv ausfallen.

Hinsichtlich der nach § 37 Abs. 2 FrG erforderlichen Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass einer allfälligen aus dem bisherigen Aufenthalt der Beschwerdeführers ableitbaren Integration insofern kein entscheidendes Gewicht zukomme, als die für jegliche Integration erforderliche soziale Komponente durch das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers erheblich beeinträchtigt werde. Darüber hinaus sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbots im Zusammenhang mit Suchtgiftdelikten auch bei ansonsten völliger sozialer Integration eines Fremden nicht rechtswidrig.

Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf die Art und Schwere der dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Straftaten sowie der damit verbundenen Wiederholungsgefahr könne von der Erlassung des Aufenthaltsverbots auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens Abstand genommen werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht seine im angefochtenen Bescheid festgestellte rechtskräftige gerichtliche Verurteilung zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von elf Monaten. Damit erweist sich die (unbekämpfte) Ansicht der belangten Behörde, dass im Beschwerdefall der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 (2. Fall) FrG verwirklicht sei, als unbedenklich.

1.2. Der Beschwerdeführer stellt ferner nicht in Abrede, dass er die im angefochtenen Bescheid beschriebenen Suchtgiftdelikte begangen hat und dass es sich bei der ihm zur Last gelegten Suchtgiftmenge um eine große Menge im Sinn des § 28 SMG handelt. Nach § 28 Abs. 6 SMG ist eine "große Menge" eine solche, die geeignet ist, in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen. Bei der Suchtgiftkriminalität handelt es sich um eine besonders gefährliche Art der Kriminalität, bei der die Wiederholungsgefahr erfahrungsgemäß besonders groß ist (vgl. aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 26. November 2002, Zl. 2002/18/0058, mwH). Diese Wiederholungsgefahr manifestiert sich im Fall des Beschwerdeführers gerade in seiner (unstrittigen) gewerbsmäßigen Vorgangsweise; er hat somit seine strafbaren Handlungen in der Absicht vorgenommen, sich durch ihre wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (vgl. § 70 StGB).

Angesichts des besagten gravierenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers kann der belangten Behörde, wenn sie vorliegend die Annahme nach § 36 Abs. 1 FrG für gerechtfertigt hielt, in Anbetracht des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 2004, Zl. 2000/18/0060, mwH), das sowohl unter dem Blickwinkel der öffentlichen Ordnung und Sicherheit (§ 36 Abs. 1 Z. 1 FrG) als auch unter dem Gesichtspunkt anderer in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannter öffentlicher Interessen - insbesondere des Schutzes der Gesundheit (§ 36 Abs. 1 Z. 2 FrG) - gegeben ist, nicht entgegen getreten werden. Überdies verblieb der Beschwerdeführer trotz des unstrittig rechtskräftigen Ausweisungsbescheides vom 7. Oktober 2002 in Österreich und beeinträchtigte dadurch gravierend das öffentliche Interesse an der Einhaltung der für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. Art. 8 Abs. 2 EMRK).

2.1. Im Licht des § 37 FrG bringt der Beschwerdeführer vor, die belangte Behörde habe (lediglich) "schablonenartig" festgestellt, dass er über keine familiären Bindungen in Österreich verfüge und sich seit knapp vier Jahren im Bundesgebiet aufhalte. Er habe aber "in anderen Verwaltungsverfahren" wiederholt festgehalten, dass er "in einer stabilen Beziehung zu einer Österreicherin" lebe (so in der Niederschrift vom 24. Juli 2001 bei der Erstbehörde im Zusammenhang mit einer beabsichtigten Ausweisung aus dem Bundesgebiet). Wegen der starken Bindung würde seine Partnerin "gar für den gemeinsamen Unterhalt" sorgen. Auch wenn der Beschwerdeführer und seine Lebenspartnerin nicht die Eheform für ihr Zusammenleben gewählt hätten, müsse hier von einer familiären Bindung im Sinn des § 36 FrG gesprochen werden. Ferner werde im bekämpften Bescheid sonst "kein individualisiertes Hintergrundbild für den Beschwerdeführer gezeichnet, aus dem sich dessen wahre privaten und familiären Interessen nachvollziehbar ableiten" ließen. So würden keine Feststellungen "über die sonstigen sozialen Bindungen des Beschwerdeführers im Bundesgebiet getroffen, wie etwa karitative Tätigkeiten oder Engagement bei Vereinen zur Integration von Fremden".

