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19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1997 §104 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des Z, geboren 1953, vertreten durch Dr. Wolfgang Zatlasch, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Mariahilfer Straße 49, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 30. Jänner 2004, Zl. SD 705/03, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 30. Jänner 2004 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen chinesischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 und Z. 5 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Der Beschwerdeführer befinde sich seit 1991 im Bundesgebiet und verfüge seit 18. Dezember 1991 über Aufenthaltstitel, zuletzt sei ihm eine unbefristete Niederlassungsbewilligung erteilt worden.
Am 13. Dezember 2001 sei er wegen des Verbrechens der Schlepperei gemäß § 104 Abs. 1 und Abs. 3 FrG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Dem Urteil liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer in einem mehr als einjährigen Zeitraum seit Ende 1999 gewerbsmäßig und als Mitglied einer Bande die rechtswidrige Einreise von chinesischen Staatsangehörigen nach Österreich und die Weiterreise dieser Personen in andere Staaten Europas gefördert habe. Der Beschwerdeführer habe drei ihm gehörige Wohnungen für die Unterbringung von etwa 700 geschleppten Chinesen gegen ein Entgelt von je USD 30,-- zur Verfügung gestellt. Auch für die Verpflegung der Geschleppten habe er gegen Entgelt gesorgt. Die chinesischen Staatsangehörigen seien von einer international agierenden Schlepperorganisation (der auch der Sohn des Beschwerdeführers angehört habe) teils auf dem Land- und teils auf dem Luftweg nach Europa eingeschleust worden. Die in großem Stil agierende Schlepperorganisation habe erst im Zug umfangreicher Erhebungen im Anschluss an ein Unglück vom 19. Juni 2000 in Dover, bei dem 58 geschleppte Personen in einem Sattelschlepper erstickt seien, zerschlagen werden können.
Die Tatbestände des § 36 Abs. 2 Z. 1 und Z. 5 FrG seien daher erfüllt. Das Aufenthaltsverbot sei im Grund des § 36 Abs. 1 leg. cit. - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 leg. cit. - zulässig.
Der Beschwerdeführer habe in der Berufung vorgebracht, mit seiner Familie in Österreich zu leben. Aus der Aktenlage sei dazu ersichtlich, dass der Beschwerdeführer verheiratet sei und auch der bereits genannte Sohn gegen den jedoch zwei rechtskräftige Aufenthaltsverbote bestünden, in Österreich lebe. Sonstige familiäre Bindungen seien nicht vorgebracht worden. Das Aufenthaltsverbot sei zweifellos mit einem Eingriff in das Privat- und Familienleben verbunden. Dieser Eingriff sei jedoch zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung strafbarer Handlungen) dringend geboten und daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig. Der Beschwerdeführer habe an der Schleppung einer großen Zahl von Fremden maßgeblich mitgewirkt und dadurch (und somit durch das Leid der Geschleppten) in nicht nur geringfügigem Umgang Geld verdient. Erschwerend sei zu werten, dass der Beschwerdeführer - abgesehen von der gewerbsmäßigen Vorgangsweise - seine Straftaten über einen mehr als einjährigen Zeitraum hinweg begangen habe. An der Verhinderung des Schlepperunwesens bestehe ein besonders großes öffentliches Interesse.
Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG sei auf die aus der Dauer des inländischen Aufenthalts ableitbare Integration des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen. Weiters sei zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer in verschiedenen Chinarestaurants beschäftigt gewesen sei und nach dem Berufungsvorbringen derzeit auch wieder beschäftigt sei. Die soziale Komponente der Integration des Beschwerdeführers werde durch das besonders schwerwiegende strafbare Verhalten erheblich gemindert. Die dennoch schwerwiegenden persönlichen Interessen des Beschwerdeführers müssten hinter das einen hohen Stellenwert genießende öffentliche Interesse an der Verhinderung des Schlepperunwesens zurücktreten, weil dem genannten öffentlichen Interesse ein weit höheres Gewicht einzuräumen sei als den Auswirkungen des Aufenthaltsverbots auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers.
