TE Vwgh Erkenntnis 2004/3/31 2003/06/0150

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.03.2004
beobachten
merken

Index

L37158 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Vorarlberg;
L81708 Baulärm Vorarlberg;
L82000 Bauordnung;
L82008 Bauordnung Vorarlberg;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);

Norm

ABGB §833;
ABGB §834;
BauG Vlbg 1972 §25 Abs3;
BauG Vlbg 2001 §18 Abs1 lita;
BauG Vlbg 2001 §24 Abs3 lita;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde 1. des A und 2. der RW in T, beide vertreten durch Dr. Hannes Grabher, Rechtsanwalt in 6890 Lustenau, Maria-Theresien-Straße 8, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 13. August 2003, Zl. BHBR-I-3300.00-2003/0006, betreffend Abweisung eines Bauansuchens und Auftrag zur Herstellung des rechtmäßigen Zustandes (mitbeteiligte Parteien: 1. LB in B, vertreten durch Dr. Robert Neudorfer, Rechtsanwalt in 9494 Schaan, Landstraße 30, Fürstentum Liechtenstein, vorübergehend tätig in Österreich, Zustelladresse: 6840 Götzis, Feldgasse 19, 2. Landeshauptstadt Bregenz, vertreten durch den Bürgermeister, 6900 Bregenz, Rathausstraße 4), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben jeweils zu gleichen Teilen der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 und dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer sind zu je 3/7tel Eigentümer des Grundstücks Nr. .375 der KG 91119 R, der restliche Anteil von 1/7tel steht im Eigentum der erstmitbeteiligten Partei.

Mit Bauantrag vom 22. März 2002, eingelangt bei der Behörde am 25. März 2003, ersuchten die Beschwerdeführer um Erteilung einer nachträglichen baubehördlichen Bewilligung für Umbaumaßnahmen im Erdgeschoß des auf dem angeführten Grundstück befindlichen Gebäudes, des ehemaligen Gasthauses "E". Aus den beigelegten Plänen sei ersichtlich, welche Wände entfernt worden seien und bei einer "dickeren Wand" sei eine Stahlschiene eingebaut worden; die Bestätigung des Statikers liege bei.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Landeshauptstadt vom 23. Jänner 2003 wurde gemäß § 28 Abs. 3 des Vorarlberger Baugesetzes - BauG, LGBl. Nr. 52/2001, die beantragte Baubewilligung versagt (Spruchpunkt 1) und den Beschwerdeführern gemäß § 40 Abs. 3 BauG die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes durch die Wiedererrichtung der bescheidgegenständlichen tragenden Zwischenwand binnen sechs Monaten nach Rechtskraft des Bescheides aufgetragen (Spruchpunkt 2).

Hinsichtlich des Spruchpunktes 1 wurde diese Entscheidung damit begründet, dass dem Bauantrag die Zustimmung des weiteren Miteigentümers trotz entsprechender Aufforderung unter Setzung einer Nachfrist und unter Mitteilung der Säumnisfolgen nicht beigebracht worden sei. Hinsichtlich des Spruchpunktes 2 wurde der Bescheid damit begründet, dass das baugegenständliche Bauvorhaben bereits ausgeführt worden sei und ein Baukonsens nicht gegeben sei, die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes sei daher zu verfügen gewesen.

Die dagegen gerichtete Berufung der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Landeshauptstadt auf Grund und in Durchführung des Beschlusses der Berufungskommission der mitbeteiligten Landeshauptstadt vom 26. Juni 2003 in beiden Punkten keine Folge gegeben. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass auch durch eine allfällige Kostentragung für bewilligungspflichtige Baumaßnahmen die gesetzlich erforderliche Zustimmung aller Miteigentümer, die eine Tatbestandsvoraussetzung für die Erteilung der Baubewilligung sei, nicht ersetzt werden könne. Ein Beschluss der Mehrheit der Eigentümer sei nicht ausreichend, die erforderliche Zustimmung könne allenfalls durch eine rechtskräftige Entscheidung des Zivilgerichtes ersetzt werden.

Der dagegen von den Beschwerdeführern erhobenen Vorstellung wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 13. August 2003 keine Folge gegeben. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass nach § 24 Abs. 3 lit. a BauG dem Bauantrag u.a. der Nachweis des Eigentums oder Baurechtes am Baugrundstück oder, wenn der Antragsteller nicht selbst Eigentümer oder Bauberechtigter sei, der Zustimmung des Eigentümers oder Bauberechtigten anzuschließen sei. In der Regelung werde auf den Miteigentümer nicht ausdrücklich Bezug genommen. Es hänge somit von der Art des Bauvorhabens und der maßgeblichen zivilrechtlichen Regelung ab, ob die Zustimmung der Miteigentümer erforderlich sei oder nicht. Gemäß § 18 Abs. 1 lit. a BauG bedürften die Errichtung oder wesentliche Änderung von Gebäuden einer Baubewilligung. Die Ersetzung einer tragenden Zwischenwand durch einen Stahlunterzug sei eine wesentliche Änderung im Sinne der genannten Gesetzesbestimmung und daher bewilligungspflichtig. Ob die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes ein freies Bauvorhaben darstellen würde, sei rechtlich unbeachtlich. In Angelegenheiten, die nur die ordentliche Verwaltung und Benützung des Hauptstammes beträfen, entscheide gemäß § 833 ABGB die Mehrheit der Stimmen, welche nicht nach den Personen, sondern nach dem Verhältnis der Anteile der Teilnehmer gezählt würden. Dazu gehörten ständig wiederkehrende Ausbesserungen sowie notwendige Instandsetzungen einschließlich baulicher Veränderungen, die nicht über den bloßen Erhaltungszweck hinaus gingen. Bauliche Veränderungen, die über den bloßen Erhaltungszweck hinaus gingen, gehörten daher nicht zur ordentlichen Verwaltung. Die Entfernung einer tragenden Zwischenwand gehe zweifelsfrei über den bloßen Erhaltungszweck hinaus. Daher sei für das gegenständliche Bauvorhaben die Zustimmung aller Miteigentümer erforderlich. Diese liege im vorliegenden Fall jedoch nicht vor.

Sei eine Baubewilligung versagt worden, so müsse gemäß § 40 Abs. 3 BauG die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes verfügt werden. Eine "Vorabkontrolle" der Möglichkeiten der Wiederherstellung sei dafür nicht erforderlich.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Auch die erstmitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Vorarlberger Baugesetzes, LGBl. Nr. 52/2001, lauten:

"§ 18

Bewilligungspflichtige Bauvorhaben

(1) Einer Baubewilligung bedürfen

a) die Errichtung oder wesentliche Änderung von Gebäuden; ausgenommen sind jene kleinen Gebäude, die nach § 19 lit. a bis c nur anzeigepflichtig sind;

...

§ 24

Bauantrag

(1) Die Erteilung der Baubewilligung ist bei der Behörde schriftlich zu beantragen.

(2) Der Bauantrag hat Art, Lage, Umfang und die beabsichtigte Verwendung des Bauvorhabens anzugeben.

(3) Dem Bauantrag sind anzuschließen

a) der Nachweis des Eigentums oder Baurechtes am Baugrundstück oder, wenn der Antragsteller nicht selbst Eigentümer oder bauberechtigt ist, der Zustimmung des Eigentümers bzw. Bauberechtigten;

...

§ 40

Herstellung des rechtmäßigen Zustandes

     (1) Ergibt eine Überprüfung nach § 38 Abs. 1 lit. a oder b

einen Grund zur Beanstandung, so hat die Behörde - unabhängig von

einem Vorgehen nach § 39 - den Bauherrn aufzufordern, innerhalb

eines Monats

     a)        einen Bauantrag zu stellen, wenn das beanstandete

Bauvorhaben oder der beanstandete Teil des Bauvorhabens

bewilligungspflichtig ist; oder

     b)        eine Bauanzeige einzubringen, wenn das beanstandete

Bauvorhaben oder der beanstandete Teil des Bauvorhabens anzeigepflichtig ist.

