TE Vwgh Erkenntnis 2004/4/20 2003/11/0201

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Veröffentlicht am 20.04.2004
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
24/01 Strafgesetzbuch;
90/01 Straßenverkehrsordnung;
90/02 Führerscheingesetz;

Norm

FSG 1997 §7 Abs3 idF 2002/I/081;
FSG 1997 §7 Abs3 Z6 idF 2002/I/081;
FSG 1997 §7 Abs3;
StGB §94 Abs1;
StGB §94;
StGB §95;
StVO 1960 §4 Abs3;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Pallitsch, Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des C in O, vertreten durch Dr. Gerhard Seirer und Mag. Herbert Weichselbraun, Rechtsanwälte in 9900 Lienz, Tirolerstraße 30/2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 23. April 2003, GZ. uvs-2003/23/067-4, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20,- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Am 14. September 2002 ereignete sich in den Morgenstunden auf der Drautalstraße B 100 bei Straßenkilometer 92,5 im Gemeindegebiet von Nikolsdorf im Bezirk Lienz ein Verkehrsunfall. Der "PKW des Beschwerdeführers" geriet in einer lang gezogenen Linkskurve vermutlich wegen überhöhter Geschwindigkeit auf das rechte Straßenbankett und wurde deshalb vom Lenker nach links verrissen. Dabei geriet der PKW ins Schleudern, kam in weiterer Folge links von der Fahrbahn ab, stieß gegen einen Erdwall, drehte sich um die eigene Achse und flog sodann etwa 30 m weit über den dort befindlichen Rastplatz. Der PKW blieb nach einem weiteren Aufprall total beschädigt an einem Ast im Gebüsch des dortigen Auwaldes hängen. Der eher geringfügig verletzte Beschwerdeführer konnte sich selbst aus dem Fahrzeugwrack befreien. Sein weiterer Mitfahrer wurde aus dem Fahrzeug geschleudert und erst am 16. September 2002 unter einer Laubschicht nahe dem Wrack tot aufgefunden.

Der Gendarmerieposten Dölsach im Bezirk Lienz brachte am 15. Oktober 2002 der Bezirkshauptmannschaft Lienz auf Grund dieses Verkehrsunfalles zur Anzeige, dass der Beschwerdeführer am 14. September 2002 gegen 4.00 Uhr seinen PKW Marke Audi 80 mit dem Kennzeichen X im Ortsgebiet von Lienz auf der Drautalstraße B 100 in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe. Die Prüfung der Atemluft am geeichten Alkomaten habe 0,66 mg/l Alkoholgehalt in der Atemluft ergeben. Dem Beschwerdeführer sei der Führerschein vorläufig abgenommen worden. Nach dem Besuch eines Nachtlokals in Lienz sei der Beschwerdeführer mit diesem PKW vom Stadtgebiet in Lienz auf der B 100 zu einer Bar nach Oberdrauburg und gegen 5.00 Uhr mit einem Bekannten wiederum Richtung Lienz gefahren, wo er nach rd. 2 km Fahrt im Gemeindegebiet von Nikolsdorf in einer lang gezogenen Linkskurve mit seinem PKW ins Schleudern geraten und von der Fahrbahn abgekommen sei. Das Fahrzeug habe sich überschlagen und sei erst totalbeschädigt zum Stillstand gekommen. Bei diesem Unfall habe der mitfahrende Bekannte des Beschwerdeführers tödliche Verletzungen erlitten.

