TE Vwgh Beschluss 2004/4/5 2004/10/0048

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Veröffentlicht am 05.04.2004
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Index

L55008 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Vorarlberg;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
B-VG Art131 Abs2;
NatSchG Vlbg 1997 §50 Abs2;
NatSchG Vlbg 1997 §50 Abs4;
NatSchG Vlbg 1997 §50 Abs5 idF 2002/038;
NatSchG Vlbg 1997 §50 idF 2002/038;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde des Naturschutzanwaltes für Vorarlberg, vertreten durch Mag. Martin Künz, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Goethestraße 5, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 15. Jänner 2004, Zl. UVS-327-001/E10-2004, betreffend Zurückweisung einer Berufung, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 9. Dezember 2003 wurden dem Verein der Vorarlberger Berufsfischer naturschutzbehördliche Bewilligungen gemäß § 24 Abs. 1 und 3 des Gesetzes über Naturschutz und Landschaftsentwicklung (NSchG), § 12 Abs. 1 lit. c iVm § 7 Abs. 3 lit. a der Naturschutzverordnung, LGBl. Nr. 8/1998 idF LGBl. Nr. 36/2003, § 15 Abs. 1 und 2 iVm § 7 Abs. 2 der Naturschutzverordnung Rheindelta, LGBl. Nr. 57/1992 idF LGBl. Nr. 64/2002, und § 16.02 der Bodensee-Schifffahrts-Ordnung, BGBl. Nr. 93/1976 iVm den Verordnungen der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 19. April 1982, Zl. I-903-2, und vom 11. Mai 1993, Zl. I-903, erteilt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Naturschutzanwalt Berufung. Er brachte vor, es seien ihm wesentliche Unterlagen nicht übermittelt worden, insbesondere die Gutachten des Amtssachverständigen für Naturschutz und des Amtssachverständigen für Fischerei. Er habe daher keine Gelegenheit gehabt, zur Ermittlung des Sachverhaltes beizutragen und zusätzliche wesentliche Aspekte einzubringen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unzulässig zurück. Nach Darstellung des Verfahrensganges und der Rechtslage vertrat die belangte Behörde die Auffassung, die dem Naturschutzanwalt durch § 50 Abs. 4 NSchG eingeräumte Organparteistellung umfasse das Berufungsrecht gegen Bescheide in Bewilligungsverfahren in den im § 50 Abs. 4 NSchG abschließend aufgezählten Angelegenheiten. Hinsichtlich der nicht von § 50 Abs. 4 NSchG erfassten Verfahren habe der Naturschutzanwalt die in § 50 Abs. 2 NSchG angeführten Mitwirkungsrechte, zu denen ein Berufungsrecht gegen einen Bescheid, der ein Bewilligungsverfahren abschließe, nicht gehöre (vgl. VwGH 3. Juli 2000, 2000/10/0002). Die durch § 50 Abs. 2 NSchG eingeräumten Verfahrensrechte vermittelten dem Naturschutzanwalt keine materiellen subjektiven Rechte, die ihn zur Berufung gegen den Bewilligungsbescheid legitimierten. Einen Verfahrensmangel wie den hier geltend gemachten könnten lediglich die Parteien des konkreten Bewilligungsverfahrens mit Erfolg geltend machen (vgl. VwGH 7. November 1991, 91/06/0082). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. Erkenntnis vom 9. April 1984, Slg. 11396 A) kämen dem Naturschutzanwalt im ausdrücklich eingeräumten Rahmen subjektive Rechte zu. Er habe Parteistellung in Verfahren, deren Gegenstand diese subjektiven Rechte seien. Beispielsweise könne er gegen einen Bescheid berufen, mit dem ihm die Akteneinsicht verwehrt werde. Der bekämpfte Bescheid sei aber in einem Verfahren ergangen, mit dem über den Bewilligungsantrag des Vereines der Vorarlberger Berufsfischer abgesprochen worden sei. Es handle sich nicht um ein Verfahren, dessen Gegenstand die Verfahrensrechte des Naturschutzanwaltes seien. Mangels Parteistellung und Berufungsrecht im vorliegenden Verfahren sei die Berufung daher unzulässig.

