Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1997 §21 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde der B, (geboren 1978), vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/II/23, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 29. Juli 2003, Zl. SD 694/03, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 29. Juli 2003 wurde gegen die Beschwerdeführerin, (angeblich) eine nigerianische Staatsangehörige, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 7 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen, und ferner der von der Erstbehörde gemäß § 64 Abs. 2 AVG erfolgte Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung gegen den Erstbescheid bestätigt.
Die Beschwerdeführerin sei laut ihren eigenen Angaben am 9. September 2002 in das Bundesgebiet gelangt und habe einen Asylantrag gestellt, der mit Bescheid des Bundesasylamtes Graz vom 8. April 2003 abgewiesen worden sei. Diese Entscheidung sei der Beschwerdeführerin durch Hinterlegung zugestellt worden und in Rechtskraft erwachsen. Am 17. Juli 2003 habe die Beschwerdeführerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Asylverfahren mit der Begründung beantragt, ihr sei die Ausfolgung des durch Hinterlegung zugestellten Asylbescheides am Postamt verwehrt worden.
Ungeachtet der Frage, ob dieses Vorbringen geeignet sei, die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erwirken, sei aus diesem Vorbringen doch eindeutig erkennbar, dass dieser Asylbescheid offenbar rechtmäßig zugestellt worden und auch tatsächlich in Rechtskraft erwachsen sei. Auch die Stellung des genannten Wiedereinsetzungsantrages vermöge nichts daran zu ändern, dass das die Beschwerdeführerin betreffende Asylverfahren mit Eintritt der Rechtskraft des negativen Asylbescheides als abgeschlossen und grundsätzlich unabänderlich anzusehen sei, und der Beschwerdeführerin daher - selbst wenn sie über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG verfügt hätte - diese seither nicht mehr zukommen würde. Solcherart stehe jedoch die Bestimmung des § 21 AsylG der Erlassung des vorliegenden Aufenthaltsverbotes nicht entgegen.
Da die Beschwerdeführerin laut ihren eigenen niederschriftlichen Angaben nicht im Besitz von Barmitteln und somit völlig mittellos sei, habe die Erstbehörde ihrem Bescheid zu Recht das Vorliegen des im § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG normierten Sachverhalts zugrunde gelegt, zumal die Beschwerdeführerin auch in ihrer Berufung gegen den Erstbescheid die festgestellte Mittellosigkeit "unberührt" gelassen habe. Es seien daher die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbots - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 FrG - im Grund des § 36 Abs. 1 leg. cit. gegeben gewesen.
Die Beschwerdeführerin sei ledig und habe keine Sorgepflichten, ihre Familie lebe in Nigeria. Familiäre Bindungen "zu Österreich" bestünden nicht. Selbst wenn man angesichts des erst etwa elfmonatigen, nunmehr unrechtmäßigen Aufenthalts von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privatleben der Beschwerdeführerin ausgehen würde, wäre dieser Eingriff jedenfalls zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens - dringend geboten wäre. Gerade den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Einhaltung durch den Normadressaten komme nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Der Aufenthalt mittelloser Fremder in Österreich gefährdet dieses öffentliche Interesse jedoch gravierend, sei doch mit der Mittellosigkeit die Gefahr verbunden, dass sich der Fremde die erforderlichen Mittel zu seinem Unterhalt durch unrechtmäßiges oder strafbares Verhalten zu finanzieren trachten könnte. Solcherart habe sich die Erlassung des Aufenthaltsverbots als dringend geboten und sohin zulässig im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG erwiesen.
Auch eine gemäß § 37 Abs. 2 FrG durchzuführende Interessenabwägung würde zuungunsten der Beschwerdeführerin ausfallen müssen. Sie selbst könne auf keinerlei nennenswertes Maß an Integration verweisen, angesichts des Mangels jeglicher familiärer Bindungen "zu Österreich" sei das ihr zu unterstellende Interesse an einem Weiterverbleib in Österreich als gering zu bezeichnen. Dem sei das maßgebliche, einen hohen Stellenwert genießende öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens gegenüber gestanden. Bei Abwägung dieser Interessenslagen sei die belangte Behörde zu der Auffassung gelangt, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbots auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin keinesfalls schwerer wögen, als das in ihrer Mittellosigkeit begründete große öffentliche Interesse "an ihrem Verlassen und Fernbleiben des Bundesgebietes". Die Erlassung des Aufenthaltsverbots erweise sich daher auch im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG als zulässig.
Mangels sonstiger, besonders zugunsten der Beschwerdeführerin sprechender Umstände habe die belangte Behörde keine Veranlassung gesehen, von der Erlassung des Aufenthaltsverbots im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen. Der gestellte Wiedereinsetzungsantrag im Asylverfahren stelle solche besonderen Umstände nicht dar, seien doch die Fremdenbehörden mangels dahingehender gesetzlicher Regelung nicht gehalten, für ihre Entscheidung den Ausgang des Wiedereinsetzungsverfahrens abzuwarten.
Was die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbots betreffe, so erscheine die von der Erstbehörde vorgenommene Befristung auch nach Auffassung der belangten Behörde gerechtfertigt. Im Hinblick auf das Fehlverhalten der Beschwerdeführerin einerseits und den Mangel jeglicher familiärer Bindungen "zu Österreich" andererseits könne vor Ablauf dieser Frist nicht erwartet werden, dass die für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgeblichen Gründe weggefallen sein würden.