Mit (Mandats-)Bescheid vom 9. Oktober 2002 entzog die Bezirkshauptmannschaft Lienz dem Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 1 Z 1 Führerscheingesetz (FSG) in Verbindung mit § 57 Abs. 1 AVG wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit im Sinne des § 7 Abs. 3 Z 1 FSG die Lenkberechtigung für Kraftfahrzeuge der Klasse A und B unter Hinweis auf § 26 Abs. 1 Z. 3 FSG für die Dauer von neunzehn Monaten, gerechnet ab Abnahme des Führerscheines, und ordnete gleichzeitig gemäß § 24 Abs. 3 FSG an, dass der Beschwerdeführer eine Nachschulung zu absolvieren und ein amtsärztliches Gutachten über die gesundheitliche Eignung gemäß § 8 FSG beizubringen habe. Gemäß § 32 Abs. 1 FSG in Verbindung mit § 57 Abs. 1 AVG wurde dem Beschwerdeführer für denselben Zeitraum das Lenken von Motorfahrrädern und vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen verboten. Die Bezirkshauptmannschaft Lienz ging in der Begründung ihres Bescheides davon aus, dass der Beschwerdeführer am 14. September 2002, gegen 5.00 Uhr, in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Kfz gelenkt und hiebei einen Verkehrsunfall mit Personenschaden dadurch verschuldet habe, dass er mit seinem Fahrzeug auf der B 100 ins Schleudern gekommen und links von der Fahrbahn abgekommen sei. Bei der Bemessung der Entziehungsdauer wurde berücksichtigt, dass dem Beschwerdeführer schon mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 10. Februar 1997 auf Grund mehrerer Verkehrsunfälle in den Jahren 1995 bis 1997 (auch in Verbindung mit Fahrerflucht bzw. Personenschäden) der zeitliche Geltungsbereich seiner Lenkberechtigung habe eingeschränkt werden müssen. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 20. Jänner 1998 sei dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung wegen einer Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 entzogen worden. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 6. Mai 1999 sei dem Beschwerdeführer neuerlich die Entziehung der Lenkberechtigung wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges in alkoholisiertem Zustand angedroht worden. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 22. Februar 2001 sei auf Grund eines amtsärztlichen Gutachtens im Zusammenhang mit einem Alkoholdelikt die Lenkberechtigung des Beschwerdeführers auf zwei Jahre befristet worden.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 5. Februar 2003 wurde der dagegen erhobenen Vorstellung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und ausgesprochen, dass die Lenkberechtigung gemäß § 24 Abs. 1 und 3 in Verbindung mit § 25 Abs. 1 und § 26 Abs. 1 Z 2 und 3 FSG bis einschließlich 22. Februar 2003 entzogen wird. Einer allfälligen Berufung gegen diesen Bescheid wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Die Behörde erster Instanz ging weiterhin davon aus, dass der Beschwerdeführer zum Unfallszeitpunkt seinen PKW in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (Blutalkoholgehalt 1,595 mg/l) gelenkt und hiebei einen Verkehrsunfall "verursacht" hat. Durch den Verkehrsunfall sei sein Mitfahrer zu Tode gekommen. Der Beschwerdeführer habe es anlässlich der Unfallsaufklärung unterlassen, wesentliche Angaben über das Unfallsgeschehen zu machen; er habe die ermittelnden Beamten und deren Hilfskräfte über den Verbleib weiterer Unfallsbeteiligter durch unklare Angaben im Dunkeln gelassen. "Dieses Verhalten an der Unfallstelle" erfülle das Entziehungserfordernis der mangelnden Verkehrszuverlässigkeit im Sinne des § 7 Abs. 3 Z 6 FSG in besonders verwerflicher Art und ziehe die Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers derart in Zweifel, dass nur mit einer weit über dem Mindestmaß gelegenen Entziehungsdauer mit dem Wiedereintritt der Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers gerechnet werden könne.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde "gemäß § 66 Abs. 4 AVG (…) die Entziehungsdauer mit 30 Monaten (gerechnet ab 14. 9. 2002) festgesetzt und im Übrigen die Berufung abgewiesen". Die belangte Behörde ging - anders als die Behörde erster Instanz -

