Index
24/01 Strafgesetzbuch;Norm
FrG 1993;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des J, geboren 1966, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 4. Oktober 2001, Zl. St 56/01, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 4. Oktober 2001 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 und 2 iVm den §§ 37 und 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein mit fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Der Beschwerdeführer halte sich seit 1992 in Österreich auf, und zwar nach seinen eigenen Angaben "nicht ganz offiziell, aber immer angemeldet". Im Jahr 1996 sei er ausgewiesen worden. (Er habe nach eigenen Angaben Österreich nicht verlassen können, weil er keinen Reisepass gehabt hätte.) Der Beschwerdeführer lebe seit 1992 mit seiner Lebensgefährtin und seit 1997 mit dem gemeinsamen Kind zusammen und sei (vom 1. Juli 1999) bis zum 31. März 2000 auf Grund der "Kosovo-Verordnung" zum Aufenthalt in Österreich berechtigt gewesen. Den Lebensunterhalt bestreite er aus dem Karenzgeld seiner Lebensgefährtin und aus Unterstützungen von deren Eltern. Er gehe keiner Beschäftigung nach und halte sich gegenwärtig nicht rechtmäßig in Österreich auf. Am 8. Juni 2000 habe er einen Antrag auf Niederlassungsbewilligung gestellt, über den bisher noch nicht entschieden worden sei. Er sei vom Bezirksgericht Linz am 19. Juli 1999 wegen § 146 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von einem Monat und am 30. Dezember 1999 wegen §§ 127 und 146 zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen rechtskräftig verurteilt worden. Ferner sei er insgesamt viermal wegen Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen belegt worden, und zwar wegen Übertretungen nach dem Meldegesetz, dem Fremdengesetz 1992 und dem Fremdengesetz 1997.
Die Tatbestände des § 36 Abs. 2 Z. 1 und 2 FrG seien erfüllt. Durch das Aufenthaltsverbot werde in nicht unbeachtlicher Weise in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen. Von einer gänzlichen Integration des Beschwerdeführers könne nicht gesprochen werden, weil er nur teilweise in einem Arbeitsprozess gestanden und nunmehr wiederum arbeitslos sei. Auch sei ein Großteil seines Aufenthaltes in Österreich illegal gewesen, was letztlich zu seiner Ausweisung bzw. zu den angeführten Verwaltungsstrafen nach dem Fremdengesetz geführt habe. Auch im sozialen Bereich sei dem Beschwerdeführer die Integration abzusprechen, weil er seiner Verpflichtung zur Ausreise nach seiner Ausweisung nicht nachgekommen sei und gerichtlich strafbare Handlungen gesetzt habe. Auf Grund der Tatsache, dass der Beschwerdeführer keiner Beschäftigung nachgehe und im Hinblick auf die bereits begangenen betrügerischen Handlungen sei der Schluss der Erstbehörde auf eine negative Zukunftsprognose nicht verfehlt. Der Beschwerdeführer habe während der Dauer seines Aufenthaltes "die Normen im Bundesgebiet der Republik Österreich" nicht respektiert. Daher sei nicht nur die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme, sondern das Aufenthaltsverbot auch im Licht des § 37 Abs. 1 FrG gerechtfertigt. Die Abwägung aller angeführten Tatsachen ergebe auch die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG.
Die Dauer des von der Erstbehörde verhängten Aufenthaltsverbotes sei nicht rechtswidrig, zumal erst nach Ablauf dieser Zeit erwartet werden könne, dass sich der Beschwerdeführer wiederum an die im Bundesgebiet geltenden Normen halten würde. Die Frist entspreche der Dauer der Tilgungsfrist für seine Verwaltungsstrafen. Diese Dauer scheine auch vor dem Hintergrund seiner persönlichen und familiären Interessen angebracht.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift "wegen Arbeitsüberlastung" ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. In der Beschwerde werden die oben I. 1. genannten strafgerichtlichen Verurteilungen nicht bestritten. In Anbetracht dieser Verurteilungen des Beschwerdeführers wegen der Vergehen des Betruges gemäß § 146 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von einem Monat und wegen der Vergehen des Diebstahls und des Betruges nach den §§ 127 und 146 StGB zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen besteht gegen die Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 (vierter Fall) erfüllt sei, kein Einwand. Was hingegen die von der belangten Behörde angenommene Verwirklichung des Tatbestandes des § 36 Abs. 2 Z. 2 FrG betrifft, so ist dem Verwaltungsgerichtshof eine Beurteilung, ob die Bestrafungen wegen schwerwiegender Übertretungen der in dieser Gesetzesstelle genannten Normen erfolgten, in Ermangelung entsprechender Feststellungen nicht möglich.
