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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §293b;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde des J in S, vertreten durch Dr. Hannes Grabher und Dr. Gerhard Müller, Rechtsanwälte in 6890 Lustenau, Maria-Theresien-Straße 8, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Feldkirch, vom 26. Jänner 2004, RV/0119-F/03, betreffend Einkommensteuer 1998 und 1999 (Berichtigung nach § 293b BAO), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus dem angefochtenen Bescheid und der Beschwerde ergibt sich folgender Sachverhalt:
Die ausschließlich vermögensverwaltend tätigte (und Verluste erwirtschaftende) W-GmbH war mit 31. Dezember 1996 gemäß § 5 UmwG auf die W-OEG umgewandelt worden. Die W-OEG erzielte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, die auch in Feststellungsbescheiden nach § 188 BAO als solche festgestellt wurden.
In der Einkommensteuererklärung 1998 machte der Beschwerdeführer als Sonderausgabe einen Verlustvortrag von 834.894 S aufgrund seiner Beteiligung an der W-OEG geltend. In der Einkommensteuererklärung 1999 machte er aus dem gleichen Titel einen Verlustvortrag von 94.891 S als Sonderausgabe geltend.
Das Finanzamt setzte mit Bescheid vom 1. Februar 2000 für das Jahr 1998 und mit Bescheid vom 20. November 2000 für das Jahr 1999 die Einkommensteuer gegenüber dem Beschwerdeführer erklärungsgemäß fest.
Mit Bescheiden vom 8. Jänner 2003 nahm das Finanzamt gemäß § 293b BAO eine Berichtung dieser Einkommensteuerbescheide vor. Dabei ging es davon aus, dass die Anerkennung der Verlustvorträge in den Bescheiden vom 1. Februar 2000 und vom 20. November 2000 auf die Übernahme offensichtlicher Unrichtigkeiten aus Abgabenerklärungen zurückzuführen sei. Diese Unrichtigkeit werde nunmehr durch die Erlassung von Berichtigungsbescheiden beseitigt.
Zwischenzeitig hatte das Finanzamt - nach einer abgabenbehördlichen Prüfung - mit Bescheiden vom 8. Mai 2001 die Verfahren betreffend Einkommensteuer 1998 und 1999 wieder aufgenommen und die Einkommensteuer neu, nämlich unter Außerachtlassung der Verlustvorträge, festgesetzt gehabt. In der Berufung gegen die Wiederaufnahmebescheide hatte der Beschwerdeführer vorgebracht, die Art der Verluste, die als Verlustvorträge geltend gemacht worden seien, sei bereits in der Beilage zu den Einkommensteuererklärungen dargelegt worden. Dieser gegen die Wiederaufnahmebescheide erhobenen Berufung hatte die Finanzlandesdirektion sodann Folge gegeben (Berufungsentscheidung vom 2. Dezember 2002), weil keine Tatsachen neu hervorgekommen seien und daher die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme der Verfahren nach § 303 Abs 4 BAO nicht gegeben gewesen seien. Die Aufhebung der Wiederaufnahmebescheide hatte auch zum Wegfall der im wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen Einkommensteuerbescheide geführt.
Der Beschwerdeführer berief gegen die berichtigten Einkommensteuerbescheide vom 8. Jänner 2003 mit der Begründung, die Voraussetzungen für eine Bescheidberichtigung nach § 293 b BAO lägen nicht vor.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab.
Die in Streit stehenden Verlustvorträge gingen zurück auf die Beteiligung des Beschwerdeführers an der W-OEG, welche durch Umwandlung der W-GmbH errichtet worden sei. Kapitalgesellschaften, die lediglich aufgrund der Rechtsform gewerbliche Einkünfte erzielten, seien von der Umwandlung nach dem UmgrStG ausgeschlossen. Die Umwandlung von der W-GmbH auf die W-OEG sei daher steuerlich nicht anzuerkennen, weshalb auch die aus der Beteiligung an der W-OEG stammenden Verluste keine Berücksichtigung als steuerliche Verlustvorträge des Beschwerdeführers finden könnten.