davon aus, dass sich "nicht feststellen" lasse, "wer in der Nacht des 14. 09. 2002 das Unfallfahrzeug lenkte". Es stehe jedoch als erwiesen fest, dass der Beschwerdeführer in jener Nacht vorsätzlich falsche Angaben gemacht habe, indem der behauptet habe, zum Unfallszeitpunkt allein unterwegs gewesen zu sein. Der Beschwerdeführer sei nach dem Unfall räumlich und zeitlich orientiert gewesen. Auch in Anbetracht des festgestellten Alkoholisierungsgrades der Atemluft von 0,67 mg/l habe der Beschwerdeführer über eine ausreichende Diskretions- und Dispositionsfähigkeit verfügt. Der Beschwerdeführer habe keine Gründe angegeben, warum er seinen Mitfahrer verleugnet hat. Das gerichtsmedizinische Gutachten habe ergeben, dass der getötete Mitfahrer nach dem Unfall noch einige Stunden gelebt hat. Durch das Verhalten des Beschwerdeführers sei eine größer angelegte Suchaktion nach dem schwer verletzten Mitfahrer unterblieben. Der Mitfahrer sei an der Unfallstelle verstorben. Der Beschwerdeführer sei seit 8. Mai 1995 im Besitz einer Lenkberechtigung. Am 2. Mai 1996 habe er einen Unfall mit Personenschaden verursacht und Fahrerflucht begangen. Am 26. Oktober 1996 habe er mit seinem, mit acht Personen besetzten PKW wiederum einen Unfall mit Personenschaden verursacht und Fahrerflucht begangen. Sowohl am 6. Jänner 1998 als auch am 25. April 1999 habe er seinen damaligen PKW in Lienz in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (Atemluftalkoholgehalt 0,58 mg/l bzw. 0,33 mg/l) gelenkt. Am 22. August 2000 habe der Beschwerdeführer ein angemietetes Elektroboot auf dem Wörthersee in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (Atemluftalkoholgehalt 0,57 mg/l) gelenkt. Die bisherigen Unfälle des Beschwerdeführers in Verbindung mit dem "Zwischenfall" vom 14. September 2002 führten zur Annahme, dass der Beschwerdeführer nicht über die nötige Zuverlässigkeit verfüge, um als Lenker eines Kraftfahrzeuges am Verkehr teilzunehmen. Besonders markant sei sein bisheriges Verhalten im Zusammenhang mit Unfällen mit Personenschaden. Unter Zugrundelegung dieser bestimmten Tatsachen, die der "offenen Aufzählung des § 7 Abs. 3 zuzuordnen sind", sei bei "einer gehörigen Wertung im Sinn des § 7 Abs. 4 FSG davon auszugehen, dass eine Verkehrszuverlässigkeit im Sinn des § 7 Abs. 1 FSG" beim Beschwerdeführer nicht gegeben sei. Zur Entziehungsdauer sei festzuhalten, dass der Beschwerdeführer seit Erteilung seiner Lenkberechtigung niemals einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren ohne schwere Zwischenfälle zurückgelegt habe. Es erscheine daher dringend notwendig, den Beschwerdeführer für eine längere Zeit von der Teilnahme am Verkehr als Lenker eines Kraftfahrzeuges auszuschließen. "Die lange Dauer" begründet sich insbesondere mit den bisherigen schweren Verfehlungen sowie dem Verhalten des Berufungswerbers am 14. Juni 2002 (gemeint offenbar: 14. September 2002), das nahezu stereotyp zu den bisherigen Vorfällen passt. Aus diesem Grunde geht der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol davon aus, dass es sich hierbei um einen manifestierten Charakterzug handelt, der nicht kurzfristig vom Berufungswerber abgelegt werden kann.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid "in seinen Rechten insofern verletzt, als die belangte Behörde die Lenkberechtigung zu Unrecht entzogen hat". Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor; sie erstattete keine Gegenschrift, beantragte jedoch, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde stützte die mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Entziehung der Lenkberechtigung auf § 24 Abs. 4 in Verbindung mit § 7 Abs. 1, 3 und 4 FSG.

