TE Vwgh Erkenntnis 2004/4/21 2003/04/0004

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Veröffentlicht am 21.04.2004
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E1E;
E3L E06204000;
E3L E16300000;
E6J;
50/01 Gewerbeordnung;
59/04 EU - EWR;

Norm

11997E049 EG Art49;
11997E234 EG Art234;
31985L0384 Diplomanerkennungs-RL Architektur Art10;
31985L0384 Diplomanerkennungs-RL Architektur Art11;
31985L0384 Diplomanerkennungs-RL Architektur Art12;
31985L0384 Diplomanerkennungs-RL Architektur Art13;
31985L0384 Diplomanerkennungs-RL Architektur Art14;
31985L0384 Diplomanerkennungs-RL Architektur Art15;
31985L0384 Diplomanerkennungs-RL Architektur Art7;
61993CJ0447 Dreessen VORAB;
61999CJ0298 Kommission / Italien;
EURallg;
GewO 1994 §373d Abs7 Z1;
GewO 1994 §373d Abs7;

Betreff

D Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Bayjones und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde des Ing. K in S, Deutschland, vertreten durch Dr. Heinz-Peter Wachter, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 83-85/18, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit vom 15. Mai 2001, Zl. 322.014/2-III/A/9/00, betreffend Gleichstellung von Befähigungsnachweisen, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit vom 15. Mai 2001 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Gleichhaltung seiner in Österreich und in der Bundesrepublik Deutschland erworbenen Berufsqualifikation mit dem für das Baumeistergewerbe hinsichtlich der Planung von Hochbauten vorgeschriebenen Befähigungsnachweis gemäß § 373d Abs. 7 GewO 1994 abgewiesen.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer am 14. April 2000 die Gleichhaltung seiner in Österreich und in Deutschland erworbenen Berufsqualifikation mit dem Befähigungsnachweis für das Baumeistergewerbe beantragt habe. Am 10. Juli 2000 habe er das Ansuchen um Gleichhaltung auf eine Berechtigung gemäß § 202 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 für das Baumeistergewerbe hinsichtlich der Planung von Hochbauten eingeschränkt. Mit dem Antrag habe er Unterlagen vorgelegt, nach denen er im Jahr 1978 die Höhere Technische Lehranstalt Mödling, Höhere Abteilung für Tiefbau, erfolgreich abgeschlossen habe. Nach den in Ablichtung vorgelegten Dienstzeugnissen sei er von 1. Juli 1978 bis 31. Mai 1983 in Österreich als Bautechniker bei verschiedenen Bauunternehmen und bei einem Ziviltechniker tätig gewesen. Seit 1. Mai 1983 sei der Beschwerdeführer als Bauleiter bei verschiedenen das Baumeistergewerbe in Deutschland ausübenden Gewerbetreibenden tätig gewesen. Nach dem vorgelegten Schreiben der Bayrischen Ingenieurkammer-Bau vom 6. Dezember 1991 sei der Beschwerdeführer am 1. Juli 1992 in die Liste der bauvorlageberechtigten Ingenieure eingetragen worden. Nach einer Urkunde der besagten Ingenieurkammer sei der Beschwerdeführer seit 1994 berechtigt, die geschützte Berufsbezeichnung "Beratender Ingenieur" zu führen.

Gemäß § 373d Abs. 7 GewO 1994 sei einem Antragsteller, der eine Berechtigung gemäß § 202 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. hinsichtlich der Planung von Hochbauten anstrebe, die Gleichhaltung dann auszusprechen, wenn er (Z. 1) in Bezug auf seine Berufsqualifikation Zeugnisse vorlege, die gemäß Art. 7 der Richtlinie 85/384/EWG des Rates vom 10. Juni 1985 für die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise auf dem Gebiet der Architektur und für Maßnahmen zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des Niederlassungsrechts und des Rechts auf freien Dienstleistungsverkehr" (im Folgenden: Architekturrichtlinie) mitgeteilt und im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden seien oder die gemäß Art. 11 dieser Richtlinie anerkannt worden seien.

