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90 Straßenverkehrsrecht, KraftfahrrechtNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Gesetzwidrigkeit eines Halte- und Parkverbots in Wien mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen; Verordnung nicht mehr erforderlich im Sinne des GesetzesSpruch
Punkt 6.3 der Verordnung des Magistrats der Stadt Wien vom 22. Mai 1981, Z MA 46-V-2-62/80, im Zusammenhang mit der einen Bestandteil der Verordnung bildenden Beilage, womit in der Taborstraße ONr. 14 bis ONr. 16 ein Halte- und Parkverbot, Montag bis Freitag (werktags) von 16.00 bis 18.30 Uhr verordnet wurde, war gesetzwidrig.
Die Wiener Landesregierung ist zur Kundmachung dieses Ausspruchs im Landesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim Unabhängigen Verwaltungssenat Wien ist ein Berufungsverfahren gegen ein Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom 21. April 1997, Z MA 67-RV-053513/6/4, anhängig, mit dem die Berufungswerberin schuldig erkannt wurde, am 6. März 1996 um 16.40 Uhr in Wien 2, Taborstraße 16, im Bereich des Vorschriftszeichens "Halten und Parken verboten" als Lenkerin ein näher bezeichnetes Kraftfahrzeug abgestellt und dadurch gegen §24 Abs1 lita StVO 1960 verstoßen zu haben.
2. Gestützt auf Art129a Abs3 B-VG beantragt der Unabhängige Verwaltungssenat Wien gemäß Art139 Abs1 iVm. Art89 Abs3 B-VG die Feststellung, "daß die Verordnung des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 46, Zl.: MA 46-V-2-62/80, im Punkt 6.3 im Zusammenhang mit der einen Bestandteil der Verordnung bildenden Beilage, womit in der Taborstraße ONr. 14 bis ONr. 16 ein Halte- und Parkverbot, Montag bis Freitag (werktags) von 16.00 bis 18.30 Uhr verordnet wurde, am 6.3.1996 gesetzwidrig war".
Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien begründet sein Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit dieser Halte- und Parkverbotsverordnung mit dem Wegfall der Erforderlichkeit im Sinne des §43 Abs1 litb StVO 1960: Die Verordnung sei im Jahre 1981 - wie der Niederschrift über die Ortsverhandlung des Magistrats der Stadt Wien vom 4. Mai 1981 zu entnehmen sei - zur Verbesserung bzw. Beschleunigung des öffentlichen Verkehrs in der Taborstraße erlassen worden. Am 6. November 1995 habe jedoch der Magistrat der Stadt Wien eine Ortsverhandlung durchgeführt und festgestellt, daß sich das Halte- und Parkverbot in Wien 2, Taborstraße 14-16, nicht bewährt habe, sodaß die Aufhebung der Verordnung bezüglich dieses Halte- und Parkverbotes ausgesprochen worden sei. Die Verkehrszeichen der Halte- und Parkverbotsverordnung in Wien 2, Taborstraße 16, seien am 12. März 1996 entfernt worden. Da sohin zumindest seit der Ortsverhandlung am 6. November 1995 festgestanden sei, daß das Halte- und Parkverbot nicht den angestrebten Zweck der Verbesserung bzw. Beschleunigung des öffentlichen Verkehrs erfülle, seien zumindest ab diesem Zeitpunkt auch nicht mehr die gesetzlichen Voraussetzungen gemäß §43 Abs1 litb Z1 StVO 1960 vorgelegen und sei die vorliegende Verordnung daher, soweit sie sich auf die Taborstraße 16 beziehe, zu dem für das Berufungsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt am 6. März 1996 gesetzwidrig gewesen.
3. Der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 65, erstattete eine Äußerung und begehrt die Feststellung, daß die vorliegende Verordnung am 6. März 1996 nicht gesetzwidrig war. Die Halte- und Parkverbotsverordnung sei nicht sofort nach Durchführung der Ortsverhandlung gesetzwidrig geworden. Zur Entfernung der Straßenverkehrszeichen bediene sich die Straßenverkehrsbehörde regelmäßig eines Privatunternehmens, das die betreffenden Verkehrszeichen nach der Aktenlage entweder am 11. oder am 14. März 1996 entfernt habe. Die Zeitspanne zwischen Beschlußfassung der Aufhebung und Entfernung der Verkehrszeichen sei damit zu erklären, daß im vorliegenden Fall ein Auftrag größeren Umfangs an das Privatunternehmen erteilt worden sei.
4. Die Wiener Landesregierung schloß sich in ihrer Äußerung den Ausführungen des Magistrats der Stadt Wien an.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Es ist offenkundig, daß der Unabhängige Verwaltungssenat Wien bei seiner Entscheidung über die bei ihm anhängige Berufung den Punkt 6.3 der Verordnung des Magistrats der Stadt Wien vom 22. Mai 1981, Z MA 46-V-2-62/80, dessen Übertretung Voraussetzung für die Bestrafung der Berufungswerberin ist, anzuwenden hat. Das Verordnungsprüfungsverfahren ist sohin zulässig.
