TE Vwgh Erkenntnis 2004/4/20 2004/11/0020

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Veröffentlicht am 20.04.2004
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Führerscheingesetz;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §68 Abs1;
AVG §69;
FSG 1997 §24 Abs1;
KFG 1967 §73 Abs1 impl;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Pallitsch, Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des H in S, vertreten durch Dr. Hans Gradischnig, Rechtsanwalt in 9500 Villach, Moritschstraße 5, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats für Kärnten vom 22. Dezember 2003, Zl. KUVS-1489/7/2003, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid vom 22. Dezember 2003 entzog der Unabhängige Verwaltungssenat für Kärnten (UVS) dem Beschwerdeführer die am 7. Jänner 2003 neu erteilte Lenkberechtigung für die Klassen A und B auf die Dauer von sechs Monaten. In der Begründung führte der UVS aus, der Beschwerdeführer sei mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 23. Mai 2001 wegen des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 (erster Fall) SMG und des Vergehens nach § 27 Abs. 1 SMG zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden, wobei die unbedingte Freiheitsstrafe in eine bedingte Freiheitsstrafe umgewandelt worden sei. Der Beschwerdeführer habe in der Zeit von Frühjahr 2002 bis Frühjahr 2003 eine Entziehungstherapie durchgeführt. Mit Urteil des Bezirksgerichtes Villach vom 4. Juni 2003 sei der Beschwerdeführer wegen des Vergehens nach § 27 Abs. 1 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden. Er habe sich in der Zeit vom 13. Oktober bis 21. November 2003 in Haft befunden. Die Begehung einer strafbaren Handlung gemäß § 28 Abs. 2 SMG gelte als bestimmte Tatsache im Sinn des § 7 Abs. 1 FSG, auf Grund derer die erforderliche Verkehrszuverlässigkeit nach § 7 Abs. 1 Z. 2 FSG nicht mehr gegeben sei. Beim Kriterium der Verwerflichkeit der Straftaten im Sinne der nach § 7 Abs. 4 FSG vorzunehmenden Wertung falle zum Nachteil des Beschwerdeführers ins Gewicht, dass er große Menge Cannabis erzeugt und auch das Vergehen nach § 27 Abs. 1 SMG begangen habe. Dazu komme, dass sich das strafbare Verhalten über längere Zeit (1997 bis September 2000) hingezogen habe. Der Beschwerdeführer sei wegen Suchtgiftdelikten bereits zweimal einschlägig vorbestraft. Besonders verwerflich sei, dass der Beschwerdeführer wegen des Vergehens nach § 27 Abs. 1 SMG erneut verurteilt worden sei. Es falle ins Gewicht, dass zwischen der der Entziehungsmaßnahme zu Grunde liegenden Verurteilung und der neuerlichen Verurteilung nur etwas mehr als zwei Jahre vergangen seien. Daraus erschließe sich eine erhebliche Neigung des Beschwerdeführers zur Begehung von Suchtgiftdelikten. Unter Berücksichtigung der letzten Verurteilung des Beschwerdeführers nach dem SMG sei davon auszugehen, dass er seine Verkehrszuverlässigkeit frühestens nach Ablauf von sechs Monaten wieder erlangen werde. Zum Einwand des Beschwerdeführers, eine Befristung des Führerscheines sei bereits auf Grund der rechtskräftigen Verurteilung des Landesgerichts Klagenfurt vom 23. Mai 2003 erfolgt, sei anzuführen, dass die Führerscheinbefristung nur auf Grund medizinischer Befunde und nicht wegen der strafrechtlichen Verurteilung ausgesprochen worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1. Die im Beschwerdefall einschlägigen Bestimmungen des FSG lauten (auszugsweise):

"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung

§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:

...

2. verkehrszuverlässig sind,

...

Verkehrszuverlässigkeit

§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

...

2. sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

...

(3) Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:

...

12. eine strafbare Handlung gemäß §§ 28 Abs. 2 bis 5 oder 31 Abs. 2 Suchtmittelgesetz-SMG, BGBl. I Nr. 112/1997, begangen hat;

...

Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung Allgemeines

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z. 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder

..."

2. § 24 Abs. 1 FSG erlaubt, wie schon seine Vorgängerbestimmung (§ 73 Abs. 1 KFG 1967), die Entziehung oder Einschränkung einer Lenkberechtigung nur dann, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung "nicht mehr gegeben sind". Daraus ist, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat, zu entnehmen, dass eine Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung nur dann in Betracht kommt, wenn seit ihrer Erteilung die Umstände in Bezug auf die Erteilungsvoraussetzungen nach § 3 Abs. 1 Z. 2 bis 4 FSG sich entscheidend geändert haben. Aus der Rechtskraft der Erteilung der Lenkberechtigung folgt, dass bei im Wesentlichen unverändertem Sachverhalt in Bezug auf die Erteilungsvoraussetzungen die Lenkberechtigung nur als Folge einer Wiederaufnahme des Erteilungsverfahrens durch Abweisung des Erteilungsantrags oder Erteilung einer eingeschränkten Lenkberechtigung der Sache nach entzogen oder eingeschränkt werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 2003, Zl. 2002/11/0164 mwN; vgl. auch zur Entziehung einer Waffenbesitzkarte nach dem WaffG das hg. Erkenntnis vom 26. November 2003, Zl. 99/20/0489).

Die dem angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegte bestimmte Tatsache gemäß § 7 Abs. 3 Z. 12 FSG, auf die die belangte Behörde die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers gestützt hat, ist die Begehung eines Verbrechens nach § 28 Abs. 2 SMG. Der Beschwerdeführer hat die das Verbrechen nach § 28 Abs. 2 SMG darstellenden Tathandlungen nach der Feststellung der belangten Behörde in der Zeit von 1997 bis 2000 gesetzt, also in der Zeit vor der zuletzt erfolgten Erteilung einer Lenkberechtigung am 7. Jänner 2003. In Ansehung der Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers hat sich somit der maßgebliche Sachverhalt seit der Erteilung der Lenkberechtigung nicht geändert, weshalb nach dem zuvor Gesagten nur allenfalls die amtswegige Wiederaufnahme des Erteilungsverfahrens in Betracht gekommen wäre. Die auf § 24 Abs. 1 Z. 1 FSG gestützte Entziehung der Lenkberechtigung erweist sich aus diesem Grund als inhaltlich rechtswidrig.

Die oben wieder gegebenen Ausführungen der belangten Behörde zum Einwand des Beschwerdeführers in seiner Berufung, eine Befristung seiner Lenkberechtigung sei bereits auf Grund der rechtskräftigen Verurteilung des Landesgerichts Klagenfurt vom 23. Mai 2001 erfolgt, die "Führerscheinbefristung" sei nur auf Grund medizinischer Befunde und nicht wegen der strafrechtlichen Verurteilung ausgesprochen worden, zeigt, dass die belangte Behörde die oben wieder gegebene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entweder nicht kennt oder sie ignoriert.

Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

4. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Ausspruch über den Antrag, der Verwaltungsgerichtshof wolle der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkennen.

Wien, am 20. April 2004

Schlagworte

Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2004110020.X00

Im RIS seit

04.06.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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