In der Folge werden im angefochtenen Bescheid die Diplome gemäß Art. 7 der Architekturrichtlinie sowie die Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise im Sinn von Art. 10 und 11 der Architekturrichtlinie für Österreich und Deutschland aufgezählt.

Der Beschwerdeführer habe keine in diesen Aufzählungen enthaltenen Unterlagen vorgelegt; durch die von ihm vorgelegten Urkunden werde nicht nachgewiesen, dass er einen Befähigungsnachweis im Sinn des Art. 7 oder des Art. 11 der Architekturrichtlinie erworben habe. Die Ausbildung an der Höheren Technischen Lehranstalt Mödling und die Eintragung in die von der Bayrischen Ingenieurkammer-Bau geführte Liste der bauvorlageberechtigten Ingenieure entspreche nicht den im § 373d Abs. 7 Z. 1 GewO 1994 festgelegten Erfordernissen. Demnach wäre vom Beschwerdeführer für die von ihm angestrebte Tätigkeit der nach der Baugewerbe-Befähigungsnachweise-Verordnung für das Baumeistergewerbe vorgeschriebene Befähigungsnachweis zu erbringen.

Gegen diesen Bescheid richtete der Beschwerdeführer zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser Gerichtshof hat die Beschwerde nach Ablehnung ihrer Behandlung dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten (Beschluss vom 26. November 2002, B 964/01).

Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht verletzt, dass seine in Deutschland erworbene Berufsqualifikation als bauvorlageberechtigter Ingenieur mit dem für das Baumeistergewerbe hinsichtlich der Planung für Hochbauten vorgeschriebenen Befähigungsnachweis gleichgehalten werde.

Er führt dazu aus, dass die belangte Behörde zu Unrecht der Ansicht sei, die Architekturrichtlinie enthalte eine abschließende Regelung. Dies könne der Richtlinie nicht entnommen werden, enthalte sie doch keine Aussage, dass von ihr nicht umfasste Diplome von einer Gleichstellung ausgeschlossen seien. Gemäß Art. 49 EG sei eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs verboten. Davon gebe es nur zum Schutz der eigenen Bevölkerung des jeweiligen Mitgliedstaates aus sachlich erforderlichen Gründen Ausnahmen. Als bauvorlageberechtigter Ingenieur dürfe er in ganz Deutschland Hochbauten planen. Die Nichtanerkennung der Berechtigung sei in keiner Weise gerechtfertigt und verstoße daher gegen Art. 49 EG. Aus diesen Gründen hätte die belangte Behörde nach einer Äquivalenzprüfung die Gleichhaltung zuerkennen müssen. Nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes dürfe ein Österreicher, der nach Deutschland gehe, dort Berechtigungen erwerbe und wieder nach Österreich zurückkomme, nicht schlechter behandelt werden als ein deutscher Staatsbürger der nach Österreich komme.

Weiters regt der Beschwerdeführer an, eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes einzuholen. Es möge (u.a.) gefragt werden, ob die restriktive Auslegung der Architekturrichtlinie durch die belangte Behörde mit dem primären Gemeinschaftsrecht vereinbar sei, ob die Gleichstellung von in der Architekturrichtlinie nicht genannten Diplomen geboten sei und ob § 373d GewO 1994 mit der Dienstleistungsfreiheit vereinbar sei.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 373d Abs. 7 GewO 1994 in der hier maßgeblichen Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 111/2002 hat folgenden Wortlaut:

"Einem Antragsteller, der eine Berechtigung gemäß § 202 Abs. 1 Z 1 hinsichtlich der Planung von Hochbauten anstrebt, ist die Gleichhaltung dann auszusprechen, wenn er