2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Die belangte Behörde hat angesichts der Dauer seines inländischen Aufenthalts zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in seine persönlichen Interessen im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG angenommen. Sie hat aber ebenso zutreffend die Auffassung vertreten, dass diese fremdenpolizeiliche Maßnahme nach der genannten Bestimmung dringend geboten sei, hat doch der Beschwerdeführer durch sein Fehlverhalten - wie schon unter II.1. ausgeführt - das besonders große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität gravierend beeinträchtigt.

Unter Zugrundelegung des dargestellten öffentlichen Interesses an der Beendigung des Aufenthalts des Beschwerdeführers erweist sich auch das Ergebnis der von der belangten Behörde nach § 37 Abs. 2 FrG vorgenommenen Abwägung als unbedenklich. Zu seinem Hinweis auf seine Lebenspartnerin ist festzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, dass er keine Zweifel hegt, dass eine außereheliche Beziehung in Form einer tatsächlich praktizierten Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau jedenfalls eine vom Begriff des Privatlebens im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG erfasste Beziehung darstellt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. April 2001, Zl. 99/18/0248, mwH). Selbst wenn man sein Vorbringen betreffend seine Lebenspartnerin berücksichtigt, kommt aber den für seinen Verbleib in Österreich sprechenden persönlichen Interessen doch kein größeres Gewicht zu als dem durch sein Fehlverhalten - vor allem der Tatsache, dass er, gewerbsmäßig mit einer großen Menge Suchtgift gehandelt hat - nachhaltig gefährdeten Allgemeininteresse. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die aus dem Aufenthalt des Beschwerdeführers resultierende Integration in Ansehung der für sie wesentlichen sozialen Komponente durch das besagte gravierende Fehlverhalten erheblich beeinträchtigt wurde. Mit den in der Beschwerde angedeuteten karikativen Tätigkeiten des Beschwerdeführers bzw. seinem Wirken in Vereinen zur Integration von Fremden vermag er schließlich das Gewicht seiner persönlichen Interessen am Verbleib in Österreich nicht maßgeblich zu verstärken.

3. Für die belangte Behörde bestand auch keine Veranlassung, von dem ihr gemäß § 36 Abs. 1 FrG bei der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes zukommenden Ermessen zugunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen, sind doch weder aus der Beschwerde noch aus dem angefochtenen Bescheid besondere Umstände ersichtlich, die für eine derartige Ermessensübung sprächen.

4. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Rüge des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe (insbesondere im Hinblick auf die Beurteilung nach § 37 Abs. 1 FrG) den Sachverhalt nicht hinreichend ermittelt, als verfehlt. Weiters vermag der Beschwerdeführer mit seinem Hinweis, ihm sei "in keiner Phase des Verfahrens die Möglichkeit des Parteiengehörs eingeräumt" worden, und es wäre bei Einräumung des Parteiengehörs "ein gänzlich anderer Sachverhalt festgestellt worden", schon deswegen keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit aufzuzeigen, weil er es unterlassen hat (gleichzeitig) darzutun, zu welchen im Sinn des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wesentlich anderen Feststellungen die belangte Behörde bei Vermeidung des behaupteten Feststellungsmangels konkret gelangt wäre. Im Übrigen versagt die Aussage, dem Beschwerdeführer sei nie Parteiengehör eingeräumt worden, auch deshalb, weil er in seiner gegen den Erstbescheid gerichteten Berufung jedenfalls die Möglichkeit hatte, auch in sachverhaltsmäßiger Hinsicht Stellung zu nehmen.

5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

6. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich eine Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers, seiner Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 31. März 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2004180042.X00

Im RIS seit

04.06.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten