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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1997 §23;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Berger und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des D, zuletzt in S/A, geboren 1966, vertreten durch Dr. Friedrich Fromherz, Mag. Dr. Wolfgang Fromherz und Mag. Dr. Bernhard Glawitsch, Rechtsanwälte in 4010 Linz, Graben 9, gegen den am 25. August 1999 mündlich verkündeten und am 27. Jänner 2000 schriftlich ausgefertigten Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates, Zl. 202.508/0-VII/20/98, betreffend §§ 7, 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird in seinem die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran betreffenden Spruchteil wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Iran, reiste seinen Angaben zufolge am 22. Jänner 1998 nach Österreich ein und beantragte am darauf folgenden Tag die Gewährung von Asyl. Als Fluchtgrund brachte er vor, er sei armenischer Christ und von den Revolutionswächtern zweimal (am 12. März 1995 und am 22. November 1997) wegen des Vorwurfes der Verbreitung des christlichen Glaubens (fünfzehn Tage bzw. sieben Tage) unter näher beschriebenen Umständen inhaftiert und auch gefoltert worden. Dazu komme, dass der Beschwerdeführer bereits 1994 wegen des Verkaufs von Jesus- und Heiligenbildern zu einer Geldstrafe verurteilt worden sei. Aus der zweiten Haft sei er (bis zur Gerichtsverhandlung) gegen Hinterlegung einer Grundbuchsrolle mit der Auflage entlassen worden, sich wöchentlich zu melden. Nach Auskunft seines Anwaltes, der Akteneinsicht genommen habe, sei gegen den Beschwerdeführer Anklage wegen wiederholten Verbreitens des christlichen Glaubens erhoben worden und er habe mit einer Verurteilung zu einer mindestens siebenjährigen Haftstrafe zu rechnen.
Das Bundesasylamt hielt dieses Vorbringen aus näher dargestellten Gründen für nicht glaubwürdig und wies den Asylantrag im Spruchpunkt I. des Bescheides vom 16. März 1998 ab. Im Spruchpunkt II. stellte es fest, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran sei "gemäß § 8 AsylG zulässig". In der diesbezüglichen Begründung führte das Bundesasylamt nach Darstellung der Rechtslage und Zitierung von in der Judikatur entwickelten Rechtssätzen fallbezogen Folgendes aus:
"Auch wenn es Ihnen mit Ihrem Vorbringen nicht gelungen ist, die Flüchtlingseigenschaft glaubhaft zu machen, gelangt die Behörde dennoch zur Ansicht, dass Gründe für die Annahme bestehen, dass Sie im Falle einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Gefahr liefen, im Iran einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden, womit festzustellen war, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nicht zulässig ist."
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er den Widerspruch zwischen der Feststellung im Spruchpunkt II. und der wiedergegebenen Begründung aufzeigte und in diesem Zusammenhang den Antrag stellte, "die Behörde möge auch per Spruch feststellen, dass meine Abschiebung in den Iran gemäß § 57 (FrG) unzulässig ist und mir eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr gemäß § 15 AsylG 1997 erteilen." Zum Asylteil beantragte der Beschwerdeführer unter Verweis auf sein erstinstanzliches Vorbringen und den Inhalt einer handschriftlichen Beilage die Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides im Sinne einer Antragsstattgebung.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 25. August 1999 - "gemäß § 7 und § 8 AsylG" ab. Sie begründete nach Darstellung des Verfahrensganges und Wiedergabe der Angaben des Beschwerdeführers ausführlich, dass sein Vorbringen zu den angeblichen Fluchtgründen infolge zahlreicher, im angefochtenen Bescheid aufgezeigter Widersprüche und infolge des persönlichen Eindrucks nicht glaubwürdig sei. Da dem Beschwerdeführer die Bescheinigung der behaupteten Flüchtlingseigenschaft nicht gelungen sei, gelangte die belangte Behörde bei der rechtlichen Beurteilung - erkennbar auch unter Einbeziehung der Feststellung, armenische Christen seien wegen ihrer Nationalität oder ihres Glaubens nicht verfolgt, Verfolgung drohe nur missionierenden Christen - zur Berufungsabweisung im Asylteil.
