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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art18 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Bayjones und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch Dr. Klaus-Peter Schrammel, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Riemergasse 14, gegen den Bescheid des Bundeskommunikationssenates vom 13. Dezember 2002, Zl. 611.917/002- BKS/2002, betreffend Beschwerde nach § 36 ORF-Gesetz (mitbeteiligte Partei: Österreichischer Rundfunk, 1136 Wien, Würzburggasse 30), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der vorliegenden Beschwerde und der dieser angeschlossenen Bescheidausfertigung zufolge wurde mit Bescheid des Bundeskommunikationssenates vom 13. Dezember 2002 die vom Beschwerdeführer gemäß § 36 Abs. 1 Z. 1 lit. b ORF-Gesetz erhobene Beschwerde abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe vorgebracht, der Programmauftrag des ORF sei durch den Beschluss des Stiftungsrates, eine Programmjustierung vorzunehmen und die Sendung "Kunst-Stücke" einzustellen "desavouiert" worden. Die "Kunst-Stücke" seien der einzige ORF-Programmplatz, der per definitionem innovativen künstlerischen Fernsehformen jenseits inhaltlicher und formaler Konventionen offen stehe und der die Produktion und Ausstrahlung ästhetisch riskanter Projekte im ORF ermögliche. "Kunst-Stücke" sei die einzige in einer selbständigen Programmabteilung organisierte Sendung des ORF mit "Image, Level, Sendeplatz und eigenem Produktions- und Ankaufsbudget". Würde dieses Sendeformat gestrichen, würde ein Abstellgleis für bedeutende Bereiche der österreichischen Gegenwartskunst geschaffen. Ein wichtiger Teil des österreichischen Kunst- und Kulturlebens, nämlich das innovative österreichische Filmschaffen würde vom ORF nicht mehr vermittelt. Die Vielfalt des kulturellen Angebots sei nicht mehr gewährleistet. Zudem wäre die Differenziertheit des Gesamtprogramms nicht mehr gegeben, weil ein bedeutender Teilbereich nicht mehr ausreichend berücksichtigt werden könne.
Der zur Stellungnahme aufgeforderte Beschwerdegegner habe die mit der Programmjustierung verfolgten Zielsetzungen dargelegt und u. a. vorgebracht, die Aufgabe der "Kunst-Stücke" bedeute nicht, dass für die Kulturangebote der "Kunst-Stücke" oder für österreichische Produktionen keine Sendeflächen mehr zur Verfügung stünden. Der Inhalt der "Kunst-Stücke" werde auf verschiedene Sendeflächen aufgeteilt. Die Behauptung, dass mit der Abschaffung der "Kunst-Stücke" die einzige Sendung, die Direktproduktionsaufträge vergeben könne, entfalle, sei sachlich unrichtig.
In rechtlicher Hinsicht verkenne der Beschwerdeführer - so der Bundeskommunikationssenat -, dass auf Grund der verfassungsgesetzlich garantierten Unabhängigkeit des Österreichischen Rundfunks die Programmgestaltung und dabei insbesondere die Auswahl und Gewichtung der Berichterstattung über Ereignisse und Vorkommnisse allein Sache des ORF sei. Der Programmauftrag des § 4 ORF-Gesetz enthalte keine näher konkretisierten Verpflichtungen, sondern Zielbestimmungen für die Programmgestaltung. Im Ergebnis gehe es dem Beschwerdeführer darum, die Durchsetzung subjektiver Vorstellungen über die Erfüllung des Programmauftrages durchzusetzen und ein bestimmtes Programm bzw. eine bestimmte Sendung einzufordern. Die Bestimmungen des § 4 ORF-Gesetz böten allerdings keine Rechtsgrundlage für eine Verpflichtung des Österreichischen Rundfunks, eine bestimmte Sendung beizubehalten. Vielmehr gehe es bei diesen Regelungen um Zielsetzungen, denen das Gesamtprogrammangebot über einen längeren Zeitraum gesehen, entsprechen müsse. Es könne dahingestellt bleiben, ob etwa der Kulturinformationsblock in ZIB 1 geeignet sei, die "Kunst-Stücke" zu substituieren. Aus dem Vorbringen des Beschwerdegegners gehe nämlich hervor, dass mit den weiteren Sendungen "Treffpunkt Kultur", "Matinee" und Sonntagabend-Kulturfläche zahlreiche andere Sendungen im Kulturbereich ausgestrahlt würden. Selbst der Beschwerdeführer habe nicht behauptet, dass der ORF seinem "Kulturauftrag" insgesamt nicht nachkomme. Seine Rüge beschränke sich darauf, dass durch den Entfall der "Kunst-Stücke" ein bestimmter Teil des Kulturauftrages nicht mehr erfüllt werde. In welcher Form der Österreichische Rundfunk im Rahmen seines Gesamtprogramms dem Kulturauftrag nachkomme, sei nicht festgelegt; es bestehe insbesondere keine Verpflichtung, ein bestimmtes Sendeformat aufrecht zu erhalten.
