Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ABGB §2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde der G, (geboren 1981), vertreten durch Dr. Werner Zach, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Spiegelgasse 19, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. September 2003, Zl. 138.747/2- III/4/03, betreffend Versagung einer Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 30. September 2003 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung gemäß § 14 Abs. 2 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin habe am 14. April 2003 per Post an die Bundespolizeidirektion Wien einen Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittsta.-Ö, § 49 Abs. 1 FrG" gestellt. Dieser Antrag sei am 29. April 2003 "an das Amt der Wiener Landesregierung, MA 20" weitergeleitet und vom Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 27. Mai 2003 gemäß § 14 Abs. 2 FrG abgewiesen worden.
Gegen diesen Bescheid habe die Beschwerdeführerin fristgerecht Berufung erhoben. In dieser habe sie ausgeführt, dass sie mit Herrn S verheiratet wäre und dieser Umstand "einen sozialen Grund" darstellte. Weiters wäre die Beschwerdeführerin mit 24. Juni 2003 durch ihren Ehemann von ihrer Wohnadresse abgemeldet worden.
Die Beschwerdeführerin sei am 14. Februar 2003 mit einem vom 28. Jänner 2003 bis zum 28. April 2003 gültigen Visum der Kategorie C (ausgestellt durch die österreichische Botschaft Ankara) eingereist und vom 18. Februar 2003 bis zum 24. Juni 2003 in Wien (an einer näher genannten Adresse) gemeldet gewesen. Weiters handle es sich bei dem österreichischen Staatsbürger, von welchem die Beschwerdeführerin die "begünstigte Eigenschaft eines Drittstaatsangehörigen" ableite, um ihren Schwager, Herrn O. Ferner sei dem genannten Antrag ein Schreiben eines (näher genannten) Arztes der Allgemeinmedizin vom 7. April 2003 beigelegt gewesen, in welchem der Verbleib der Beschwerdeführerin in Wien zwecks Pflege ihrer Schwiegermutter Frau G befürwortet werde. Ihr Schwiegervater könnte seine Ehefrau nicht ausreichend pflegen. Die Schwere und Dauer der Erkrankung der Schwiegermutter der Beschwerdeführerin sei jedoch nicht bekannt gegeben worden.
Ein Aufenthaltstitel für das österreichische Bundesgebiet sei der Beschwerdeführerin bis dato noch nicht erteilt worden. Für die belangte Behörde stehe eindeutig fest, dass die Beschwerdeführerin den genannten Antrag vom 14. April 2003 im Inland gestellt habe. Gemäß § 14 Abs. 2 erster Satz FrG hätte dieser Antrag aber vor der Einreise vom Ausland aus gestellt werden müssen. Der Antrag enthalte jedoch in der Form des Schreibens des genannten Arztes "eine Behauptung humanitärer Gründe" im Sinn des § 10 Abs. 4 FrG. Nach § 14 Abs. 2 FrG sei ein vom Inland gestellter Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung abzuweisen, wenn nach Ansicht der Behörde kein "besonders berücksichtigungswürdiger Fall" aus humanitären Gründen vorliege. Eine Überprüfung im Sinn des § 10 Abs. 4 FrG sei im Beschwerdefall durchgeführt worden. Es sei dazu festgestellt worden, dass auf Grund unzureichender medizinischer Begründung der Art und Dauer der Erkrankung der Schwiegermutter der Beschwerdeführerin "kein ausreichender besonders berücksichtigungswürdiger humanitärer Aspekt" gegeben sei. Zudem werde in der Berufung der Beschwerdeführerin auch kein humanitärer Aspekt genannt. Ein "sozialer Grund hinsichtlich der bloßen Anwesenheit" des Ehemanns der Beschwerdeführerin stelle gemäß § 10 Abs. 4 FrG keine ausreichende Begründung für einen besonders berücksichtigungswürdigen humanitären Aspekt dar. Die materiellen Voraussetzungen gemäß § 10 Abs. 4 FrG lägen daher nicht vor. Eine Inlandsantragstellung werde daher gemäß § 14 Abs. 2 letzter Satz FrG von Amts wegen nicht zugelassen. Diese Entscheidung der belangte Behörde gründe sich aus formeller Sicht auf § 90 Abs. 1 FrG.
