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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ASchG 1994 §118 Abs3 idF 1995/457;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel-Lanz, über die Beschwerde des KB in M, vertreten durch Dr. Erwin Höller und Dr. Reinhold Lingner, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Lederergasse 27, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 18. September 2003, Zl. VwSen-280353/31/Ga/He, betreffend Übertretung der Bauarbeiterschutzverordnung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Betreffend den Verfahrensgang wird zur Vermeidung von Wiederholungen vorweg auf das hg. Erkenntnis vom 16. Juni 2003, Zl. 99/02/0277, hingewiesen, mit dem der in gegenständlicher Sache ergangene Bescheid der belangten Behörde vom 30. Juli 1999 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben worden war.
Mit dem nunmehr angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen (Ersatz-)Bescheid der belangten Behörde vom 18. September 2003 wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe als zur Vertretung nach außen Berufener der B Baugesellschaft m.b.H., Sitz in der Gemeinde M, in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer dieser Gesellschaft verwaltungsstrafrechtlich dafür einzustehen, dass, wie von einem Arbeitsinspektor am 11. Jänner 1997 bei einer Unfallerhebung auf der Baustelle in L festgestellt worden sei, an diesem Tag von dieser Gesellschaft bei Abbrucharbeiten im westlichen Teil dieser Arbeitsstätte ein Bagger, Typ Komatsu PC30, ohne Schutzdach eingesetzt worden sei, obwohl dabei eine Gefährdung durch herabfallende schwere Gegenstände (Ytong-Deckenplatten) bestanden habe, aber für derartige Arbeiten nur Bagger und Lader verwendet werden dürften, die mit einem stabilen Schutzdach für den Fahrersitz ausgerüstet seien.
Der Beschwerdeführer habe dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt: "§§ 113 Abs. 2 Z 1, 161 der Bauarbeiterschutzverordnung - BauV, BGBl. Nr. 340/1994, in Verbindung mit §§ 130 Abs. 5 Z 1 und 118 Abs. 3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz - ASchG, BGBl. Nr. 450/1994 idF. BGBl. Nr. 457/1995". Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 720,-- (Ersatzfreiheitsstrafe fünf Tage) verhängt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die hier maßgeblichen Bestimmungen der BauV lauten:
"16. Abschnitt: Abbrucharbeiten
§ 113: Einsatz von Maschinen
(1) Bei Abbrucharbeiten unter Einsatz von Maschinen, wie Bagger oder Lader, muss zum abzubrechenden Bauwerk ein waagrechter Sicherheitsabstand eingehalten werden, der
1. bei Abbruch durch Einreißen mindestens das dreifache der Geschoßhöhe,
2. bei den übrigen Abbruchmethoden mindestens das 1,5fache der Geschoßhöhe
beträgt.
(2) Wenn eine Gefährdung durch herabfallende schwere Gegenstände besteht, dürfen nur Bagger und Lader verwendet werden,
1. die mit einem stabilen Schutzdach für den Fahrersitz ausgerüstet sind, und
2. deren vorderen Scheiben der Fahrerkabine mit einem Schutzgitter gesichert sind und alle Scheiben aus Sicherheitsglas bestehen.
(3) Hammerbohrmaschinen, Hydraulikhämmer und Bohrhämmer dürfen zu Abbrucharbeiten nur verwendet werden, wenn dadurch andere Bauteile nicht gefährlich erschüttert werden. Hammerbohrmaschinen, Hydraulikhämmer und Bohrhämmer dürfen nur von festem Boden oder standsicheren Plätzen aus betrieben werden.
§ 161: Strafbestimmungen
Übertretungen dieser Verordnung sind nach § 130 Abs. 5 Z 1 ASchG zu bestrafen."
Zunächst rügt der Beschwerdeführer, die belangte Behörde habe zwar eine mündliche Verhandlung durchgeführt, sei jedoch "inhaltlich" dem Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes im oben genannten Erkenntnis vom 16. Juni 2003 nicht nachgekommen, weil
"Gegenstand der mündlichen Berufungsverhandlung ... insbesondere
die Einvernahme der vom Beschwerdeführer beantragten Zeugen P und R gewesen" wäre. Damit verkennt der Beschwerdeführer den Inhalt des genannten Erkenntnisses, denn der Verwaltungsgerichtshof hat darin keineswegs verpflichtend ausgesprochen, welche Zeugen in der durchzuführenden mündlichen Verhandlung von der belangten Behörde zu vernehmen seien. Es stand der belangte Behörde daher - im Rahmen der Verfahrensvorschriften -
frei, Beweis auch durch andere Beweismittel, wie etwa durch Heranziehung der für das Bezirksgericht Linz angefertigten Lichtbildbeilage, zu führen.
Der Beschwerdeführer führt selbst aus, dass diese Lichtbildbeilage in der mündlichen Verhandlung erörtert wurde. Er bestreitet nicht, dass diese Lichtbilder den Zustand an der Abbruchbaustelle in objektiv richtiger Weise wiedergeben.
