TE Vwgh Erkenntnis 2004/4/21 2001/08/0103

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Veröffentlicht am 21.04.2004
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §67;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der R in O, vertreten durch Dr. Christoph Weinberger, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Kaigasse 40, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 3. April 2001, Zl. 3/05- V/13.526/3-2001, betreffend Beitragsnachverrechnung (mitbeteiligte Partei: Salzburger Gebietskrankenkasse, 5020 Salzburg, Faberstraße 19-23), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft sprach mit Bescheid vom 18. Juli 2000 aus, dass gegen die Pension der Beschwerdeführerin ab Juli 2000 ein Betrag von monatlich S 540,-- zur Deckung der offenen Forderung der Salzburger Gebietskrankenkasse an Beiträgen zur Sozialversicherung in der Höhe von insgesamt S 77.324,76 zuzüglich Verzugszinsen aufgerechnet werde.

Die Beschwerdeführerin führte daraufhin unter anderem in einem Schreiben an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse vom 27. Juli 2000 aus, dass der angebliche Betrag von S 77.324,76 zu Unrecht "bestehe". Ein rechtskräftiger Rückstandsausweis der Kasse vom 4. Juli 2000 liege nicht vor und sei ihr nicht zugegangen. Sie beantrage, den Rückstandsausweis unverzüglich aufzuheben. Im Schreiben an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse vom 16. August 2000 verlangte die Beschwerdeführerin einen Bescheid über den angeblichen Rückstand von S 36.198,27. Sie erklärte, diesen Betrag niemals anzuerkennen, und verlangte "die Aufstellung sowie die Namen der Arbeitnehmer und deren Zeiträume, in denen die Beiträge berechnet wurden".

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse erließ daraufhin den Bescheid vom 17. August 2000, der - soweit für das Beschwerdeverfahren von Bedeutung - lautet:

"BESCHEID

Anlässlich der im Jahre 1991 durchgeführten Beitragsprüfung betreffend die Firma R.J., Hotel R. in ... wurden Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von ATS 39.687,76 nachverrechnet und per 28.06.1991 vorgeschrieben. Zugleich wurde ein Beitragszuschlag gemäß § 113 Abs. 1 ASVG in Höhe von ATS 13.350,-- mittels Bescheid vorgeschrieben. Nach zahlreichen Zustellungsversuchen in ... erfolgte dann die Zustellung der Beitragsprüfung-Nachverrechnung sowie des Beitragszuschlages an den Zustellungsbevollmächtigen, Herrn Dipl.-Lw. Lothar L. in ..., per 20.03.1992.

Die im Zuge der Beitragsprüfung nachverrechneten Sozialversicherungsbeiträge sowie der vorgeschriebene Beitragszuschlag wurden nicht pünktlich bei Fälligkeit entrichtet.

Die im Rückstandsausweis vom 04.07.2000 - der Rückstandsausweis bildet einen integrierenden Bestandteil des Bescheides - ausgewiesenen Beiträge und Nebengebühren haften zum 04.07.2000 unberichtigt aus. Die Forderung in Höhe von ATS 77.324,76 zuzüglich 7,92 % Verzugszinsen gerechnet ab 05.07.2000 von ATS 36.998,27 wird als zu Recht bestehend festgestellt.

...

Begründung:

Sachverhalt:

Die im angeschlossenen Rückstandsausweis vom 04.07.2000 ausgewiesenen Beiträge samt Nebengebühren haften zum Zeitpunkt 04.07.2000 unberichtigt aus.

Die auf Grund der im Jahre 1991 durchgeführten Beitragsprüfung angefallenen Sozialversicherungsbeiträge sowie der verhängte Beitragszuschlag gemäß § 113 Abs. 1 ASVG wurden nicht pünktlich zum Fälligkeitszeitpunkt entrichtet. Trotz geführter Zwangsmaßnahmen konnte die Forderung bisher nicht einbringlich gemacht werden.

Rechtliche Beurteilung:

Nach § 64 Abs. 2 ASVG ist die Salzburger Gebietskrankenkasse berechtigt, die aushaftende Beitragsforderung rechtlich geltend zu machen und zur Eintreibung nicht rechtzeitig entrichteter Beiträge einen Rückstandsausweis auszufertigen.