Gemäß § 14 Abs. 2 FrG hätte daher die Beschwerdeführerin ihren Antrag vor der Einreise vom Ausland aus zu stellen gehabt, weil sie keine der für die Inlandsantragstellung genannten Voraussetzungen erfülle. In ihrer Berufung werde die erfolgte Inlandsantragstellung auch nicht bestritten. Die Vorgangsweise der Beschwerdeführerin widerspreche dem im § 14 Abs. 2 FrG zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers, dass Fremde die Entscheidung über ihren Antrag vom Ausland aus abzuwarten hätten, denn in ihrer Berufung werde zwar eine Abmeldung von ihrer österreichischen Wohnadresse, jedoch keine erfolgte Ausreise aus dem österreichischen Bundesgebiet dokumentiert.
Gemäß § 47 Abs. 3 FrG seien nur Ehegatten und Verwandte in auf- und absteigender Linie begünstigte Drittstaatsangehörige. Die Beschwerdeführerin habe in ihrem Antrag jedoch ihren Schwager genannt, weshalb die Bestimmungen über begünstigte Drittstaatsangehörige auf sie nicht anwendbar seien.
Der Antrag der Beschwerdeführerin sei daher gemäß § 14 Abs. 2 FrG abzuweisen. Der Gesetzgeber habe bereits bei Erlassung dieser Bestimmung auf die persönlichen Verhältnisse der Antragsteller Rücksicht genommen und die Regelung eines geordneten Zuwanderungswesens über die persönlichen Verhältnisse gestellt. Es könne daher davon ausgegangen werden, dass ein weiteres Eingehen auf die persönlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin auch im Hinblick auf Art. 8 EMRK entbehrlich sei.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. § 14 Abs. 2 letzter Satz FrG idF der Novelle BGBl. I Nr. 126/2002 eröffnet der Niederlassungsbehörde die Möglichkeit, von Amts wegen in ganz bestimmten Ausnahmefällen (nämlich bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen) von der Abweisung eines im Inland gestellten Antrags auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung Abstand zu nehmen und eine solche Bewilligung zu erteilen, wobei die Erteilung der Zustimmung des Bundesministers für Inneres bedarf (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 2003, Zl. 2003/18/0037).
2.1. Die Beschwerdeführerin stellt nicht in Abrede, dass sie ihren in Rede stehenden Antrag vom Inland aus gestellt hat. Sie führt jedoch (unter dem Gesichtspunkt inhaltlicher Rechtswidrigkeit) gegen den angefochtenen Bescheid ins Treffen, dass ihre am 22. Oktober 2001 abgeschlossene Ehe "durch die Vorgangsweise gemäß § 14 Abs. 2 FrG ... faktisch und auf unbegrenzte Dauer geschieden, zumindest jedoch getrennt" werde. Zudem sei der Beschwerdeführerin nicht ersichtlich, dass ihr bei einer neuerlichen Antragstellung vom Ausland aus eine andere Berechtigung als ein "kurzzeitig wirksames C-Visum, welches im Inland 'nicht verlängert' werden" könne, erteilt würde. Ferner sei die aufrechte Ehe der Beschwerdeführerin als besonderer humanitärer Grund im Sinn des § 10 Abs. 4 FrG anzusehen. Die belangte Behörde habe ihre gegenteilige Auffassung zudem nicht ausführlich und nachvollziehbar begründet.