Die belangte Behörde durfte schon auf Grund dieser Lichtbilder zu Recht davon ausgehen, dass es sich bei den gegenständlichen Arbeiten um Abbrucharbeiten im Sinne der BauV handelt. Denn die Lichtbilder zeigen unzweifelhaft den Zustand eines teilweisen Abbruches des abgebildeten Objekts.
Wie die belangte Behörde richtig ausführt, ist der Begriff "Abbrucharbeiten" weder in der BauV noch im AschG definiert, weil der Gesetzgeber den Inhalt dieses in der Bauwelt häufig stattfindenden Vorganges als allgemein bekannt vorausgesetzt hat. Das Nachschlagewerk Brockhaus, Die Enzyklopädie, 20. Auflage, 1996, enthält folgende Definition:
"Abbruch, 1) Bautechnik, Recht: das Beseitigen von Bauwerken durch Abbrechen oder Sprengen und Entfernen des anfallenden Schutts; ..."
Dass im Zuge des gegenständlichen Abbruches auch "das bereits am Boden befindliche Bruchmaterial" zerkleinert und abtransportiert werden musste, ist damit - entgegen der geradezu als spitzfindig zu bezeichnenden Ansicht des Beschwerdeführers - keinesfalls einer eigenen rechtlichen Bewertung zugänglich, sondern diese letztgenannten Tätigkeiten waren Teil des gesamten Abbruchprozesses.
Die beantragte Einvernahme der Zeugen P und R zum Thema, dass nur "das bereits am Boden befindliche Bruchmaterial" mit dem gegenständlichen Bagger zerkleinert und abtransportiert werden sollte, ist daher entbehrlich. Ob dieser tatsächliche Vorgang "Abbrucharbeiten" darstellt, ist aber eine Rechtsfrage und daher einem Beweis über Tatsachen nicht zugänglich.
Zum Begriff "Gefährdung" im Sinne des § 113 Abs. 2 BauV verkennt der Beschwerdeführer, dass dieser Begriff gerade im Hinblick auf den bereits im Titel der BauV enthaltenen Schutzzweck, nämlich der Vermeidung möglicher Gefahren für Bauarbeiter ("Vorschriften zum Schutz des Lebens, der Gesundheit und der Sittlichkeit der Arbeitnehmer bei Ausführung von Bauarbeiten"), in weitem Sinne zu verstehen ist. Wie die belangte Behörde zutreffend feststellt, ist auf den Lichtbildern Nr. 3 und 4 sogar ein bereits in Schräglage befindliches Deckenelement zu erkennen; daraus und aus dem Gesamtzustand der Abbruchbaustelle ergibt sich auch nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes jedenfalls offensichtlich, dass eine Gefährdung durch herabfallende schwere Deckenelemente bestand.
Des Weiteren behauptet der Beschwerdeführer, er habe ein taugliches Kontrollsystem dargetan und rügt in diesem Zusammenhang die unterlassene Einvernahme beantragter Zeugen.
Wie das behauptete Kontrollsystem ausgesehen habe, wurde vom Beschwerdeführer nicht in Form eines eigenen Tatsachenvorbringens, sondern im Zuge eines in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Beweisthemas zur beantragten Einvernahme des Zeugen R erstattet. Dieses Beweisthema wurde im angefochtenen Bescheid auf S 7 wörtlich wiedergegeben. Es läuft im Endeffekt auch darauf hinaus, dass der im gegenständlichen Fall verunfallte Arbeitnehmer trotz Weisungen, Schulungen und der Möglichkeit, die Durchführung von Abbrucharbeiten ohne entsprechende sicherheitstechnische Vorkehrung zu verweigern, eigenmächtig gehandelt habe.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich schon wiederholt mit Fällen (behaupteter) eigenmächtiger Handlungen von Arbeitnehmern befasst und in diesem Zusammenhang ausgesprochen, dass die Erteilung von Weisungen, die Arbeitnehmerschutzvorschriften einzuhalten, den Arbeitgeber bzw. den zur Vertretung nach außen Berufenen oder verantwortlichen Beauftragten nur dann entschuldigt, wenn er behauptet und glaubhaft macht, dass er Maßnahmen ergriffen hat, um die Einhaltung der von ihm erteilten Anordnungen betreffend die Beachtung von Arbeitnehmerschutzvorschriften zu gewährleisten, insbesondere auch welche Kontrollen er eingerichtet und wie er sich vom Funktionieren des Kontrollsystems informiert hat. Auch entspricht es der ständigen hg. Rechtsprechung, dass gerade für den Fall eigenmächtiger Handlungen von Arbeitnehmern gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften das entsprechende Kontrollsystem Platz zu greifen hat (vgl. zum Ganzen zB. das hg. Erkenntnis vom 5. September 1997, Zl. 97/02/0182).