Die gegen diesen Bescheid an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde, nachdem dieser deren Behandlung mit Beschluss vom 1. Dezember 2003, B 221/03, abgelehnt hat, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten, der hierüber erwogen hat:
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im Recht auf Feststellung der Gesetzwidrigkeit des Beschlusses des Stiftungsrates des ORF vom 19. Juni 2002, die Sendung "Kunst-Stücke" einzustellen, verletzt. Er bringt hiezu im Wesentlichen vor, die belangte Behörde vertrete zu Unrecht den Standpunkt, er habe lediglich eine bestimmte Sendung, nämlich die Sendung "Kunst-Stücke" einfordern wollen. Vielmehr habe er durch den erwähnten Beschluss des Stiftungsrates den Kulturauftrag insgesamt als "desavouiert" angesehen. Er habe begehrt "festzustellen, dass durch die konzeptlose Einstellung des einzigen fixen Sendeplatzes für Auseinandersetzung mit zeitgenössischer, innovativer Kunst ein wesentlicher Teil des Programm- bzw. Kulturauftrages des ORF nicht mehr erfüllt wird und dass die gestrichene Sendung nicht durch gleichwertige Inhalte im Gesamtprogrammangebot substituiert wurde". Die Fehlinterpretation des Begehrens des Beschwerdeführers durch die belangte Behörde habe zu einem mangelhaften Ermittlungsverfahren geführt. Dieses hätte nämlich ergeben, dass das Gesamtprogrammangebot des ORF nach Entfall der "Kunst-Stücke" dem Informationsauftrag in kulturellen Fragen nicht genüge; auf ein "Urkundenkonvolut" werde verwiesen. Die belangte Behörde habe in keiner Weise überprüft, ob die vom ORF angebotenen Programme tatsächlich eine derartige Qualität aufwiesen und die Sendung "Kunst-Stücke" in einer Form substituiert hätten, die dem Programmauftrag gerecht würde.
Gemäß § 4 Abs. 1 ORF-Gesetz hat der Österreichische Rundfunk durch die Gesamtheit seiner gemäß § 3 verbreiteten Programme zu sorgen für:
1. die umfassende Information der Allgemeinheit über alle wichtigen politischen, sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und sportlichen Fragen;
2. die Förderung des Verständnisses für alle Fragen des demokratischen Zusammenlebens;
3. die Förderung der österreichischen Identität im Blickwinkel der europäischen Geschichte und Integration;
4. die Förderung des Verständnisses für die europäische Integration;
5. die Vermittlung und Förderung von Kunst, Kultur und Wissenschaft;
6. die angemessene Berücksichtigung und Förderung der österreichischen künstlerischen und kreativen Produktion;
7.
die Vermittlung eines vielfältigen kulturellen Angebots;
8.
die Darbietung von Unterhaltung;
9.
die angemessene Berücksichtigung aller Altersgruppen;
10.
die angemessene Berücksichtigung der Anliegen behinderter Menschen;
11. die angemessene Berücksichtigung der Anliegen der Familien und der Kinder sowie der Gleichberechtigung von Frauen und Männern;
12. die angemessene Berücksichtigung der Bedeutung der gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften;
13. die Verbreitung und Förderung von Volks- und Jugendbildung unter besonderer Beachtung der Schul- und Erwachsenenbildung;
14. die Information über Themen des Umwelt- und Konsumentenschutzes und der Gesundheit;
15. die Förderung des Interesses der Bevölkerung an aktiver sportlicher Betätigung;
16. die Information über die Bedeutung, Funktion und Aufgaben des Bundesstaates sowie die Förderung der regionalen Identitäten der Bundesländer;
17. die Förderung des Verständnisses für wirtschaftliche Zusammenhänge;
18. die Förderung des Verständnisses für Fragen der europäischen Sicherheitspolitik und der umfassenden Landesverteidigung.
In Erfüllung seines Auftrages hat der Österreichische Rundfunk gemäß § 4 Abs. 2 ORF-Gesetz ein differenziertes Gesamtprogramm von Information, Kultur, Unterhaltung und Sport für alle anzubieten. Das Angebot hat sich an der Vielfalt der Interessen aller Hörer und Seher zu orientieren und sie ausgewogen zu berücksichtigen.
Das ausgewogene Gesamtprogramm muss gemäß § 4 Abs. 3 ORF-Gesetz anspruchsvolle Inhalte gleichwertig enthalten. Die Jahres- und Monatsschemata des Fernsehens sind so zu erstellen, dass jedenfalls in den Hauptabendprogrammen (20.00 bis 22.00 Uhr) in der Regel anspruchsvolle Sendungen zur Wahl stehen. Im Wettbewerb mit den kommerziellen Sendern ist in Inhalt und Auftritt auf die Unverwechselbarkeit des öffentlich-rechtlichen Österreichischen Rundfunks zu achten. Die Qualitätskriterien sind laufend zu prüfen.