Sie haben gemäß § 410 Abs. 1 Z. 7 von Ihrem Recht als Dienstgeber auf Bescheiderteilung Gebrauch gemacht und wurde daher im Spruch der im Rückstandsausweis vom 04.07.2000 ausgewiesene Beitragsrückstand als zu Recht aushaftend per 04.07.2000 festgestellt.

..."

Der verwiesene Rückstandsausweis vom 4. Juli 2000 hat

folgenden Inhalt:

"RÜCKSTANDSAUSWEIS

über geschuldete Sozialversicherungsbeiträge und Nebengebühren

Beitragszeitraum

Summe

 

NV-BP 07/91

ATS

36.998,27

Beitrag

ATS

36.998,27

Nebengebühren

ATS

40.326,49

Gesamt

ATS

77.324,76

zuzüglich 7,92 % Zinsen gerechnet ab 5.7.2000 von ATS 36.998,27.

Dieser Rückstandsausweis unterliegt keinem die Vollstreckbarkeit hemmenden Rechtszuge. Er ist gemäß § 64 (2) ASVG Exekutionstitel im Sinne des § 1 EO."

Die Beschwerdeführerin erhob gegen den Bescheid vom 17. August 2000 Einspruch. Im Schriftsatz vom 13. September 2000 führte sie aus, dass ihr in dem bekämpften Bescheid nicht die Namen der Arbeitnehmer sowie die Zeiten, für die die Beiträge berechnet worden seien, mitgeteilt worden seien. Sie könne daher eine "Begründung gegen den Bescheid nicht abgeben".

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch keine Folge. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, es sei auf Grund der Aktenlage von nachstehendem Sachverhalt auszugehen:

Die der gegenständlichen Beitragsnachverrechnung zu Grunde liegende Beitragsprüfung im Juli 1991 habe ergeben, dass die Beschwerdeführerin die Beitragsnachweisungen für die Beitragszeiträume Dezember 1988 und Jänner bis April 1989 nicht erstellt habe. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse habe die Beitragsgrundlagen im Wege von Schätzungen ermittelt. Diese Schätzungen seien anlässlich der Beitragsprüfung genau mit den tatsächlichen Beitragsgrundlagen gegenverrechnet worden. Weiters sei aus den Unterlagen der Beitragsprüfung zu entnehmen, dass das laufende Entgelt für 11 namentlich genannte Bedienstete in bestimmten Beitragszeiträumen nicht oder nicht in der richtigen Höhe zur Sozialversicherung gemeldet worden sei. Außerdem sei die am 15. April 1989 fällige Sonderzahlungsmeldung für einen Dienstnehmer nicht in der richtigen Höhe erstattet worden.

Die Beschwerdeführerin habe in ihrem Rechtsmittel ausgeführt, dass sie bis 30. April 1989 das Hotel als Eigentümerin geführt habe. Am 1. Mai 1989 habe sie den Betrieb ihrem Sohn übergeben. In der Folge sei angeblich eine Beitragsprüfung der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse für die Jahre 1988 und 1989 erfolgt. Der Ehemann der Beschwerdeführerin habe bereits im April 1989, also vor der Beitragsprüfung, die Endabrechnung mit der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vorgenommen. Von der Beitragsprüfung hätten weder sie noch ihr Ehemann etwas erfahren.