1. in Bezug auf seine Berufsqualifikation Zeugnisse vorlegt, die gemäß Art. 7 der 'Richtlinie 85/384/EWG für die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise auf dem Gebiet der Architektur und für Maßnahmen zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des Niederlassungsrechts und des Rechts auf freien Dienstleistungsverkehr' mitgeteilt und im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wurden oder die gemäß Art. 11 dieser Richtlinie anerkannt wurden und

2. eine entsprechende selbständige oder unselbständige Berufstätigkeit zum Erwerb praktischer Erfahrungen im Heimat- oder Herkunftsstaat zumindest in der Dauer ausgeübt hat, die Inländer mit einer äquivalenten Berufsqualifikation entsprechend der Bestimmungen über den Befähigungsnachweis nachweisen müssen. Wenn die Dauer an praktischen Erfahrungen des Antragstellers wesentlich kürzer als die in Österreich vorgeschriebene fachliche Tätigkeit für äquivalent Ausgebildete ist, ist im Sinne des Art. 23 Abs. 2 der Richtlinie 85/384/EWG eine Berufserfahrung (fachliche Tätigkeit) vorzuschreiben. Im Falle der Niederlassung ist der Antragsteller im Sinne des Art. 26 Abs. 1 der Richtlinie 85/384/EWG zu verpflichten, sich mit den österreichischen Rechtsvorschriften und Standesregeln bei den diesbezüglichen Informationsstellen in Österreich vertraut zu machen."

Die - durch diese Bestimmung umgesetzte - Architekturrichtlinie bedenkt nach ihren einleitenden Erwägungen u. a., dass die architektonische Gestaltung, die Qualität der Bauwerke, ihre harmonische Einpassung in die Umgebung, die Achtung vor der natürlichen und der städtischen Landschaft sowie vor dem kollektiven und dem privaten Erbe von öffentlichem Interesse sind; daher muss sich die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise auf qualitative und quantitative Kriterien stützen, die gewährleisten, dass die Inhaber der anerkannten Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise in der Lage sind, die Bedürfnisse der Einzelpersonen, der sozialen Gruppen und der Gemeinwesen im Bereich der Raumordnung, der Konzeption, der Vorbereitung und Verwirklichung von Bauwerken, der Erhaltung und Herausstellung des architektonischen Erbes sowie des Schutzes der natürlichen Gleichgewichte zu verstehen und ihnen Ausdruck zu verleihen.

Zu diesem Zweck sieht die Architekturrichtlinie die Anerkennung bestimmter Befähigungsnachweise auf dem Gebiet der Architektur im Rahmen von zwei unterschiedlichen Systemen vor. Durch die Art. 2 bis 9, die das Kapitel II. "Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstige Befähigungsnachweise, die den Zugang zu den Tätigkeiten auf dem Gebiet der Architektur unter der Berufsbezeichnung 'Architekt' eröffnen" bilden, wird ein allgemeines System der automatischen gegenseitigen Anerkennung aller Befähigungsnachweise auf dem Gebiet des Architektur geschaffen, die die in diesen Vorschriften festgelegten Voraussetzungen erfüllen.

