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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Pallitsch, Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des A in S, vertreten durch Egger & Musey Rechtsanwälte Kommandit - Partnerschaft in 5020 Salzburg, Imbergstrasse 26, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 30. Juli 2002, Zl. 20504-14/1929/4-2002, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bunde Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 5. Mai 2000 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 4 in Verbindung mit § 8 Führerscheingesetz (FSG) und § 23 Abs. 2 Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung aufgefordert, binnen vier Monaten ein amtsärztliches Gutachten über seine gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen beizubringen. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 5. Dezember 2000 wurde dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung für Kraftfahrzeuge im gesamten Berechtigungsumfang bis zur Beibringung des amtsärztlichen Gutachtens im Grunde der §§ 26 Abs. 5, 28 und 29 Abs. 3 FSG entzogen. Am 17. Dezember 2001 unterzog sich der Beschwerdeführer einer amtsärztlichen Untersuchung nach § 8 FSG.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Salzburg - Umgebung vom 15. April 2002 wurde - soweit für das Beschwerdeverfahren von Bedeutung - dem Beschwerdeführer "die Lenkberechtigung für Kraftfahrzeuge im gesamten Berechtigungsumfang für die Dauer der gesundheitlichen Nichteignung" entzogen. Die aufschiebende Wirkung einer Berufung gegen diesen Bescheid wurde ausgeschlossen. Die Behörde stützte ihre Entscheidung auf die "§§ 24 , 25, 29 (3) und 8 Führerscheingesetz (FSG)".
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den letztgenannten Bescheid "hinsichtlich Entziehung der Lenkberechtigung gemäß §§ 24 Abs. 1 Z. 1 und 25 Abs. 2 FSG iVm § 8 Abs. 3 Z. 4 FSG keine Folge gegeben".
In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, die ausgesprochene Entziehung der Lenkberechtigung gründe sich auf das amtsärztliche Gutachten vom 15. April 2002 und die verkehrspsychologische Stellungnahme des Kuratoriums für Verkehrssicherheit, Landesstelle Salzburg, vom 8. April 2002. Im amtsärztlichen Gutachten, welches als wesentliche Beurteilungshilfe die verkehrspsychologische Stellungnahme heranziehe, werde in schlüssiger Weise ausgeführt, dass beim Beschwerdeführer die "kraftfahrspezifischen Leistungen" nicht mehr in ausreichendem Maße ausgebildet seien, sodass dessen gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen A und B derzeit nicht gegeben sei. Die von der Behörde erster Instanz gewählte Spruchfassung entspräche den gesetzlichen Voraussetzungen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung dieser Beschwerde mit Beschluss vom 10. Juni 2003, B 1434/02-8, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur weiteren Behandlung abgetreten.
Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer "in seinem einfachgesetzlichen Recht auf Entscheidung seiner Verwaltungssache durch die zuständige Behörde verletzt. Weiters ist der Beschwerdeführer in seinem einfach gesetzlich gewährleisteten Recht verletzt, dass bei einem ausgesprochenen Entzug der Lenkerberechtigung die Entzugsdauer unter Berücksichtigung des Kalendariums bzw. eines Monats- bzw. Jahresrechenwerks auf Basis eines eingeholten Gutachtens vorgenommen wird. Darüber hinaus ist der Beschwerdeführer in seinem einfach gesetzlich gewährleisteten Recht auf Sachentscheidung durch die Berufungsbehörde (d. i. die belangte Behörde) verletzt."
Die belangte Behörde legte Teile des Verwaltungsaktes vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des Führerscheingesetzes - FSG, BGBl. I Nr. 120/1997, in der hier anzuwendenden Fassung vor der 5. Führerscheingesetznovelle, BGBl. I Nr. 81/2002, von Bedeutung:
"Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung Allgemeines
§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z. 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder ...
...
(4) Vor der Entziehung oder Einschränkung der Gültigkeit der Lenkberechtigung wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung ist ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8, vor der Entziehung wegen mangelnder fachlicher Befähigung ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen.
Dauer der Entziehung
§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.
(2) Bei einer Entziehung wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung ist die Dauer der Entziehung auf Grund des gemäß § 24 Abs. 4 eingeholten Gutachtens für die Dauer der Nichteignung festzusetzen.
..."
Der Beschwerdeführer vertritt - ohne nähere Begründung - die Rechtsauffassung, die belangte Behörde habe mit dem Ausspruch, der Berufung werde "hinsichtlich Entziehung der Lenkberechtigung gemäß §§ 24 Abs. 1 Z. 1 und 25 Abs. 2 FSG iVm § 8 Abs. 3 Z. 4 FSG keine Folge gegeben" keine Sachentscheidung im Sinne des § 66 AVG getroffen.
Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Berufungsbehörde - von den hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmefällen abgesehen - immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60 AVG) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
Die Verpflichtung der Berufungsbehörde zur Sachentscheidung nach § 66 Abs. 4 AVG verlangt keinen ausdrücklichen Abspruch über die Berufung im Sinne einer Stattgebung oder Abweisung, vielmehr genügt es, wenn sich dies aus der getroffenen Sachentscheidung ergibt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1995, Zl. 95/04/0029). Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ergibt sich zweifelsfrei, dass die Berufung des Beschwerdeführers gegen die von der Behörde erster Instanz ausgesprochene Entziehung der Lenkberechtigung abgewiesen und demnach in der Sache zur Gänze erledigt wurde. Eine Formulierung in der Berufungsentscheidung, die zum Ausdruck bringt, dass der Berufung nicht Folge gegeben wird, ist im Allgemeinen als Erlassung eines mit dem erstinstanzlichen Bescheid übereinstimmenden Bescheides anzusehen (vgl. die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, E 199 c. zu § 66 AVG, Seite 931, referierte hg. Rechtsprechung) und entspricht daher einer Entscheidung in der Sache gemäß § 66 Abs. 4 AVG.
Nach Auffassung des Beschwerdeführers sei die belangte Behörde zur Entscheidung über die Berufung unzuständig gewesen, weil die Zuständigkeitsbestimmung des § 123 Kraftfahrgesetz 1967 nicht aufgehoben worden sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom 20. Februar 2001, Zl. 2001/11/0036, auf welches gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, näher begründet ausgeführt, dass durch das FSG den die Erteilung und die Entziehung von Lenkerberechtigungen regelnden Bestimmungen des KFG 1967 einschließlich der dazu enthaltenen Verfahrensvorschriften materiell derogiert wurde. Im Hinblick auf die Übergangsvorschrift des § 41 Abs. 1 FSG ist für die nach dem Inkrafttreten des FSG anhängig gewordenen Verfahren betreffend die in diesem Gesetz geregelten Angelegenheiten die durch dieses Gesetz geschaffene Rechtslage maßgebend. In diesen Verfahren endet demnach im Rechtsmittelverfahren gemäß § 35 Abs. 1 FSG der Instanzenzug beim Landeshauptmann. Die mit dem Verwaltungsreformgesetz 2001, BGBl. I Nr. 65/2002, erfolgten Änderungen der § 35 Abs. 1 und § 36 Abs. 1 FSG (Zuständigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate im Berufungsverfahren für die im FSG vorgesehenen Amtshandlungen) sind auf den Beschwerdefall nicht anzuwenden, weil gemäß § 41 Abs. 1a FSG in der genannten Fassung für die zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des Verwaltungsreformgesetzes 2001, BGBl. I NR. 65/2001, (siehe hiezu § 43 Abs. 11 FSG) anhängigen Verfahren die § 35 Abs. 1 und § 36 Abs. 1 FSG in der vorher geltenden Fassung maßgeblich bleiben. Eine Unzuständigkeit der belangten Behörde liegt demnach nicht vor.
Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides erblickt der Beschwerdeführer auch darin, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht ausdrücklich einen Zeitraum für die Entziehung der Lenkberechtigung angegeben hat. Der Bescheidspruch des angefochtenen Bescheides sei daher zu unbestimmt.
§ 25 Abs. 2 FSG sieht vor, dass bei einer Entziehung wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung die Dauer der Entziehung auf Grund des gemäß § 24 Abs. 4 FSG eingeholten Gutachtens für die Dauer der Nichteignung festzusetzen ist. Diese Bestimmung ermöglicht für jene Fälle, in denen die Dauer der Nichteignung im Zeitpunkt der Bescheiderlassung genau bestimmbar ist, eine Festsetzung der Entziehungsdauer mit einem bestimmten Zeitraum. In jenen Fällen aber, in denen dies nicht möglich ist, ist die Dauer der Entziehung für die Dauer der Nichteignung festzusetzen. In solchen Fällen bedarf es eines ärztlichen Gutachtens, um die Wiedererlangung der gesundheitlichen Eignung annehmen zu können. Die Festsetzung der Entziehungsdauer für die Dauer der gesundheitlichen Nichteignung bedeutet, dass die Entziehungsdauer mit der Wiedererlangung der gesundheitlichen Eignung endet (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 2003, Zl. 2002/11/0060).
Der angefochtene Bescheid erweist sich somit im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte als frei von Rechtsirrtum.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG, in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Der Kostenzuspruch erfolgte im begehrten Umfang.
Wien, am 20. April 2004
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des BerufungsbescheidesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2003110180.X00Im RIS seit
28.05.2004