Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
FSG 1997 §25 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Pallitsch, Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des A in H, vertreten durch Winkler - Heinzle, Rechtsanwaltspartnerschaft in 6900 Bregenz, Gerberstraße 4, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 8. Jänner 2003, Zl. Ib-277-69/2002, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 8. April 2002 wurde gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1, § 7 Abs. 1 und 3 Z. 1 und § 25 Abs. 1 FSG dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung für die Klasse B für die Dauer von 20 Monaten, gerechnet ab der Zustellung dieses Bescheides (welche am 10. April 2002 erfolgte) entzogen (Spruchpunkt I). Gemäß § 24 Abs. 3 FSG wurde als begleitende Maßnahme eine Nachschulung angeordnet und es wurde ausgesprochen, dass gemäß § 25 Abs. 3 FSG die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung dieser Anordnung ende (Spruchpunkt II). Ferner sprach die Erstbehörde aus, dass gemäß § 29 Abs. 3 FSG nach Eintritt der Vollstreckbarkeit des Entziehungsbescheides der über die entzogene Lenkberechtigung ausgestellte Führerschein unverzüglich der Bezirkshauptmannschaft Bregenz oder der nächsten Dienststelle des öffentlichen Sicherheitsdienstes abzuliefern sei (Spruchpunkt III.), und dass gemäß § 64 Abs. 2 AVG einer allfälligen Berufung gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt werde (Spruchpunkt IV).
Mit dem nun angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 8. Jänner 2003 wurde der Berufung des Beschwerdeführers teilweise Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid dahin abgeändert, dass die zum Spruchpunkt I gemäß § 25 Abs. 1 und 3 FSG ausgesprochene Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung von 20 Monaten auf sieben Monate herabgesetzt werde; Spruchpunkt II des Erstbescheides habe ersatzlos zu entfallen; hinsichtlich der Spruchpunkte III und IV des erstinstanzlichen Bescheides wurde der Berufung keine Folge gegeben.
Die belangte Behörde führte zur Begründung ihrer Entscheidung im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe am 12. November 2001 gegen 06.00 Uhr einen nach dem Kennzeichen bestimmten PKW in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand von der Table-Dance-Bar "Heustadl" in R über die B 201 und in weiterer Folge zum Haus Estraße Nr. 56 gelenkt, wo er einen Kollegen habe aussteigen lassen. Anschließend sei er zu seiner Wohnung nach H gefahren. Die um 10.15 Uhr des 12. November 2001 auf dem Gendarmerieposten Kleinwalsertal durchgeführte Untersuchung seiner Atemluft auf Alkoholgehalt habe einen Wert von 0,2 mg/l Atemalkohol ergeben. Die Rückrechnung laut amtsärztlichem Gutachten habe eine Alkoholisierung von 0,825 Promille zum Zeitpunkt der Fahrt um 6.00 Uhr des 12. November 2001 ergeben. Für diese Tat sei der Beschwerdeführer mit rechtskräftigem Straferkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 18. November 2002 schuldig erkannt und bestraft worden. An dieses rechtskräftige Straferkenntnis sei die belangte Behörde gebunden. Außerdem sei dem Beschwerdeführer bereits am 19. Juni 2001 von der Bezirkshauptmannschaft Bregenz wegen eines Alkoholdeliktes die Lenkberechtigung für den Zeitraum von drei Monaten entzogen worden. Darüber hinaus habe die belangte Behörde die Aussage des Beschwerdeführers anlässlich der Niederschrift vom 12. November 2001 vor dem Gendarmerieposten Kleinwalsertal zu berücksichtigen. Danach bestehe beim Beschwerdeführer offensichtlich ein sorgloser Umgang mit Alkohol. Er habe (vor Antritt der Fahrt vom 12. November 2001) unterschiedliche Mengen Alkohol (unter anderem Martini Bianco und Whisky) getrunken und zwar gleich bei mehreren Gelegenheiten. Auch nach dem Genuss von Alkohol habe er sich "topfit" gefühlt. Die belangte Behörde ging davon aus, dass der Beschwerdeführer eine bestimmte Tatsache gemäß § 7 Abs. 1 und Abs. 3 Z. 1 FSG verwirklicht habe, sie berücksichtigte ferner im Rahmen der Wertung gemäß § 7 Abs. 4 FSG insbesondere die hohe Verwerflichkeit und Gefährlichkeit von Alkoholdelikten und dass dem Beschwerdeführer erst kurz vor dem Vorfall vom 12. November 2001, nämlich mit Bescheid vom 19. Juni 2001 die Lenkberechtigung für die Dauer von drei Monaten wegen eines Alkoholdeliktes entzogen worden war. Es bedürfe daher eines Zeitraumes von sieben Monaten (ab Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides) um wieder die Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers annehmen zu können. Den Ausspruch der Erstbehörde, wonach einer allfälligen Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, billigte die belangte Behörde mit der Begründung, dass die vorzeitige Vollstreckung des Bescheides im Interesse des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzuge geboten sei.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.