In Bezug auf die Feststellung nach § 8 AsylG ging die belangte Behörde infolge des Widerspruches zwischen dem diesbezüglichen Spruchteil und der Begründung davon aus, der erstinstanzliche Bescheid sei zwar insoweit inhaltlich rechtswidrig. Daraus sei aber für den Beschwerdeführer nichts gewonnen. "Amtswegiges Wissen über das Asylverfahren hinaus", das einer Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran entgegenstehe, bestehe nicht. Auch ein diesbezügliches Vorbringen, das "einer besonderen Überprüfung unterzogen hätte werden sollen", sei nicht erstattet worden. Auch für diesen Spruchteil sei daher auf der Grundlage der unglaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers negativ zu entscheiden gewesen. Die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran sei demnach zulässig, ohne dass es infolge "Vollständigkeit, Klarheit und Bestimmtheit des erstinstanzlichen Spruchteiles" einer neuerlichen gesonderten Feststellung der Berufungsbehörde, die nur im abgekürzten Berufungsverfahren vorgesehen sei, bedurft hätte.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof - nach Vorlage der Akten des Berufungsverfahrens und der das Asylverfahren der Ehefrau des Beschwerdeführers betreffenden Verwaltungsakten durch die belangte Behörde sowie nach Beischaffung der den Beschwerdeführer betreffenden erstinstanzlichen Akten vom Bundesasylamt - erwogen hat:
Die belangte Behörde hat sich - wie erwähnt - ausführlich mit den detaillierten Angaben des Beschwerdeführers im Asylverfahren auseinander gesetzt und ist auch unter Verwertung des in der mündlichen Berufungsverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruckes nach eingehender Würdigung der vorliegenden Beweisergebnisse unter ausreichender Bedachtnahme auf die vom Beschwerdeführer im Berufungsverfahren vorgetragenen Einwände in nicht unschlüssiger Weise zu dem Ergebnis gelangt, dem Beschwerdeführer sei die Glaubhaftmachung einer asylrelevanten Verfolgungsgefahr nicht gelungen. Der Beschwerde gelingt es nicht, eine diesbezügliche - im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof insoweit zukommenden eingeschränkten Prüfungsbefugnis wahrzunehmende - Fehlbeurteilung, insbesondere auch nicht das Vorliegen eines entscheidungswesentlichen Verfahrensmangels, aufzuzeigen. Die Beschwerde war daher, soweit sie den Asylteil betrifft, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
In Bezug auf die mit dem angefochtenen Bescheid vorgenommene Bestätigung des Spruchteiles II. des erstinstanzlichen Bescheides, womit die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran festgestellt wurde, verweist die Beschwerde neuerlich auf den dargestellten Widerspruch zur diesbezüglichen Begründung im Bescheid des Bundesasylamtes. Das Fehlen des Wortes "nicht" in diesem Spruchteil sei auf eine "offenkundige Fehlleistung", nämlich auf einen berichtigungsfähigen Schreibfehler zurückzuführen. Der klar erkennbare Wille der Behörde erster Instanz ergebe sich nicht nur aus der Begründung, sondern auch daraus, dass der in Farsi gefasste Spruch dahin laute, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran sei NICHT zulässig. Es stelle jedenfalls einen Verfahrensmangel dar, dass sich die belangte Behörde nicht mit der in der Muttersprache des Beschwerdeführers der Entscheidung "angeschlossenen" Übersetzung des Spruches auseinander gesetzt habe. Hätte sie dies getan, wäre der Wille der Behörde erster Instanz im Sinne einer Unzulässigerklärung von Refoulement evident gewesen.
Dieses Vorbringen führt die Beschwerde in Bezug auf den Ausspruch gemäß § 8 AsylG zum Erfolg:
Die belangte Behörde erachtete den Widerspruch zwischen der diesbezüglichen Begründung und dem Spruchteil II. des erstinstanzlichen Bescheides - offenbar weil dieser infolge seiner Eindeutigkeit keiner Auslegung zugänglich sei - erkennbar für unauflöslich und den Erstbescheid insoweit für "inhaltlich rechtswidrig". Dem Standpunkt der belangten Behörde ist insofern beizupflichten, als sich in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wiederholt der Rechtssatz findet, wenn der Spruch eines Bescheides für sich allein beurteilt keine Zweifel an seinem Inhalt offen lasse, dann könne die beigegebene Begründung nicht als Auslegungsbehelf für den Inhalt des Spruches herangezogen werden (vgl. etwa die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 49 sowie E 27 und E 48 zu § 59 AVG zitierte Rechtsprechung; aus der letzten Zeit etwa das Erkenntnis vom 10. Juni 2002, Zl. 2002/17/0025, und das in einem Asylverfahren ergangene Erkenntnis vom 22. April 1999, Zlen. 98/20/0322, 0323). Die Auslegung eines Spruches setze voraus, dass dieser überhaupt auslegungsbedürftig in dem Sinn sei, dass sein Wortlaut Zweifel über seinen normativen Gehalt aufkommen lasse (vgl. das Erkenntnis vom 8. November 2000, Zl. 2000/04/0110).
Zuzugestehen ist der belangten Behörde auch, dass der Spruch in der deutschen Fassung im Sinne einer Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran - für sich genommen - eindeutig ist und keinen Zweifel an seinem normativen Gehalt entstehen lässt. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 29 Abs. 1 AsylG (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. März 2001, Zlen. 2000/20/0473, 2001/20/0089, und die dort zitierten Entscheidungen sowie daran anschließend das Erkenntnis vom 17. September 2003, Zl. 2003/20/0073; zur Übersetzung der Rechtsmittelbelehrung siehe auch das Erkenntnis vom 27. September 2001, Zl. 2001/20/0435, und daran anschließend das Erkenntnis vom 14. Mai 2002, Zl. 2001/01/0592) kommt aber auch der einen Bestandteil des Bescheides bildenden Übersetzung des Spruches in einer dem Asylwerber verständlichen Sprache maßgebliche - für die im vorliegenden Fall zu beurteilende Frage zumindest gleichrangige - Bedeutung zu.