Im genannten Vorbringen des Beschwerdeführers ist allerdings ein Kontrollsystem nur abstrakt umschrieben, ohne dass jedoch dargelegt worden wäre, wie dieses Kontrollsystem im Einzelnen auf der gegenständlichen Baustelle funktionieren hätte sollen (vgl. näher zum Kontrollsystem das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1996, Zl. 93/02/0160). Die belangte Behörde ging daher zu Recht davon aus, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, mangelndes Verschulden darzutun. Wenn der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang die Unterlassung der Einvernahme der beantragten Zeugen rügt, so verkennt er, dass diese nur zum Beweis des vom Beschwerdeführer bereits behaupteten Kontrollsystems hätten einvernommen werden müssen. Mit der in der Beschwerde aufgestellten Behauptung, "es könne nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass bei der zeugenschaftlichen Einvernahme des L nicht jenes Maßnahmensystem konkret hervorgekommen wäre, welches nach Auffassung des UVS vom Beschwerdeführer hätte errichtet worden sein müssen, um die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften zu garantieren, auch wenn dies nicht in der Verhandlung entsprechend vorgebracht wurde", fordert der Beschwerdeführer die Aufnahme eines unzulässigen Erkundungsbeweises. Abschließend zu dieser Rüge ist dem Beschwerdeführer noch zu antworten, dass es nicht Aufgabe der Behörde ist, ihm Anleitungen dahingehend zu geben, wie ein funktionierendes Kontrollsystem aussehen müsste, sondern nur zu überprüfen, ob das behauptete Kontrollsystem ausreichend gestaltet ist, um mangelndes Verschulden darzutun (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1996, Zl. 93/02/0160).
Der Beschwerdeführer bringt noch vor, es sei Verfolgungsverjährung eingetreten, weil ihm in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 23. Jänner 1997 nicht vorgeworfen worden sei, er habe die Tat "als der zur Vertretung nach außen Berufene der B GmbH" begangen. Bei verständiger Würdigung dieser Verfolgungshandlung, die im Kopf des Schreibens nach dem Namen des Beschwerdeführers den Zusatz "als handelsrechtlichen Geschäftsführer und somit verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen der B GmbH" anführt, und nach der Überschrift "Aufforderung zur Rechtfertigung" mit "Es wird Ihnen zur Last gelegt ..." fortsetzt, kann aber dieser Ansicht des Beschwerdeführers nicht gefolgt werden, weil mit dieser Verfolgungshandlung klargestellt wurde, in welcher Funktion dem Beschwerdeführer die gegenständliche Übertretung zur Last gelegt wurde. Im Übrigen ist es für die Tauglichkeit einer Verfolgungshandlung ohnedies gleichgültig, ob der Beschuldigte die Tat in eigener Verantwortung oder als zur Vertretung nach außen berufenes Organ einer Gesellschaft oder als verantwortlicher Beauftragter zu verantworten hat. Dies ist nicht Sachverhaltselement der ihm zur Last gelegten Übertretung, sondern ein die Frage der Verantwortlichkeit betreffendes Merkmal der von Anfang als beschuldigt angesprochenen Person, das aber auf die Vollständigkeit der Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 VStG ohne Einfluss ist. Es wäre daher nicht rechtswidrig und läge selbst dann keine Verjährung vor, wenn dem Beschuldigten erstmals im Berufungsbescheid, und zwar nach Ablauf der Frist des § 31 Abs. 2 VStG vorgeworfen worden wäre, die Übertretung in seiner Eigenschaft als Verantwortlicher nach § 9 VStG begangen zu haben (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1997, Zl. 96/09/0328).
Der Beschwerdeführer meint weiters, es liege Verfolgungsverjährung vor, weil keine Verfolgungshandlung gemäß § 32 Abs. 2 VStG den Tatort, nämlich den Sitz der B GmbH enthalte. Der Beschwerdeführer übersieht, dass in der bereits genannten Aufforderung zur Rechtfertigung vom 23. Jänner 1997 ausgeführt ist, bei einer Unfallerhebung an einer näher bezeichneten Baustelle sei "von Ihrem Unternehmen" (bei verständiger Würdigung des Gesamtinhaltes dieses Schreibens also des Unternehmens "B GmbH") der gegenständliche Bagger eingesetzt und die näher umschriebene Übertretung begangen worden. Überdies genügt es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei Übertretungen von Arbeitnehmerschutzvorschriften für den Ausschluss der Verfolgungsverjährung ohnedies, wenn sich die Verfolgungshandlung auf die konkrete Filiale bezieht, in der die Übertretung von Arbeitnehmerschutzvorschriften stattgefunden hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1997, Zl. 95/11/0327). Dieser Rechtssatz ist auch hier anzuwenden (wobei es an Stelle der "Filiale" hier auf die "Baustelle" ankommt), weil dem Inhalt der Aufforderung zur Rechtfertigung zweifelsfrei zu entnehmen war, an welcher Baustelle der B GmbH es zu der dem Beschwerdeführer angelasteten Übertretung gekommen sei.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 20. April 2004
Schlagworte
Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7Spruch der Berufungsbehörde Änderungen des Spruches der ersten InstanzVerantwortung für Handeln anderer Personen Besondere Rechtsgebiete Arbeitsrecht ArbeiterschutzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2003020243.X00Im RIS seit
28.05.2004Zuletzt aktualisiert am
04.05.2016