TE Vwgh Beschluss 2004/4/1 2002/20/0453

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Veröffentlicht am 01.04.2004
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

VwGG §33 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Nowakowski und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, in der Beschwerdesache des P in S, geboren 1949, vertreten durch Dr. Ernst Grubeck, Rechtsanwalt in 4780 Schärding, Lamprechtstraße 2, gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 6. August 2002, Zl. 409.924/10-V.6/2002, betreffend Strafvollzugsortsänderung, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer verbüßte in der Justizanstalt Suben eine langjährige Freiheitsstrafe.

Mit Eingabe vom 15. Mai 2002 beantragte er die Änderung des Strafvollzugsortes. Er begründete diesen Antrag damit, dass er bis zur Beendigung seiner Strafhaft die Berufsausbildung zum Metzger abschließen wolle. Die Metzgerlehre könne er in der Justizvollzugsanstalt Stein oder in der Justizvollzugsanstalt Innsbruck absolvieren, während es in "Suben" keine Metzgerei gebe.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde nach Einholung von Stellungnahmen der Anstaltsleiter der Justizanstalten Suben und Stein dem Ansuchen um Änderung des Vollzugsortes "gemäß § 10 (§ 134 Abs. 6) StVG" nicht Folge.

Die erwähnte Stellungnahme des Leiters der Justizanstalt Suben vom 10. Juni 2002 hat im Wesentlichen folgenden Wortlaut:

"Der Strafgefangene P wurde zu Folge Klassifizierung am 13.3.2002 von der Justizanstalt Feldkirch anher überstellt. Seit seiner Einlieferung konnte der Strafgefangene auf Grund von Arbeitsmangel in der Justizanstalt Suben noch nicht beschäftigt werden. In der Abteilung ist der Insasse führungsmäßig noch nicht negativ in Erscheinung getreten. ...

Die ernst zu nehmende Absicht des Ausbildungswerbers, seine Fleischhauerlehre in der Justizanstalt Stein oder der Justizanstalt Innsbruck fertig zu absolvieren, wird von der Leitung der Justizanstalt Suben, auf Grund seines Alters und seines Vorlebens in Frage gestellt."

Der Leiter der Justizanstalt Stein führte in seiner Stellungnahme vom 3. Juli 2002 im Wesentlichen aus:

"Bezüglich des Ansuchens des in der Justizanstalt Suben angehaltenen Strafgefangenen P um Änderung des Vollzugsortes in die ho. Justizanstalt zwecks Ausbildung zum Fleischhauer wird beigeschlossen eine Stellungnahme des Leiters des Referates für Berufsausbildung ...

Daraus geht hervor, dass ein Abschluss der Lehre zum Fleischhauer in der ho. Justizanstalt grundsätzlich jederzeit möglich ist.

Hiezu wird nach fernmündlicher Rücksprache durch die Justizanstalt Suben berichtet, dass der Genannte in der dortigen Justizanstalt als 'unbeschäftigt' angehalten wird und der tatsächliche Wunsch den Lehrberuf Fleischhauer abschließen zu wollen auf Grund seines Lebensalters (53 Jahre) und der langen Berufsabstinenz aus dortiger Sicht in Frage gestellt wird.

Abschließend wird berichtet, dass der Strafgefangene P bereits zwei Mal in der ho. Anstalt angehalten wurde und dabei nie im Betrieb Fleischhauerei eingeteilt war."

Zu diesen Berichten der Anstaltsleiter wurde dem Beschwerdeführer vor Erlassung des angefochtenen Bescheides keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

Die belangte Behörde begründete den angefochtenen Bescheid damit, dass sich die vom Beschwerdeführer angeführten Gründe nach den Erhebungen der Justizanstalten für nicht stichhaltig erwiesen hätten. Die ernst zu nehmende Absicht des Strafgefangenen, seine Fleischerlehre in den Justizanstalten Stein oder Innsbruck fertig zu absolvieren, werde von den Leitungen der Justizanstalten Suben und Stein auf Grund seines Alters und der langen Berufsabstinenz in Frage gestellt. Der Strafgefangene sei bereits zwei Mal in der Justizanstalt Stein angehalten worden und sei dabei nie im Betrieb Fleischhauerei eingeteilt gewesen. Die Justizanstalt Innsbruck sei wegen umfangreicher Baumaßnahmen an der Grenze ihrer Belagskapazität und weitere Belastungen seien nach den Erfahrungen des Bundesministeriums für Justiz in den nächsten Monaten, jedenfalls aber noch vor dem Ende der Freiheitsstrafe des Strafgefangenen zu erwarten. Für Einlieferungen und Strafantritte müsse jedenfalls eine ausreichende Platzreserve in dieser Anstalt bestehen bleiben. Überdies sei es ein ausdrücklicher Wunsch des Strafgefangenen gewesen, in die Justizanstalt Suben klassifiziert zu werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Nach Erstattung einer Gegenschrift teilte die belangte Behörde am 27. Jänner 2004 mit, dass der Beschwerdeführer am 14. November 2003 aus der Strafhaft entlassen worden sei.

