TE Vwgh Erkenntnis 2004/4/16 2003/01/0042

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Veröffentlicht am 16.04.2004
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Index

L46007 Jugendförderung Jugendschutz Tirol;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

JSchG Tir 1994 §12 Abs2;
JSchG Tir 1994 §12;
JSchG Tir 1994 §16 Abs3;
JSchG Tir 1994 §21 Abs1 litb Z1;
JSchG Tir 1994 §21 Abs1 litb Z5;
VStG §44a Z2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde der W in I, vertreten durch Dr. Günther Maleczek und Mag. Dr. Paula Stecher, Rechtsanwälte in 6130 Schwaz, Winterstellergasse 11, gegen den schriftlich ausgefertigten Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 17. September 2002, Zlen. uvs-2002/22/056-2 und uvs- 2002/22/057-2, betreffend Bestrafung nach dem Tiroler Jugendschutzgesetz 1994, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit zwei Straferkenntnissen des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck, jeweils vom 4. März 2002, Zlen. II-STR- 07640e/2001 und II-STR-07589e/2001, wurde die Beschwerdeführerin - nach Wiedergabe des Wortlautes des § 16 Abs. 3 des Tiroler Jugendschutzgesetzes 1994 und unter Verweis auf den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck vom 7. August 2001, mit dem der näher bezeichnete Gastbetrieb der Beschwerdeführerin als Betriebsanlage im Sinne dieser Gesetzesstelle festgestellt worden sei - wie folgt schuldig erkannt:

1. (Zl. II-STR-07589e/2001)

"Trotz dieser zuvor dargelegten Sach- und Rechtslage ist am 27.11.2001 um 10.55 Uhr einem Jugendlichen, und zwar Herrn S. G., geb. am 3.1.1984, der Aufenthalt in Ihrem Gastbetrieb in Innsbruck, gestattet worden. Es ist dieser Jugendliche damals im Zuge einer Polizeikontrolle im dortigen Gastbetrieb angetroffen worden.

Sie haben dadurch als Betriebsinhaberin eine Verwaltungsübertretung nach § 21Abs. 1 lit. b) Ziff. 5 i.V. mit § 16 Abs.3 Tiroler Jugendschutzgesetz begangen."

2. (Zl. II-STR-07640e/2001)

"Trotz dieser zuvor dargelegten Sach- und Rechtslage ist am 4.12.2001 um 20.14 Uhr Jugendlichen, und zwar Frau J. H., geb. 1984, und Herrn G. K., geb. 1984, der Aufenthalt in Ihrem Gastbetrieb in Innsbruck, gestattet worden. Es sind diese Jugendlichen damals im Zuge einer Polizeikontrolle im dortigen Gastbetrieb angetroffen worden.

Sie haben dadurch als Betriebsinhaberin eine Verwaltungsübertretung nach § 21Abs. 1 lit. b) Ziff. 5 i.V. mit § 16 Abs.3 Tiroler Jugendschutzgesetz begangen."

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden über die Beschwerdeführerin gemäß § 21 Absatz 1 des Tiroler Jugendschutzgesetzes 1994 jeweils Geldstrafen in Höhe von jeweils EUR 160,-- (Ersatzfreiheitsstrafen jeweils 2 Tage) verhängt.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufungen.

Mit dem - nach Durchführung öffentlicher mündlicher Verhandlungen über beide Berufungen und Verkündung mündlicher Bescheide über die kostenpflichtige Abweisung dieser Berufungen - im Instanzenzug ergangenen, mit 17. September 2002 schriftlich ausgefertigten Bescheid hat die belangte Behörde über beide Berufungen der Beschwerdeführerin wie folgt entschieden:

"Gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m. §§ 24, 51,51c und 51e VStG sowie unter Anwendung des § 52a Abs. 1 VStG wird den Berufungen gegen die bekämpften Straferkenntnisse insoweit Folge gegeben, als es sich dabei lediglich um eine einzige Übertretung handelt, wobei die zwei verhängten Geldstrafen in der Gesamthöhe von Euro 320,00 auf eine einzige Geldstrafe in der Höhe von Euro 160,00, bei Uneinbringlichkeit 2 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, herabgesetzt werden.

Dementsprechend wird der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG mit 10 % der verhängten Geldstrafe, das sind Euro 16,00, neu festgesetzt."

Zur Begründung führte die belangte Behörde u.a. aus, die Beschwerdeführerin sei - weil ihre Betriebsanlage als solche im Sinne des § 16 Abs. 3 des Tiroler Jugendschutzgesetzes 1994 festgestellt worden sei - verpflichtet gewesen, Maßnahmen einzurichten, die nicht nur eine stichprobenartige, sondern eine wirksame und lückenlose Zutritts- und Aufenthaltskontrolle gewährleisten. Der im Lokal angebrachte allgemeine Hinweis auf das Jugendverbot, die Unterrichtung des Bedienungspersonals (durch die Beschwerdeführerin) und die höchstens sporadischen Zutrittskontrollen und Lokalverweise seien demgegenüber nicht ausreichend, um den Anforderungen des Tiroler Jugendschutzgesetzes 1994 genüge zu tun. Die zunächst mündlich verkündeten Berufungserkenntnisse seien unter Anwendung des § 52a Abs. 1 VStG im Zuge der schriftlichen Ausfertigung insoweit abgeändert worden, als beide Vorfälle zu einem Dauerdelikt zusammengefasst und dafür eine Strafe verhängt worden sei.

Über die gegen diesen Bescheid in seiner schriftlichen Ausfertigung erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Tiroler Jugendschutzgesetzes 1994, LGBl. Nr. 4 (in der zur Tatzeit geltenden Stammfassung) lauten:

"§ 12

Allgemeine Pflichten

(1) ...

