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61/01 Familienlastenausgleich;Norm
FamLAG 1967 §10 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde des A in N, vertreten durch Mag. Johann Juster, Rechtsanwalt in 3910 Zwettl, Landstraße 52, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 4. Dezember 2002, Zl RV/547-16/2002, betreffend Familienbeihilfe samt Erhöhungsbetrag ab September 1999, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stellte mit Eingabe vom 23. Mai 2002 den Antrag auf Gewährung (erhöhter) Familienbeihilfe ab 1. September 1999 für seinen Sohn. In der Beilage zum Antrag wird ausgeführt, der am 1. Oktober 1975 geborene Sohn sei erheblich behindert (Spätfolge eines Gehirntumors). Die Behinderung betrage 70 %.
Mit Bescheid vom 12. Juni 2002 wies das Finanzamt den Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe und erhöhter Familienbeihilfe ab dem 1. September 1999 ab. Zur Begründung führte es aus, Anspruch bestünde für volljährige Kinder, die wegen einer körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außer Stande seien, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt, wenn auch aus einer vom Beschwerdeführer vorgelegten amtsärztlichen Bestätigung hervorgehe, dass der Behinderungsgrad des Sohnes 70 % betrage.
In der Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, sein Sohn sei infolge einer von einem Kopftumor hervorrührenden Beeinträchtigung nicht im Stande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Auf Grund seines Gesundheitszustandes sei er noch keiner Beschäftigung am Arbeitsmarkt nachgegangen. Als Beilage zur Berufung legte der Beschwerdeführer einen "klinischpsychologischen Befund" einer Vertragspsychologin für klinische Psychologie vor.
In der Folge richtete die belangte Behörde ein Schreiben an das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen. Ein vorgelegtes ärztliches Zeugnis gebe den Grad der Behinderung mit 70 % an, enthalte aber keine Ausführungen darüber, ob das Kind voraussichtlich dauernd außer Stande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Es werde daher ersucht, ein Gutachten zu dieser Frage zu erstellen.
In der Folge übermittelte das Bundessozialamt Wien, Niederösterreich und Burgenland ein ärztliches Sachverständigengutachten vom 26. September 2002. Dieses Gutachten stellt nach ausführlicher Anamnese und Befundung "Gesamt-GdB 50 %" fest und führt weiters aus: "Betroffener ist voraussichtlich nicht dauernd außer Stande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen".
Mit Schreiben vom 10. Oktober 2002 brachte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer das Gutachten zur Kenntnis und verwies darauf, dass nach Ablauf von zwei Wochen über die Berufung entschieden werde.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen Wien, Niederösterreich und Burgenland habe in seinem schlüssig begründeten Gutachten vom 20. September 2002 den Grad der Behinderung mit 50 % angenommen (auf Grund seltener Anfälle bei Zustand nach Gehirntumoroperation und Angstsyndrom bei möglicher Persönlichkeitsstörung). Es habe weiters festgestellt, dass das untersuchte Kind voraussichtlich nicht dauernd außer Stande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Mangels erheblicher Behinderung im Sinne des FLAG seien sohin die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug der erhöhten Familienbeihilfe nicht gegeben.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außer Stande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
§ 8 Abs. 6 FLAG 1967 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. 531/1993 lautet:
"Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist durch eine Bescheinigung eines inländischen Amtsarztes, einer inländischen Universitätsklinik, einer Fachabteilung einer inländischen Krankenanstalt oder eines Mobilen Beratungsdienstes der Bundesämter für Soziales und Behindertenwesen nachzuweisen. Kann auf Grund dieser Bescheinigung die erhöhte Familienbeihilfe nicht gewährt werden, hat das Finanzamt einen Bescheid zu erlassen. Zur Entscheidung über eine Berufung gegen diesen Bescheid hat die Finanzlandesdirektion ein Gutachten des nach dem Wohnsitz des Berufungswerbers zuständigen Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen einzuholen. Benötigt das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hiefür ein weiteres Sachverständigengutachten, sind die diesbezüglichen Kosten aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu ersetzen."
In der Beschwerde wird zunächst gerügt, die belangte Behörde habe sich mit der Frage, ob der Sohn des Beschwerdeführers wegen einer bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außer Stande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, überhaupt nicht auseinander gesetzt. Da die belangte Behörde diese Auseinandersetzung unterlassen habe, sei der angefochtene Bescheid rechtswidrig.