Insbesondere Sendungen in den Bereichen Information, Kultur und Wissenschaft haben sich gemäß § 4 Abs. 4 ORF-Gesetz durch hohe Qualität auszuzeichnen. Der Österreichische Rundfunk hat ferner bei der Herstellung und Sendung von Hörfunk- und Fernsehprogrammen auf die kulturelle Eigenart, die Geschichte und die politische und kulturelle Eigenständigkeit Österreichs sowie auf den föderalistischen Aufbau der Republik besonders Bedacht zu nehmen.
§ 4 ORF-Gesetz nennt in Abs. 1 eine Vielzahl von programmgestalterischen Zielen, die in einem differenzierten und ausgewogenen Gesamtprogramm der Sendungen des ORF ihren Ausdruck finden sollen (Abs. 2 und 3) und umschreibt solcherart den Gestaltungsspielraum, der dem ORF bei Umsetzung des Programmauftrages in den einzelnen Sendungen zukommt, final (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 25. Juni 2003, G 304/01).
Bei Gestaltung des Gesamtprogramms hat sich der ORF von den im § 4 ORF-Gesetz genannten Zielen leiten zu lassen. Er ist aber nicht dazu verpflichtet, Sendungen mit bestimmten Inhalten in sein Programm aufzunehmen oder beizubehalten. Vielmehr liegt es in seinem Gestaltungsspielraum zu entscheiden, auf welche Art und Weise der Programmgestaltung er den erwähnten Zielsetzungen entspricht.
Davon ausgehend zeigt die Beschwerde eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht auf.
Zunächst ist dem Beschwerdeführer zu entgegnen, dass sich die belangte Behörde sehr wohl mit seiner Behauptung auseinander gesetzt hat, die Einstellung der Sendung "Kunst-Stücke" führe dazu, dass ein wesentlicher Teil des Kulturauftrages durch den ORF nicht mehr erfüllt werde. Sie hat in diesem Punkt - zutreffend - dargelegt, dass der Zielsetzung, für die Vermittlung und Förderung von Kunst und Kultur zu sorgen, nicht nur - wie der Beschwerdeführer offenbar meint - in Form eines bestimmten Sendeformats entsprochen werden könne.
Der Beschwerdeführer präzisiert nun seine an die belangte Behörde herangetragene Auffassung: Das Gesamtprogrammangebot des Österreichischen Rundfunks genüge dem "Informationsauftrag in kulturellen Fragen" nicht mehr , weil eine Substitution der Sendung "Kunst-Stücke" durch eine oder mehrere Sendungen mit gleichwertigen Inhalten nicht erfolgt sei; diese Verletzung des ORF-Gesetzes hätte von der belangten Behörde festgestellt werden müssen.
Ihm steht offenbar vor Augen, dass dem Programmauftrag gemäß § 4 ORF-Gesetz in Ansehung der Bereiche Kunst und Kultur nur dann entsprochen werden könne, wenn die Inhalte der eingestellten Sendung "Kunst-Stücke" - wenn auch durch andere Sendungen, so doch im gleichen Ausmaß - weiterhin vermittelt werden; andernfalls werde dem Programmauftrag nur teilweise Genüge getan.
Der Beschwerdeführer übersieht, dass § 4 ORF-Gesetz den Gestaltungsspielraum des Österreichischen Rundfunks bei der Programmerstellung nicht durch Sendungsinhalte determiniert, die jedenfalls Programmbestandteil sein müssten. Vielmehr wird durch die Anordnung, im Einzelnen genannte, unterschiedliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen, (bloß) eine Richtschnur gegeben. Die Gesamtheit der Programme des Österreichischen Rundfunks muss - wie im angefochtenen Bescheid zutreffend ausgeführt - über einen längeren Zeitraum gesehen erkennen lassen, dass die erwähnten Zielsetzungen bei der Programmgestaltung maßgeblich waren. Nicht aber müssen bestimmte Sendungsinhalte überhaupt oder in einem bestimmten Ausmaß angeboten werden.
Die Auffassung, eine Sendung dürfe nur eingestellt werden, wenn sie durch eine andere Sendung "substituiert" werde, findet daher im § 4 ORF-Gesetz keine Grundlage. Eine Verpflichtung des Österreichischen Rundfunks, bestimmte Sendungen bzw. Sendungen mit bestimmten Inhalten in das Programm aufzunehmen, ist gerade nicht Inhalt des Programmauftrages. Zu Recht ist die belangte Behörde daher zum Ergebnis gelangt, der Beschwerdeführer habe mit seinem Vorbringen keinen Verstoß gegen das ORF-Gesetz aufgezeigt.
Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde aber unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren vorwirft, weil sie nicht geprüft habe, inwieweit das Gesamtprogrammangebot des Österreichischen Rundfunks den Zielsetzungen des § 4 ORF-Gesetz gerecht werde, hat er es unterlassen, die Wesentlichkeit des behaupteten Verfahrensmangels im Sinn des § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG konkret aufzuzeigen.
Da somit bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 21. April 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2004040009.X00Im RIS seit
17.05.2004Zuletzt aktualisiert am
20.08.2013