Ob die Unrichtigkeit zu einer Berichtigung nach § 293b BAO führen könne, müsse an Hand der Aktenlage und der Abgabenerklärungen festgestellt werden. Bei der Veranlagung sei bereits erkennbar gewesen, dass die Verlustvorträge aus der Beteiligung an der W-OEG stammten, diese aus der Umwandlung der W-GmbH entstanden sei, und stets nur Vermietung (Vermögensverwaltung) betrieben worden sei. Die Angaben in den Einkommensteuererklärungen des Beschwerdeführers für die Jahre 1998 und 1999 dokumentierten auch, dass die W-OEG (ausschließlich) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt habe. Bei dieser Sachlage könne die erklärungsgemäßen Anerkennung des Verlustvortrages aus der Beteiligung an der W-OEG nur als auf offensichtliche Unrichtigkeiten zurückgehend eingestuft werden. Die rechtliche Beurteilung des Finanzamtes bei der Veranlagung zur Einkommensteuer 1998 und 1999 sei, da es die zur Gänze vorhandenen und aktenkundigen Bausteine des Falles nicht gesetzeskonform zusammengesetzt habe, unrichtig gewesen. Bei entsprechender Prüfung der Abgabenerklärungen wäre die vom Beschwerdeführer vertretene Rechtsauffassung ohne weitere Erhebungen "klar als unrichtig erkennbar gewesen".
Der Beschwerdeführer sei darauf hinzuweisen, dass die Berichtigung nach § 293b BAO mit der Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 303 BAO nichts gemein habe. Es handle sich um zwei unterschiedliche verfahrensrechtliche Instrumente. Die Anwendbarkeit des § 293b BAO erfordere keine Wiederaufnahme und keine Wiederaufnahmegründe.
Jene Gründe, die für die Unzulässigkeit der Wiederaufnahme der Verfahren gesprochen hätten und zur Aufhebung der Wiederaufnahmebescheide (und damit zum Wiederaufleben der ersten Einkommensteuerbescheide) geführt hätten, nämlich das Fehlen des Hervorkommens neuer Tatsachen, behinderten die Anwendbarkeit des § 293b BAO nicht, sondern begünstigten sie sogar, da die bereits im Zeitpunkt der Veranlagung zur Einkommensteuer zur Gänze vorhandenen und aktenkundigen Tatsachen bei richtiger rechtlicher Würdigung ohne weitere Erhebungen dazu geführt hätten, einen den Berichtigungsbescheiden entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
Die Berichtigung nach § 293b BAO liege im Ermessen der Abgabenbehörde, wobei dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit einzuräumen sei. Im Streitfall sei für das Jahr 1998 ein Verlustvortrag von 834.894 S, für das Jahr 1999 ein solcher von 94.891 S vorgenommen worden. Von einer Geringfügigkeit der steuerlichen Folgen der Unrichtigkeit könne daher nicht ausgegangen werden. Es liege daher kein Ermessensmissbrauch vor.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
§ 293b BAO lautet:
"Die Abgabenbehörde kann auf Antrag einer Partei (§ 78) oder von Amts wegen einen Bescheid insoweit berichtigen, als seine Rechtswidrigkeit auf der Übernahme offensichtlicher Unrichtigkeiten aus Abgabenerklärungen beruht."
§ 293b BAO setzt voraus, dass die Abgabenbehörde den Inhalt einer Abgabenerklärung übernimmt, wobei diesem Inhalt eine offensichtliche Unrichtigkeit zu Grunde liegt. Dies wird dann zu bejahen sein, wenn die Abgabenbehörde bei ordnungsgemäßer Prüfung der Abgabenerklärung die Unrichtigkeit hätte erkennen müssen, ohne ein weiteres Ermittlungsverfahren durchzuführen. Die Unrichtigkeit kann sowohl in einer unzutreffenden Rechtsauffassung als auch in einer in sich widersprüchlichen oder eindeutig gegen menschliches Erfahrungsgut sprechenden Sachverhaltsdarstellung zum Ausdruck kommen (vgl das hg Erkenntnis vom 16. Dezember 2003, 2003/15/0110).