Folgende Bestimmungen des Führerscheingesetzes - FSG, BGBl. I Nr. 120/1997, in der hier anzuwendenden Fassung der 5. Führerscheingesetznovelle, BGBl. I Nr. 81/2002, sind für die Lösung des Beschwerdefalles von Bedeutung (auszugsweise):

"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung

§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:

2. verkehrszuverlässig sind (§ 7),

Verkehrszuverlässigkeit

§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder

2. sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

(3) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:

1. ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 bis 1b StVO 1960 begangen hat, auch wenn die Tat nach § 83  - SPG, BGBl. Nr. 566/1991, zu beurteilen ist;

2. beim Lenken eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol oder Suchtmittel beeinträchtigten Zustand auch einen Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung verwirklicht hat und diese Tat daher auf Grund des § 99 Abs. 6 lit. c StVO 1960 nicht als Verwaltungsübertretung zu ahnden ist;

3. als Lenker eines Kraftfahrzeuges durch Übertretung von Verkehrsvorschriften ein Verhalten setzt, das an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Verkehrsvorschriften verstoßen hat; als Verhalten, das geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, gelten insbesondere erhebliche Überschreitungen der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit vor Schulen, Kindergärten und vergleichbaren Einrichtungen sowie auf Schutzwegen oder Radfahrerüberfahrten, das Übertreten von Überholverboten bei besonders schlechten oder bei weitem nicht ausreichenden Sichtverhältnissen oder das Fahren gegen die Fahrtrichtung auf Autobahnen;

4. die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 40 km/h oder außerhalb des Ortsgebiets um mehr als 50 km/h überschritten hat und diese Überschreitung mit einem technischen Hilfsmittel festgestellt wurde;

5. ein Kraftfahrzeug lenkt, dessen technischer Zustand und weitere Verwendung eine Gefährdung der Verkehrssicherheit (§ 58 Abs. 1 KFG 1967) darstellt, sofern die technischen Mängel dem Lenker vor Fahrtantritt auffallen hätten müssen;

6. es unterlassen hat, nach einem durch das Lenken eines Kraftfahrzeuges selbst verursachten Verkehrsunfall, bei dem eine Person verletzt wurde, sofort anzuhalten oder erforderliche Hilfe zu leisten oder herbeizuholen;

7. ein Kraftfahrzeug lenkt

a) trotz entzogener Lenkberechtigung oder bestehenden Lenkverbotes oder trotz vorläufig abgenommenen Führerscheines oder

b) wiederholt ohne entsprechende Lenkberechtigung für die betreffende Klasse;

8. wiederholt in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand eine strafbare Handlung begangen hat (§ 287 StGB und § 83 SPG), unbeschadet der Z 1;

9. eine strafbare Handlung gegen die Sittlichkeit gemäß den §§ 201 bis 207 oder 217 StGB begangen hat;

10. eine strafbare Handlung gegen Leib und Leben gemäß den §§ 75, 76, 84 bis 87 StGB oder wiederholt gemäß dem § 83 StGB begangen hat;

11. eine strafbare Handlung gemäß den §§ 102 (erpresserische Entführung), 131 (räuberischer Diebstahl), 142 und 143 (Raub und schwerer Raub) StGB begangen hat;

12. eine strafbare Handlung gemäß §§ 28 Abs. 2 bis 5 oder 31 Abs. 2 Suchtmittelgesetz - SMG, BGBl. I Nr. 112/1997, begangen hat;

13. die Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen als Lenker eines Kraftfahrzeuges nicht eingehalten hat;

14. sonstige vorgeschriebene Auflagen als Lenker eines Kraftfahrzeuges wiederholt nicht eingehalten hat;

15. wiederholt eine strafbare Handlung gemäß § 14 Abs. 8 innerhalb eines Zeitraumes von zwölf Monaten begangen hat;

(4) Für die Wertung der in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

(5) Strafbare Handlungen gelten jedoch dann nicht als bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1, wenn die Strafe zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens getilgt ist. Für die Frage der Wertung nicht getilgter bestimmter Tatsachen gemäß Abs. 3 sind jedoch derartige strafbare Handlungen auch dann heranzuziehen, wenn sie bereits getilgt sind.

(6) Für die Beurteilung, ob eine strafbare Handlung gemäß Abs. 3 Z 7 lit. b, 8, 10 letzter Fall oder 14 wiederholt begangen wurde, sind vorher begangene Handlungen der gleichen Art selbst dann heranzuziehen, wenn sie bereits einmal zur Begründung des Mangels der Verkehrszuverlässigkeit herangezogen worden sind, es sei denn, die zuletzt begangene Tat liegt länger als zehn Jahre zurück. Die Auflage der ärztlichen Kontrolluntersuchungen gemäß Abs. 3 Z 13 gilt als nicht eingehalten, wenn der Befund oder das ärztliche Gutachten nicht innerhalb einer Woche nach Ablauf der festgesetzten Frist der Behörde vorgelegt wird.