...

(3) Kommt der Bauherr der Aufforderung nach Abs. 1 nicht nach oder wurde die Baubewilligung versagt bzw. erfolgte auf Grund der Bauanzeige die Untersagung, so hat die Behörde die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes binnen einer angemessen festzusetzenden Frist zu verfügen. Falls der Bauherr nicht herangezogen werden kann, hat die Verfügung an denjenigen zu ergehen, der als Eigentümer oder als Bauberechtigter über das Bauwerk oder die sonstige Anlage verfügungsberechtigt ist; dies ist jedoch unzulässig, sofern der Eigentümer oder der Bauberechtigte nachweist, dass er dem Bauvorhaben nicht zugestimmt hat, es nicht geduldet hat und er aus ihm keinen wirtschaftlichen Vorteil ziehen kann."

Die Beschwerdeführer bestreiten nicht, dass das von ihnen bereits durchgeführte Bauvorhaben im Erdgeschoß des gegenständlichen Hauses die Entfernung einer tragenden Wand umfasste. Sie meinen aber, dass durch die Entfernung des Wandteiles - bei gleichzeitigem Einbau eines "Unterzuges" - bis auf den Übergang der Tragfunktion auf den Unterzug keine wesentliche Änderung am Gebäude eingetreten sei. Die Baubewilligung könne sich im vorliegenden Fall nur auf die Bauausführung für die Errichtung des Unterzuges und den Nachweis der Statik, nicht aber auf das Resultat, den von der Behörde verlangten Wiedereinbau des Wandteiles beziehen. Das Resultat selbst stelle jedoch ein freies Bauvorhaben dar.

Damit zeigen die Beschwerdeführer jedoch nicht auf, dass die von ihnen selbst beantragte Baubewilligung zu Unrecht versagt worden wäre, weil sie ja selbst einräumen, dass es sich bei dem von ihnen vollendeten Vorhaben der Entfernung einer tragenden Wand um eine wesentliche Änderung eines Gebäudes im Sinne des § 18 Abs. 1 lit. a BauG handelte; die von ihnen angestellte ex-post-Betrachtung lässt ein wesentliches Merkmal ihres Bauvorhabens, nämlich den - notwendigen - Einbau eines Unterzuges zu Unrecht außer Acht.

