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66 SozialversicherungNorm
B-VG Art139 Abs1 / PrüfungsumfangLeitsatz
Zurückweisung eines Verordnungsprüfungsantrages eines Gerichts wegen zu eng gefaßten Aufhebungsbegehrens; Erforderlichkeit der Miteinbeziehung einer Verweisung auf den zur Aufhebung beantragten Anhang zur Satzung einer Gebietskrankenkasse in einer anderen Satzungsbestimmung im vorliegenden FallSpruch
Der Antrag des Landesgerichtes Feldkirch wird zurückgewiesen.
Kosten werden nicht zugesprochen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Das Landesgericht Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht hat aus Anlaß eines bei ihm anhängigen Verfahrens beim Verfassungsgerichtshof unter Berufung auf Art89 Abs2 und Art139 B-VG den Antrag gestellt, dieser möge aussprechen, daß "der gesamte Anhang 6 der Satzung der Vorarlberger Gebietskrankenkasse in der Obmannverfügung vom 27.07.1995, aufsichtsbehördlich genehmigt mit dem Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 02.08.1995, Zl 26.527/8-5/95, gesetzwidrig ist und aufgehoben wird".
Zum Sachverhalt des beim Landesgericht Feldkirch behängenden Verfahrens führt das Gericht aus, daß der Kläger bei der beklagten Vorarlberger Gebietskrankenkasse in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sei. Die Ehefrau des Klägers, die bei diesem mitversichert sei, habe sich am 25.7.1996 bei einen Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in Feldkirch behandeln lassen; dieser Facharzt sei kein Vertragsarzt der beklagten Partei. Die Ehefrau des Klägers habe in der Folge das ihr vom Facharzt in Rechnung gestellte Honorar bezahlt, von der Vorarlberger Gebietskrankenkasse aber nur einen Teilbetrag ersetzt bekommen; das Mehrbegehren des Klägers sei mit Bescheid der beklagten Partei abgewiesen und durch Klage, mit der der Kläger die urteilsmäßige Verpflichtung der beklagten Vorarlberger Gebietskrankenkasse zur Erstattung des Mehrbetrages begehre, außer Kraft gesetzt worden. Die Parteien hätten außer Streit gestellt, daß die Honorarnote des Facharztes ein "Ausmaß von 130 Punkte(n) enthält"; die Multiplikation dieser Punkte mit einem Punktewert von 7,50 ATS (Anm.: dieser ist in Anhang 6 der Satzung der Vorarlberger Gebietskrankenkasse normiert) ergebe den von der Vorarlberger Gebietskrankenkasse ersetzten Betrag.
Das Landesgericht Feldkirch legt im weiteren seine Bedenken gegen den angefochtene Anhang zur Satzung dar.
2. Die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat eine Äußerung erstattet, in der sie die Abweisung des Antrages beantragt.
3. Die Vorarlberger Gebietskrankenkasse hat die Verwaltungsakten vorgelegt und ebenfalls eine Äußerung erstattet, in der sie unter Verzeichung von Kosten die Abweisung des Antrages beantragt.
4. §25 und Anhang 6 der Satzung der Vorarlberger Gebietskrankenkasse lauten in der Fassung SoSi Nr. 9/1995 wie folgt:
"Erstattung von Kosten der ärztlichen Hilfe
§25. (1) Die Erstattung von Kosten der ärztlichen Hilfe richtet sich nach der Honorarordnung für Vertragsärzte. Insoweit dort für Vertragsleistungen eine Punktewertstaffelung vorgesehen ist, gilt für die Kostenerstattung der im Anhang 6 festgesetzte Punktewert.
(2) Die Kostenerstattung darf das tatsächlich entrichtete Honorar nicht übersteigen.
(3) Für die Kostenerstattung sind auf der saldierten Honorarnote
-
Personaldaten und Versicherungsnummer des Versicherten (Angehörigen),
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die genaue Diagnose,
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die einzelnen erbrachten ärztlichen Leistungen sowie
-
das Leistungsdatum
anzuführen."
"Anhang 6
Kostenerstattung für ärztliche Hilfe
gemäß §25 Abs1
Der Punktewert für die Kostenerstattung gemäß §25 Abs1 beträgt S 7,50."