Ob eine offensichtliche Unrichtigkeit im Hinblick auf die übernommene Rechtsauffassung vorliegt, ist anhand des Gesetzes und vor allem auch der dazu entwickelten Rechtsprechung zu beurteilen. Bestünde behördlicherseits bei entsprechender Prüfung von vornherein die Gewissheit, dass die in der Abgabenerklärung vertretene Rechtsansicht unrichtig ist, so liegt aus der Sicht der Abgabenbehörde eine offensichtliche Unrichtigkeit vor (vgl nochmals das hg Erkenntnis vom 16. Dezember 2003).
Der Beschwerdeführer bringt vor, § 293 b BAO ermögliche eine Bescheidberichtigung nur für den Fall, dass der zu berichtigende Bescheid qualifiziert rechtswidrig sei, dh auf einer unvertretbaren Rechtsansicht beruhe, und dies ohne Ermittlungen im Tatsachenbereich deutlich erkennbar sei. Der angefochtene Bescheid enthalte keine hinreichende Begründung dafür, warum im gegenständlichen Fall eine qualifizierte Rechtswidrigkeit vorliegen sollte. Zu beachten sei auch, dass die erstinstanzlichen Bescheide erst nach Durchführung einer Betriebsprüfung und einer Wiederaufnahme der Verfahren, bei welcher das Finanzamt (noch) die Auffassung vertreten habe, erst aufgrund der Betriebsprüfung seien die für die Wiederaufnahme erforderlichen Tatsachen hervorgekommen, erlassen worden seien.
Nach den §§ 4 bis 14 EStG 1988 durch ordnungsmäßige Buchführung ermittelte Verluste sind gemäß § 18 Abs 6 EStG 1988 als Sonderausgaben abzugsfähig. Mit dem Tatbestandsmerkmal "Buchführung" und der Bezugnahme auf die §§ 4 bis 14 EStG 1988 normiert das Gesetz in eindeutiger Weise, dass Verluste aus außerbetrieblichen Einkunftsarten (§ 2 Abs 4 Z 2 EStG 1988) nicht im Wege des Verlustvortrages nach § 18 Abs 6 verwertet werden können (vgl Hofstätter/Reichel, Tz 4 zu § 18 Abs 6 und 7 EStG 1988). Auch die Bestimmung des § 18 Abs 7 EStG 1988 betreffend die Vortragsfähigkeit von Anlaufverlusten stellt zweifelsfrei nur auf Verluste aus betrieblichen Einkunftsarten (§ 2 Abs 4 Z 1 EStG 1988) ab.
§ 10 Z 1 UmgrStG normiert für den Fall der Umwandlung, dass den Rechtsnachfolgern ein Verlustvortrag nach § 18 Abs 6 EStG 1988 (bzw § 8 Abs 4 Z 2 KStG 1988) zusteht. Voraussetzung für eine diese Rechtsfolge herbeiführende Umwandlung ist aber gemäß § 7 Abs 1 UmgrStG (im gegenständlichen Fall kommt nur die Regelung betreffend die errichtende Umwandlung in Betracht), dass am Umwandlungsstichtag und am Tag des Umwandlungsbeschlusses ein "Betrieb" vorliegt. Ist die umgewandelte Kapitalgesellschaft nur vermögensverwaltend tätig geworden, kann sie den Rechtsnachfolgern keinen Verlustvortrag vermitteln (vgl Walter, Umgründungssteuerrecht4, (2004), Tz 209ff).
Das Gesetz eröffnet somit unzweifelhaft keine Möglichkeit, Verlustanteile aus einer Beteiligung an einer durch errichtende Umwandlung entstandenen vermögensverwaltenden Personengesellschaft, die auf eine vermögensverwaltende Tätigkeit der umgewandelten Kapitalgesellschaften zurückgehen, als Sonderausgaben iSd § 18 EStG geltend zu machen. Der angefochtene Bescheid führt daher zu Recht aus, dass eine Berechtigung zur Geltendmachung des Verlustvortrages nicht bestanden hat. Der belangten Behörde kann auch nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausgegangen ist, dass bei entsprechender Prüfung im Zuge der Veranlagung für das Finanzamt von vornherein die Gewissheit bestanden hätte, dass die in der Abgabenerklärung vertretene Rechtsansicht betreffend die Möglichkeit der steuerlichen Berücksichtigung des in Rede stehenden Verlustes unrichtig ist.