Auch soweit die Beschwerdeführer meinen, die Zustimmung des Miteigentümers zu ihrem Bauansuchen sei im Hinblick darauf, dass der Bau bereits ausgeführt worden sei, nicht mehr erforderlich, weil das "Resultat der Bauausführung, die Schaffung eines breiteren Durchganges, ... auf den Hauptstamm des Miteigentums keine Auswirkung" habe, ist nicht nachvollziehbar und führt nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 25 Abs. 3 des Vorarlberger Baugesetzes, LGBl. Nr. 39/1972, welche Bestimmung dem im vorliegenden Fall anzuwendenden § 24 Abs. 3 BauG, LGBl. Nr. 52/2001, entspricht, ist es nämlich gerade nicht Sache der Baubehörde, selbstständig zu beurteilen, ob der Miteigentümer - soweit ihm zivilrechtlich ein Zustimmungsrecht zukommt - durch die Bauführung tatsächlich beeinträchtigt wird oder ob er nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts bauliche Maßnahmen zu dulden verpflichtet ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. September 1995, Zl. 95/06/0013, m.w.N.). Im vorliegenden Fall haben die Baubehörden und die belangte Behörde das Vorliegen einer Zustimmungserklärung des Erstmitbeteiligten als Miteigentümer des verfahrensgegenständlichen Grundstücks zutreffend als Voraussetzung für die Erteilung der gegenständlichen Baubewilligung im Grunde des § 24 Abs. 3 lit. a BauG bejaht. Nach dem Motivenbericht zur Regierungsvorlage zum Baugesetz (Blg. 45/2001, 27. LT, abgedruckt bei Germann/Hämmerle, das Vorarlberger Baugesetz 2002, 103) soll die Beantwortung der Frage, ob gemäß § 24 Abs. 3 lit. a BauG im Fall von Miteigentum die Zustimmung aller Miteigentümer erforderlich ist, von der "maßgeblichen zivilrechtlichen Regelung (z.B. ABGB, WEG 1975)" abhängen. Eine solche Betrachtungsweise entspricht auch dem auch dem § 24 Abs. 3 lit. a BauG im Hinblick auf den Grundsatz der Zweckmäßigkeit zu Grunde liegenden Gedanken, dass der Aufwand eines Bauverfahrens nur dann erfolgen soll, wenn die darin erteilte Baubewilligung auch in zivilrechtlicher Hinsicht konsumiert werden kann (vgl. Germann/Hämmerle, a.a.O. 104). Es kann daher keine Rechtswidrigkeit darin erblickt werden, wenn die belangte Behörde auch im vorliegenden Fall auf die Vorschriften des bürgerlichen Rechts abgestellt hat. Die Entfernung einer tragenden Wand im Erdgeschoß des gegenständlichen Gebäudes stellt nach dem Zivilrecht eine Angelegenheit dar, die nicht bloß die ordentliche Verwaltung und Benützung des gegenständlichen Gebäudes betrifft, sondern eine Maßnahme, die gemäß § 833 erster Satz ABGB insgesamt allen Miteigentümern zukommt (vgl. dazu die in Dittrich/Tades, Das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, 36. Auflage 2003, zu § 833 ABGB dargestellte Rechtsprechung).

Den Auftrag zur Herstellung des rechtmäßigen Zustandes halten die Beschwerdeführer deswegen für rechtswidrig, weil der wieder einzubauende Wandteil keine Tragefunktion mehr übernehmen könne, da dies bereits vom Stahlunterzug ausreichend bewerkstelligt worden sei. Ein Wandteil, der keine statische Aufgabe zu erfüllen habe, könne sofort wieder entfernt werden, da es hiefür keiner Bewilligung oder Anzeige bedürfe. Um dem wieder einzubauenden Wandteil eine tragende Funktion zu überlassen, müsste der Stahlunterzug samt Auflagern wieder ausgebaut werden. Dadurch entstünde das Risiko von massiven Schäden am Haus, was sicherlich nicht im Interesse irgendeiner Behörde oder einer Partei sein könne.

Auch mit dieser Argumentation zeigen die Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Mit dem Auftrag, den rechtmäßigen Zustand herzustellen, wurden die Beschwerdeführer nämlich nicht dazu verpflichtet, die von ihnen entfernte tragende Wand gar auf eine das bestehende Gebäude gefährdende Art und Weise identisch wiederherzustellen, sondern zur Herstellung einer Wand, die dem für das Gebäude bestehenden Konsens bzw. dem rechtmäßigen Zustand entspricht sowie zur Herstellung eines den statischen Erfordernissen des Gebäudes entsprechenden Zustandes.

Nach dem Gesagten war die Beschwerde daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Dem Antrag der belangten Behörde auf Schriftsatzaufwand für die Erstattung einer Gegenschrift war deswegen nicht stattzugeben, weil der von ihr als Gegenschrift bezeichnete Schriftsatz bloß eine Zusammenfassung des Sachverhaltes und des Beschwerdevorbringens enthält, als Gegenäußerung zur Beschwerde jedoch einen bloßen Verweis auf den angefochtenen Bescheid.

Wien, am 31. März 2004

Schlagworte

Baubewilligung BauRallg6 Bewilligungspflicht Bauwerk BauRallg4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2003060150.X00

Im RIS seit

10.05.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten