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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
ASVG §412 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des Dr. R in B, vertreten durch Dr. Peter Rosenthal, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Vogelweiderstrasse 55, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 17. November 2000, Zl. 3/05- V/13,527/2-2000, betreffend Feststellung von Beitragsgrundlagen gemäß § 25 GSVG (mitbeteiligte Partei: Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstrasse 84- 86) zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Zwischen dem Beschwerdeführer und der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt besteht Streit über die Feststellung der endgültigen Beitragsgrundlage in der Pensionsversicherung nach dem GSVG für die Jahre 1990 und 1991.
Den vorgelegten Verwaltungsakten ist zu entnehmen, dass die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt nach Kenntnisnahme von Ruhendstellungen der auf den Beschwerdeführer lautenden Gewerbeberechtigungen mit 14. September 1992 diesem zunächst mit Schreiben vom 14. Oktober 1992 mitgeteilt hat, dass die Pflichtversicherung mit 30. September 1992 geendet habe. Im Anschluss daran mahnte die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt beim Beschwerdeführer einerseits Zahlungsrückstände ein, andererseits versuchte sie durch mehrere Jahre, sich im Wege des zuständigen Finanzamtes Salzburg-Land Kenntnis darüber zu verschaffen, ob die für die Feststellung der endgültigen Beitragsgrundlage in den Streitjahren maßgeblichen Einkommensteuerbescheide für die Kalenderjahre 1987 und 1988 bereits in Rechtskraft erwachsen seien. Nachdem dieses mehrere telefonische Anfragen in den Jahren 1995, 1996 und 1997 jeweils mit dem Hinweis beantwortet hatte, dass die Verfahren bei der Finanzlandesdirektion noch anhängig seien, bestätigte das Finanzamt zunächst mit Schreiben vom 30. August 1999, dass der Beschwerdeführer für das Jahr 1987 mit einem steuerpflichtigen Einkommen von S 1,156.857 und für das Jahr 1988 mit einem Einkommen von S 58.880,-- zur Einkommensteuer veranlagt worden sei. Gegen die daraufhin erfolgende Beitragsvorschreibung über S 69.467,58 wendete sich der Beschwerdeführer in weitwendigen Schriftsätzen, in denen er einerseits bestritt, dass die Einkommensteuerbescheide in Rechtskraft erwachsen seien, und andererseits gesetzwidrige Vorgangsweisen der Abgabenbehörden behauptete.
In der Folge teilte das Finanzamt der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt mit weiterem Schreiben vom 28. Februar 2000 mit, dass der Beschwerdeführer für 1987 mit S 5,012.793 und für 1988 mit S 253.980,-- "endgültig" zur Einkommensteuer veranlagt worden sei. Nach mehreren Rückfragen der mitbeteiligten Partei bestätigte das Finanzamt Salzburg-Land schließlich mit Schreiben vom 14. Juli 2000, dass die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1987 und 1988 in Rechtskraft erwachsen seien. Die Einkünfte würden zum überwiegenden Teil aus Provisionen stammen.
Daraufhin erließ die mitbeteiligte Partei den Bescheid vom 25. Juli 2000, worin die "endgültige monatliche Beitragsgrundlage in der Pensionsversicherung nach dem GSVG ... für das Jahr 1990 gemäß § 25 GSVG ATS 31.600,-- (EUR 2.296,46) und für das Jahr 1991 ATS 23.218,-- (EUR 1.687,32)" betrage. In der Begründung dieses Bescheides verwies die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt auf die in Rechtskraft erwachsenen Einkommensteuerbescheide. Dieser Bescheid wurde nach Ausweis des bei den Verwaltungsakten befindlichen Rückscheins (RSb) nach einem erfolglosen Zustellversuch mit Beginn der Abholfrist am 31. Juli 2000 postamtlich hinterlegt.
Nach einer Beschwerde des Beschwerdeführers an die Generaldirektion der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt vom 10. August 2000 gelangte am 17. August 2000 der oben erwähnte Rückscheinbrief mit dem postamtlichen Vermerk "Nicht behoben" an die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt zurück, worauf dessen Inhalt - nach dem darüber angelegten Aktenvermerk vom 28. August 2000 - dem Beschwerdeführer "mit normaler Post zugesandt" wurde.
Datiert mit 6. September 2000 langte bei der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt am 7. September 2000 ein als "Einspruch und Aufsichtsbeschwerde" bezeichnetes Schreiben des Beschwerdeführers ein, mit welchem dieser den Antrag auf "Aufhebung des Bescheides" und auf "Einstellung des Verfahrens" stellte und auf mehreren Seiten umfangreiche Vorwürfe erhob, er sei in näher bezeichneten Grundrechten verletzt worden. In diesem Schreiben stellte der Beschwerdeführer unter anderem "vorweg als Rechtsverletzung fest", dass die Zustellung "erst zu einem Zeitpunkt erfolgte, als die Rechtsmittelfrist bereits abgelaufen war".
Die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt legte den Einspruch der belangten Behörde vor, die ihm mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid keine Folge gab und den erstinstanzlichen Bescheid unter Hinweis auf die in Rechtskraft erwachsenen Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1987 und 1988 bestätigte.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Beschwerdeführer hat auf die Gegenschriften repliziert und in mehreren - ohne Anwaltsunterschrift eingebrachten - Schriftsätzen seinen Rechtsstandpunkt bekräftigt.
Mit Schreiben vom 1. Juli 2002 hat die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt mitgeteilt, dass die Einkommensteuerbescheide des Beschwerdeführers für die Jahre 1987 und 1988 mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Oktober 2001, Zl. 99/15/0060 bis 0062, aufgehoben worden seien.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der angefochtene Bescheid ist schon deshalb rechtswidrig, weil die belangte Behörde eine Sachentscheidung getroffen hat, ohne sich mit der Frage der Rechtzeitigkeit des Einspruchs auseinander zu setzen:
Der Bescheid der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt vom 25. Juli 2000 wurde dem Beschwerdeführer durch Hinterlegung am 31. Juli 2000 zugestellt. Daran vermochte auch die nach Rücklangen des Poststückes als "nicht behoben" veranlasste neuerliche Übermittlung mit "normaler Post" nichts zu ändern. Der letzte Tag der einmonatigen Einspruchsfrist (§ 194 GSVG iVm § 412 Abs. 1 ASVG) war somit der 31. August 2000.
Der Einspruch des Beschwerdeführers wurde aber augenscheinlich erst nach Ablauf dieser Frist, nämlich am 6. September 2000, verfasst und langte erst am 7. September 2000 bei der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt ein. Ausgehend davon wäre der Einspruch verspätet und hätte daher von der belangten Behörde zurückgewiesen werden müssen.
Da somit die belangte Behörde im Falle der - nach der Aktenlage gebotenen - Auseinandersetzung mit der Frage der Rechtzeitigkeit des Einspruchs (nach Gewährung entsprechenden Parteiengehörs) zu einem anderen Ergebnis des Verfahrens hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grunde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das auf Ersatz der Beschwerdegebühr gerichtete Mehrbegehren war im Hinblick auf die Gebührenfreiheit auch des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gemäß § 46 GSVG abzuweisen. Die Umsatzsteuer ist in dem Pauschalbetrag für Schriftsatzaufwand nach der zitierten Verordnung bereits enthalten.
Wien, am 21. April 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2001080002.X00Im RIS seit
15.06.2004