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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1997 §10;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde der S, (geboren 1979), vertreten durch Dr. Benno J. Wageneder, Rechtsanwalt in 4910 Ried/Innkreis, Adalbert-Stifter-Straße 16, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 31. Juli 2003, Zl. SD 59/03, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 31. Juli 2003 wurde die Beschwerdeführerin, eine jugoslawische Staatsangehörige, gemäß §§ 31, 33 und 37 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, aus Österreich ausgewiesen.
Die Beschwerdeführerin stamme aus der Provinz Kosovo und sei laut ihren eigenen Angaben am 6. Mai 2002 unter Umgehung der Grenzkontrolle in einem Reisebus aus Albanien kommend über Italien und Deutschland illegal nach Österreich eingereist. Am gleichen Tag habe sie sich in Ampflwang bei ihrem Ehemann, der seit 14. Mai 1999 anerkannter Flüchtling in Österreich sei, angemeldet. Seit dem 2. Dezember 2002 wohne die Beschwerdeführerin mit ihrem Ehemann zusammen in Vöcklabruck. Der in der Folge von der Beschwerdeführerin eingebrachte Asylantrag sei mit Bescheid des Bundesasylamtes Salzburg vom 18. November 2002 gemäß § 7 AsylG abgewiesen worden, gleichzeitig sei festgestellt worden, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin in die Bundesrepublik Jugoslawien gemäß § 8 AsylG zulässig sei. Dieser Bescheid sei in Rechtskraft erwachsen. Seit dem rechtskräftigen negativen Abschluss des Asylverfahrens halte sich die Beschwerdeführerin unberechtigt im Bundesgebiet auf. Vom Bundesminister für Inneres sei auch keine Zustimmung dazu erteilt worden, der Beschwerdeführerin eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis gemäß § 10 Abs. 4 FrG zu erteilen.
In ihrer Berufung vom 13. März 2003 gegen den erstinstanzlichen Bescheid habe die Beschwerdeführerin ausgeführt, dass ihr Ehemann anerkannter Konventionsflüchtling wäre. Sie hätte mit ihm am 5. April 2001 den Bund der Ehe geschlossen. Ihrem Ehemann wäre mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 27. April 1999 Asyl gewährt worden. Es würden daher besonders berücksichtigungswürdige Gründe vorliegen, weil ihrem Ehemann nach einer Wohnsitzdauer von vier Jahren die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen werden könnte. Die österreichische Staatsbürgerschaft würde sich dann auch auf die Tochter der Beschwerdeführerin erstrecken, die mittlerweile geboren worden sei. Ferner habe die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, dass sie neuerlich einen Asylantrag eingebracht hätte.
Die Beschwerdeführerin halte sich seit dem rechtskräftigen Abschluss ihres Asylverfahrens insofern rechtswidrig im Bundesgebiet auf, als ihr seit diesem Zeitpunkt weder ein Einreisetitel noch ein Aufenthaltstitel erteilt worden sei. Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführerin mittlerweile ein Aufenthaltsrecht entsprechend einer anderen gesetzlichen Bestimmung zukommen würde, fänden sich im Verwaltungsakt keine. Der bloße Verweis "auf eine 'Ketten-Asylantragsstellung' " vermöge der Beschwerdeführerin noch kein Aufenthaltsrecht nach dem AsylG zu verschaffen.
In Anbetracht der Tatsache, dass sich der Ehemann der Beschwerdeführerin legal in Österreich aufhalte und hier auch ihre Tochter aufhältig sei, werde durch die Ausweisung "sicherlich" in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin eingegriffen. Diese halte sich jedoch zumindest seit Ende November 2002, also seit mehr als einem halben Jahr, illegal in Österreich auf. Bereits ein mehrmonatiger unrechtmäßiger Aufenthalt gefährde die öffentliche Ordnung in hohem Maß, die Ausweisung sei demnach gemäß § 37 Abs. 1 FrG zur Wahrung der öffentlichen Ordnung dringend geboten. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Beachtung durch die Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Die öffentliche Ordnung werde schwerwiegend beeinträchtigt, wenn sich einwanderungswillige Fremde, ohne das betreffende Verfahren abzuwarten, unerlaubt nach Österreich begeben würden, "um damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen". Ebenso, wenn Fremde nach Auslaufen einer Aufenthaltsbewilligung (Einreise- und Aufenthaltstitel) bzw. nach Abschluss eines Asylverfahrens das Bundesgebiet nicht rechtzeitig verließen. Die Ausweisung sei in solchen Fällen erforderlich, um jenen Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte. Vor diesem Hintergrund habe auch "von der Ermessensbestimmung des § 33 Abs. 1 FrG Gebrauch gemacht" werden müssen. Der Hinweis der Beschwerdeführerin auf eine mögliche Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an ihren Ehemann stelle ein ungewisses zukünftiges Ereignis dar und müsse als solches außer Betracht bleiben.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift "wegen Arbeitsüberlastung durch Berufungs- und Beschwerdefälle" ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerdeführerin stellt nicht in Abrede, dass ihr Asylverfahren - wie im angefochtenen Bescheid (vgl. oben I.1.) dargestellt - mit Bescheid vom 18. November 2002 rechtskräftig beendet wurde. Sie behauptet auch nicht, dass ihr ein Aufenthaltstitel (vgl. § 7 FrG) erteilt worden sei. Vor diesem Hintergrund begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass sich die Beschwerdeführerin unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, und somit der Tatbestand des § 33 Abs. 1 (zweiter Halbsatz) FrG verwirklicht sei, keinen Bedenken.