Träfe es daher - wie in der Beschwerde behauptet wird - zu, dass die Übersetzung des Spruchpunktes II. des erstinstanzlichen Bescheides dahin lautet, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran sei nicht zulässig, dann läge entgegen der Annahme der belangten Behörde kein eindeutiger, einer Auslegung nicht zugänglicher und im (unauflöslichen) Widerspruch zur Begründung stehender Spruch vor. Vielmehr wäre dann der auf den ersten Blick unklare (in sich widersprüchliche) Spruchpunkt II des erstinstanzlichen Bescheides in Verbindung mit der diesbezüglichen Begründung eindeutig im Sinne einer Gewährung von Refoulementschutz zu verstehen. Diesfalls wäre die irrtümliche Auslassung des Wortes "nicht" in der deutschen Fassung des Spruches als ein für die Partei und die Behörde erkennbares offensichtliches Versehen zu qualifizieren und es läge insoweit nur ein nach § 62 Abs. 4 AVG (iVm § 23 AsylG) berichtigungsfähiger Schreibfehler vor, zumal auch nicht gesagt werden kann, der diesbezügliche Begründungsteil könne mit den Feststellungen im Erstbescheid über die Verhältnisse im Iran (insbesondere betreffend die Angehörigen von religiösen Minderheiten) keinesfalls in Einklang gebracht werden (zu den Grenzen der Bescheidberichtigung siehe die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 151ff zu § 62 AVG zitierte Rechtsprechung). Im Übrigen wird angemerkt, dass auch die - aus der Aktenlage ersichtliche - weitere Vorgangsweise der Erstbehörde, insbesondere die Eintragung einer positiven § 8- Erledigung hinsichtlich des Beschwerdeführers im Asylwerberinformationssystem und die Refoulementschutz-Gewährung mit Bescheid der Erstbehörde vom 18. Mai 1998 an die Ehefrau des Beschwerdeführers unter Bezugnahme auf die Entscheidung im Verfahren des Ehemannes, für einen solchen Entscheidungswillen der Erstbehörde spricht.
Ausgehend von einer anderen Rechtsansicht hat die belangte Behörde den vorgefundenen Akteninhalt nicht zum Anlass genommen, die Erstbehörde mit der Frage einer allfälligen Berichtigung ihres Bescheides zu befassen. Sie hat in Bezug auf die Feststellung nach § 8 AsylG - allein die deutsche Fassung des Spruches berücksichtigend - ohne Weiteres einen den Beschwerdeführer belastenden Inhalt unterstellt und sich offenbar deshalb mit der Frage der Zulässigkeit der Berufung unter dem Gesichtspunkt, ob der Beschwerdeführer insoweit überhaupt in Rechten verletzt wurde, und mit ihrer Kompetenz zur Sachentscheidung nicht auseinandergesetzt. Wurde von der Erstbehörde aber in Bezug auf den Ausspruch nach § 8 AsylG bereits eine dem Berufungsbegehren entsprechende Entscheidung getroffen, dann wäre die Berufung, soweit sie sich gegen diesen Spruchteil richtete, als unzulässig zurückzuweisen gewesen (vgl. etwa die bei Walter/Thienel, a. a.O., E 62 und E 68 zu § 66 AVG zitierte Judikatur). Die Zuständigkeit zu einer Entscheidung in der Sache hätte von der belangten Behörde daher nur dann bejaht werden dürfen, wenn der Spruchpunkt II. des erstinstanzlichen Bescheides nicht im Sinne der oben angestellten Erwägungen aufgrund des Inhaltes der Übersetzung des Spruches in Verbindung mit seiner Begründung dahin zu verstehen wäre, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran für nicht zulässig erklärt wurde. Trotz eines offenkundigen Schreibfehlers ist nämlich ein Bescheidspruch auch ohne Vorliegen eines Berichtigungsbescheides im berichtigten Sinn zu lesen (vgl. die bei Walter/Thienel, aaO, E 204 und E 289ff zu § 62 AVG zitierte Rechtsprechung; aus der jüngeren Zeit vgl. das Erkenntnis vom 20. Februar 2003, Zl. 2002/07/0143). Demnach wäre der von der belangten Behörde unterlassenen Klärung des Inhaltes der Spruchübersetzung - dazu wäre die belangte Behörde im Hinblick darauf, dass der Übersetzung des Spruches als Bescheidbestandteil für dessen Auslegung essentielle Bedeutung zukommt, auch von Amts wegen verpflichtet gewesen - entscheidungsrelevante Bedeutung zugekommen.
Das hat die belangte Behörde - wie die Beschwerde zu Recht aufzeigt - verkannt und damit ihren Bescheid, soweit es den Ausspruch nach § 8 AsylG anbelangt, mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. In diesem Umfang war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG mit einer Aufhebung vorzugehen.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 1. April 2004
Schlagworte
Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG) Spruch und BegründungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2000200090.X00Im RIS seit
04.06.2004