(7) Wurde ein Verstoß gegen Auflagen gemäß Abs. 3 Z 13 oder 14 begangen, so hat die Behörde, in deren Sprengel die Übertretung begangen wurde, die Hauptwohnsitzbehörde unverzüglich von diesem Umstand zu verständigen.

5. Abschnitt

Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung

Allgemeines

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1. die Lenkberechtigung zu entziehen …

Dauer der Entziehung

§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen. Endet die Gültigkeit der Lenkberechtigung vor dem Ende der von der Behörde prognostizierten Entziehungsdauer, so hat die Behörde auch auszusprechen, für welche Zeit nach Ablauf der Gültigkeit der Lenkberechtigung keine neue Lenkberechtigung erteilt werden darf.

(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen."

Die bestimmten Tatsachen, die zur Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit führen können, sind seit der 5. Führerscheingesetz-Novelle im Abs. 3 des § 7 FSG aufgezählt. Aus dem Wort "insbesondere" folgt, dass die Aufzählung im Abs. 3 wie bisher demonstrativ ist. Es können demnach auch andere als im Abs. 3 des § 7 FSG erwähnte Verhaltensweisen, die geeignet sind, die Verkehrszuverlässigkeit einer Person in Zweifel zu ziehen, dann als bestimmte Tatsachen herangezogen werden, wenn sie im Einzelfall durch ihre Verwerflichkeit diesen beispielsweise bezeichneten strafbaren Handlungen an Unrechtsgehalt und Bedeutung im Zusammenhang mit dem Lenken von Kraftfahrzeugen etwa gleich kommen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. April 2001, Zl. 99/11/0218, u. a.).

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid keine Feststellung getroffen, wer zum Unfallszeitpunkt am 14. September 2002 mit dem PKW des Beschwerdeführers gefahren ist. Die Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers kann daher insoweit nicht auf eine im § 7 Abs. 3 FSG aufgezählte bestimmte Tatsache, die einen Verstoß gegen Vorschriften beim Lenken eines Kraftfahrzeuges voraussetzt, gestützt werden.

Auch die in der Z. 6 dieser Gesetzesstelle genannte bestimmte Tatsache setzt voraus, dass es der Lenker eines Kraftfahrzeuges im Falle eines selbst verursachten Verkehrsunfalles, bei dem eine Person verletzt wurde, unterlassen hat, sofort anzuhalten oder die erforderliche Hilfe zu leisten oder herbeizuholen. Ein strafbares Verhalten, das den Tatbestand des § 7 Abs. 3 Z. 6 FSG - diese Norm entspricht im Wesentlichen dem Tatbestand des § 94 Abs. 1 StGB (Imstichlassen eines Verletzten) - verwirklicht, ist an sich schon verwerflich. Die Verwerflichkeit der Verwirklichung des mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen bedrohten Straftatbestandes des § 94 Abs. 1 StGB ist schon "an sich gegeben" und vermag daher die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit zu begründen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1992, Zl. 92/11/0206).

Das von der belangten Behörde als bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 1 FSG gewertete Verhalten - welches nicht auf einen durch das Lenken eines Kraftfahrzeuges selbst verursachten Verkehrsunfall zurückzuführen ist - entspricht, wenngleich von der belangten Behörde nicht einmal erwähnt, dem Tatbestand der Unterlassung der Hilfeleistung im Sinne des § 95 Abs. 1 StGB. Nach dieser Bestimmung ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen, wer es bei einem Unglücksfall oder einer Gemeingefahr (§ 176 StGB) unterlässt, die zur Rettung eines Menschen aus der Gefahr des Todes oder einer beträchtlichen Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung offensichtlich erforderliche Hilfe zu leisten, es sei denn, dass die Hilfeleistung dem Täter nicht zuzumuten ist.