Der Beschwerdeführer erklärte über Anfrage des Verwaltungsgerichtshofes, die gestellten Beschwerdeanträge trotzdem voll inhaltlich aufrecht zu erhalten.

Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist eine Beschwerde mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Beschwerdeführer klaglos gestellt wurde.

Bei einer Bescheidbeschwerde gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG ist unter einer "Klaglosstellung" nach § 33 Abs. 1 und § 56 erster Satz VwGG nur eine solche zu verstehen, die durch eine formelle Aufhebung des beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides - im Besonderen durch die belangte Behörde oder die allenfalls in Betracht kommende Oberbehörde oder durch den Verfassungsgerichtshof - eingetreten ist (vgl. den Beschluss eines verstärkten Senates vom 9. April 1980, Slg. Nr. 10.092/A).

§ 33 Abs. 1 VwGG ist aber nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur auf die Fälle der formellen Klaglosstellung beschränkt. Ein Einstellungsfall liegt auch dann vor, wenn der Beschwerdeführer kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung des Gerichtshofes hat. Ob in letzterem Sinn das rechtliche Interesse eines Beschwerdeführers weggefallen ist, hat der Verwaltungsgerichtshof nach objektiven Kriterien zu prüfen und ist dabei nicht an die Erklärungen der Partei gebunden (vgl. die hg. Beschlüsse vom 10. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.322/A, vom 23. Mai 1985, Zl. 84/08/0080, und andere, zuletzt etwa den Beschluss vom 15. Oktober 2003, Zl. 2003/08/0110).

Im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer aus der Strafhaft entlassen wurde, wäre die Lösung der Frage, ob die Nichtstattgebung seines Ansuchens um Änderung des Strafvollzugsortes mit der vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtswidrigkeit behaftet war, - abgesehen von der Frage des Aufwandersatzes - nur mehr von theoretischer Bedeutung. Es ist aber nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofes, in einer Beschwerdesache zu entscheiden, an der der Beschwerdeführer kein rechtliches Interesse mehr hat (vgl. dazu insbesondere den hg. Beschluss vom 18. Februar 1999, Zl. 98/20/0203). Es war daher in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG die Beschwerde als gegenstandslos zu erklären und das Verfahren einzustellen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf § 58 Abs. 2 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Der Beschwerdeführer war hinsichtlich der Frage des Anspruches auf Aufwandersatz so zu behandeln, als ob er obsiegende Partei im Sinne der §§ 47 ff VwGG wäre, weil es die belangte Behörde insbesondere verabsäumt hat, ihm zu den Ergebnissen der Beweisaufnahme, nämlich den Berichten der Leiter der Justizanstalten Suben und Stein, auf Grund derer sie dem Anliegen des Beschwerdeführers seine Berufsausbildung zum Metzger abschließen zu wollen, die Glaubwürdigkeit abspricht, Parteiengehör einzuräumen. In seiner Beschwerde führt der Beschwerdeführer unter anderem aus, dass ihm während seiner Haft keine Arbeit zugeteilt worden sei, obwohl er dies mehrmals bei der Anstaltsleitung begehrt habe. Der Beschwerdeführer habe nach seiner Entlassung aus der Strafhaft noch mindestens zehn Arbeitsjahre vor sich, für die sich der Abschluss einer Berufsausbildung jedenfalls positiv auswirken würde. Es bestehe auch keinerlei Altersbegrenzung hinsichtlich des Beginnes oder der Fortsetzung einer Berufsausbildung. Im Übrigen sei es durchaus Teil der Vollzugspraxis, dass Strafgefangene in der Altersgruppe des Beschwerdeführers diverse Ausbildungen während der Verbüßung ihrer Haftstrafe durchliefen bzw. vervollständigten. Im Hinblick auf dieses Vorbringen kann nicht ausgeschlossen werden, dass die belangte Behörde bei Einhaltung der außer Acht gelassenen Verfahrensvorschriften zu einem anderen Bescheid gelangt wäre, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben gewesen wäre.

Wien, am 1. April 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2002200453.X00

Im RIS seit

22.06.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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