Dazu führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin sei nach der Aktenlage in sämtlichen Verwaltungsverfahren gegenüber der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse von ihrem Ehemann vertreten worden. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse habe von der Vorlage einer schriftlichen Vollmacht abgesehen. Es seien damals und heute nie Zweifel am Bestehen der Vertretungsbefugnis aufgetreten. Die Angaben der Beschwerdeführerin über die Beendigung des Betriebes seien mit dem Akteninhalt in Einklang zu bringen. Ihre Behauptung, sie habe von der gegenständlichen Beitragsprüfung nichts gewusst, stehe in Widerspruch zur Aktenlage. Aus dem im Akt erliegenden Urteil des Landesgerichtes Salzburg gehe hervor, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin in diesem Gerichtsverfahren seinen Sohn vertreten habe. Verfahrensgegenstand sei der Rückstandsausweis gegen die Beschwerdeführerin betreffend die in Rede stehende Beitragsprüfung aus dem Jahre 1991 gewesen. Über diesen Rückstandsausweis existiere auch eine rechtskräftige Exekutionsbewilligung des Bezirksgerichtes Radstadt vom 26. April 1992, gegen die kein Rechtsmittel erhoben worden sei. Spätestens seit 1993 sei also der Beschwerdeführerin das Ergebnis der Betriebsprüfung vom Juli 1991 bekannt gewesen. Aus dem Urteil des Landesgerichtes Salzburg gehe weiters hervor, dass die Beschwerdeführerin in der Zeit vom 23. November 1992 bis 30. April 1993 bei ihrem Sohn als Hotelassistentin beschäftigt gewesen sei. Ihr Aufgabengebiet habe den Schriftverkehr des Unternehmens umfasst. In eben dieser Zeit seien seitens der Salzburger Gebietskrankenkasse sowohl gegen den Sohn des Ehemannes der Beschwerdeführerin als auch gegen die Beschwerdeführerin selbst gerichtliche und exekutive Schritte, adressiert an das Unternehmen des Sohnes des Ehemannes der Beschwerdeführerin vorgenommen worden. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin habe die Behörde letztlich nicht davon überzeugen können, dass die im beeinspruchten Bescheid enthaltenen Beitragsschuldigkeiten nicht zu Recht bestünden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht, mangels Vorliegens der entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen keine Beiträge entrichten zu müssen, verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Sowohl unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht die Beschwerdeführerin geltend, dem Bescheid sei "eine konkrete Zuordnung der Beiträge zu den allfälligen Arbeitseinkünften der behaupteten angeführten Dienstnehmer" nicht zu entnehmen. Es sei nicht nachvollziehbar, auf Grund welcher konkreten Berechnungen die belangte Behörde bzw. die mitbeteilige Gebietskrankenkasse zu den nachverrechneten Sozialversicherungsbeiträgen gelangt sei.

Gemäß § 58 Abs. 2 AVG sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird. Nach dem gemäß § 67 AVG auch von der Einspruchsbehörde anzuwendenden § 60 leg. cit. sind in der Begründung des Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Die Behörde muss somit in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes zugänglichen Weise dartun, welcher für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebende Sachverhalt mit den hiebei als erwiesen angenommenen Tatsachen der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen sie zur Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege, und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtete. Mit dem Ausmaß dieser Begründungspflicht sowohl der Gebietskrankenkasse als auch der Einspruchsbehörde im Fall der Beitragsnachverrechnung hat sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 25. Jänner 1994, 93/08/0027, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, in Auseinandersetzung mit der Vorjudikatur ausführlich befasst. Unter Bedachtnahme auf die darin entwickelten Grundsätze entspricht weder die Begründung des Kassenbescheides noch die des angefochtenen Bescheides den geschilderten gesetzlichen Anforderungen. Der Begründung des angefochtenen Bescheides kann nicht entnommen werden, welcher Sachverhalt, nämlich welche Tatsachen, auf Grund derer die belangte Behörde angenommen hat, es sei für bestimmte Dienstnehmer eine bestimmte Beitragsgrundlage der Beitragsberechnung zu Grunde zu legen, als erwiesen angenommen wurde und aus welchen Erwägungen die belangte Behörde zur Ansicht gelangt ist, dass gerade diese Beitragsgrundlagen für die bestimmten Dienstnehmer in den jeweiligen Beitragszeiträumen vorliegen; dies obwohl die Beschwerdeführerin bereits in ihrem Antrag an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse auf Erlassung eines Bescheides eine ausreichend begründete und nachvollziehbare Darstellung der Beitragsnachverrechnung verlangt hatte.

Die von der Beschwerdeführerin aufgezeigten Begründungsmängel hindern den Verwaltungsgerichtshof, seiner Rechtskontrolle gemäß § 41 Abs. 1 VwGG zu entsprechen. Der angefochtene Bescheid lässt keine abschließende inhaltliche Überprüfung zu, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 21. April 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2001080103.X00

Im RIS seit

10.06.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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