Die gesetzlich vorgesehenen Sanktionen auf Grund eines Verstoßes wegen Unterlassens der Hilfeleistung im Sinne des § 7 Abs. 3 Z 6 FSG gehen von dem Grundsatz aus, dass derjenige, der eine konkrete Gefahrensituation geschaffen hat, zur Abwehr einer der Gefahrenlage adäquaten, sohin mit ihr typischerweise verbunden Gefahr verpflichtet ist (sog. Ingerenzprinzip; siehe Foregger-Fabrizy, Strafgesetzbuch StGB und ausgewählte Nebengesetze,

7. Auflage, RZ 3 zu § 2 StGB und RZ 1 zu § 94 StGB). Die allgemein strafrechtlich sanktionierte Hilfeleistung für jedermann im Sinne des § 95 StGB hingegen basiert auf einer allgemeinen Handlungspflicht und nicht auf einer besonderen Garantenstellung (Foregger-Fabrizy, a. a. O., RZ 1 zu § 95 StGB). Daraus folgt, dass ein Vorwurf der Unterlassung der Hilfeleistung im Sinne des § 95 StGB ebenso wie die im § 4 Abs. 3 StVO 1960 verankerte Verpflichtung des Zeugen eines Verkehrsunfalles zur Hilfeleistung hinsichtlich des Unrechtsgehaltes und der Bedeutung nicht der als bestimmte Tatsache genannten Unterlassungshandlung im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 6 FSG annähernd gleichkommt. Dies ergibt sich auch aus den unterschiedlichen Strafdrohungen der §§ 94 und 95 StGB. Auch mit den im § 7 Abs. 3 FSG genannten Delikten ist das dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde zur Last gelegte Verhalten in seiner Bedeutung im Sinne der obzitierten hg. Rechtsprechung nicht gleichzusetzen.

Das von der belangten Behörde dem Beschwerdeführer angelastete Verhalten ist somit nicht als bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 FSG zu werten. Die im Abs. 3 dieses Paragraphen angeführten bestimmten Tatsachen geben nämlich den Maßstab an bzw. stecken die Grenze ab, wie der Gesetzgeber diesen Begriff ausgelegt haben will (vgl. hiezu die bei Grubmann, Das österreichische Kraftfahrrecht, Band II, Anmerkung 10 zur insoweit vergleichbaren Rechtslage des § 66 KFG 1967 wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Es liegt somit ausgehend von der Feststellung der belangten Behörde, es könne die Lenkereigenschaft des Beschwerdeführers im hier relevanten Zeitpunkt nicht nachgewiesen werden, keine bestimmte Tatsache im Sinnes des § 7 Abs. 3 FSG vor, im Rahmen deren Wertung gemäß § 7 Abs. 4 FSG die Vorstrafen des Beschwerdeführers unter dem Gesichtspunkt der Verwerflichkeit eine Rolle hätten spielen können. Hinzuweisen ist jedoch, dass der Beschwerdeführer laut Anzeige des Gendarmeriepostens Dölsach vom 15. Oktober 2002 seinen PKW am 14. Oktober 2002 gegen 4.00 Uhr im Ortsgebiet von Lienz auf der Drautalstraße B 100 in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (Prüfung der Atemluft ergab am geeichten Alkomaten 0,66 mg/l Alkoholgehalt in der Atemluft) gelenkt hat und ihm deshalb der Führerschein vorläufig abgenommen wurde. Sollte im fortgesetzten Verfahren die Richtigkeit dieser Anzeige festgestellt werden, wird im Entziehungsverfahren von einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 1 und Abs. 3 Z. 1 FSG auszugehen sein.

Aus den dargelegten Erwägungen war daher der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG, in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Die Abweisung des Kostenmehrbegehrens betrifft den begehrten, gesetzlich nicht gedeckten Einheitssatz zum Schriftsatzaufwand und die bereits im pauschalierten Schriftsatzaufwand enthaltene, jedoch gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer.

Wien, am 20. April 2004

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Auslegung Diverses VwRallg3/5

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2003110201.X00

Im RIS seit

28.05.2004

Zuletzt aktualisiert am

01.08.2016
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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