(2) Unternehmer, Veranstalter und deren Beauftragte haben auf die für ihre Tätigkeit anwendbaren Bestimmungen dieses Gesetzes und der Verordnungen auf Grund dieses Gesetzes in jenen Räumen und auf jenen Grundstücken, in denen bzw. auf denen sie ihre Tätigkeit ausüben, gut sichtbar hinzuweisen. Dies gilt nicht, soweit bereits auf grund bundesgesetzlicher Vorschriften eine gleichartige Verpflichtung besteht. Sie haben weiters im Rahmen ihrer Möglichkeiten und des ihnen Zumutbaren auch durch sonstige geeignete Maßnahmen, insbesondere durch mündliche Aufklärung, Feststellung des Alters von Kindern oder Jugendlichen, Verweigerung des Zutrittes oder Verweisung aus Räumen oder von Grundstücken, für die Einhaltung dieses Gesetzes und der Verordnungen auf Grund dieses Gesetzes zu sorgen.

§ 16

Aufenthalt in Betriebsanlagen, Nächtigung in Begerbungsbetrieben

(1) ...

(2) ...

(3) Kinder und Jugendliche dürfen sich in Betriebsanlagen, von denen wegen ihrer Art, Lage oder Betriebsweise oder wegen ihres ständigen Besucherkreises eine Gefährdung ihrer körperlichen, geistigen, sittlichen, charakterlichen oder sozialen Entwicklung ausgehen kann (z.B. Wein- und Branntweinschenken, Nachtlokale, Sexshops und dergleichen) nicht aufhalten. Kinder dürfen sich weiters in Betriebsanlagen, die vorwiegend dem Betrieb von Spielapparaten dienen, nicht aufhalten.

(4) Auf Antrag des Eigentümers oder des sonst darüber Verfügungsberechtigten ist mit Bescheid festzustellen, ob es sich um eine Betriebsanlage im Sinne des Abs. 3 handelt oder nicht. Solche Feststellungsbescheide können auch von Amts wegen erlassen werden.

§ 21

Strafbestimmungen

(1) Wer

a)

...

b)

als Unternehmer, Veranstalter oder Beauftragter

              1.              einer Verpflichtung nach § 12 Abs. 2 nicht nachkommt,

...

              5.              entgegen dem § 16 Abs. 1 bis 3, 5 und 6 Kindern oder Jugendlichen den Aufenthalt gestattet oder diese nächtigen lässt,

...

begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu 3.630,-- Euro, in den Fällen nach lit. c mit einer Geldstrafe bis zu 7.260,-- Euro zu bestrafen".

(Anmerkung: Strafbeträge in der Fassung der mit 1. Jänner 2002 in Kraft getretenen Novelle LGBl. Nr. 110/2001)

Die Beschwerdeführerin wurde als "Unternehmerin" (nach dem angefochtenen Bescheid) einer Verwaltungsübertretung nach dem Tiroler Jugendschutzgesetz 1994 schuldig erkannt.

Nach dem Schuldspruch beider Instanzen wurde der Beschwerdeführerin vorgeworfen, sie habe (nach den erstinstanzlichen Straferkenntnissen zwei) Verwaltungsübertretungen - die nach der schriftlichen Fassung des angefochtenen Bescheides als ein Dauerdelikt zu behandeln sind - gemäß § 21 Abs. 1 lit. b Z 5 iV mit § 16 Abs. 3 Tiroler Jugendschutzgesetz" begangen.

Die Beschwerdeführerin macht im Ergebnis zutreffend geltend, den ihr angelasteten Tatbestand verwirkliche, wer (u.a.) als Unternehmer entgegen dem § 16 Abs. 3 des Tiroler Jugendschutzgesetzes 1994 Kindern oder Jugendlichen den Aufenthalt in den näher bezeichneten Räumen "gestattet". Demgegenüber wird der Beschwerdeführerin nach der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht ein als "gestatten" zu würdigendes Tatverhalten vorgeworfen, sondern die belangte Behörde geht davon aus, die Beschwerdeführerin habe das Tiroler Jugendschutzgesetz 1994 deshalb verletzt, weil sie - im Rahmen der Organisation ihres Gastgewerbebetriebes - wirksame Zutritts- und Aufenthaltskontrollen nicht eingerichtet habe (zu einem derartigen Verhalten vgl. sinngemäß das zum Stmk. Jugendschutzgesetz 1968 ergangene hg. Erkenntnis vom 29. Juli 1998, Zl. 96/01/0301). Durch das von der belangten Behörde zugrunde gelegte Tatverhalten hat die Beschwerdeführerin nicht die ihr angelastete Verwaltungsübertretung (nach § 21 Abs. 1 lit. b Z 5 iV mit § 16 Abs. 3 Tiroler Jugendschutzgesetz 1994), sondern - allenfalls - eine (andere) Übertretung, nämlich jene gemäß § 21 Abs. 1 lit. b Z 1 iV mit § 12 Abs. 2 Tiroler Jugendschutzgesetz 1994 begangen, die ihr (nach dem Spruch der Straferkenntnisse) aber nicht vorgeworfen wurde.

Indem ein Sachverhalt einer Verwaltungsvorschrift unterstellt wurde, die durch die Tat nicht verletzt wurde, belastete die belangte Behörde schon deshalb den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Es war daher nicht mehr auf die Frage der Unwiderrufbarkeit eines Bescheides (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. November 1998, Zl. 98/03/0207, in VwSlg Nr. 15026/A) einzugehen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 16. April 2004

Schlagworte

Allgemein Verwaltungsvorschrift Mängel im Spruch falsche Subsumtion der Tat

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2003010042.X00

Im RIS seit

14.05.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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