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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VStG §51e Abs1 idF 2002/I/056;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel-Lanz, über die Beschwerde des FB in P, vertreten durch Dr. Michael Vallender, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Paulanergasse 14, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 12. August 2003, Zl. Senat-PP-03-0050, betreffend Übertretungen 1) der Straßenverkehrsordnung 1960 und 2) des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:
Spruch
Spruchpunkt 1) des angefochtenen Bescheides wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 12. August 2003 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 20. Dezember 2002 um 00.20 Uhr in S ein dem Kennzeichen nach näher bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt
1) mit einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,87 mg/l, somit in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand, und
2) die Windschutzscheibe nicht vom Eis gereinigt, wodurch er vom Lenkerplatz aus keine einwandfreie (gemeint wohl: ausreichende) Sicht zum sicheren Lenken des Kfz gehabt habe.
Er habe Übertretungen gemäß zu 1) § 5 Abs. 1 zweiter Satz StVO und 2) § 102 Abs. 2 KFG begangen. Es wurden Geldstrafen in der Höhe von zu 1) EUR 1.162,--, zu 2) EUR 72,-- (im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde aus, bereits die Behörde erster Instanz habe zu den Angaben des Beschwerdeführers Ermittlungen durchgeführt. Spätere Einwände des Beschwerdeführers stünden mit seinen anfänglichen Angaben nicht im Einklang. Zudem sei auf die Ausführungen in der Begründung des Bescheides der Behörde erster Instanz zu verweisen. Zur Unterlassung der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung führte die belangte Behörde aus, dass diese gemäß § 51e Abs. 3 VStG habe unterbleiben können, "da lediglich Geldstrafen verhängt wurden, die EUR 500,-- nicht übersteigen".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer rügt unter anderem die Unterlassung der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung. Er habe - zusammengefasst - bereits im Verwaltungsverfahren, so auch in der Berufung, den bei ihm festgestellten Atemluftalkoholwert mit unterschiedlichen Argumenten bestritten. Mit diesem Vorbringen ist er hinsichtlich Spruchpunkt 1) im Recht.
§ 51e Abs. 1 bis 5 VStG in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2002 lautet (auszugsweise):
"§ 51e. (1) Der unabhängige Verwaltungssenat hat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
(2) Die Verhandlung entfällt, wenn
1. der Antrag der Partei oder die Berufung zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist;
2. der Devolutionsantrag zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
(3) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von einer Berufungsverhandlung absehen, wenn
1. in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder
2.
sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet oder
3.
im angefochtenen Bescheid eine 500 Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde oder
4. sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet
und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat. Der Berufungswerber hat die Durchführung einer Verhandlung in der Berufung zu beantragen. Etwaigen Berufungsgegnern ist Gelegenheit zu geben, einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
(4) Der unabhängige Verwaltungssenat kann ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn er einen verfahrensrechtlichen Bescheid zu erlassen hat, die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten lässt, und dem nicht Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, entgegensteht.
(5) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
..."
Da der Sachverhalt bestritten wurde, auch kein Fall des § 51e Abs. 3 Z. 4 VStG vorlag und zu Spruchpunkt 1) eine über der Grenze von EUR 500,-- liegende Geldstrafe verhängt wurde, kam keiner der Tatbestände des § 51e Abs. 3 VStG in Betracht. Ein Verzicht auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung lag nicht vor.
Die belangte Behörde wäre daher verpflichtet gewesen, gemäß § 51e Abs. 1 VStG eine Verhandlung durchzuführen, was sie unterlassen hat.
Da somit Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid in seinem Spruchpunkt 1) gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Hingegen wurde zu Spruchpunkt 2) lediglich eine Geldstrafe von EUR 72,-- verhängt. Der Beschwerdeführer hat in der Berufung nicht die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Die belangte Behörde durfte daher zu Recht in diesem Punkt, gestützt auf § 51e Abs. 3 Z. 3 VStG, ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden.
Die vom Beschwerdeführer gegen diesen Spruchpunkt in der Beschwerde vorgebrachten weiteren Ausführungen ("Einholung eines meteorogischen und eines kraftfahrtechnischen Gutachtens") sind angesichts der klaren Zeugenaussagen (im Verfahren vor der Behörde erster Instanz) der beiden anzeigenden Organe der Straßenaufsicht, die den Beschwerdeführer als Lenker seines Fahrzeuges wahrgenommen haben, dessen Scheiben während der Fahrt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1997, Zl. 97/03/0021) bis auf eine Stelle im Bereich des Lenkers in der Größe von ca. 20 x 20 cm völlig vereist gewesen seien, geradezu als mutwillig zu bezeichnen und nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides in diesem Punkt aufzuzeigen, hat doch der Beschwerdeführer selbst vorgebracht, es hätten zur Tatzeit "außergewöhnlich tiefe Temperaturen geherrscht".
Die Beschwerde war daher insoweit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 20. April 2004
Schlagworte
"zu einem anderen Bescheid" Verfahrensbestimmungen BerufungsbehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2003020221.X00Im RIS seit
28.05.2004