Mit diesem Vorbringen entfernt sich die Beschwerde gänzlich vom Inhalt des angefochtenen Bescheides. Zentraler Punkt des angefochtenen Bescheides ist die Sachverhaltsfeststellung, wonach das Kind des Beschwerdeführers voraussichtlich nicht dauernd außer Stande sei, sich den Unterhalt selbst zu verschaffen. Die belangte Behörde hatte zu dieser Frage ein Gutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen Wien, Niederösterreich und Burgenland eingeholt und dieses dem Beschwerdeführer vorgehalten. Auf Grund dieses Gutachtens konnte die belangte Behörde unbedenklich die dargestellte Sachverhaltsfeststellung treffen. Auch hat der Beschwerdeführer Einwendungen gegen das Gutachten nicht erhoben.
Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, die belangte Behörde hätte - allenfalls durch einen Auftrag auf Ergänzung des Sachverständigengutachtens - Feststellungen darüber treffen müssen, ob beim Sohn des Beschwerdeführers eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung vorliege. Es hätte festgestellt werden müssen, ob die ein Ausmaß von mindestens 50 % erreichende Behinderung zumindest mehr als drei Jahre andauern werde. Eine Ergänzung des Gutachtens hätte tatsächlich ergeben, dass die Behinderung für einen längeren Zeitraum als jenen von drei Jahren vorliegen werde. Ausgehend von einer solchen Feststellung hätte die belangte Behörde zu prüfen gehabt, ob die weiteren Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 lit. h FLAG 1967 gegeben seien. Hiezu hätte die belangte Behörde prüfen müssen, ob der Sohn des Beschwerdeführers für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werde und ihm dadurch die Ausübung eines Berufes nicht möglich sei.
Auch mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Gemäß § 2 Abs. 1 lit. h FLAG 1967 besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die erheblich behindert sind (§ 8 Abs. 5), das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Gemäß § 8 Abs. 5 leg cit gilt als erheblich behindert ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 % betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, dass voraussichtlich dauernd außer Stande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Der Familienbeihilfenanspruch nach § 2 Abs. 1 lit. h FLAG 1967 hat eine Berufsausbildung oder eine Fachschulfortbildung zur Voraussetzung. Dass eine dieser beiden Voraussetzungen im Beschwerdefall gegeben sei, hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht behauptet (und behauptet er auch nicht in der Beschwerde). Gemäß § 10 Abs. 1 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe nur auf Antrag gewährt; die Erhöhung der Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind ist dabei besonders zu beantragen. In einem antragsgebundenen Verfahren ist es Sache des Antragstellers, das Vorliegen der anspruchsbegründenden Umstände zu behaupten.
Die Beschwerde bringt schließlich vor, die belangte Behörde habe sich nicht mit der Frage auseinander gesetzt, ob ein Anspruch auf Familienbeihilfe überhaupt bestehe. Sie habe nur geprüft, ob erhöhte Familienbeihilfe zu gewähren sei. Bei entsprechender Prüfung hätte sich ergeben, dass ein Anspruch auf Familienbeihilfe vorliege und damit auch ein Anspruch auf Gewährung erhöhter Familienbeihilfe anzunehmen sei.
Bereits das Finanzamt hat in seinem abweisenden Bescheid zum Ausdruck gebracht, dass nicht nur der Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe (§ 8 Abs. 4 FLAG 1967) nicht gewährt werde, sondern ein Anspruch auf Familienbeihilfe überhaupt nicht bestehe. In der Begründung des angefochtenen Bescheides, der die Berufung gegen den Abweisungsbescheid des Finanzamtes als unbegründet abweist, wird zwar ausgeführt, dass "die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug der erhöhten Familienbeihilfe nicht gegeben" seien. Aus dem Gesamtzusammenhang der Bescheidbegründung ergibt sich aber ohne Zweifel, dass unter "erhöhter Familienbeihilfe" nicht nur der Erhöhungsbetrag im Sinn des § 8 Abs. 4 FLAG 1967, sondern der Grundbetrag an Familienbeihilfe samt dem Erhöhungsbetrag gemeint ist. Im Übrigen zeigt auch das völlig allgemein gehaltene Vorbringen in der Beschwerde nicht auf, dass ein Beihilfenanspruchstatbestand des § 2 FLAG 1967 tatsächlich verwirklicht gewesen wäre.
Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der Verordnung BGBl II 333/2003.
Wien, am 22. April 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2003150065.X00Im RIS seit
02.06.2004