5. Der Antrag ist unzulässig:
5.1. In von Amts wegen eingeleiteten Normenprüfungsverfahren hat der Verfassungsgerichtshof den Umfang der zu prüfenden und allenfalls aufzuhebenden Bestimmungen derart abzugrenzen, daß einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird als Voraussetzung für den Anlaßfall ist, daß aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt; da beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden können, ist in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt (vgl. zB VfSlg. 7376/1974, 7726/1975, 9374/1982, 11506/1987, 14044/1995 u.a.).
Die Grenzen der Aufhebung müssen auch in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren so gezogen werden, daß einerseits der verbleibende Gesetzes- oder Verordnungsteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und daß andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzes- oder Verordnungsstelle in untrennbarem Zusammenhang stehenden Bestimmungen auch erfaßt werden (vgl. zB VfSlg. 6674/1972, 8155/1977, 9374/1982, 11455/1987, 14044/1995 u.a.).
Der Verfassungsgerichtshof geht bei Bestimmung des Umfang seiner als gesetz- oder verfassungswidrig aufzuhebenden Rechtsvorschrift stets vom Grundgedanken aus, daß ein Normenprüfungsverfahren dazu führen soll, eine festgestellte Gesetz- bzw. Verfassungswidrigkeit zu beseitigen, daß aber der nach der Aufhebung verbleibende Teil der Norm möglichst nicht mehr verändert werden soll, als zur Bereinigung der Rechtslage unbedingt notwendig ist (vgl. zB VfSlg. 8461/1978 mit weiteren Judikaturnachweisen, weiters zB VfSlg. 11190/1986 und 11737/1988). Dieser Gedanke ist auch für auf Antrag eingeleitete Normenprüfungsverfahren maßgeblich.
4.2. Wie sich aus §25 Abs1 der Satzung ergibt, gilt für die Kostenerstattung der im Anhang 6 festgesetzte Punktewert, soweit in der Honorarordnung für Vertragsärzte eine Punktewertstaffelung vorgesehen ist. Der Antrag begehrt lediglich die Aufhebung des Anhanges 6 der Satzung, obwohl die vom antragstellenden Gericht geäußerten Bedenken sich der Sache nach auch auf die im §25 Abs1 der Satzung enthaltene Verweisung auf die angefochtene Satzungsbestimmung beziehen.
Die Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen des Anhangs zur Satzung besteht nach Auffassung des antragstellenden Gerichtes darin, daß der im Anhang 6 der Satzung festgesetzte Betrag unsachlich sei, da die "gebotene Relation zwischen der Erstattung beim Wahlarzthonorar einerseits und den Zahlungen an die Vertragsärzte andererseits für ein und dieselbe Leistung (ergänze: nicht) gegeben" sei. Folgte man dem Aufhebungsbegehren des antragstellenden Gerichts, so hätte dies - da die Aufhebung der Verweisung im §25 Abs1 der Satzung nicht begehrt wird - zur Folge, daß die von diesem Gericht angenommene Gesetzwidrigkeit der bekämpften Satzungsbestimmungen nicht beseitigt, sondern wegen Fortbestehens der die Einschränkung bewirkenden Norm des §25 Abs1 nach Wegfall des Anhangs sogar noch vertieft würde. Im Hinblick darauf, daß ein Normenprüfungsverfahren dazu führen soll, eine festgestellte Gesetzwidrigkeit zu beseitigen, erweist sich der Anfechtungsumfang sohin als zu eng, weshalb der Antrag insoweit unzulässig ist (vgl. zu einem ebenfalls zu engen Aufhebungsbegehren VfSlg. 14740/1997).
5.3. Es wäre daher für die Zulässigkeit der Anfechtung erforderlich gewesen, die maßgebliche Verweisung des §25 Abs1 zweiter Satz der Satzung in die Anfechtung miteinzubeziehen.
6. Der beteiligten Vorarlberger Gebietskrankenkasse waren die beantragten Kosten für den von ihr erstatteten, ihr vom Verfassungsgerichtshof aber nicht abverlangten Schriftsatz nicht zuzusprechen (VfSlg. 10928/1986; 10957/1986).
7. Dies konnte gem. §19 Abs4 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Sozialversicherung, Krankenversicherung, VfGH / Beteiligter, VfGH / Kosten, VfGH / PrüfungsumfangEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2000:V51.1998Dokumentnummer
JFT_09998996_98V00051_00