§ 50 des Vorarlberger Gesetzes über Naturschutz und Landschaftsentwicklung, LGBl. Nr. 22/1997 idF LGBl. Nr. 38/2002 (NSchG) lautet:

"Naturschutzanwalt

(1) Der Naturschutzanwalt hat die Interessen von Natur und Landschaft in Verfahren nach diesem Gesetz wahrzunehmen und die Gemeinden und Bürger in Fragen des Naturschutzes zu beraten. Er ist auch Umweltanwalt im Sinne des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes.

(2) Dem Naturschutzanwalt ist bei den in Abs. 3 angeführten Verfahren Gelegenheit zu geben, bei der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken sowie zur Sache und zum Ergebnis der Beweisaufnahme innerhalb einer Frist von vier Wochen Stellung zu nehmen. Der Naturschutzanwalt hat das Recht auf Akteneinsicht im Umfang des § 17 AVG. Schriftlich erlassene Bescheide sind ihm zuzustellen. Hinsichtlich der Zustellung schriftlicher Ausfertigungen mündlich verkündeter Bescheide an den Naturschutzanwalt gilt § 62 Abs. 3 AVG sinngemäß.

(3) Das Mitwirkungsrecht des Naturschutzanwaltes bezieht sich auf alle Verfahren nach diesem Gesetz mit Ausnahme der Verfahren nach dem 2. Abschnitt des III. Hauptstückes und dem V. Hauptstück.

(4) Der Naturschutzanwalt kann gegen Bescheide der Behörde, mit denen in folgenden Angelegenheiten Bewilligungen erteilt wurden, zur Wahrung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftsentwicklung Berufung erheben, wenn seiner Stellungnahme nicht entsprochen wurde:

a) Neuerschließung oder Erweiterung von Schigebieten mit Seilförderanlagen zur Personenbeförderung (Seilbahnen) oder Schleppliften, wenn damit ein Flächenverbrauch durch Pistenneubau mit Geländeveränderungen von insgesamt mehr als 10 ha verbunden ist,

b) Errichtung von Wasserkraftanlagen (Talsperren, Flussstaue, Ausleitungen) mit einer Engpassleistung mit mehr als 10 MW,

c) Errichtung oder Änderung von Bundes- und Landesstraßen, ausgenommen solche Änderungen, bei denen die Verschiebung der Straßenachse weniger als 50 m beträgt,

d) Errichtung oder im Hinblick auf die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftsentwicklung wesentliche Änderung von Flugplätzen,

e) Durchführung von Stauraumspülungen.

(5) Der Naturschutzanwalt kann gegen Bescheide der Berufungsbehörde in den Angelegenheiten des Abs. 4 Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erheben."

§ 50 Abs. 4 NSchG räumt dem Naturschutzanwalt somit das Recht auf Berufung gegen die Bewilligung bestimmter, im Einzelnen aufgezählter Arten von Vorhaben ein. Gemäß § 50 Abs. 5 NSchG ist der Naturschutzanwalt berechtigt, in den Angelegenheiten des Abs. 4 Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG zu erheben. In anderen Verfahren nach dem NSchG (abgesehen von hier nicht in Rede stehenden Ausnahmen) kommt dem Naturschutzanwalt gemäß § 50 Abs. 2 NSchG (lediglich) das Recht auf Anhörung, Mitwirkung bei der Feststellung des Sachverhaltes, Stellungnahme und Akteneinsicht zu; schriftlich erlassene Bescheide sind ihm zuzustellen.