Entgegen dem Berufungsvorbringen stehe keiner der Tatbestände des § 38 FrG der Erlassung des Aufenthaltsverbots entgegen. Im Zeitpunkt des Beginns des strafbaren Verhaltens Ende 1999 habe sich der Beschwerdeführer noch nicht zehn Jahre im Bundesgebiet aufgehalten, weshalb ihm die Staatsbürgerschaft noch nicht gemäß § 10 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 hätte verliehen werden können.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Unter Zugrundelegung des unbestrittenen maßgeblichen Sachverhalts bestehen gegen die - unbekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass die Tatbestände des § 36 Abs. 2 Z. 1 und Z. 5 FrG erfüllt seien, keine Bedenken.
2. Der Beschwerdeführer hat gewerbsmäßig, somit in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung derartiger Straftaten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (§ 70 StGB), über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr ab Ende 1999 an der Schleppung von etwa 700 chinesischen Staatsangehörigen dadurch mitgewirkt, dass er diesen Personen entgeltlich Quartier und Verpflegung zur Verfügung gestellt hat. Diesen wichtigen Tatbeitrag hat der Beschwerdeführer als Mitglied einer international und in großem Stil agierenden Schlepperorganisation erbracht. Auf Grund der gewerbsmäßigen Vorgangsweise im Rahmen einer internationalen Organisation, des langen Tatzeitraumes und der großen Zahl der geschleppten Personen stellt dieses Verhalten ungeachtet des etwa achtjährigen Wohlverhaltens vor Begehung der Tat eine sehr gravierende Beeinträchtigung des überaus großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der international organisierten Schlepperkriminalität dar. Aus diesem Grund bestehen gegen die Ansicht der belangten Behörde, die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme sei gerechtfertigt, keine Bedenken.
3. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit 1991 - nach dem Beschwerdevorbringen seit 26. November 1991 - sowie das Zusammenleben mit seiner Frau und seinem Sohn berücksichtigt. Weiters hat die belangte Behörde die Berufstätigkeit des Beschwerdeführers in verschiedenen Chinarestaurants berücksichtigt. Das Gewicht der Beziehung zum Sohn wird dadurch erheblich relativiert, dass gegen den Sohn unstrittig ein Aufenthaltsverbot besteht. Zu Recht hat die belangte Behörde auf die Minderung der Integration des Beschwerdeführers in ihrer sozialen Komponente durch die Straftaten hingewiesen.
Den dennoch gewichtigen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet steht die dargestellte, aus den Straftaten resultierende große Gefährdung öffentlicher Interessen gegenüber. Bei gehöriger Abwägung dieser Interessen begegnet die - entgegen der Beschwerde ausreichend begründete - Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung strafbarer Handlungen, Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesen) dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 FrG), keinem Einwand.
4. In der Beschwerde wird u.a. geltend gemacht, die Verurteilung sei erst nach mehr als zehnjähriger Aufenthaltsdauer erfolgt, die verhängte Strafe liege unter dem in § 38 FrG genannten Zeitraum von zwei Jahren.
Damit macht der Beschwerdeführer erkennbar die Unzulässigkeit des Aufenthaltsverbots gemäß § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG geltend. Nach dieser Bestimmung darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn dem Fremden vor Verwirklichtung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 - StbG verliehen hätte werden können, es sei denn, der Fremde wäre wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung rechtskräftig zu mehr als zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden.
Für die Beurteilung der Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbots nach § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG ist zu prüfen, ob der Fremde vor Verwirklichtung des ersten von der Behörde zulässigerweise zur Begründung des Aufenthaltsverbots herangezogenen Umstandes die Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 StbG erfüllte. Im Fall eines auf strafbare Handlungen gegründeten Aufenthaltsverbots handelt es sich bei den diese Maßnahme tragenden Umständen nicht um die Verurteilungen bzw. Bestrafungen, sondern um das zugrundelegende Fehlverhalten. (Vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. September 1998, Zl. 98/18/0170.)
Da sich der Beschwerdeführer seit (November) 1991 im Bundesgebiet befindet und die erste Straftat Ende 1999, sohin bereits nach acht Jahren, begangen hat, steht § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG der Erlassung des Aufenthaltsverbots nicht entgegen.
5. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
6. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am 31. März 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2004180069.X00Im RIS seit
07.05.2004