TE Vwgh Erkenntnis 2004/4/21 2001/08/0224

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Veröffentlicht am 21.04.2004
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §38;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §9;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Mag. Dr. Johannes Stockert, Rechtsanwalt in 1011 Wien, Parkring 2, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 25. September 2001, Zl. LGSW/Abt. 10-AlV/1218/56/2001-6772, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht seit Jahren im Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Am 11. Juni 2001 nahm die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice mit dem Beschwerdeführer eine Niederschrift über die "Vereitelung des Erfolges einer Wiedereingliederungsmaßnahme" auf, in welcher der Beschwerdeführer zum Teil in Ergänzung eines formularmäßigen Vordruckes folgendes angab:

"Ich, ..., erkläre nach Belehrung über die Rechtsfolgen nach § 10 AlVG ..., dass ich nicht bereit bin, an der angebotenen Wiedereingliederungsmaßnahme teilzunehmen, da meine Rechtschreibkenntnisse nicht ausreichen und ich vergesslich bin und ich eine neue Brille benötige, da am 10. 06. 2001 ein Auto meine Brille zerstört hat."

Die fernmündlich eingeholte Stellungnahme des Schulungsträgers vom 8. Juni 2001 ist in dieser Niederschrift festgehalten mit:

"Herr ... (Beschwerdeführer) spricht schwer alkoholisiert vor

und erscheint unwillig an der Maßnahme teilzunehmen. Ein Kursausschluss seitens des Schulungsträgers wird daher veranlasst."

Nach dem weiteren Inhalt der Niederschrift erklärte der Beschwerdeführer nach Vorhalt dieser Stellungnahme folgendes:

"Dazu fällt mir nichts ein."

Mit Bescheid vom 5. Juli 2001 sprach die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice aus, dass der Beschwerdeführer seinen Anspruch auf Notstandshilfe für die Zeit von 8. Juni 2001 bis 19. Juli 2001 verloren habe und eine Nachsicht nicht erteilt werde. In der Begründung wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung verweigert habe. Berücksichtigungswürdige Gründe für eine Nachsicht lägen nicht vor.

In seiner Berufung gegen diesen Bescheid gab der Beschwerdeführer an, aus gesundheitlichen Gründen, nämlich auf Grund einer starken Verschlechterung seiner Sehkraft, nicht in der Lage gewesen zu sein, am Kurs ab 8. Juni 2001 teilzunehmen. Dies habe er auch seinem Berater beim Arbeitsmarktservice unter Vorlage eines Termins beim Augenarzt mitgeteilt. Der Augenarzt habe ihm eine Seh- und Lesebrille verordnet.

Die belangte Behörde nahm mit dem Beschwerdeführer am 21. August 2001 eine Niederschrift zur Berufung auf. Die Angaben des Beschwerdeführers lauten:

"Ich kann nicht gut Deutsch und habe immer schlecht in der Sonderschule abgeschnitten. Ich kann kein Deutsch, ein Bekannter hat die Berufung geschrieben, weil ich nichts auf der Tastatur sehe. Auch hatte ich einen Unfall, der dazu führt, dass ich sehr vergesslich bin. Ich habe mittlerweile 5 Dioptrien, jetzt liegt die Brille beim Optiker, weil ich nicht einmal Geld habe, um sie mir zu holen.

Auf den Vorhalt, dass dies keine Gründe wären, nicht an der Wiedereingliederungsmaßnahme teilzunehmen:

Was mache ich dort, ich finde mich ja so kaum zurecht ohne Brille.

Auf den Vorhalt, dass sich dies schon sehr nach Ausrede anhöre:

Was soll ich tun, ich kann kein Deutsch und es sind über 25 Jahre her, dass ich in die Schule gekommen bin. In Deutsch war ich immer schlecht.