Die belangte Behörde nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand; die Verwaltungsakten waren bereits zum gleichfalls den Beschwerdeführer betreffenden hg. Verfahren zur Zl. 2002/11/0105 vorgelegt worden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die im Beschwerdefall einschlägigen Bestimmungen des FSG lauten (auszugsweise):
"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung
§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:
...
2. verkehrszuverlässig sind (§ 7),
...
Verkehrszuverlässigkeit
§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen
1. die Verkehrssicherheit, insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr, Trunkenheit oder einen durch Suchtgift oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder
...
(3) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:
1. ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 bis 1b StVO 1960 begangen hat, auch wenn die Tat nach § 83 Sicherheitspolizeigesetz - SPG, BGBl. Nr. 566/1991, zu beurteilen ist;
...
(4) Für die Wertung der in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.
...
5. Abschnitt
Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung
Allgemeines
§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder
...
Dauer der Entziehung
§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.
...
(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen. ..."
Der Beschwerdeführer bringt vor, "eine Vorstrafe" habe der Gesetzgeber bei Festsetzung der Mindestentziehungsdauer von drei Monaten in § 25 Abs. 3 erster Satz FSG und der "korrespondierenden Ausnahmebestimmung des § 26 Abs. 1 Satz 1 FSG verwertet", der Gesetzgeber betrachte einen Alkoholfahrer mit 0,8 - 1,2 %o nur unter der Voraussetzung gemäß § 25 Abs. 3 FSG für mindestens drei Monate als verkehrsunzuverlässig, dass es sich um die zumindest erste Wiederholungstat handle; der erstmalige Verstoß mit einer Alkoholisierung zwischen 0,8 und 1,2 %o führe gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 FSG zu einer (nur) einmonatigen Entziehung der Lenkberechtigung; der Umstand der erstmals wiederholten Begehung sei daher nicht als "erschwerend" zu berücksichtigen, sondern nur eine rasche Wiederholung des Fehlverhaltens falle zu Lasten des Beschwerdeführers ins Gewicht, was ein mäßiges Überschreiten der Mindestentziehungsdauer - nicht jedoch die hier festgesetzte Zeit -
rechtfertige.
Dem ist zu entgegnen, dass § 26 Abs. 1 erster Satz FSG keine "korrespondierende Ausnahmebestimmung" zu § 25 Abs. 3 erster Satz ist. Eine solche würde voraussetzen, dass beide Bestimmungen als Teil einer stimmigen Gesamtregelung geschaffen wurden. Das ist jedoch nicht der Fall. Sie entstammen zum einen unterschiedlichen Zeitschichten (die Regelung des § 25 Abs. 3 erster Satz FSG fand sich schon in der Stammfassung des KFG 1967, jene des § 26 Abs. 1 erster Satz FSG geht auf eine Bestimmung zurück, die zu einem späteren Zeitpunkt in das KFG 1967 eingefügt wurde), zum anderen beruhen sie auf unterschiedlichen Konzepten (§ 25 Abs. 3 erster Satz FSG ermöglicht die Entziehung der Lenkberechtigung nur unter der Voraussetzung und für die Dauer einer von der Behörde festzustellenden Verkehrsunzuverlässigkeit; § 26 Abs. 1 erster Satz FSG hingegen sieht keine behördliche Prüfung der Verkehrszuverlässigkeit, sondern die Entziehung der Lenkberechtigung im gesetzlich vorgegebenen Ausmaß ohne Rücksicht darauf vor, ob die Verkehrsunzuverlässigkeit noch vorliegt oder bereits beendet ist; vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. März 2003, G 203/2 ua.; darin hat der Verfassungsgerichtshof die gegen diese Bestimmung gerichteten verfassungsrechtlichen Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes nicht geteilt). Unter Hinweis auf das genannte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes werden auch die vom Beschwerdeführer erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 25 Abs. 3 erster Satz FSG nicht geteilt.