2.1. Im Licht des § 36 Abs. 1 FrG bringt der Beschwerdeführer vor, die belangte Behörde habe trotz aktenkundiger - für ihn sprechender - und nachvollziehbar dargelegter Umstände den Ermessensspielraum pflichtwidrig überschritten. Sie hätte vor allem im Hinblick auf die geringfügigen Verurteilungen keine Verletzung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit annehmen dürfen. Er habe sich bis zu seiner ersten Verurteilung in Österreich ca. sechseinhalb Jahre lang wohl verhalten und sei niemals mit dem Gesetz in Konflikt gekommen. Die von der belangten Behörde erstellte Zukunftsprognose einer besonderen Gefährlichkeit für die Rechtsgüter der Republik Österreich sei nicht nachvollziehbar. Die Erstbehörde habe zwar in die betreffenden Strafakte Einsicht genommen, sich jedoch inhaltlich mit den dortigen Strafverfahren nicht entsprechend auseinander gesetzt. Es reiche nicht aus, lediglich Verurteilungen aus Strafakten zu zitieren und pauschal zu übernehmen. Die Fremdenbehörden seien verpflichtet, sich inhaltlich mit den zur Straftat führenden Umständen auseinander zu setzen. Dies habe die belangte Behörde unterlassen.
2.2. Bei der Beurteilung der Frage, ob die im § 36 Abs. 1 Z. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist, ist zu prüfen, ob sich aus dem gesamten Fehlverhalten des Fremden ableiten lässt, dass sein weiterer Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet. Dabei ist - anders als bei der Frage, ob der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt ist - nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. März 2004, Zl. 99/18/0461).
Aus dem angefochtenen Bescheid ergibt sich nur, dass der Beschwerdeführer am 19. Juli 1999 wegen § 146 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von einem Monat und am 30. Dezember 1999 wegen der §§ 127 und 146 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt worden ist. Feststellungen über Art, Schwere und Zeitpunkt der der Verurteilung zu Grunde liegenden Straftaten fehlen. Dasselbe gilt für die angeführten vier Verwaltungsstrafen.
Dies bewirkt im vorliegenden Fall, dass die Ansicht der belangten Behörde, es sei auf Grund der Straftaten des Beschwerdeführers die besagte Annahme gerechtfertigt, vom Verwaltungsgerichtshof nach den genannten Kriterien nicht überprüft werden kann, zumal nicht bereits aus den festgestellten Deliktstypen im Zusammenhang mit der Höhe der verhängten Strafen ersichtlich ist, dass vom Beschwerdeführer noch eine derart große Gefahr für die maßgeblichen öffentlichen Interessen ausgeht, dass das Gerechtfertigtsein der besagten Annahme offenkundig ist (vgl. nochmals das Erkenntnis Zl. 99/18/0461).
3.1. Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid auch im Grund des § 37 FrG. Der Beschwerdeführer lebe gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin und einem Kind in einer Lebensgemeinschaft. Er beabsichtige, seine Lebensgefährtin zu heiraten. Die belangte Behörde habe seine familiären Verhältnisse nur am Rand erwähnt und für die gegen ihn vorzunehmenden Eingriffe keine nachvollziehbare Begründung geliefert. Der angefochtene Bescheid sei sowohl hinsichtlich der Feststellungen zu seinen strafgerichtlichen Verurteilungen als auch hinsichtlich seiner familiären Interessen rechtswidrig.
3.2. Die Sachverhaltsfeststellungen, die die belangten Behörde der Interessenabwägung nach § 37 Abs. 1 und 2 FrG zu Grunde gelegt hat, sind unzureichend, weil auch hier die bereits oben 2.2. (im Zusammenhang mit § 36 Abs. 1 FrG) vermissten näheren Feststellungen zu den den gerichtlichen Verurteilungen zu Grunde liegenden Straftaten fehlen. Erst diese Feststellungen würden eine nachvollziehbare Abwägung der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers mit den gegenläufigen öffentlichen Interessen im Grund des § 37 ermöglichen. Auch im Hinblick darauf leidet der angefochtene Bescheid an einem Feststellungs- und Begründungsmangel, durch den der Verwaltungsgerichtshof gehindert ist, diesen Bescheid unter dem Blickwinkel des § 37 Abs. 1 und 2 FrG auf seine inhaltliche Rechtmäßigkeit zu prüfen.
4. Der angefochtene Bescheid war sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 27. April 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2001180254.X00Im RIS seit
02.06.2004