Ebenso zu Recht habe die Erstbehörde einer Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt. Die Mittellosigkeit der Beschwerdeführerin berge die Gefahr der illegalen oder unrechtmäßigen Mittelbeschaffung zu ihrem Unterhalt in sich, weshalb sich die vorzeitige Vollstreckung des Aufenthaltsverbots im Interesse des öffentlichen Wohls wegen Gefahr im Verzug als dringend geboten erwiesen habe.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen eine der in den Z. 1 und 2 umschriebenen Annahmen gerechtfertigt ist. Gemäß § 36 Abs. 2 leg. cit. hat als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder (Z. 7) den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag, es sei denn, er wäre rechtmäßig zur Arbeitsaufnahme eingereist und innerhalb des letzten Jahres im Inland mehr als sechs Monate einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen. Nach ständiger hg. Rechtsprechung hat der Fremde initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhaltes verfügt, sondern dass sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gesichert erscheint (vgl. etwa das Erkenntnis vom 18. März 2003, Zl. 2003/18/0011).
2.1. Die Beschwerde bestreitet nicht die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, dass die Beschwerdeführerin nach ihren Angaben nicht im Besitz von Barmittel und somit völlig mittellos sei. Wenn in der Beschwerde darauf hingewiesen wird, dass die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren angegeben habe (vgl. die bei der Erstbehörde am 2. Juli 2003 aufgenommene Niederschrift, Blatt 20 der Verwaltungsakten), dass sie von Zuwendungen ihrer Freunde lebe und Kleidung von der Caritas erhalte, ist damit für die Beschwerdeführerin nichts gewonnen. Dieses Vorbringen ist nämlich als Nachweis der Mittel zu ihrem Unterhalt jedenfalls schon deshalb nicht geeignet, weil sich daraus nicht ergibt, dass die Beschwerdeführerin einen Rechtsanspruch auf diese Unterstützungsleistungen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2001, Zl. 2000/18/0181, mwH). Von daher begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass die Beschwerdeführerin die Mittel zu ihrem Unterhalt nicht habe nachweisen können, und dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG verwirklicht sei, keinem Einwand.
2.2. In Anbetracht der aus der Mittellosigkeit resultierenden Gefahr der illegalen Mittelbeschaffung und der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (vgl. auch dazu das vorzitierte Erkenntnis) begegnet auch die weitere Beurteilung der belangten Behörde, dass die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinen Bedenken.
3. Weiters zeigt die Beschwerdeführerin mit ihrer Bezugnahme auf ihren im Asylverfahren gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffend die Versäumung der Berufungsfrist gegen die Abweisung ihres Asylantrages keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Dieser Antrag vermag an der zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides gegebenen Rechtskraft des negativen Asylbescheides nichts zu ändern und lässt damit eine etwaige während des Asylverfahrens gegebene vorläufige Aufenthaltsberechtigung der Beschwerdeführerin nicht wieder aufleben, weshalb auch § 21 Abs. 1 des AsylG - diese Regelung kommt nur bei Asylwerbern mit vorläufiger Aufenthaltsberechtigung zum Tragen - dem vorliegenden Aufenthaltsverbot nicht entgegensteht. Der Hinweis der Beschwerdeführerin, ihrem Wiedereinsetzungsantrag sei mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 22. Oktober 2003 die aufschiebende Wirkung gemäß § 71 Abs. 6 AVG zuerkannt worden, vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern, wurde doch der Beschwerdeführerin der angefochtene Bescheid nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten bereits am 30. Juli 2003 zugestellt (vgl. Blatt 58 der Verwaltungsakten), weshalb diese danach erfolgte Zuerkennung für die Frage der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ohne Belang ist.
4. Ferner begegnet auch die - von der Beschwerde nicht bekämpfte - Auffassung der belangten Behörde, dass § 37 Abs. 1 und 2 FrG der Erlassung des Aufenthaltsverbots gegen die Beschwerdeführerin, die sich unbestrittenermaßen bei Erlassung des angefochtenen Bescheides erst knapp elf Monate in Österreich aufhielt und hier keine familiären Bindungen aufweist, nicht entgegenstehe, keinen Bedenken.
5. Entgegen der Beschwerde bestand auch keine Veranlassung für die belangte Behörde, von ihrem Ermessen im Grund des § 36 Abs. 1 FrG zugunsten der Beschwerdeführerin Gebrauch zu machen, sind doch weder aus dem angefochtenen Bescheid im Zusammenhang mit dem Akteninhalt noch aus der Beschwerde besondere Umstände ersichtlich, die für eine derartige Ermessensübung sprächen. Anders als die Beschwerde meint, stellt die Einbringung des besagten Wiedereinsetzungsantrages keinen derartigen besonderen Umstand dar, zumal (wie schon erwähnt) ein solcher Antrag nichts daran ändert, dass das die Beschwerdeführerin betreffende Asylverfahren mit Eintritt der Rechtskraft des negativen Asylbescheides abgeschlossen und diese Entscheidung grundsätzlich als unabänderlich anzusehen ist, und ferner ein Abwarten des Ausgangs des besagten Wiedereinsetzungsverfahrens für die belangte Behörde durch keine gesetzliche Regelung geboten war.
6. Die Bestätigung der von der Erstbehörde ausgesprochenen Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung durch die belangten Behörde bewirkte keine Rechtsverletzung der Beschwerdeführerin, ergibt sich doch weder aus dem Akteninhalt noch aus dem Beschwerdevorbringen, dass in der Zeit der Wirksamkeit der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung eine darauf bezogene Maßnahme (etwa eine Abschiebung) gesetzt wurde.
7. Unter Zugrundelegung der vorstehenden Ausführungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
8. Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
9. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 31. März 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2003180336.X00Im RIS seit
06.05.2004