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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §71 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde der ST in P, vertreten durch Mag. Dr. Bernhard Rosenkranz, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Plainstraße 23, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 5. September 2002, Zl. MA 61/IV - T 52/2002, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einer staatsbürgerschaftsrechtlichen Angelegenheit, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin wurde 1966 als eheliche Tochter einer österreichischen Mutter und eines pakistanischen Vaters geboren und erlangte mit der Geburt die pakistanische Staatsangehörigkeit.
Datiert mit 19. Jänner 2002 gab die Beschwerdeführerin unter Berufung auf Art. I § 1 Staatsbürgerschafts-Übergangsrecht 1985, Anlage 2 zu BGBl. Nr. 311/1985, die Erklärung ab, der Republik Österreich als getreue Staatsbürgerin angehören zu wollen. Zugleich stellte sie den Antrag, ihr die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Abgabe dieser Erklärung zu bewilligen. Die belangte Behörde wies diesen Antrag mit Bescheid vom 5. September 2002 zurück, weil es sich bei der für die Abgabe der Erklärung offen stehenden Frist - diese habe gemäß Art. I § 1 Abs. 2 Staatsbürgerschafts-Übergangsrecht 1985 am 31. Dezember 1988 geendet - um eine materiellrechtliche Frist handle, gegen deren Versäumung eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht komme.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde, zu der die belangte Behörde eine Gegenschrift erstattete, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
1. Gemäß der im Zeitpunkt der Geburt der Beschwerdeführerin in Kraft stehenden staatsbürgerschaftsrechtlichen Regelung (§ 7 Staatsbürgerschaftsgesetz 1965 in der Stammfassung BGBl. Nr. 250) vermittelte die österreichische Mutter eines ehelich geborenen Kindes diesem nur ausnahmsweise die Staatsbürgerschaft, nämlich dann, wenn es sonst staatenlos gewesen wäre. Das war bei der Beschwerdeführerin nicht der Fall, weshalb sie mit ihrer Geburt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft erlangte.
Die am 1. September 1983 in Kraft getretene Staatsbürgerschaftsgesetz-Novelle 1983, BGBl. Nr. 170, brachte - getragen von dem Bestreben, in staatsbürgerschaftsrechtlicher Hinsicht eine Gleichstellung von Mann und Frau zu bewirken (1272 BlgNR 15. GP 8) - eine Änderung der Rechtslage. § 7 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1965 wurde neu gefasst und lautet seither unverändert (nunmehr nach Wiederverlautbarung des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1965 als § 7 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 - StbG) wie folgt:
"Abstammung (Legitimation)
§ 7. (1) Eheliche Kinder erwerben die Staatsbürgerschaft mit der Geburt, wenn
a)
in diesem Zeitpunkt ein Elternteil Staatsbürger ist oder
b)
ein Elternteil, der vorher verstorben ist, am Tag seines Ablebens Staatsbürger war."
Damit erwerben seit 1. September 1983 eheliche Kinder unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Vaters mit ihrer Geburt jedenfalls dann die österreichische Staatsbürgerschaft, wenn die Mutter in diesem Zeitpunkt Staatsbürgerin ist. Um den vor dem Inkrafttreten der Staatsbürgerschaftsgesetz-Novelle 1983 geborenen ehelichen Kindern, welche die österreichische Staatsbürgerschaft kraft Gesetzes im Zeitpunkt ihrer Geburt nach ihrer Mutter nicht erwerben konnten, weil sie die fremde Staatsangehörigkeit des Vaters erlangten, unter bestimmten Voraussetzungen eine befristete Möglichkeit des Staatsbürgerschaftserwerbes zu geben (1272 BlgNR 15. GP 20), wurde ein besonderes Übergangsregime geschaffen. Art. II der besagten Novelle (wiederverlautbart als Art. I § 1 Staatsbürgerschafts-Übergangsrecht 1985) normierte:
"ARTIKEL II
Übergangsbestimmung
(1) Vor dem 1. September 1983 geborene eheliche und legitimierte Kinder erwerben unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 8 StbG 1965 (nach Wiederverlautbarung: des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985) die Staatsbürgerschaft durch die Erklärung, der Republik als getreue Staatsbürger angehören zu wollen, wenn
1. sie ledig sind und am 1. September 1983 das 19. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
2. sie nie Staatsbürger waren oder die mit der Geburt erworbene Staatsbürgerschaft durch Legitimation verloren haben und
3. die Mutter Staatsbürger ist und die Staatsbürgerschaft auch am Tag der Geburt des Kindes besessen hat.