Zu der vom Beschwerdeführer behaupteten Verletzung eines aus Art. 6 Abs. 1 EMRK abgeleiteten Rechtes ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof insoweit zufolge Art. 133 Z. 1 iVm Art. 144 Abs. 1 BVG nicht zuständig ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 2003, Zl. 2003/11/0144, mwN). Desgleichen kann auch die Auffassung des Beschwerdeführers, es sei mit dem angefochtenen Bescheid gegen ein "Doppelbestrafungsverbot" verletzt worden, nicht geteilt werden, weil die Entziehung der Lenkberechtigung keine Strafe darstellt, sondern eine administrative Maßnahme für die Sicherheit des Straßenverkehrs. Insoweit der Beschwerdeführer den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung durch die Erstbehörde (und dass dies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid billigte) rügt, ist darauf zu verweisen, dass mit dem angefochtenen Bescheid über die Berufung des Beschwerdeführers vollständig abgesprochen wurde, er in Ansehung des Abspruches nach § 66 Abs. 4 AVG daher durch den angefochtenen Bescheid nicht in seinen subjektiven Rechten verletzt wurde.
Dennoch ist die Beschwerde im Ergebnis begründet. Auf Grund der rechtskräftigen Bestrafung des Beschwerdeführers mit Straferkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 18. November 2002 stand für die belangte Behörde bindend fest, dass der Beschwerdeführer eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1b iVm § 5 Abs. 1 StVO 1960 begangen hat, wonach straffällig ist, wer in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand (bei einem Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 Promille oder darüber gilt der Zustand einer Person jedenfalls als von Alkohol beeinträchtigt) ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt. Der Umstand, dass der für den Tatzeitpunkt festgestellte Alkoholisierungsgrad 0,825 Promille betrug, somit die Grenze des § 5 Abs. 1 iVm § 99 Abs. 1b StVO 1960 - unter Bedachtnahme auf die nächsthöhere Grenze von 1,2 Promille in § 99 Abs. 1a StVO 1960 - nur geringfügig überschritten wurde (im Hinblick darauf wird in der Beschwerde die Aussage im angefochtenen Bescheid betreffend einen "hohen Alkoholisierungsgrad" zu Recht als unverständlich bezeichnet), und der Umstand, dass der Beschwerdeführer "mehrmals" Alkohol zu sich genommen hatte - ohne dass dies jedoch von der Strafbehörde als strafbares Delikt gewertet worden war - können sich im Rahmen der gemäß § 7 Abs. 4 FSG vorzunehmenden Wertung noch nicht derartig gravierend auswirken, dass der Beschwerdeführer für den von der belangten Behörde angenommenen Zeitraum von rund 12 Monaten ab der Tat als verkehrsunzuverlässig anzusehen war. Dass Alkoholdelikte zu den schwerstwiegenden Verstößen im Straßenverkehr zählen und daher besonders verwerflich sind, hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen (vgl. unter vielen etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2004, Zl. 2002/11/0036). Seinen dies missachtenden sorglosen Umgang mit der Problematik Alkohol im Straßenverkehr zeigte der Beschwerdeführer, als er bei seiner Einvernahme nach der Tat den Gendarmeriebeamten entgegnete, dass er sich nach dem Alkoholkonsum "top fit" gefühlt habe. Nachteilig wirkt sich bei der Wertung zu Lasten des Beschwerdeführers auch aus, dass er in relativ kurzer Zeit nach der vorangegangenen Entziehung der Lenkberechtigung erneut alkoholisiert am Straßenverkehr teilgenommen hat, daher war es der belangten Behörde nicht verwehrt, seinen raschen Rückfall nach der Entziehung der Lenkberechtigung in der Dauer von drei Monaten mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 19. Juni 2001 zu berücksichtigen. Die belangte Behörde hat zum einschlägigen "Vordelikt" keine konkreten Feststellungen getroffen, der Beschwerdeführer selbst verweist darauf, dass er am 9. Feber 2001 eine "Alkoholfahrt mit 0,96 %o" unternommen habe. In Anbetracht dieser Umstände kann zwar die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei zum Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides noch für den Zeitraum von drei Monaten (§ 25 Abs. 2 FSG) als verkehrsunzuverlässig anzusehen gewesen, nicht als rechtswidrig angesehen werden. Träfen die Angaben des Beschwerdeführers über den Alkoholisierungsgrad bei seinem früheren Alkoholdelikt zu, so wäre nicht erkennbar, dass die Verkehrsunzuverlässigkeit über diesen Zeitraum hinaus noch vorliegen würde.
Der angefochtene Bescheid erweist sich somit als inhaltlich rechtswidrig, er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 20. April 2004
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2003110036.X00Im RIS seit
03.06.2004Zuletzt aktualisiert am
07.10.2008