Das Recht des Naturschutzanwaltes, Berufung gegen eine Bewilligung und Beschwerde gegen einen über eine solche Berufung ergehenden Bescheid zu erheben, ist nach der Regelung des § 50 NSchG somit auf Verfahren beschränkt, die ein in § 50 Abs. 4 NSchG angeführtes Vorhaben zum Gegenstand haben; damit wird dem Naturschutzanwalt in diesen (abschließend angeführten) Angelegenheiten die Stellung einer Amtspartei im Sinne des Art. 131 Abs. 2 B-VG eingeräumt. Ebenso folgt aus § 50 NSchG, dass dem Naturschutzanwalt in den von § 50 Abs. 4 nicht erfassten Angelegenheiten weder Parteistellung in der Sache noch ein Berufungsrecht oder die Beschwerdeberechtigung nach Art.  131 Abs. 2 B-VG eingeräumt ist. Die dem Naturschutzanwalt durch § 50 Abs. 2 NSchG eingeräumte Mitwirkung vermittelt dem Naturschutzanwalt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, § 8 AVG, E 149, 150, referierte Judikatur zur Rechtsstellung von Anhörungsberechtigten) kein subjektives Recht auf Entscheidung bestimmten Inhaltes in der Sache selbst; es besteht auch kein subjektives Recht des Naturschutzanwaltes, dass von ihm Vorgebrachtes berücksichtigt werde (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. April 1984, Slg. Nr. 11396/A). Dementsprechend besteht auch kein Recht des Naturschutzanwaltes, dass über eine von ihm unzulässiger Weise eingebrachte Berufung eine Sachentscheidung ergehe.

Die Zulässigkeit einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof setzt unter anderem voraus, dass eine Verletzung im geltend gemachten Recht möglich ist. Durch den angefochtenen, die Berufung zurückweisenden Bescheid könnte der Naturschutzanwalt nur dann in einem Recht verletzt werden, wenn ihm ein Recht auf Sachentscheidung über die Berufung zugekommen wäre; dies ist aber nicht der Fall.

Die - gegen einen Bescheid, mit dem eine Berufung des Naturschutzanwaltes wegen des Fehlens der Berufungslegitimation zurückgewiesen wurde, gerichtete - Beschwerde zeigt nicht auf, dass die Voraussetzungen ihrer Zulässigkeit vorlägen.

Es besteht Übereinstimmung darüber, dass die Berufung keinen Fall des § 50 Abs. 4, in dem dem Naturschutzanwalt kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung das Berufungs- (und Beschwerde)Recht zukäme, betraf. Vielmehr leitete die beschwerdeführende Partei ihre Berufungslegitimation aus § 50 Abs. 2 NSchG und dem Umstand ab, dass die Behörde erster Instanz ihr wesentliche Beweisergebnisse nicht zur Kenntnis gebracht habe. In der Frage der Zulässigkeit der Beschwerde bezieht sich diese auf einen Fall, in dem der Verwaltungsgerichtshof eine Beschwerde des Vorarlberger Naturschutzanwaltes als zulässig erachtete, weil im Streit um die Berufungslegitimation jedenfalls das Recht bestehe, Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde zu erheben (vgl. das Erkenntnis vom 3. Juli 2000, Zl. 2000/10/0002).

Im soeben zitierten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof das Vorliegen eines "Streites um die Berufungslegitimation" im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes deshalb bejaht, weil Streit über die Zuordnung der Angelegenheit zu § 50 Abs. 4 NSchG bestand; solcher Art war die behauptete Rechtsverletzung möglich. Ein solcher Fall liegt aber hier nicht vor; vielmehr beruft sich die Beschwerde auf eine Verletzung in jenen Rechten, die ihr durch § 50 Abs. 2 NSchG vermittelt werden. Wie oben dargelegt, vermittelt diese Vorschrift aber kein subjektiv-öffentliches Recht der beschwerdeführenden Partei, das durch den angefochtenen Bescheid verletzt werden könnte.

Mangels Rechtsverletzungsmöglichkeit auf Seiten der beschwerdeführenden Partei ist die Beschwerde unzulässig; sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.

Wien, am 5. April 2004

Schlagworte

Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Besondere Rechtsgebiete Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATION

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2004100048.X00

Im RIS seit

28.06.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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