2. Gemäß §43 Abs1 litb StVO 1960 hat "die Behörde für
bestimmte Straßen oder Straßenstrecken ... durch Verordnung dauernde
oder vorübergehende Verkehrsbeschränkungen ..., insbesondere Halte-
oder Parkverbote und dgl., zu erlassen, wenn und insoweit es die
Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden oder
die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage ... oder Beschaffenheit
der Straße oder die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines an der Straße gelegenen Gebäudes oder Gebietes und/oder der Personen, die sich dort aufhalten, erfordert".
Gemäß §96 Abs2 StVO 1960 ist die Behörde alle zwei Jahre unter Beiziehung des Straßenerhalters verpflichtet, alle angebrachten Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs daraufhin zu überprüfen, ob sie noch erforderlich sind. Nicht mehr erforderliche Einrichtungen dieser Art sind zu entfernen.
3. Im Zuge einer Neuregelung der Verkehrsbeschränkungen auf der gesamten Taborstraße in Wien 2 erließ der Magistrat der Stadt Wien am 22. Mai 1981 zu Z MA 46-V-2-62/80 gemäß den §§43 Abs1 litb und 94d StVO 1960 unter Punkt 6.3 dieser Verordnung ein Halte- und Parkverbot vor den Häusern Taborstraße ONr. 14 bis ONr. 16 für die Zeit von Montag bis Freitag (werktags), 16.00 bis 18.30 Uhr.
Die entsprechenden Straßenverkehrszeichen wurden am 11. November 1981 aufgestellt.
Dem Punkt 5 ("Sachverhalt") der Niederschrift über die davor am 4. Mai 1981 vom Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 46, durchgeführte Ortsverhandlung ist zu entnehmen, daß intendierter Zweck dieser Verkehrsbeschränkungen die "Verbesserung bzw. Beschleunigung des öffentlichen Verkehrs und Verbesserung des Wirtschaftsverkehrs in der Taborstraße" war.
Bei einer am 6. November 1995 vom Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 46, "zur Überprüfung der Verkehrssituation" durchgeführten Ortsverhandlung, Z MA 46-V2-1357/94, wurde festgestellt (Punkt 5 der Niederschrift vom 6. November 1995), daß sich "die 'Spitzenzeiten - Halteverbote' in Wien 2, Taborstraße zwischen Oberer Donaustraße und Heinestraße, in der Praxis nicht bewährt (hatten)". Das vorliegende Halte- und Parkverbot wurde daher - gestützt auf §43 Abs1 litb StVO 1960 - aufgehoben (nach der Aktenlage mit Genehmigung vom 29. November 1995). Aktenkundig ist weiters, daß der Auftrag an die Privatfirma, die die Entfernung der Verkehrszeichen vornehmen sollte, am 13. Februar 1996 erfolgte. Laut Aktenvermerk wurden die Verkehrszeichen am 11. März 1996 oder am 14. März 1996 entfernt, die Aufhebung der Verordnung sohin an einen dieser Tage kundgemacht.
Der Magistrat der Stadt Wien als gemäß §94d StVO 1960 zuständige Behörde hat die vorliegende Halte- und Parkverbotsverordnung am 29. November 1995 gestützt auf §43 Abs1 litb StVO 1960 aufgehoben, weil er sie als nicht mehr erforderlich im Sinne dieser Bestimmung erachtete. Im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist nicht hervorgekommen, daß die Verkehrs- und Straßensituation oder die sonstigen örtlichen Gegebenheiten in der Taborstraße zwischen dem Zeitpunkt der Ortsverhandlung am 6. November 1995 und dem Zeitpunkt der Übertretung durch die Berufungswerberin am 6. März 1996 eine Veränderung erfahren hätten. Im Sinne des §43 Abs1 litb StVO 1960 und der dort festgelegten sachverhaltsmäßigen Voraussetzungen war daher die Halte- und Parkverbotsverordnung jedenfalls am 6. März 1996 nicht mehr für Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage ... oder Beschaffenheit der Straße oder die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines an der Straße gelegenen Gebäudes oder Gebietes und/oder der Personen, die sich dort aufhalten, erforderlich. Sie war sohin gesetzwidrig (vgl. VfSlg. 12290/1990, VfGH 16.10.1999, V74/98 ua.), wie vom Verfassungsgerichtshof gemäß Art139 Abs4 B-VG auszusprechen war.
4. Die Verpflichtung der Wiener Landesregierung zur Kundmachung der Feststellung der Gesetzwidrigkeit der Verordnung, soweit sie in ihrem Punkt 6.3 das Halten und Parken in der Taborstraße ONr. 14-16 verbot, stützt sich auf Art139 Abs5 B-VG.
5. Die Entscheidung konnte vom Verfassungsgerichtshof gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Straßenpolizei, Halte(Park-)verbotEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2000:V59.1998Dokumentnummer
JFT_09998996_98V00059_00