2.1. Die Beschwerdeführerin wendet indes im Grund des § 37 FrG ein, dass das Asyl ihres Ehemanns auf ihre Tochter - einen Säugling - mit Bescheid vom 28. April 2003 erstreckt worden sei. Durch die Erstreckung des Asyls vom Vater auf die Tochter halte sich diese nun rechtmäßig in Österreich auf. Da der berufstätige Vater nicht in der Lage sei, sich rund um die Uhr um den Säugling zu kümmern, wäre er gezwungen, mit der Tochter und der Beschwerdeführerin aus Österreich wegzuziehen. Das würde bedeuten, dass er seine Anstellung aufgeben müsste und sein Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft "hinfällig wäre". Die legal in Österreich lebende Tochter müsste notgedrungen das Bundesgebiet verlassen. Bezüglich dieses Erstreckungsbescheids habe die belangte Behörde keine Erhebungen angestellt; die Berufung gegen den Erstbescheid stamme vom 13. März 2003, weshalb darin auf diesen Erstreckungsbescheid noch nicht Bezug genommen worden sei.
2.2. Die Beschwerdeführerin hat durch ihren unrechtmäßigen Aufenthalt in der Dauer von etwa sechs Monaten dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden in Österreich regelnden Vorschriften, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zukommt (Art. 8 Abs. 2 EMRK), zuwider gehandelt. Die belangte Behörde hat aber - zumal sie keine Gegenschrift erstattet hat - das Vorbringen der Beschwerdeführerin betreffend die Erstreckung des Asyls ihres Ehemannes auf ihre im Säuglingsalter befindliche Tochter nicht in Zweifel gezogen. Bezüglich dieser Erstreckung hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid keine Feststellungen getroffen und - wie die vorgelegten Verwaltungsakten zeigen - keine Ermittlungen angestellt. Da der belangten Behörde nach den Ausführungen im angefochtenen Bescheid bekannt war, dass die Beschwerdeführerin mittlerweile eine Tochter geboren hat und dem Ehemann der Beschwerdeführerin schon im Jahr 1999 Asyl gewährt worden war, hätte es bei der im Beschwerdefall gegebenen Konstellation nahe gelegen, die Frage zu prüfen, ob für diese Tochter ein Asylerstreckungsantrag gestellt wurde und zu welchem Ergebnis das darüber abgeführte Verfahren geführt hat (vgl. §§ 10, 11 AsylG). Dadurch, dass die belangte Behörde, die den maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln hatte (vgl. § 39 Abs. 2 AVG), diese naheliegenden Ermittlungen nicht vornahm, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet. Käme nämlich der Tochter der Beschwerdeführerin tatsächlich (im Weg eines Erstreckungsbescheids) Asyl zu, so würden unter Berücksichtigung dieser mit einer Aufenthaltsberechtigung verbundenen Rechtsstellung der Tochter (wie erwähnt ein Säugling) und dem auf der Hand liegenden Erfordernis ihrer Betreuung durch ihre Mutter, die Beschwerdeführerin, deren persönlichen Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet das genannte maßgebliche öffentliche Interesse im Beschwerdefall überwiegen.
3. Der angefochtene Bescheid war nach dem Gesagten wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 27. April 2004
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete Verfahrensbestimmungen Amtswegigkeit des Verfahrens Mitwirkungspflicht ManuduktionspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2003180256.X00Im RIS seit
02.06.2004