(2) Die Erklärung ist innerhalb von drei Jahren ab dem 1. September 1983 schriftlich bei der nach § 39 StbG 1965 (nach Wiederverlautbarung: des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985) zuständigen Behörde abzugeben. ...
(3) ...
(4) Liegen die in den Abs. 1 bis 3 angeführten Voraussetzungen vor, hat die Behörde mit schriftlichem Bescheid festzustellen, dass die Staatsbürgerschaft mit dem Tag des Einlangens der Erklärung bei der zuständigen Behörde erworben wurde. ..."
Zur Fristregelung im ersten Satz des zweiten Absatzes der eben zitierten Bestimmung hielten die ErläutRV (aaO., 20) Nachstehendes fest:
"Wenn auch im Staatsbürgerschaftsgesetz 1965 die zur Geltendmachung eines Erwerbsanspruches eingeräumte Frist sonst in der Regel zwei Jahre beträgt (siehe die §§ 12 lit. c, 13 und 14 Abs. 1 Z 5 StbG 1965), erscheint der für die Abgabe der Erklärung vorgesehene Zeitraum von drei Jahren angebracht, um vor allem den in Betracht kommenden Personen, die sich im Ausland befinden, Gelegenheit zu geben, von dieser Übergangsbestimmung Kenntnis zu erlangen und von ihr innerhalb einer angemessenen Überlegungsfrist Gebrauch zu machen. Die Möglichkeit zur Abgabe der Erklärung innerhalb eines längeren Zeitraumes bringt darüber hinaus eine gewisse Entlastung der mit der Vollziehung betrauten Behörde."
Mit der Staatsbürgerschaftsgesetz-Novelle 1986, BGBl. Nr. 386, wurde Art. I § 1 Abs. 2 erster Satz des Staatsbürgerschafts-Übergangsrechts 1985 geändert, sodass er seither folgenden Wortlaut hat:
"(2) Die Erklärung ist bis 31. Dezember 1988 schriftlich bei der nach § 39 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 zuständigen Behörde abzugeben."
Diese Änderung wurde damit begründet, dass die für den Staatsbürgerschaftserwerb nach Art. I § 1 Staatsbürgerschafts-Übergangsrecht 1985 vorgesehene Dreijahresfrist mit 1. September 1986 ablaufe; da nicht ausgeschlossen werden könne, dass einer Reihe im Ausland lebender Österreicherinnen, deren Kinder für diesen Staatsbürgerschaftserwerb in Frage kämen, die Bestimmung unbekannt geblieben sei, solle die Frist verlängert werden, um Härtefälle möglichst zu vermeiden (970 BlgNR 16. GP 4).
2. Wie schon eingangs dargelegt, erlangte die Beschwerdeführerin ungeachtet ihrer Geburt durch eine österreichische Staatsbürgerin im Hinblick auf die im Jahr 1966 geltende Rechtslage nicht die österreichische Staatsbürgerschaft. Es wäre ihr allerdings ab 1. September 1983 grundsätzlich die Möglichkeit offen gestanden, durch die Erklärung, "der Republik als getreue Staatsbürgerin angehören zu wollen", die Staatsbürgerschaft zu erwerben. Von dieser Möglichkeit hat die Beschwerdeführerin innerhalb der gesetzlich vorgesehenen und zuletzt mit der Staatsbürgerschaftsgesetz-Novelle 1986 bis 31. Dezember 1988 verlängerten Frist allerdings keinen Gebrauch gemacht. Erst im Jänner 2002 gab sie eine entsprechende Erklärung ab, verbunden mit dem gegenständlichen Antrag, ihr die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Abgabe dieser Erklärung zu bewilligen.