Auf den Vorhalt, dass er alkoholisiert erschienen sei:

Ich habe vor dem Kurs einmal ein Bier getrunken. Ich war mich vor kurzem im 1. Bezirk als Küchenhilfe vorstellen, aber man sagte mir, ich sei zu langsam bei der Einschulung."

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben und der bekämpfte Bescheid der Behörde erster Instanz bestätigt.

In der Begründung wurde nach einer Darstellung des Verwaltungsgeschehens ausgeführt, nach den Angaben des Beraters des Beschwerdeführers beim Arbeitsmarktservice hätte der Beschwerdeführer bereits zuvor an einer Wiedereingliederungsmaßnahme teilnehmen sollen. Er habe jedoch bereits den damals vereinbarten Termin unter Vorgabe dubioser Gründe nicht eingehalten. Der Beschwerdeführer sei nach den Angaben der Kursbetreuerin am 8. Juni 2001 stark alkoholisiert zu einem Erstgespräch erschienen und habe keinerlei Willen gezeigt, an der Maßnahme teilzunehmen. Infolge dessen sei der Beschwerdeführer vom Kurs ausgeschlossen worden. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, er benötige eine neue Brille, sei keine Entschuldigung für die Nichtteilnahme am 8. Juni, da der Beschwerdeführer seine Brille seinen eigenen Angaben zufolge erst am 10. Juni zerbrochen habe. Für die Teilnahme an der Maßnahme seien zudem keine Rechtschreibkenntnisse erforderlich gewesen.

Aus dem Gesamtverhalten des Beschwerdeführers sei keinerlei Motivation erkennbar gewesen, sich in den Arbeitsmarkt wieder eingliedern zu wollen. Die konkrete Maßnahme wäre geeignet gewesen, die Arbeitslosigkeit des Beschwerdeführers zu verkürzen. Er wäre hiebei auf den Arbeitsmarkt vorbereitet worden, die Maßnahme wäre ihm für allfällige Bewerbungen dienlich gewesen. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Einwände seien nicht stichhaltig, sodass von einer Vereitelung auszugehen gewesen sei.

Gegen den Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge von Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben. Der Beschwerdeführer führt aus, er habe mit der regionalen Geschäftsstelle die Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt vereinbart. Seine dadurch bekundete prinzipielle Bereitschaft zur Teilnahme an der Maßnahme könne durch eine "momentane oder vorübergehende Weigerung aus triftigen Gründen nicht beseitigt" werden. Der Beschwerdeführer habe die Teilnahme nie "verweigert", sondern lediglich angegeben, sehr vergesslich zu sein, keine Rechtschreibkenntnisse zu haben und eine Brille zu benötigen. Der Einsatz an einem Arbeitsplatz und somit auch sämtliche Wiedereingliederungsmaßnahmen seien ohne Deutsch- und Rechtschreibkenntnisse ohnehin schlechthin unwahrscheinlich. Die belangte Behörde habe es zudem verabsäumt, aus Billigkeitsgründen Nachsicht i.S.d. § 10 Abs. 2 AlVG zu gewähren.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahren vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 10 Abs. 1 AIVG verliert ein Arbeitsloser, der ohne wichtigen Grund die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verweigert oder den Erfolg der Maßnahme vereitelt, für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden sechs Wochen den Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Der Ausschluss vom Bezug des Arbeitslosengeldes ist gemäß § 10 Abs. 2 AlVG in berücksichtigungswürdigen Fällen, wie z. B. Aufnahme einer anderen Beschäftigung, ganz oder teilweise nachzusehen. Vor dieser Nachsicht sowie vor Erlassung einer Entscheidung gemäß Abs. 1 ist der Regionalbeirat anzuhören.

Diese Bestimmungen sind gemäß § 38 AIVG auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.

Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muss sich darauf einstellen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt auch teilzunehmen. Ein wichtiger Grund, die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt i. S.d. § 10 Abs. 1 AlVG zu verweigern, kann insbesondere darin liegen, dass diese Teilnahme nach den in § 9 AlVG für die Aufnahme einer Beschäftigung normierten, wegen der gleich gelagerten Wertungsgesichtspunkte auch für die Teilnahme an der Maßnahme heranzuziehenden Kriterien unzumutbar ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. März 2003, 98/08/0086). Um sich durch die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Teilnahme ausgerichteten aktiven Handelns des Arbeitslosen, andererseits aber auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, den Erfolg der Maßnahme zu vereiteln (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. März 2001, 2000/19/0091). Der Beschwerdeführer stellt nicht in Abrede, zum Kursbeginn am 8. Juni in alkoholisiertem Zustand erschienen zu sein. Aus diesem Grunde wurde er vom weiteren Kursbesuch ausgeschlossen. Wenn die belangte Behörde das Verhalten des Beschwerdeführers, im betrunkenen Zustand zur Veranstaltung zu kommen, als Vereitelung dieser Maßnahme beurteilt hat, ist darin keine Rechtswidrigkeit zu erblicken. Der Hinweis des Beschwerdeführers, dass seine "prinzipielle Bereitschaft zur Teilnahme an der Maßnahme" durch eine "momentane oder vorübergehende Weigerung aus triftigen Gründen" nicht beseitigt worden wäre, ist nicht geeignet, eine andere Beurteilung herbeizuführen. Das Antreten eines Kurses in betrunkenem Zustand ist objektiv geeignet, den Erfolge des Kurses zu vereiteln.

Nach Mitteilung des Ausschlusses vom Kursbesuch brachte der Beschwerdeführer vor, seine Sehschwäche und der Verlust seiner Brille sowie seine mangelhaften Rechtschreibkenntnisse wären einem Erfolg der Maßnahme entgegengestanden. Die belangte Behörde hat diese Umstände nicht als triftige Gründe für eine Verweigerung der Teilnahme an der Maßnahme beurteilt. Rechtschreibkenntnisse seien - so die Bescheidbegründung - für die Teilnahme am Kurs nicht erforderlich gewesen; der Verlust der Brille sei erst nach Beginn des Kurses eingetreten.

Die dagegen ins Treffen geführten Behauptungen in der Beschwerde, mit verminderter Sehkraft sei man nicht in der Lage, Vorträgen zu folgen, und der Mangel an Deutsch- und Rechtschreibkenntnissen lasse den Erfolg jeder Wiedereingliederungsmaßnahme unwahrscheinlich erscheinen, übergehen einerseits die gegenteiligen Feststellungen der belangten Behörde. Andererseits hat die belangte Behörde zutreffend darauf hingewiesen, dass der angebliche Verlust der Brille erst nach der Verweigerung der Maßnahme eingetreten ist.

Auch dadurch, dass die belangte Behörde wegen Aufnahme einer anderen Beschäftigung keine berücksichtigungswürdigen Nachsichtsgründe i.S.d. § 10 Abs. 2 AlVG für gegeben erachtete, belastete sie den Bescheid nicht mit Rechtswidrigkeit. Unter einer Beschäftigung i.S.d. § 10 Abs. 2 AlVG kann nur eine die Arbeitslosigkeit ausschließende Beschäftigung verstanden werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 5. September 1995, 94/08/0252). Gemäß § 12 Abs. 6 lit. a AlVG i.V.m. § 5 Abs. 2 ASVG gilt auch als arbeitslos, wer einer geringfügigen Beschäftigung nachgeht. Die aktenkundige, bereits bei Zuweisung der Maßnahme ausgeübte geringfügige Beschäftigung des Beschwerdeführers ändert nichts am Zustand seiner Arbeitslosigkeit und kann somit nicht als Nachsichtsgrund i.S.d. § 10 Abs. 2 AlVG angesehen werden.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 21. April 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2001080224.X00

Im RIS seit

10.06.2004

Zuletzt aktualisiert am

20.11.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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