Zutreffend führt die Beschwerde aus, eine Berichtigung nach § 293b BAO habe zur Voraussetzung, dass das Finanzamt bei ordnungsgemäßer Prüfung der Abgabenerklärung die Unrichtigkeit hätte erkennen müssen, ohne ein weiteres Ermittlungsverfahren durchzuführen. Entgegen dem Beschwerdevorbringen hat die belangte Behörde aber klare Sachverhaltsfeststellungen getroffen, dass das Finanzamt ohne jegliche Ermittlungen in der Lage gewesen sei, die Unrichtigkeit bereits im Zuge der Veranlagung zu erkennen. Dieser Sachverhaltsfeststellung tritt die Beschwerde nicht konkret entgegen. Sie betont sogar, der Beschwerdeführer habe in der Berufung gegen die Wiederaufnahmebescheide vorgebracht, der Sachverhalt sei bereits in der Abgabenerklärung (samt Beilagen) für 1998 offengelegt gewesen.
Es trifft zu, dass das Finanzamt im gegenständlichen Fall eine abgabenbehördliche Prüfung durchgeführt hat. Entscheidend ist aber, dass nach den unbestrittenen Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde das Finanzamt bereits aufgrund des in den Abgabenerklärungen dargelegten Sachverhaltes im Zuge der Veranlagung Gewissheit über die Unrichtigkeit der Abgabenerklärung hätte erlangen können. Allfällige erst im Zuge der abgabenbehördlichen Prüfung hervorgekommene tatsächliche Umstände waren sohin für die Erkennbarkeit der den Abgabenerklärungen zugrunde liegenden Unrichtigkeit nicht relevant.
Dass das Finanzamt in (nicht mehr dem Rechtsbestand angehörenden) Wiederaufnahmebescheiden noch einen anderen (tatsachenwidrigen) Standpunkt vertreten hat, nämlich jenen, dass erst aufgrund der im Zuge der abgabenbehördlichen Prüfung hervorgekommenen Umstände die entsprechenden steuerlichen Konsequenzen erkennbar gewesen seien, steht der Rechtsmäßigkeit der Bescheidberichtigung nach § 293b BAO nicht entgegen, hat doch der Beschwerdeführer diesen Standpunkt mit Erfolg bekämpft und die Aufhebung der Wiederaufnahmebescheide durch die Rechtsmittelbehörde erreicht.
In der Beschwerde wird auch die Ermessensübung bekämpft. Es sei gegen das Prinzip der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit der Vollziehung verstoßen worden, weil - unnötigerweise - eine Betriebsprüfung und ein Wiederaufnahmeverfahren durchgeführt worden seien. Zudem habe das Finanzamt seine Argumentation betreffend die Frage, wann die Unrichtigkeit der Veranlagungsbescheide erkennbar gewesen sei (erst nach Hervorkommen neuer Tatsachen oder von Anfang an), geändert. Daher seien hinsichtlich Einkommensteuer 1998 und 1999 in der Vergangenheit schon eine Reihe von Bescheiden ergangen und dadurch der Beschwerdeführer in seinem geschützten Vertrauen verletzt.
Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer schon deshalb nicht auf, dass mit der Ermessensübung die vom Gesetz vorgegebenen Grenzen überschritten worden wären, weil er gar nicht behauptet, noch während des Wiederaufnahmeverfahrens darauf vertraut zu haben, dass ihm das materielle Abgabenrecht die Berechtigung zur Geltendmachung des in Rede stehenden Verlustvortrages einräume. Zum Vorbringen betreffend das Gebot der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit der Vollziehung genügt es darauf hinzuweisen, dass auch ein Unterbleiben der Bescheidberichtigung den Aufwand für die abgabenbehördliche Prüfung und das Wiederaufnahmeverfahren nicht hätte zum Wegfall bringen können.
Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 22. April 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2004150043.X00Im RIS seit
02.06.2004