Zu diesen Voraussetzungen gehört insbesondere eine Ausbildung auf Hochschulniveau (Art. 4 Abs. 1) bzw. eine mindestens siebenjährige Praxis in einem Architekturbüro mit einer Prüfung auf Hochschulniveau (Art. 4 Abs. 2) oder die Ermächtigung zur Führung des Titels "Architekt" auf Grund einer auf Gesetz beruhenden Verleihung an Staatsangehörige, die sich durch die Qualität ihrer Leistungen auf dem Gebiet der Architektur besonders ausgezeichnet haben (Art. 5 Abs. 1). Gemäß Art. 7 Abs. 1 der Architekturrichtlinie teilt jeder Mitgliedstaat den anderen Mitgliedstaaten und der Kommission das Verzeichnis der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise mit, die in seinem Hoheitsgebiet ausgestellt werden und die den in den Art. 3 und 4 genannten Kriterien genügen.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, die Voraussetzungen für die Anerkennung nach Kapitel II. der Architekturrichtlinie nicht zu erfüllen. Er hat insbesondere nicht behauptet, eine Ausbildung oder eine Prüfung auf Hochschulniveau absolviert zu haben oder dass ihm auf Grund besonderer Leistungen auf dem Gebiet der Architektur der Titel "Architekt" verliehen worden sei. Bei der Eintragung in die Liste der bauvorlageberechtigten Ingenieure sowie der Berechtigung zur Führung der geschützten Berufsbezeichnung "beratender Ingenieur" handelt es sich unstrittig um keine gemäß Art. 7 der Architekturrichtlinie mitgeteilten Befähigungsnachweise.

Durch die Art. 10 bis 15 der Architekturrichtlinie, die das Kapitel III. "Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstige Befähigungsnachweise, die auf Grund erworbener Rechte oder bestehender einzelstaatlicher Vorschriften Zugang zu den Tätigkeiten auf dem Gebiet der Architektur eröffnen" bilden, wird eine Übergangsregelung für die gegenseitige Anerkennung bestimmter Befähigungsnachweise geschaffen. Diese Befähigungsnachweise sind in den Art. 11 und 12 der Architekturrichtlinie abschließend aufgezählt (vgl. die Urteile des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 21. März 2002 in der Rechtssache C- 298/99, Kommission gegen italienische Republik, Slg. 2002 I-03129, Rn 7, und vom 9. August 1994 in der Rechtssache C-447/93, Nicolas Dreessen, Slg. 1994 I-4087, Rn 11).

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, über keinen der in dieser abschließenden Aufzählung enthaltenen Befähigungsnachweise zu verfügen.

Die Befähigungsnachweise des Beschwerdeführers können daher nach der Architekturrichtlinie nicht anerkannt werden. Da § 373d Abs. 7 GewO 1994 nach seiner Z. 1 zur Voraussetzung hat, dass der Antragsteller Zeugnisse vorlegt, die entweder gemäß Art. 7 der Architekturrichtlinie mitgeteilt oder gemäß Art. 11 dieser Richtlinie anerkannt wurden, kommt die Gleichstellung der Befähigungsnachweise des Beschwerdeführers (Eintragung in die Liste der bauvorlageberechtigten Ingenieure und Berechtigung zur Führung der Berufsbezeichnung "beratender Ingenieur") nach § 373d Abs. 7 GewO 1994 nicht in Betracht.

Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, dass die Gleichstellung seiner für Deutschland gültigen Befähigungsnachweise auf Grund der Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 49 EG geboten sei, ist er auf das bereits zitierte Urteil des EuGH in der Rechtssache Nicolas Dreessen zu verweisen. Darin hat der EuGH ausgesprochen, dass für einen Befähigungsnachweis, der nicht in der abschließenden Aufzählung der Art. 11 und 12 der Architekturrichtlinie enthalten ist (Ingenieur-Urkunde, mit der auf Grund des Studiums an einer staatlichen Ingenieurschule für Bauwesen, Fachrichtung Hochbau in Deutschland die Führung der Bezeichnung "Ingenieur(grad.)" verliehen wurde), die Voraussetzungen der Anerkennung des fraglichen Diploms auf Gemeinschaftsebene nicht gegeben sind (Rn 13).

Auf Grund dieser gesicherten Rechtsprechung des EuGH sieht sich der Verwaltungsgerichtshof nicht veranlasst, die vom Beschwerdeführer angeregten Vorabentscheidungsanfragen an den EuGH zu richten.

Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 21. April 2004

Gerichtsentscheidung

EuGH 61993J0447 Dreessen VORAB

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2003040004.X00

Im RIS seit

14.05.2004

Zuletzt aktualisiert am

11.11.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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