TE Vwgh Erkenntnis 2004/4/20 2004/11/0015

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Veröffentlicht am 20.04.2004
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Führerscheingesetz;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §19;
FSG 1997 §24 Abs4 idF 2002/I/129;
FSG 1997 §26 Abs5;
FSG 1997 §3 Abs1 Z3;
FSG 1997 §8;
KFG 1967 §75 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Pallitsch, Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde der E in W, vertreten durch Mag. Christian Tropsch, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Naglergasse 6, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 12. September 2003, Zl. MA 65 - 2590/2003, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bunde hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 9. Mai 2003 wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 24 Abs. 4 Führerscheingesetz (FSG) aufgefordert, sich binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Bescheides einer amtsärztlichen Untersuchung im Verkehrsamt der Bundespolizeidirektion Wien zu unterziehen. Für den Fall der Nichtbefolgung der Anordnung wurde die Entziehung der Lenkberechtigung angedroht. Die dagegen erhobene Beschwerde der auch hier beschwerdeführenden Partei wurde mit hg. Erkenntnis Zl. 2003/11/0243 als unbegründet abgewiesen.

Mit dem nunmehr angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 24 Abs. 1 in Verbindung mit § 24 Abs. 4 FSG die Lenkberechtigung "bis zur Beibringung des amtsärztlichen Gutachtens über Ihre gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen" entzogen. Gemäß § 32 Abs. 1 Z. 1 FSG wurde der Beschwerdeführerin das Lenken von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen oder Invalidenkraftfahrzeugen für den genannten Zeitraum verboten. In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe der mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 9. Mai 2003 ausgesprochenen Aufforderung bisher nicht entsprochen. Durch die Unterlassung der amtsärztlichen Untersuchung sei von der Beschwerdeführerin die Erwirkung eines amtsärztlichen Gutachtens gemäß § 8 FSG vereitelt worden. Da mangels Mitwirkung der Beschwerdeführerin ein Nachweis für die gesundheitliche Eignung bisher nicht habe erbracht werden können, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Entziehung der Lenkberechtigung der Beschwerdeführerin stützt sich auf § 24 Abs. 4 letzter Satz FSG.

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof das FSG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 129/2002 maßgeblich.

Die einschlägigen Bestimmungen des FSG lauten (auszugsweise):

"§ 24. ...

(4) Bestehen Bedenken, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ist ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen. Bei Bedenken hinsichtlich der fachlichen Befähigung ist ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung zu entziehen. Leistet der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der festgesetzten Frist einem rechtskräftigen Bescheid, mit der Aufforderung, sich ärztlich untersuchen zu lassen, die zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen oder die Fahrprüfung neuerlich abzulegen, keine Folge, ist ihm die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen."

Für die Erlassung eines Bescheides nach § 24 Abs. 4 letzter Satz FSG ist erforderlich, dass der Besitzer einer Lenkberechtigung einer an ihn rechtskräftig ergangenen Aufforderung bis zur Erlassung des Entziehungsbescheides erster Instanz keine Folge geleistet hat. Es handelt sich hiebei um eine Entziehung sui generis (sog. Formalentziehung). Mit dieser Reglung wurde für das Verfahren betreffend die Entziehung der Lenkberechtigung eine lex specialis zu § 19 AVG geschaffen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 19. Mai 1998, Zl. 98/11/0116, und vom 27. November 2001, Zl. 2001/11/0307, zur Vorgängerbestimmung des § 75 Abs. 2 KFG, und vom 26. Februar 2002, Zl. 2000/11/0019, zu § 26 Abs. 5 FSG). Die Entziehung der Lenkberechtigung gemäß § 24 Abs. 4 letzter Satz FSG setzt die Rechtskraft des Aufforderungsbescheides voraus (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. April 2002, Zl. 2001/11/0259). Vor einer Entziehung der Lenkberechtigung nach dieser Gesetzesstelle ist daher lediglich zu prüfen, ob ein Aufforderungsbescheid in Rechtskraft erwachsen ist und - nach Ablauf der in diesem Bescheid festgesetzten Frist - bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Entziehungsbescheides die Aufforderung befolgt wurde oder nicht. Die Rechtmäßigkeit des rechtskräftigen Aufforderungsbescheides kann jedoch im Entziehungsverfahren nicht mehr überprüft werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 2003, Zl. 2001/11/0179).

Die Beschwerdeführerin führt unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit aus, dass der Spruch des Entziehungsbescheides mit dem Spruch des Aufforderungsbescheides nicht in Einklang zu bringen sei. Im Aufforderungsbescheid werde ihr aufgetragen, sich binnen zwei Wochen einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen. Im angefochtenen Entziehungsbescheid werde jedoch ausgesprochen, dass ihr die Lenkberechtigung bis zur Beibringung des amtsärztlichen Gutachtens entzogen werde.

Mit diesem Vorbringen befindet sich die Beschwerdeführerin im Ergebnis im Recht.

Dem angefochtenen, auf § 24 Abs. 4 letzter Satz FSG gestützten Entziehungsbescheid liegt die Einleitung eines Verfahrens zur Entziehung der Lenkberechtigung der Beschwerdeführerin zu Grunde, weil Bedenken bestehen, ob die Voraussetzungen ihrer gesundheitlichen Eignung im Sinne des § 3 Abs. 1 Z. 3 FSG noch gegeben sind. In einem solchen Fall ist gemäß § 24 Abs. 4 erster Satz FSG ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 FSG einzuholen. Der von der belangten Behörde in der Gegenschrift vertretenen Auffassung, dass der Zweck des dem angefochtenen Entziehungsbescheid zu Grunde liegenden Aufforderungsbescheides gemäß § 24 Abs. 4 FSG, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, darin liegt, die notwendige Erstellung des amtsärztlichen Gutachtens im Sinne des § 8 FSG zu ermöglichen, ist zwar zuzustimmen. Das zur Überprüfung der gesundheitlichen Eignung des Lenkberechtigten im Rahmen des Entziehungsverfahrens eingeleitete Aufforderungsverfahren gemäß § 24 Abs. 4 FSG zielt nämlich darauf ab, die gesetzlich geforderte Vorlage des amtsärztlichen Gutachtens sicherzustellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 2003, Zl. 2001/11/0179, u. a.).

Dies ändert jedoch nichts daran, dass nach dem unmissverständlichen Wortlaut des § 24 Abs. 4 letzter Satz FSG eine darauf gestützte Entziehung der Lenkberechtigung nur "bis zur Befolgung der Anordnung" ausgesprochen werden kann. Dies ist im Beschwerdefall der Zeitraum bis zur amtsärztlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin. Durch die Anordnung der Dauer der Entziehung "bis zur Beibringung des amtsärztlichen Gutachtens" ist daher die Beschwerdeführerin in ihren Rechten verletzt, weil sie mit der von ihr ermöglichten amtsärztlichen Untersuchung die im Aufforderungsbescheid aufgetragene Verpflichtung zur Gänze erfüllt und der Zeitpunkt der Erstattung des Gutachtens durch den Amtsarzt nicht von ihr beeinflusst werden kann.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG, in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Der Kostenzuspruch erfolgte im begehrten Umfang.

Wien, am 20. April 2004

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2004110015.X00

Im RIS seit

01.06.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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