2.2. Entgegen der Beschwerde vermag der Umstand, dass sich der Ehemann der Beschwerdeführerin in Österreich befindet und die Beschwerdeführerin hier mit ihm zusammenleben möchte, im Beschwerdefall keine besondere Berücksichtigungswürdigkeit aus humanitären Gründen im Sinn des § 10 Abs. 4 FrG zu begründen. Nach § 10 Abs. 4 zweiter Satz leg. cit. liegen besonders berücksichtigungswürdige Fälle insbesondere vor, wenn die Fremden einer Gefahr gemäß § 57 Abs. 1 oder 2 FrG ausgesetzt sind. Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (685 BlgNR 20. GP, 62) stellt die Regelung auf die "besondere Schutzbedürftigkeit bestimmter Personen ab", ferner wird dort auf das Ineinandergreifen des § 10 Abs. 4 FrG mit der Verordnungsermächtigung der Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates gemäß § 29 FrG verwiesen. Nach § 29 Abs. 1 leg. cit. kann für die Zeit eines bewaffneten Konflikts oder sonstiger die Sicherheit ganzer Bevölkerungsgruppen gefährdender Umstände die Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates mit Verordnung davon unmittelbar betroffene Gruppen von Fremden, die anderwärtig keinen Schutz finden (Vertriebene), ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet gewähren. Im Ausschussbericht (755 BlgNR 20. GP, 4 f) wird unter anderem ausgeführt, dass sich "das sicherheitspolitische Ziel, Fremde, die in besonderem Maße Repressalien ausgesetzt sind, staatlich zu schützen, nicht nur auf Menschen, die ihre Heimat als Opfer eines bewaffneten Konflikts verlassen haben, sondern auch auf Opfer und Zeugen von Menschenhandel im Sinne des § 217 StGB" erstrecke, wobei sowohl für die Zwecke der Strafverfolgung als auch den Opfern von Menschenhandel für die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche Schutz geboten werden soll (dazu das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 2000, Zl. 99/18/0236). Der Text des § 10 Abs. 4 FrG wie auch die für sein Verständnis maßgeblichen Gesetzesmaterialien zeigen damit, dass diese Regelung auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden abstellt, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis zukommen zu lassen. Die Frage des Zusammenlebens von Ehegatten kann damit für sich genommen (ohne dass derartige besondere Umstände in den Blick treten würden) nicht die Grundlage dafür bieten, einen besonders berücksichtigungswürdigen Fall im Sinn des § 10 Abs. 4 FrG anzunehmen. Weiters ist die Beschwerdeführerin darauf zu verweisen, dass eine Abwägung ihrer persönlichen Interessen an einer Niederlassung im Bundesgebiet mit den gegenläufigen öffentlichen Interessen im vorliegenden Fall nicht erforderlich ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2002, Zl. 2002/18/0267). Der Beschwerde ist ferner entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde - wie die Wiedergabe des angefochtenen Bescheides zeigt (vgl. oben I.1.) - ausreichend und nachvollziehbar begründet hat, weshalb im Beschwerdefall die Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 FrG nicht vorlägen.
3. Weiters kommt der Beschwerdeführerin die behauptete Unkenntnis des Umstands, dass sie während der Gültigkeit des ihr erteilten Visums nicht zur Stellung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Inland berechtigt gewesen sei, nicht zugute, handelt es sich doch bei der Regelung des § 14 Abs. 2 FrG im eine im Bundesgesetzblatt gehörig kundgemachte Norm, weshalb die Kenntnis der damit geschaffenen Rechtslage von der Beschwerdeführerin (die sich zudem unstrittig auch in Österreich aufgehalten hat) erwartet werden konnte (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 14. November 2000, Zl. 99/18/0368).
4. Schließlich erweist sich auch der Einwand der Beschwerdeführerin, dass sie am 29. April 2003 durch ihren Rechtsvertreter beim Landeshauptmann von Wien einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung "mittels Facsimile" eingebracht habe (dieses Schreiben samt Sendebericht befände sich in ihren Händen), die belangte Behörde demgegenüber aber davon ausgehe, dass ihr Antrag am 14. April 2003 bei der Bundespolizeidirektion Wien gestellt worden sei, und die belangte Behörde damit über einen Antrag entschieden habe, "der nicht mit dem gegenständlichen Antrag vom 29.04.2003 ident" sei, als verfehlt.
Da die belangte Behörde als Beilage des Antrags ausdrücklich auch das Schreiben eines Arztes für Allgemeinmedizin nennt (vgl. oben I.1.), das die Beschwerdeführerin nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten aber lediglich ihrem Antrag vom 29. April 2003 anschloss, zeigt, dass sie ihrer Entscheidung (auch) diesen Antrag zu Grunde gelegt hat.
5. Da sich die vorliegende Beschwerde sohin als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 31. März 2004
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2003180320.X00Im RIS seit
30.04.2004