3. Die belangte Behörde hat richtig erkannt, dass nur verfahrensrechtliche Fristen einer Wiedereinsetzung zugänglich sind. Die für eine Handlung gesetzte Frist ist eine verfahrensrechtliche, wenn die Handlung (auch) prozessuale Rechtswirkungen auslösen soll (Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht8, (2003), Rz 229; vgl. auch das von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1991, Zl. 90/12/0250). Die hier zu beurteilende Frist nach Art. I § 1 Staatsbürgerschafts-Übergangsrecht 1985 ist dagegen allein auf den Eintritt einer materiellen Rechtswirkung, nämlich den (unmittelbaren) Staatsbürgerschaftserwerb durch Erklärung, gerichtet. Dass Art. I § 1 Abs. 4 leg. cit. die Erlassung eines Feststellungsbescheides vorsieht, ändert daran nichts, weil der Staatsbürgerschaftserwerb ex lege mit dem Zeitpunkt eintritt, in dem alle Voraussetzungen vorliegen; die Geltendmachung der Staatsbürgerschaft hängt damit nicht von der vorherigen Erlassung des Bescheides ab (Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II (1990), 142).
Dass es sich gegenständlich nicht um eine verfahrensrechtliche, sondern um eine materiellrechtliche Frist handelt, wird durch folgende Überlegungen bestätigt: Zunächst ist auf die oben zitierten ErläutRV zur (ursprünglichen) Fristregelung in Art. I § 1 Abs. 2 erster Satz Staatsbürgerschafts-Übergangsrecht 1985 zu verweisen, denen zufolge die hier in Rede stehende Erklärungsfrist - abgesehen von ihrer Dauer - erkennbar mit sonstigen staatsbürgerschaftsrechtlichen Fristen betreffend Geltendmachung eines Erwerbsanspruches gleichgesetzt wird. Solche Fristen finden sich in § 12 Z 3, in § 13 und in § 14 StbG (seinerzeit §§ 12 lit. c, 13 und 14 Staatsbürgerschaftsgesetz 1965), sie werden durchgehend als materiell-rechtliche Fristen verstanden (Thienel, aaO., 234, 238 und 243; vgl. auch im gegebenen Zusammenhang allgemein VwSlg. 2174/A). Noch deutlicher wird der Charakter der Frist des Art. I § 1 Abs. 2 Staatsbürgerschafts-Übergangsrecht 1985, wenn man sich die zu ihrer Verlängerung durch die Staatsbürgerschaftsgesetz-Novelle 1986 führenden Erwägungen vor Augen hält, wonach diese Verlängerung der Vermeidung von Härtefällen dienen sollte; handelte es sich bei dieser Frist um eine verfahrensrechtliche (und daher restituierbare) Frist, so hätte es einer gesonderten Bedachtnahme auf "Härtefälle" nicht bedurft, oder es wäre zumindest ein Hinweis darauf zu erwarten gewesen, dass nicht nur Fälle des - noch damaliger Rechtslage:
völligen - Fehlens eines Verschuldens an der Unkenntnis dieser Möglichkeit zum Erwerb der Staatsbürgerschaft erfasst werden sollten.
Die Beschwerdeausführungen - insbesondere der Verweis auf das schon erwähnte hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1991 und auf jenes vom 24. Juni 1993, Zl. 93/06/0053 - vermögen das dargelegte Ergebnis nicht in Frage zu stellen. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 16. April 2004
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2002010474.X00Im RIS seit
13.05.2004